Österreich – Türkei 0:0
Nach der bitteren Pleite gegen die DFB-Elf trat die österreichische Nationalmannschaft nun gegen die Türkei an. Die Marschroute war klar: Schadensbegrenzung und eine annehmbare Leistung. Die Türken hingegen wollten unbedingt gewinnen, nicht nur wegen der drei Punkte, sondern weil ein Spiel gegen Österreich immer ein gewisses Prestige bedeutet.
Wechselwirkung der jeweiligen Formationen
Die Gäste traten mit einem verkappten 4-2-3-1 an, welches mit einer Doppelsechs und einem defensivorientierten Spielmacher eindeutig zeigte, dass man die ÖFB-Elf trotz der schwachen Leistung im letzten Spiel nicht unterschätzte. Auf links agierte Arda Turan, während rechts Burak, ein eigentlicher Mittelstürmer, zum Einsatz kam. Diese offensive Ausrichtung auf rechts sorgte dafür, dass David Alaba sehr viel Platz hatte und der auffälligste Akteur in der ersten Spielhälfte war – böse Zungen könnten sogar sagen, er war der einzig wirklich überzeugende. Ihn zog es oft in die Mitte und einige gefährliche Aktionen seinerseits sowie durch Arnautovic sowie höherer Ballbesitz als der Gegner zeigten die leichte Überlegenheit der Österreicher. Royer und Alaba spielten auf den außen sehr offensiv, während Scharner und Baumgartlinger sich im Zentrum sehr zurückhielten. Dadurch musste Harnik und auch Arnautovic sehr tief agieren, um das Loch im Zentrum zu füllen.
In einer qualitätsarmen Partie gab es wenige Großchancen und technische Schmankerl, Arnautovic, welcher das Zeug dazu hätte, zeigte zwar gute Ansätze, verlor jedoch zu oft den Ball durch Unkonzentriertheiten oder dumme Fouls an den Gegner. Beide Mannschaften ließen an Kompaktheit vermissen und dennoch sah sich keines der beiden Teams in der Lage, diesen Raum im Mittelfeld für gefährliche Vorstöße oder strategisch vorgetragene Angriffe zu nutzen. Interessant war, dass Österreichs Verteidigung immer dann ins Schwimmen geriet, wenn die Türken aufrückten und sie höher attackierten – hier ein Vorwurf an Guus Hiddink, welcher erst viel zu spät von seiner defensiven Marschroute abrückte und seine Mannschaft hätte höher agieren lassen müssen. So entwickelte sich ein Spiel, welches von individuellen Aktionen und Mittelfeldgeplänkel geprägt war.
Zweimal 4-4-1-1?
Während die ÖFB-Elf eindeutig in einem 4-4-1-1 agierte, musste man beim System der Türken etwas genauer hinschauen – doch das lohnte sich, eine sehr interessante Asymmetrie kam deutlich zum Vorschein. Die schematisch tiefe Rolle des eigentlichen Zehners bei den Türken sowie die offensive Orientierung des Rechtsaußen Burak förderten letztlich ein stark verschobenes 4-4-1-1 zutage, welches darauf aus war, das Loch hinter einem extrem offensiven Fuchs auszunutzen. Ob gewollt oder nicht, Fuchs ging nicht mit nach vorne und diese Idee Hiddinks wurde zu einem zweischneidigen Wert – Burak doppelte manchmal nicht und war in der Rückwärtsbewegung generell zu ineffektiv, was Raum für Alaba öffnete und den eigentlich sehr offensivstarken Sabri hinten band. Zwar versuchte Yekta durch eine halbrechte Rolle dieses Loch zu füllen, doch Harnik und Arnautovic, die sich beide zwischen die Linien fallen ließen, sorgten dafür, dass Yekta auch im zentralen Mittelfeld helfen musste. Die Innenverteidigung der Türkei war somit zwar öfters ohne direkten Gegenspieler, doch deshalb wurde der Raum im defensiven Mittelfeld für die Türkei enger und obwohl man kaum gefährliche Szenen zuließ, konnte man sich nie spielerisch befreien und gewährte Alaba viel Raum.
Als in der zweiten Halbzeit Fuchs offensiver agierte, zeigte sich Burak durchaus torgefährlicher und obwohl es vorrangig an der erhöhten Kompaktheit der Türken lag, dass man in der zweiten Halbzeit die Oberhand erringen konnte, so war auch die offensivere Rolle Fuchs‘ ein Nebengrund.
Arnautovics Spielchen – dieses Mal auf dem Platz
Marko Arnautovic, am Vorabend noch Opfer eines Telefonstreichs geworden, hatte die Rolle als vorderster Stürmer inne, während Martin Harnik hinter ihm spielte und zwei Funktionen hatte: einerseits Raum für Arnautovic und die Außenspieler zu öffnen, andererseits den Raum, den Arnautovic für ihn öffnete, zu nutzen. So war es wenig verwunderlich, dass die knappste Szene Österreichs in diesem Spiel ein Abseitstor war – von Harnik erzielt als schematisch höchster Spieler. Interessanter wäre dieses Rochieren aber geworden, wenn man vom Mittelfeld mehr Impulse bekommen hätte, ein spielmachender Sechser oder ein offensivfreudiger Scharner, der bereits öfters bewies, ein guter box-to-box-midfielder zu sein, hätten den Defensivverbund der Türkei unter Druck gesetzt und wohl auch die Innenverteidiger aus ihren Positionen gelockt.
