Zwei Gesichter einer Mannschaft – die DFB-U21 auf der Suche nach Stabilität. – LC
Nach zwei Qualifikationsspielen innerhalb weniger Tage zeigte die deutsche U21 unterschiedliche Gesichter. Gegen Griechenland verpasste das Team den Start und verlor trotz starker Aufholjagd, in Nordirland gelang nach frühem Rückstand die späte Wende. Beide Begegnungen offenbarten typische Muster: Phasen mit Unsicherheiten und Abstimmungsproblemen, aber auch klare Reaktionen und Anpassungen im Spielverlauf. Die folgende Analyse betrachtet diese Partien im Hinblick auf taktische Umstellungen, Schwächen und Entwicklungen.
Vom Fehlstart zur Anpassung: Wie die U21 auf ihre Gegner reagierte
1. Spiel vs Griechenland
In beiden Spielen agierte die deutsche U-Nationalmannschaft aus einer flachen 4-4-2 Grundordnung heraus. Dabei waren die Ansätze in den jeweiligen Spielen aufgrund der unterschiedlichen Spielertypen und gegnerischen Spielweisen sehr unterschiedlich. Während die Griechen im 4-1-4-1 Mittelfeldpressing mit situativen Angriffspressing agierten, zog sich Nordirland im flachen 5-4-1 bis tief in die eigene Hälfte zurück.
Beide Mannschaften fokussierten in ihrer Spielweise das Spiel gegen den Ball, aber mit unterschiedlichen Ansätzen. Im ersten Spiel des Lehrgangs agierten die Griechen im Zentrum in Überzahl und konnten so, die ohnehin schon statische deutsche Mannschaft in einem Mannorientieren Pressing hoch anlaufen.
Gegen die deutsche U21 setzte Griechenland auf ein kompaktes 4‑1‑4‑1-System mit starkem Fokus auf Mittelfeldpressing und situativem Angriffspressing. Die zentrale Absicherung durch den defensiven Mittelfeldspieler erlaubte es den Griechen, die Räume im Zentrum eng zu halten und Ballverluste der Deutschen sofort zu bestrafen. Durch das aggressive, mannorientierte Anlaufen konnten sie die statische deutsche Abwehr früh unter Druck setzen und den Spielaufbau effektiv stören – ein Muster, das insbesondere in der ersten Halbzeit entscheidend war.
2. Spiel gegen Nordirland
Im zweiten Länderspiel der U21 zogen sich die Nordiren in ihrem Pressingverhalten weiter zurück als noch die Griechen. Auffällig dabei die Positionierung der Außenverteidiger der 5er Kette. Diese standen bei Ballbesitz der deutschen Mannschaft auffällig breit und nah an den Flügelspielern Damar & El Mala. Vor allem im letzten Drittel machte sich dies Bemerkbar, da die deutschen die beiden Dribbler so gut wie nie ins Spiel bringen konnten. Durch die nahe, tiefere und breite Position konnten die ballbesitzenden Spieler die Spieler nie anspielen, ohne das diese schon vor dem ersten Kontakt gestört wurden. Die Nordiren nahmen so der deutschen Mannschaft eine wichtige Stärke.
Nordirland agierte gegen die deutsche U21 in einem tief stehenden 5‑4‑1-System, das sich bei Ballbesitz des Gegners noch weiter in die eigene Hälfte zurückzog. Ziel war es, Räume im Zentrum zu verdichten, die Flügelspieler der Deutschen eng zu decken und Ballverluste zu provozieren. Durch diese kompakte, defensiv ausgerichtete Grundordnung und die häufige Nutzung langer, hoher Bälle auf den Stürmer versuchte Nordirland, Drucksituationen zu erzeugen und schnelle Umschaltmomente für eigene Angriffe zu nutzen.
Das Problem mit der Statik
4-4-2 vs 4-1-4-1
Gegen das mannorientierte Pressing der Griechen entwickelten die deutschen in der ersten Halbzeit nur selten Lösungen. Exemplarisch wie im Bild links, wurde das Spiel auf eine Seite gelenkt, wo ein 8er aus dem 4-1-4-1 als 2ter Stürmer einen hohen Ballgewinn provozieren wollte. Morgalla wurde hierbei vom linken Flügelspieler angelaufen und Aseko löste sich aus seiner zentralen Position wobei dieser vom 6er übernommen und zugestellt wurde. Die Herangehensweise im Pressing der Griechen mit anhaltender Statik der deutschen Mannschaft sorgte so vor allem in der ersten Hälfte für ein Spiel mit wenig Kombinationsspiel und Ideenvielfalt der deutschen Mannschaft.
