Deutsche U19 mit Zwischenraum-Problemen – MX

Deutschland startet mit einer 0:3-Niederlage gegen die Niederlande in die U19-EM – entscheidend waren Nuancen und die individuelle Qualität auf Seiten der Niederländer.

Die U19 von Hanno Balitsch ging mit einer Serie von acht Spielen ohne Niederlage in die Vorbereitung auf die Europameisterschaft – beendete diese jedoch mit einem etwas enttäuschenden 1:1 gegen Dänemark. Bei der Endrunde wartete eine echte Hammergruppe auf die Nachwuchskicker: die Niederlande, England und Norwegen.

Die Grundformationen

Zum Auftakt kam es im Anghel-Iordanescu-Stadion direkt zum Kracher gegen die Nachbarn aus den Niederlanden – ein Land, das für seine starken Nachwuchsteams berühmt-berüchtigt ist. Die Auswahl von Nachwuchstrainer-Ikone Peter van der Veen begann in einer klassischen 4-3-3-Grundordnung: Heerkens stand im Tor, Janse und Ugwu bildeten das Innenverteidigerduo. Rots und Dijstrka agierten auf den Außenverteidigerpositionen. Im Mittelfeld gaben Land und Verkuijl die Achter, Smit übernahm die Rolle des Zehners. Im Sturm liefen Sliti, Konadu und Oufkir auf.

Die deutsche Nationalmannschaft startete in einem 4-4-2-System: Das Hachinger-Talent Konstantin Heide stand im Kasten. Herwerth und Decker bildeten die Innenverteidigung, Kabar und Bulut spielten auf den Außenbahnen. Auf den Flügeln agierten mit El Mala und Brunner zwei sehr starke 1v1-Spieler, die auch gerne inverse Wege suchen, im Zentrum agierten Osawe und Wätjen. Im Angriff liefen mit Darvich und Moerstedt zwei etwas konträre Spielertypen von Beginn an auf.

Deutschland im 4-1-4-1-Mittelfeldpressing

Wie zu erwarten, gehörte der Ballbesitz in der Anfangsphase zunächst den Oranjes von Van der Veen. In den ersten Sequenzen wirkten sie fast überrascht davon, dass die deutsche Elf kein aktives Angriffspressing betrieb, sondern sich im 4-1-4-1 in ein kompaktes Mittelfeldpressing zurückzog.

Auffällig dabei: Darvich, nominell im Sturm aufgestellt, rückte in den rechten Halbraum und agierte auf Höhe von Wätjen als eine Art Zehner. Moerstedt übernahm dadurch die Rolle des alleinigen Stürmers. Osawe agierte als einziger, tiefer Sechser vor der deutschen Viererkette. Relativ markant war dabei die deutsche Breitenanordnung: Man agierte mit deutlichem Fokus auf Kompaktheit – die Außenspieler im 4-1-4-1 standen in ihrer Grundposition eng im Halbraum. Dadurch isolierten sie konsequent den direkten diagonalen Passweg der niederländischen Innenverteidiger zu deren Flügelspielern.

Moerstedt agierte als alleiniger Stürmer und konzentrierte sich konsequent darauf, Ugwu und Janse, die beiden Innenverteidiger, mit einem horizontalen bzw. leicht diagonalen Pressingwinkel anzulaufen. Ziel war es, die ballferne Seite abzuschneiden bzw. zu isolieren. Durch den Fokus auf Kompaktheit und die damit verbundene ballnahe horizontale Verschiebung wollte man verhindern, dass die Niederlande über den ballfernen Innenverteidiger oder eine Diagonalverlagerung die Seite wechseln konnten – genau das sollte Moerstedt unterbinden.

Grundsätzlich gelang ihm das gut. Probleme entstanden nur dann, wenn die niederländischen Innenverteidiger sehr breit angeordnet waren. Dann wurde Moerstedts Pressingweg als alleiniger Stürmer zu lang, und insbesondere Janse – mit starkem Antritt – konnte ihn mehrmals überdribbeln und anschließend die Seitenverlagerung einleiten. Das führte zu einem etwas unkontrollierten Verschieben in Richtung der bespielten Seite der Nationalmannschaft und damit zu einem gewissen Verlust an Struktur.

