Blick über den Tellerrand – Folge 6

Nun schon die sechste Folge unserer Serie, die sich diesmal mit ADO den Haags Offensivausrichtung, der riskanten Spielweise der zweiten Kraft aus Frankfurt und einem Derby im italienischen Norden beschäftigt.

Interessant zu beobachten: ADO den Haag

Eigentlich waren die Störche unter Jung-Trainer Maurice Steijn aus der Stadt des Regierungssitzes in der vergangenen Saison ein noch interessanteres Team als sie es aktuell sind – doch in dieser Spielzeit ist ADO erfolgreicher, steckt nicht mehr im Abstiegskampf, sondern hat sich auf einem oberen Mittelfeldrang eingenistet.

Auffällig ist neben der häufig riskanten und offensiven Mittelfeldausrichtung ohne wirklich defensiv absichernden Akteur der sehr grobe und etwas verschwommene Charakter der Grundformation mit interessanten Bewegungsmustern und Beziehungen zwischen den einzelnen Spielern. So wird gerade der linke Flügel sehr stark situativ entweder von Toornstra oder von Chery, wobei dieser mittlerweile immer wieder mit van Duinen die Seiten tauscht, besetzt – beide sind sehr vielseitige Akteure, die immer wieder die Plätze tauschen und miteinander interagieren, so dass der halblinke Achter den einrückenden Flügel zum Beispiel hinterläuft. Manchmal tauchen auch die vier offensivsten Spieler auf rechts auf, während der nominell halbrechte Achter Jansen die halblinke Seite besetzt.

Dazu gibt es mit Meijers einen sehr offensiven Linksverteidiger, der für Breite sorgen kann, während Jansen aus der Tiefe mit vorstößt und von Holla abgesichert wird – nachdem dieser zum Kapitän und Stammspieler geworden ist, gibt es nun häufiger einen absichernden Sechser, doch selbst dieser schaltet sich noch ab und an mit nach vorne ein. Dort agiert van Duinen nominell als Flügel, rückt aber sehr weit ein und spielt teilweise als primärer Stürmer, weil der torgefährliche Poepon sich auch immer wieder fallen lässt, für das Team arbeitet und spielmachend agiert – ein echter Glückskauf nach den schwerwiegenden Abgängen von Radoslavjevic (Venlo), Immers, Wesley Verhoek (beide zu Feyenoord) und dessen Bruder John, der von Stade Rennes ausgeliehen war

Wo es gut läuft: FSV Frankfurt

Mittlerweile ist Verhoek an einen neuen Klub ausgeliehen worden – den FSV Frankfurt, der unter Trainer Benno Möhlmann derzeit sehr erfolgreich in der zweiten Bundesliga agiert. Manche Aspekte des Frankfurter Spiels wie beispielsweise die manchmal sehr hohe Stellung zweier Endstürmer oder der recht auffällige Flügelfokus scheinen etwas konservativ, doch die Art und Weise, wie diese Charakteristika ausgespielt werden, ist dagegen sehr modern und interessant.

FSV Frankfurt mit zwei Stürmern

Das fängt bereits in der asymmetrisch aufgestellten Abwehrreihe an, in welcher die linke Seite mit dem offensiven Außenverteidiger Teixeira dominant ist. Sehr wichtig in diesem Zusammenhang ist auch der halblinke Innenverteidiger Tim Heubach aus der Gladbacher Jugend, der immer wieder enorm breit auffächert, viele spielstarke Aktionen in einem großen Bereich hinter Teixeira zeigt und darüber hinaus einige sehr gezielte und präzise Vorstöße bis ins Kombinationsspiel des letzten Drittels einstreut.

Im defensiven Mittelfeld sind der horizontal absichernde Manuel Konrad und der offensiver agierende Yannik Stark erste Wahl. Letzter schaltet sich sehr viel nach vorne mit ein, agiert dabei aber nicht nur vertikal, sondern besetzt sehr weitläufig  verschiedene Räume und hilft oftmals auch weit auf den Seiten mit. Dabei ist es eine Stärke des Jungspielers, dass er sich primär auf die jeweils stärkere Außenbahn seiner Mannschaft bewegt.

Meistens ist dies natürlich die linke Seite, wo dann die aufrückenden Stark und Heubach die zentralen Akteure sind, um Überzahlen für erfolgreiches Kombinationsspiel herzustellen und um die teilweise hohen Positionierungen der recht vertikal agierenden Stürmer zu ermöglichen. Doch die Frankfurter sind recht flexibel und haben immer wieder auch Spiele, in denen sie die rechte Seite überladen wollen, woran sich dann auch Stark anpasst. Dies passiert besonders, wenn nur eine zentrale Spitze aufgeboten wird und stattdessen beispielweise Roshi als zentraloffensiver Akteur die Dreierreihe eines 4-2-3-1 mit Görlitz und Leckie komplettiert. In diesen Fällen bewegt sich der nominelle Zehner ebenso weit nach außen oder in die Halbräume, wo sich überdies Görlitz sehr intelligent bewegt, und erhöht dort die Präsenz seiner Mannschaft. Anschließend gelingt es der Mannschaft durch die Positionierungen von Heubach und Stark sowie die Tendenzen nach innen durch Görlitz und Teixeira aber auch gut, von den Halbräumen und Flügeln wieder in etwas zentralere Räume zum Durchbruch zum Tor zu kommen.

