United verzweifelt am heiligen Bollwerk

0:1

Spitzenspiel in der englischen Premier League. Van Gaals Manchester United hatte sich in den letzten Wochen auf Platz drei hochgearbeitet, während Southampton nach einer kleinen Schwächephase wieder zu alter Stärke von Saisonbeginn anknüpfen konnte. Besonders interessant war diese Partie für viele, weil United erstmals nicht unter großen Verletzungsproblemen litt. Wie würde van Gaal aufstellen?

Van Gaal kann erstmals fast aus den Vollen schöpfen

Schon in der Vorbereitung füllte sich das Lazarett und erst jetzt – zu Beginn der Rückrunde – hat van Gaal fast den gesamten Kader zur Verfügung. Wie würde sich United personell aufstellen, wenn sie mit ihrer nominellen Stammelf antreten würden? Die Aufstellung hätte rein von den Namen her ein 4-3-2-1, 4-3-1-2 oder 4-2-3-1 sein können, doch abermals entschied sich van Gaal für das 3-1-4-2/5-2-1-2 mit leicht asymmetrischer Rollenverteilung im Mittelfeld.

Mata spielt in diesem System als rechter Achter meist etwas höher und horizontaler als Rooney, der als linker Achter oftmals zurückfällt, Carrick im Sechserraum unterstützt und insgesamt von seinen Laufwegen her eine vertikalere Rolle hat. Je nach gegnerischer Staffelung und Höhe können aber Mata und Rooney auch auf einer Höhe mit ähnlicher Rollenverteilung agieren, wie es gegen Southampton häufig der Fall war.

Grundformationen

Grundformationen

Allerdings wurde mit der nominellen Stammelf auch die Innenverteidigung angepasst und etwas asymmetrisch ausgelegt. Blind als linker Halbverteidiger versuchte einige Male in den linken defensiven Halbraum vorzustoßen und von dort aus das Spiel mitzugestalten. Somit öffnete Carricks Ausweichen nach rechts nicht nur Räume für Rooneys Zurückfallen, sondern auch für Blinds Aufrücken. Jones schob ebenfalls  einige Male nach vorne, allerdings nicht so weiträumig und spielgestaltend wie Blind. Die Abkehr von einem diagonal-einrückenden Flügelverteidiger auf links (Shaw statt Young) passte ebenfalls dazu.

Eine weitere systemische Veränderung gab es ganz vorne. Zuvor spielten meistens zwei „echte“ Stürmer in der Sturmspitze. Falcao und van Persie bildeten ein sehr tororientiertes Sturmduo, welches wie aus dem Lehrbuch orthodoxe gruppentaktische Bewegungen für einen Zwei-Mann-Sturm zeigte. Sie kreuzten viel, tauschten die Position, fungierten als Blocker füreinander oder spielten weit auseinander, um für den jeweils anderen die Schnittstellen zu öffnen.

Dieses Mal war van Persie der einzige nominelle Stürmer im Angriff; di Maria lief nämlich als zweiter Stürmer auf und interpretierte seine Rolle deutlich flexibler. Immer wieder pendelte der Argentinier von einer Seite auf die andere, versuchte oftmals mit Mata den rechten offensiven Halbraum zu überladen oder vom rechten Flügel in die Mitte zu ziehen und dann tödliche Pässe auf van Persie zu spielen, der sich deutlich starrer auf das Sturmzentrum konzentrierte als mit Falcao als Sturmpartner.

United und speziell di Maria waren in dieser offensivstrategischen Ausrichtung aber zu vertikal und Southampton stand schlichtweg zu kompakt. Darum gab es kaum Torchancen für United, doch auch Southampton hatte Probleme beim Spiel mit Ball.

Southamptons stabilitätsorientierte Offensive tut sich schwer mit den Mannorientierungen

In der Offensive konnte sich Southampton trotz sehr starker Defensivarbeit kaum gegen United durchsetzen. Die Red Devils spielten gegen den Ball einmal mehr mit den flexiblen Flügelverteidigern, die sich häufig zurückfallen ließen und neben den Innenverteidigern für eine bessere Breitenstaffelung positionierten, aber ballnah auch aggressiv von den Flügelstürmern weg auf die gegnerischen Außenverteidiger pressen konnten.

Van Persie und di Maria stellten den Sechserraum zu und orientierten sich dann auf die gegnerischen Innenverteidiger, während Mata, Rooney und Carrick vor den sehr aggressiv mannorientiert spielenden Innenverteidigern das Zentrum besetzten. Neben dem Zugriff durch die vielen Mannorientierungen und das Leiten der beiden Mittelstürmer ist der Vorteil dieser Formation natürlich die Masse an zentralen Akteuren, welche die wichtigsten Zonen besetzen.

Southampton konnte das einige Male umspielen, aber es mangelte an erfolgsstabilen Verbindungen ins zweite und letzte Spielfelddrittel. Das Abkippen und Zurückfallen eines Sechsers zwischen und vor die Innenverteidiger sorgte zwar für eine sehr gute Ballzirkulation, wo man durch das sehr intelligente Öffnen von Räumen durch die Außenverteidiger und Offensivspieler das höhere Pressing Uniteds gut umspielen konnte, aber danach fehlte es an den nötigen Ideen und Bewegungen, um Uniteds Manndeckungsgebilde einstürzen zu lassen.