Überdribbeln und Verlagern von Janse gegen Moerstedt

Ansonsten setzte Deutschland im Zentrum auf enge Mannorientierungen: Wätjen und Darvich orientierten sich an den beiden Achtern der Niederländer. Osawe agierte zunächst strukturorientiert zentral, verfolgte Zehner Smit, der sich in seiner Positionierung sehr dynamisch zeigte, jedoch häufig auch ballorientiert mit. Wenn sich Smit weit seitlich oder stark ballfern bewegte, löste Osawe die Mannorientierung allerdings situativ auf.

Dieses Loslassen und Übergeben funktionierte über weite Strecken gut. Problematisch wurde es jedoch in einigen Situationen, in denen Osawe zwar die Mannorientierung löste, Smit aber von keinem anderen Spieler übernommen wurde. Dadurch konnte der niederländische Zehner situative Überzahlsituationen in der Breite herstellen – was Deutschland nur dadurch auffangen konnte, dass El Mala oder Brunner als Flügelspieler weit zurückfielen und so zumindest Gleichzahl herstellten.

Holländische Progressionsprobleme über die Außenverteidiger

In den ersten Sequenzen des niederländischen Aufbauspiels zeigte sich eine typische Reaktion auf ein 4-1-4-1: Bloß nicht in die Mannorientierungen hineinspielen. Grundsätzlich stand die niederländische Mannschaft jedoch vor einem Problem: Die Außenverteidiger Dijkstra und Rots definieren sich nicht primär über ihre Stärke im Eins-gegen-eins oder im Dribbling, sondern eher über andere Qualitäten.

Im 2-4-1-3-System fehlt den Niederländern dadurch perspektivisch der vertikale Passweg zu durchstartenden Flügelspielern, da diese eher halbräumig positioniert sind. Der diagonale Passweg wird zudem durch den diagonalen Pressingwinkel der deutschen Außenspieler konsequent isoliert. Ballnahe Bewegungen der niederländischen Flügelspieler – etwa bei Zuspielen auf die Außenverteidiger – werden von den deutschen Außenverteidigern eng verfolgt. In diese Drucksituationen spielen weder Rots noch Dijkstra gerne – eine Progressionsmöglichkeit fehlt somit zwangsläufig.

Kleine Exkurs-Meinung: Ich habe oft das Gefühl, dass holländische Teams zwangsläufig dazu neigen, dauerhaft um den Block herumzuspielen, statt auch mal bewusst in den Druck hineinzugehen oder Linien zu durchbrechen – selbst wenn Letzteres perspektivisch sinnvoller wäre. Vielleicht ist dieser häufig genannte individualtaktische Kritikpunkt ein Ergebnis der einheitlich positionell-fokussierten Ausbildung und der mannschaftstaktischen Grundausrichtung im niederländischen Fußball. Deshalb habe ich zumindest manchmal das Gefühl, dass es häufig an Tiefe im Spiel mangelt.

„Man hört bei Jugendspielen ständig: Pass den Ball, spiel zurück, sicher spielen. Aber kaum jemand traut sich, mal einen riskanten Pass in die Tiefe zu spielen oder einen Gegner auszuspielen. Wir sind über das Ziel hinausgeschossen mit unserem Positionsspiel.“ (Brian Tevreden, ehemaliger Jugendtrainer bei Ajax)

Das führte dazu, dass die Außenverteidiger mehrmals den Rückpass zu den Innenverteidigern suchen mussten. Moerstedt presste dabei sehr gut durch – dadurch war der Rückpass zum ballnahen Innenverteidiger (oder zum Keeper) nicht möglich, und man musste den Diagonalrückpass zum ballfernen Innenverteidiger spielen (weil man auch nicht die Achter anspielen wollte).

Rückpass sorgt für deutsches Herauspressen

Dieser Rückpass ist sehr gefährlich, denn wenn Präzision und Timing nicht stimmen, kann der Gegner frei vor dem Tor auftauchen – zudem hat man nahezu alle Gegner im toten Winkel. Deutschland war sich dessen bewusst: Die Flügelspieler El Mala und Brunner rückten ballfern etwas ein und schoben bei diesen diagonalen Rückpässen extrem aggressiv auf den ballspielenden Innenverteidiger heraus. Mehrfach entstanden dadurch sehr brenzlige Situationen für diese. Da Torhüter Heerkens allerdings hoch postiert war, konnten sich die Niederländer oft durch einen Rückpass zu ihm aus dem Druck lösen. Heerkens bewies dabei allgemein extrem viel Ballsicherheit und Ruhe am Ball, was den Niederländern in diesen Szenen meist half.