Zu Beginn der 2. Hälfte konnte mithilfe der Positionsanpassung von Ullrich, der zunehmend invers (ins Zentrum ziehend) mit Ball agierte und der Hereinnahme von El Mala und Ouedraogo das Spiel dynamischer kreiert werden. Ullrichs Position konnte die beiden Verteidiger der Mittelfeldkette eng im Halbraum binden, öffnete für den breiter agierenden Rothe den Pass auf El Mala, der seine Stärke im 1vs1 gegen den Außenverteidiger ins Spiel bringen konnte. Auf der rechten Seite spielte von nun an Aseko, der seine Rolle flach interpretierte. Ebenfalls flacher als in der ersten Hälfte agierte Damar, so konnten asynchron zur linken Seite 2 Spieler breit gebunden werden. Durch diese Anpassung konnte Raum auf der rechten Angriffsseite erzeugt werden, in den Ouedraogo mit tiefen Läufen immer wieder das Spiel öffnete.
Ungenutzte Halbräume
Im Spiel gegen die Nordiren spielten die Halbräume eine zentrale Rolle. Wie bereits zu Beginn des Artikels beschrieben, presste die Heimmannschaft in einem flachen 5-4-1. Dabei bezogen die ballnahen Außenverteidiger eine eher ungewöhnliche Position im tiefen Block. Die Verteidiger positionierten sich nah den Flügelspielern, tiefer und breit, so, dass ein Anspiel auf die Breite für die deutsche Mannschaft nicht möglich wurde. Lediglich durch direkte Verlagerung oder einer flacheren Position von El Mala & Damar konnten jene Spieler in Aktion gebracht werden. In folgen eines Anspiels schob die restliche Kette der Iren durch, dadurch schloßen sie den Raum, sicherten den AV wieder und zwangen einen Neuaufbau der deutschen Mannschaft.
Während der ersten Hälfte konnte die deutsche Mannschaft den Raum, der zwischen dem Außenverteidiger und Halbverteidiger entstand nur selten nutzen. Weiper & Tresoldi konnten die 3 zentralen Verteidiger binden, Ullrich gab zwar immer wieder Tiefenläufe in den Raum vor, konnte aber aus seiner flachen Position keinen Überraschungseffekt hervorrufen. Das Beispiel links zeigt eine der seltenen Dynamiken in den Halbraum über einen Doppelpass vom Andribbelnden Rothe und Ouedraogo. Die Situation endet in einem Zweikampf im Strafraum, da der Pass auf den in die Tiefe laufenden Rothe zu nah an den Verteidiger gespielt wird. Auf die Ungenauigkeiten im Spiel mit Ball, werden wir im späteren noch eingehen.
Direkt statt filigran – wie Nordirland mit langen Bällen Druck erzeugte
Der Spielaufbau der Nordiren wurde oftmals mit einem langen, hohen Ball eröffnet. Dabei wurde Makenzie Kirk, Nr 9 der Iren, als Zielspieler gesucht. Interessant ist dabei aber auch die Positionierung vor den langen Bällen der Iren. Neben der ausgeprägten Schlagtechnik des irischen Torhüters positionierte sich die Heimmannschaft oftmals in einem flachen 3-4-3 heraus auf. Das Muster, leicht erkennbar, Ball auf den Zielspieler und im besten Fall in die Kette ablegen und von dort aus, entweder auf den tiefstartenden Mitspieler oder sicher in die Überzahl in der ersten Linie. Im Mittelfeld stellten die Iren eine Manndeckung her, sollte der Ball in diesen Raum gelangen, zog das Gegenpressing direkt an und die deutschen, die oftmals in einer geschlossenen Stellung standen konnten sich vom Druck nur selten befreien. Erst im laufe der Partie gewonnen die deutschen mehr und mehr die zweiten Bälle durch nutzen eines Wandspielers, an dieser Stelle Weiper, der die 2ten Bälle direkt verarbeiten konnte.
Anfangssschwierigkeiten
Auffällig in beiden Partien waren die unsicheren Anfangsphasen, in denen die deutsche Mannschaft nur schwer Zugriff auf Spieltempo und Dynamik fand. Sowohl gegen Griechenland als auch gegen Nordirland fehlte in den ersten Minuten die notwendige Orientierung auf Gegner und Umgebung. Unsaubere Staffelungen, langsame Anschlussbewegungen und ein zögerliches Verhalten im Anlaufen führten dazu, dass das Team früh unter Druck geriet. Besonders gegen das intensive, mannorientierte Pressing der Griechen fand die U21 zunächst keine klaren Lösungen im Aufbau, während in Nordirland das tiefe Abwehrverhalten des Gegners zu unpräzisem Positionsspiel und fehlender Zielstrebigkeit führte. In beiden Fällen reagierte die Mannschaft erst nach rund 20 Minuten, als sich Abläufe stabilisierten und die Raumaufteilung strukturierter wirkte – ein wiederkehrendes Muster, das auf Anpassungsschwierigkeiten und mangelnde Wachsamkeit in der Anfangsphase hinweist.