Die einrückenden Flügelstürmer, Elias leicht zockende und zentrumsorientierte Rolle als Linksaußen und die situative Bildung eines 1-2 statt eines 2-1-Mittelfelds waren ebenso nicht ausreichend wie Pellé als Zielspieler für lange Bälle. Daraus entwickelte sich ein eher träges und langweiliges Spiel, welches nur auf dem Papier durch die taktischen Ideen theoretisch interessant war, in der Praxis aber für zwei sich neutralisierende Mannschaften sorgte.

In puncto Umsetzung war es Southamptons Defensive, welche dafür am meisten verantwortlich und taktisch auch am überzeugendsten war.

Southamptons Kompaktheit entscheidend

Sechs Schüsse gab es insgesamt in der gesamten ersten Halbzeit, nicht einen einzigen aufs Tor. Die Kritik an beiden Offensivreihen wurde schon geäußert, hauptsächlich war aber einmal mehr Southamptons enorm starke Abwehrleistung, welche für das chancenarme Spiel sorgte. Das spielte allerdings auch Southampton in die Karten. Southampton musste nicht das Spiel aufbauen; strategiepsychologisch war United dazu gezwungen höher zu spielen, den Ballbesitz zu haben und letztlich auch aus organisiertem Ballbesitz zu attackieren.

Deswegen konzentrierten sich die Saints lange Zeit rein auf die Defensive. Konter und auch reguläre Angriffe aus dem offenen Spiel heraus bei organisiertem Ballbesitz wurden mit nur sehr wenigen Spielern gefahren. Man war immer auf eine gute Absicherung fokussiert und hatte kein Problem damit, weniger vom Ball und Feld zu haben. Die relevanten Zonen kontrollierte Koemans-Elf aber sehr gut. Ihr 4-2-3-1 wurde in der Arbeit gegen den Ball einige Male ein 4-4-1-1. Pellé spielte vorne, Davis als Zehner hinter ihm besetzte den gegnerischen Sechserraum und unterstützte Pellé beim höheren Pressing nur situativ.

Stattdessen orientierte sich Davis oftmals nach hinten und besetzte das Mittelfeldzentrum. Er schob dann meistens halbrechts zurück, positionierte sich neben Schneiderlin bzw. später Wanyama. Es gab nämlich eine weitere, interessante Bewegung. Der linke Sechser rückte einige Male heraus, wodurch 4-1-4-1-, 4-1-3-2- und 4-3-3-Staffelungen entstanden. Zu Spielbeginn war es meistens Wanyama, der als linke Sechser etwas herausrückte, später übernahm Schneiderlin diese Rolle. Sehr oft blieb es dennoch beim 4-4-1-1, welches aber ballnah interessant gespielt wurde.

Der ballnahe Flügelstürmer rückte früh heraus und versuchte auf den gegnerischen Flügelstürmer zu pressen, während sich Davis sehr eng vor das zentrale Mittelfeld orientierte oder sich zurückfallen ließ, während der ballferne Flügelstürmer auf einer Linie mit den zwei Sechsern agierte und horizontal einrückte. Elia auf links zockte bisweilen etwas, ebenso wie Edeljoker Tadic, der Elias Position später übernahm.

Defensivstrategisch gehört Southampton dank dieser Spielweise mit Chelsea zu den zwei besten Mannschaften der englischen Liga. Sie stellen eine enorme horizontale wie vertikale Kompaktheit her, was in der EPL für sehr viele Mannschaften das größte Manko in der Defensivarbeit darstellt. United konnte sich einige Male aus engen Situationen kombinieren oder durch ihre individuelle Klasse freidribbeln, jedoch hatte Southampton immer sofort einen weiteren Spieler im Pressing, leitete dadurch United wieder nach hinten oder eroberte direkt den Ball.

In der Schlussphase wurde Southamptons Formation immer mehr zu einem 4-1-4-1/4-5-1 mit herausrückenden Achtern, wodurch sie die Führung noch knapp über die Zeit brachten. United erhöhte mit den Einwechslungen von Herrera und Fellaini den Druck, verlor allerdings verdient.

Fazit

Bis zur Schlussminute hatte United nicht einen einzigen Schuss aufs Tor. Sie hatten zwar einige potenziell gefährliche Abschlüsse, alles in allem überzeugten sie nicht gegen Southamptons sehr starke Defensive. Der Mannschaft von Louis van Gaal fehle es an den nötigen Strukturen, um die in der Kompaktheit der Saints die nötigen Räume für konstruktive und erfolgsversprechende Angriffe zu erzeugen.

Ronald Koeman hingegen darf mit seiner Mannschaft überaus zufrieden sein. Einmal mehr zeigte sie, wie man intelligentes situatives Zocken, extreme Kompaktheit und eine sehr zentrumsorientierte Defensivbesetzung nutzen kann, um auch gegen individuell deutlich stärkere Mannschaften zu bestehen. Ihr variables 4-2-3-1 und in der Schlussphase asymmetrisches 4-5-1 stand überaus stabil und es schien fast nur eine Frage der Zeit, bis sie den einen Angriff zum Sieg fahren würden.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*