Temporärer Dreieraufbau als Problemlöser?

Schon nach wenigen Aufbauszenen änderte sich die Dynamik bei den Oranjes: Statt weiterhin aus dem 2-4-1-3 aufzubauen, suchte man zunehmend veränderte Muster, auch um das deutsche, mannorientierte 4-1-4-1 aus dem Rhythmus zu bringen.

So ließ sich der etatmäßige Linksverteidiger Rots zurückfallen und agierte situativ als linker Halbverteidiger in einem Dreieraufbau. Grundsätzlich lag der Gedanke dieses temporären Dreieraufbaus wohl darin, gegen den alleinigen Stürmer Moerstedt zusätzliche Breite ins Spiel zu bringen. Auf diese Weise konnte man breiter und höher andribbeln – mit dem Ziel, Mannorientierungen aufzulösen oder situative Überzahlsituationen zu erzeugen.

Dabei fiel schnell auf, dass El Mala auf diese Muster reagierte: Er agierte etwas eingerückt und rückte beim Ballspiel des rechten Halbverteidigers Ugwu auf die Höhe von Moerstedt, wodurch sich bei Deutschland ein temporäres 4-4-2 ergab. Dafür rückte Wätjen etwas breiter. Dieses 4-4-2 formierte Deutschland vor allem beim Aufbau der Niederländer im eigenen Drittel oder im tieferen Bereich des zweiten Drittels. Baute die Niederlande höher auf, agierte man wie gewohnt aus dem 4-1-4-1.

Grundsätzlich war auch die Laufarbeit von El Mala bemerkenswert: Beim Ballspiel von Rots schob er wieder tiefer und mannorientierend auf Verkujil. Dabei war es erneut essenziell, dass Moerstedt die ballferne Seite abschneidet – was ihm meist auch gut gelang.

Muster aus dem Dreieraufbau

Wie erwähnt, agierte der nominelle Außenverteidiger Rots als Halbverteidiger. Dadurch musste der Raum auf der linken Breite neu besetzt werden – was Flügelspieler Silti übernahm. Das erwies sich als sehr guter Kniff: Einerseits war Silti mit seiner Pressingresistenz enorm wichtig, um sich aufzudrehen und dann das 1-gegen-1 gegen Brunner zu suchen, der mit ihm phasenweise Probleme hatte.

Ein vielversprechendes Muster deutete sich ebenso früh an: Rots schob nach dem Abspiel in die Breite oft sofort in den Halbraum durch (Stichwort: Spielen & Gehen) und erzeugte so situativ Überzahlsituationen im Halbraum, was Silti zusätzlich Raum verschaffte. Vereinzelt konnte Rots sogar bis in die gegnerische Box durchschieben – doch dort fehlte ihm, wie auch im Aufbau, häufig die Qualität im 1-gegen-1 bzw. Dribbling.

Zwischenraum-Probleme bei Deutschland

Allgemein tat sich Deutschland etwas schwer damit, saubere Übergaben gegen nachschiebende Spieler herzustellen. In diesen Szenen rückte Außenverteidiger Bulut in die Breite auf Silti heraus, während Brunner den durchschiebenden Rots übernahm. Dadurch entstanden in der deutschen Verteidigungskette teils große Lücken, die die Niederländer fast permanent mit dem antrittsstarken und sehr schnellen Zehner Smit bespielten.

Rots schiebt im Halbraum durch, Zwischenraum wird zur deutschen Problemzone

Sechser Osawe hatte gegen ihn oft Probleme im Verfolgen, sodass Smit mehrmals diagonal in die Tiefe schieben konnte – insbesondere in den Raum zwischen Bulut und Decker. Dies führte in der 12. Minute zu einer Doppelchance, die Deutschland aber nochmal in der Box wegverteidigen konnte. Oder auch in der 28. Minute beim Lattentreffer von Oufkir, der als ballferner Flügelspieler auch immer gefährlich in die Box schiebt. So schoss er auch den Führungstreffer in der 43. Minute.

Früh im Spiel suchte man zudem ein 2-gegen-1 auf der rechten Seite. Teils war dies strukturell angelegt: Wenn El Mala beispielsweise als zweiter Stürmer agierte, war die rechte Breite bei Deutschland unbesetzt, wodurch sich Oufkir beim Dreieraufbau oft systematisch tiefer fallen ließ und mit Dijkstra ein 2-gegen-1 gegen Wätjen bildete. Teils geschah dies aber auch dynamisch beim Ballspiel von Dijkstra, indem Oufkir zunächst abkippte und dann sofort wieder in die Tiefe ging.