Erwähnenswert ist auch die Defensivspielweise der Frankfurter, die nicht in erster Linie auf Kompaktheit setzen, sondern viel über Raumkontrolle und auch mit Passivität arbeiten, wobei sie auf richtige Entscheidungen der Spieler setzen. An guten Tagen sieht die defensive Ordnung dabei zwar chaotisch aus, ist aber sehr effektiv und lässt dem Gegner zwar Räume, aber keine Freiheiten und vor allem keine Kontrolle – diese haben nämlich die Frankfurter inne, welche dann auch komplett ohne Fouls auskommen können. Beim 3:1 in Bochum beispielsweise benötigten sie nur sieben, wobei Verhoek, Kapplani und der eingewechselte Offensivmann Roshi gleich vier davon in der gegnerischen Hälfte verursachten.

Spiel der Woche: Juventus – FC Torino 3:0

Zum ersten Mal seit langem trat Juventus Turin, vermutlich auch als Reaktion auf die Niederlage bei Milan, wieder mit einem 4-3-3 an und nicht dem 3-5-2, das eigentlich etwa Mitte der vergangenen Saison der Viererketten-Formation den Rang abgelaufen hatte. Gegen den Stadtrivalen hatte Juve allerdings einige Probleme und musste sich im 4-3-3 erst einmal zurechtfinden.

Auffällig war dabei, dass der Aufsteiger es schaffte, die starke linke Seite der Hausherren kaum zur Entfaltung kommen zu lassen. Natürlich lag dies einerseits am Fehlen der enorm wichtigen Chiellini und Asamoah, doch ebenso hatte die Maßnahme, Rechtsaußen Alessio Cerci im Defensivspiel sehr hoch und breit stehen zu lassen, ihre Wirkung. Dadurch traute sich Juves Linksverteidiger de Ceglie kaum nach vorne – bei Ausnahmen wurde er von Cerci mannorientiert verfolgt. Weil auch Giovinco vom linken Flügel immer wieder in seine übliche Zehnerrolle hinein driftete, verwaiste diese Seite stark, was durch Marchisios gelegentliches Ausweichen nicht wesentlich aufgefangen werden konnte – dieser merkte schnell, dass er sich dadurch eher etwas selbst isolierte. So wurde die „Alte Dame“ viel zum Spiel über ihre rechte Seite gedrängt, was die sehr weit hinübergeschobene 4-3-Anordnung des Gegners aber gut verteidigt bekam. Dass zudem Pirlo über weite Phasen vom zurückfallenden Meggiorini in Manndeckung genommen wurde, verschärfte die Schwierigkeiten im Spiel der Gastgeber. Mit dem Seitentausch der beiden offensiven Flügeln wurde es besser, weil die Spielfläche ausgeglichener bespielt wurde und Torino mehr ins Verschieben arbeiten musste.

Die Gäste spielten in der Offensive einen wenig kreativen, auffälligen oder besonders elaborierten, dafür aber sehr konsequenten Fußball aus einer 4-4-2-Formation heraus – zwei Sechser, die nicht viel riskieren wollten, zwei trick- und temporeiche Flügel sowie zwei spielstarke, aber hohe und präsente Stürmer. Insgesamt konnten sie nach langen Bällen durch diese hohe Präsenz ebenso einige wenige Chancen generieren wie über Flügelaktionen, doch gegen die starke Juventus-Defensive war dies nicht genug.

Nach dem Seitenwechsel kehrten die Hausherren wieder zu ihrer (eigentlich erzwungenen) Rechtslastigkeit zurück und wollten diese nun mit Gewalt und zusätzlicher Präsenz auf der Seite und in vorderster Linie ausspielen. Bendtner kam als Abnehmer für Flanken und zum Verarbeiten schwieriger Bälle in engen Räumen, während Vucinic von links für zusätzliche Präsenz einrücken sollte. Beim Führungstor gelang dies – durch die gute Mithilfe von Pogba linksoffensiv und Barzaglis Aufrücken kam Giovinco rechts durch sowie zur Flanke. In der Mitte warteten zwei Stürmer, so dass Marchisio aus dem Hinterhalt verwandeln konnte – ebenso wie später beim 3:0. Allerdings muss angemerkt werden, dass die Gäste durch einen Platzverweis für Glik kurz vor der Pause in Unterzahl gerieten und Juventus erst einige Zeit danach ihre Defensive einreißen konnte.

Und sonst so? Statistiken und Kurioses

19:2 Schüsse, 71 % Ballbesitz, eine 20% höhere Passgenauigkeit, 9:0 Ecken – und dennoch reichte es für Mallorca, die zu allem Überfluss noch einen Elfmeter vergaben, nur zu einem kurz vor Schluss gesicherten 1:1 gegen Zaragoza. Doch vielleicht war die wirkliche Gefahr der Hausherren gar nicht so groß, wie es auf den ersten Blick scheint: Während Zaragoza beide Abschlüsse auf den Kasten brachte, platzierte Mallorca nur sieben Versuche auf das Tor. Auch die Passquote von nur 76 %, die 4o Einwürfe, der Flügelfokus von 80 %, die 41 geschlagenen Flanken und schließlich die Tatsache, dass zwei Drittel ihrer Abschlussversuche aus Standardsituationen resultierten, weisen daraufhin, dass zwar viel Druck vorhanden war, aber die letzte Idee und die letzte Durchschlagskraft fehlten.

juwie 4. Dezember 2012 um 00:30

Schön, dass Ihr mal einen Blick auf den FSV werft. Die Bornheimer liefern nun ja schon im dritten Jahr ganz manierlichen Zweitliga-Fußball ab. Und als F95er muss man der zweiten Kraft vom Main ja ohnehin die Daumen drücken! 😉

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TW 4. Dezember 2012 um 00:23

Schön zu lesen, dass der Gegner auch einen wichtigen Anteil an der katastrophalen Leistung der Bochumer hatte ;-). Ich habe den VfL (außer bei der Schneeschlacht gegen Aue) dieses Jahr noch nicht so chancenlos gesehen.

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