Unsicher und Ungenau
Ein weiteres zentrales Manko der deutschen U21 zeigte sich im Passspiel, das insbesondere in den Übergangsphasen und im letzten Drittel häufig unsauber war. Gegen Griechenland führten ungenaue Pässe und fehlende Abstimmung im Spielaufbau immer wieder zu Ballverlusten, die den Gegner zu schnellen Gegenangriffen einluden. Ähnlich präsentierte sich die Situation gegen Nordirland: Im letzten Drittel fehlte häufig die Präzision, um die Flügelspieler gezielt einzubinden, wodurch Chancen auf klare Abschlüsse kaum zustande kamen. Diese Ungenauigkeiten erzeugten wiederholt Kontersituationen für den Gegner, die die Defensive unter Druck setzten und zeigten, dass die Mannschaft noch Schwierigkeiten hat, Ballbesitz in kontrollierte, zielgerichtete Angriffe umzuwandeln.
Erfolgreiche Anpassungen
In beiden Partien zeigte die deutsche U21 nach anfänglichen Problemen, dass sie in der Lage ist, sich taktisch anzupassen. Gegen Griechenland sorgten gezielte Positionswechsel und eine dynamischere Interpretation der Rollen von Ullrich, El Mala und Ouedraogo dafür, dass die Mannschaft mehr Breite und Tiefe ins Spiel brachte und die Halbräume besser besetzt wurden. So entstanden entscheidende Möglichkeiten, die zum zwischenzeitlichen Ausgleich führten. Auch gegen Nordirland führten Anpassungen nach der Anfangsphase – vor allem die flachere Einbindung der Flügelspieler und die konsequente Nutzung von Verlagerungen – dazu, dass die deutschen Spieler die enge Blockformation des Gegners besser aufbrechen konnten. In beiden Spielen bewiesen die Anpassungen, dass die Mannschaft trotz früher Rückstände über taktische Flexibilität und Reaktionsfähigkeit verfügt, um Spielsituationen zu korrigieren und Chancen zu kreieren.
Aus der Dynamik heraus, passte sich die deutsche U21 Nationalmannschaft gegen die Nordiren um die 70. Spielminute an, bauten aus einer 3er Kette und konnten so den Druck auf die Halbräume erhöhen. Rothe konnte aus der Halbposition andribbeln, Ansah und Kömür spielten auf den breiten Positionen Weiper, Pejcinovic und Tresoldi spielten in letzter Linie. In der 78. Spielminute konnte die Dynamik erstmals ausgespielt werden und führte direkt zum 1:1. Rothe zog nach dem Andribbeln in die breite Position, Bischof positionierte sich dahinter und auf den Rückpass folgte die Halbfeldflanke auf den einstartenden Ouedraogo. Ansah und Weiper konnten die Verteidiger in Ballnähe binden und öffneten so den Raum hinter der Kette. Zudem begünstigt wurde das Tor von der hohen Position des Torhüters, der beim Kopfball nicht mehr eingreifen konnte.
Die Lehren aus den Spielen
Die beiden Qualifikationsspiele gegen Griechenland und Nordirland verdeutlichen die Stärken und Schwächen der deutschen U21. Die Mannschaft zeigte in beiden Partien anfängliche Unsicherheiten, insbesondere in den Anfangsphasen, beim Passspiel und im Umgang mit gegnerischem Druck. Diese Defizite führten zu frühen Rückständen, Ballverlusten und gefährlichen Kontersituationen. Gleichzeitig offenbarten die Spiele das Potenzial der U21: Durch taktische Anpassungen, Positionswechsel und eine flexiblere Raumnutzung konnte das Team Drucksituationen auflösen, Räume besser besetzen und Chancen kreieren – gegen Nordirland sogar mit erfolgreicher Wende in der Schlussphase.
In der Summe lässt sich festhalten, dass die deutsche U21 trotz technischer Ungenauigkeiten und anfänglicher Statik über Reaktionsfähigkeit, taktisches Verständnis und mentale Stärke verfügt. Für eine nachhaltige Stabilität und Effizienz im Spielaufbau gilt es, Anfangsphasen konzentrierter zu gestalten, die Passqualität zu verbessern und die Lösungen gegen variierende gegnerische Pressing- und Abwehrstrategien konsequent umzusetzen.
LC ist ein junger Vorzeigestudent, der während der Vorlesung lieber Spiele analysiert und Grafiken erstellt. In seiner Freizeit ist er jede Sekunde auf dem Fußballplatz. Zu finden erst aber auch auf LinkedIn.







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