Da Scharner und Baumgartlinger sich offensiv nie präsent zeigen konnten, fehlte es vorne nicht nur an kreativem Chaos, sondern ebenso an Anspielstationen, die insbesondere Arnautovic abgingen.
Der Bremer lebt nämlich nicht nur von seinem starken Schuss und dem guten Dribbling, sondern einem dynamischen Kombinationsspiel, mit welchem er sich selbst indirekt in Szene setzen kann – bei Twente klappte das bspw. noch hervorragend, bei Bremen teilweise auch, doch in der Nationalmannschaft fehlen außer Alaba Spieler, die den Ball fordern und ihn auf höchstem Tempo verarbeiten können. Viel zu oft musste man sehen, wie prallen-gelassene Bälle oder versuchte Doppelpässe, sei es mit Ferse oder nicht, keinen Mitspieler fanden und daran war nicht ausschließlich Marko Arnautovic schuld; nahezu der gesamten Mannschaft Österreichs fehlt es Mut zum Risiko, zum Aufrücken und zum Ballfordern, es ist bezeichnend, dass ein 19jähriger der präsenteste und reifste Spieler auf dem Platz zu sein scheint. Womit wir auch beim nächsten Thema wären:
Mikrotaktik – und wieso sie bei Österreich nicht funktioniert
Ein schwaches Einrücken der ÖFB-Defensive, wenig Kombinationen und keine Spielgestaltung aus dem Zentrum heraus sind die auffälligsten Problemstellen im Spiel der Nationalmannschaft. Doch viel feiner liegen die größeren Probleme, die Symptome einer Mannschaft, an die niemand glaubt, auch sie selbst nicht. Kaum einer übernimmt Verantwortung oder treibt seine Mannschaft lautstark an, selbst Scharner und Pogatetz sind nach internen Machtkämpfen wortkarger geworden, was zu einem oftmals unterschätzten Problem führt. Ein psychisches Tief bei der gesamten Mannschaft wirkt sich nämlich auch auf die Taktik und die Gesamtleistung auf, doch da es auf elf Schultern verteilt ist, wirkt es fast unmerklich und ist sehr schwer zu verändern. Fast allen Spielern gehen die letzten Zentimeter ab, die Entschlossenheit in ihren Aktionen und der Spaß, Fußball zu spielen. In der Offensive spielt man auf Risikovermeidung, in der Defensive steht man eng, aber vergisst auf den Gegenspieler und orientiert sich lieber an den Fehlern seines Nebenmannes, anstatt etwas zu riskieren und eben jenen auszubügeln. Eine Spielszene blieb besonders in Erinnerung, nämlich jene vor dem Elfmeter. Es sind die letzten Minuten eines Heimspiels und zwar eines extrem wichtigen für das gesamte Land, doch nach einem Ballverlust wird der gegnerische Ballführende im Mittelfeld nicht richtig attackiert, man lässt ihn gewähren, während die eigene Viererkette desorganisiert und ängstlich den Raum hinten deckt, sich aber dennoch von einem langen Ball überlisten lässt. Glück für Österreich, dass Arda Turan den Elfmeter nicht verwandeln konnte und es bei einem glücklichen 0:0 blieb.
Fazit
Ein schwaches Spiel besiegelte das Aus Constantinis als Trainer der österreichischen Nationalelf zum Jahresende hin. Kaum spielerische Höhepunkte, mangelnder Kampfgeist und eklatante taktische Schwächen sorgten für eine Nullnummer im heimischen Stadion gegen nicht viel bessere Türken, welche zwar keine EM-Tauglichkeit zeigten, allerdings auf drei verletzte Spieler hoffen dürfen, die für Besserung sorgen können.
11 Kommentare Alle anzeigen
Isa 20. September 2011 um 12:54
Bezüglich die türkische Mannschaft:
da gibt es viele Probleme in der Nationalmannschaft, viele sind der Meinung, dass Hiddink trotz das er seit einigen Monaten im Amt ist, den Kader immernoch seinem CO-Trainer Oguz Cetin überlässt. In der Nationalmannschaft sieht man immer wieder Spieler, die da nichts zu suchen haben oder eben ein totales Fehlsystem. Yekta, den du hier als 10er darstellst, ist ein ZM. Spieler wie Mehmet Ekinci, Gökhan Töre müssen in der Start11 sein oder früher eingewechselt werden.
Burak ist eigentlich kein Mittelstürmer, er ist eigentlich ein Winger gewesen, doch etwa die letzte Saison poolte man ihm, deshalb sollte er auf dem Wingerposition gut zurecht kommen.
Bei dem Spiel haben uns wichtige Spieler gefehlt, wie z.B. Nuri Sahin, Hamit Altintop, Gökhan Gönül, Emre Belezoglu, Selcuk Inan, …. – alles samt Spieler, die oft in der Start11 stehen.
Zudem wie oben gewähnt die Planung total Fehlerhaft ist. Umut ist als Mittelstürmer sehr uneffektiv, vor ihm wären Mevlüt Erding und Semih Sentürk. Außerdem haben wir super Talente wie Sercan Yildirim oder Cenk Tosun.
Jan 19. September 2011 um 23:32
Hey,
wunderbare analyse! (wiedermal)
Aber ich hätte mal eine bitte an dich,
du machst mir einen SEHR professionellen eindruck. Kannst du evtl. mal so dein eigenes System machen? erklären wie du spielen würdest, ausführlich?
Ich als „hobbytrainer“ würde mich freuen mal dein System auszuprobieren.
Danke
RM 19. September 2011 um 23:56
Danke für das Lob!
Genauere Fragen dieser Art beantworte ich gerne, allerdings bitte ich um eine detailliertere Fragestellung an meine Emailadresse: .
Pseu 8. September 2011 um 15:25
Als VfB-Fan interessiert mich, ob Harnik die zentrale Position evtl auch im Verein spielen könnte. Hajnal ist ja grade nicht richtig in Form…
Johnny 7. September 2011 um 17:06
Ein sehr Österreichlastiger Bericht – darüberhinaus wird im zweiten Absatz (zweimal 4-4-2-1-?) der Name Bulut mehrmals falsch geschrieben. Der gute heißt nämlich Umut Bulut (BulAt heißt es oben) und spielt bei Toulouse in der französischen Liga.
Interessant wäre tatsächlich gewesen, wenn ein Stück weit mehr auf die Türken eingegangen wäre. Das mit Mehmet Ekici und Gökhan Töre zwei Edel Joker saßen, die definitiv hätten einwechseln müssen und das schon sehr Früh (statt auf die 93 Minute zu warten) um so noch kompakter Auftreten zu können. Yekta war klar überfordert, trotz der Tatsache das ihn zwei reine Zerstörer den Rücken freigehalten haben – Ekici wäre hier sicherlich geeigneter gewesen.
Die Leistung der türkischen Nationalmannschaft unter Guus Hiddink sind zum Haare raufen. So wird das nichts mit der EM Qualifikation.
RM 7. September 2011 um 19:55
Da ich nicht ausreichend über die türkische Nationalmannschaft Bescheid weiß, wollte ich nicht mir unbekannte Sachen analysieren, ein Danke aber an dich (und andere User, die meinen Horizont erweitern), sowas ist immer hilfreich. Für den blöden Gedankendreher möchte ich mich natürlich entschuldigen, sehr peinlicher Fehler mit den Namen, den ich nun ausgebessert habe.
Ero 7. September 2011 um 16:27
Wie immer Klasse. Nur gibts keinen der Bulat heißt. Er gibts einen Burak und einen Umut, will nicht kleinlich sein, sondern nur bescheid geben.
schwubdiwub 7. September 2011 um 16:06
naja. eigentlich muss gesagt werden dass es f DiCo gar keine wirkliche Konsequenz gibt. Er wird seinen Vertrag einfach erfüllen(der vlt. schon in der Erwartung die Quali nicht zu schaffen schon nur bis Jahresende geschlossen wurde), dieser wird halt nicht verlängert… naja ÖFB halt…
Harald Wininger 7. September 2011 um 16:33
soweit ich weiss, wäre sein vertrag bei erfolgreicher quali automatisch verlängert worden.
DiCo kann man netamal die schuld geben, dass er weitermacht. vielmehr zeigt es eine gewisse planlosigkeit des ÖFB. die müssten schon seit wochen den einen oder anderen kandidaten in der hinterhand haben.
da aber dieser beschluss von den präsidenten der landesverbände gefällt wird, war nix anderes zu erwarten. diese präsidenten stehen übrigens dem jeweiligen bundesland-amateur fussball vor.
eine einzige farce, dass diese leute dann den höchsten trainer in österreichs profifussball bestimmen.
ach ja, um bezug zum artikel herzustellen:
hervorragend analysiert. und schön abweichend von den mit dem spiel durchaus zufriedenen massenmedien österreichs.
Harald Wininger 7. September 2011 um 15:16
euch ist ein fehler unterlaufen (;-)):
„Ein schwaches Spiel besiegelte das Aus Contantinis als Trainer der österreichischen Nationalelf. “
das wäre vielleicht in jedem land der welt so, jedoch nicht in österreich.
DiCo darf bis jahresende weiterwursteln.
RM 7. September 2011 um 15:18
Oh, so war’s eh gemeint, aber aufgrund der fehlenden Zeitangabe natürlich ein Missverständnis und ich nehme die volle Schuld auf mich. Danke!