Dieses Muster wurde für Deutschland sehr gefährlich: In der 9. Minute stand Oufkir praktisch allein vor Konstantin Heide, da Linksverteidiger Kabar die Abkippbewegungen von Oufkir initial nicht verfolgt hatte, sondern lose an Sechser Osawe übergab.

Oufkir mit Abkippen & Tiefenlauf El Mala bekommt nur seitlichen Zugriff

Osawe konnte aber im Tempo nicht mit dem Flügelspieler mithalten, sodass dieser frei in die Tiefe durchbrechen konnte, wo ihn Außenverteidiger Dijkstra diagonal suchte. Großes Glück für Deutschland, dass es dort noch nicht 0:1 stand. Im Laufe der Partie zeigte sich zunehmend das Problem, dass die Kompaktheit Deutschlands bei Ballbesitz in der Breite extrem anfällig wurde. Besonders die Außenverteidiger agierten teils zu breit, während die Innenverteidiger kaum oder zu wenig horizontal nachschoben, sodass sich große in der Viererkette Zwischenräume auftaten.

Dass die Niederländer auf der rechten Seite besser die Tiefe fanden, lag auch daran, dass Dijkstra im Aufbauspiel etwas höher agierte als sein linker Pendant Rots. Dadurch war – anders als beim deutschen rechten Flügelspieler Brunner – der Pressingwinkel von El Mala auf den niederländischen Rechtsverteidiger sehr seitlich, was diagonale Spielzüge ermöglichte. Teils war der Winkel sogar so seitlich, dass Dijkstra El Mala einfach überdribbeln konnte. Der Kölner hat gegen den Ball oft Probleme damit, seine Höhe dem direkten Gegenspieler anzupassen, was zu diesen Schwierigkeiten führte.

Deutschlands Umschaltstärke zahlt sich nicht aus

Dass die Niederländer ihre besten Offensivmomente nach hohen oder durchschiebenden Außenverteidigern hatten, führte zu einer gewissen Ambivalenz im Spiel. Denn gerade im letzten Drittel zeigte sich die Niederlande in den ersten 30 Minuten teils noch unsauber – es kam immer wieder zu Ballverlusten. Gleichzeitig agierte man aber zunehmend offensiver.

Dadurch stieg zwar die Dominanz im Ballbesitz, zugleich lief man aber auch mehrfach in extrem gefährliche Konter der deutschen Nationalelf. Hauptgrund dafür war die 2-1-Restverteidigung, in der die Breite kaum besetzt war. Deutschland nutzte das gezielt: Über die extrem schnellen Brunner und El Mala fokussierte man beim Umschalten bewusst die Flügel – flankiert von viel Nachschieben und großräumigem Andribbeln. Nach Ballgewinnen attackierten die lauf- und dribbelstarken Halbspieler Wätjen und Darvich immer wieder gezielt die offenen Räume auf den unbesetzten Flügeln. Dabei zeigten sie ein gutes Zusammenspiel mit den Flügelspielern – diese profitierten von der Bindung, die Wätjen und Darvich erzeugten, und fanden so vermehrt Freiräume.

Auch bei längeren Befreiungsschlägen war Max Moerstedt als Zielspieler von großer Bedeutung. In der Luft war er ein klarer Trumpf – ergänzt durch das sofortige und kollektive Nachrücken des Mittelfelds sowie der Flügelspieler.

Mehrfach wurde es infolge solcher Umschaltszenen in der ersten Halbzeit brandgefährlich, doch die deutsche Mannschaft scheiterte immer wieder an der Entscheidungsfindung im letzten Drittel. Gerade in puncto Übersicht und Scanning wirkte die Elf in der Offensive noch zu überhastet: Mehrfach wäre bspw. ein freier Spieler am langen Pfosten oder im Rückraum anspielbar gewesen, doch stattdessen suchten etwa El Mala oder Brunner mehrmals lieber selbst den Abschluss. Die größte Chance aus dem Umschalten für Deutschland hatte Paris Brunner in Minute 37 – aber er traf nach einem inversen Dribbling nur den Pfosten.

Niederlande sucht noch mehr Dynmaik

In den letzten 15 Minuten der ersten Halbzeit steigerten sich die Oranjes nochmals – vor allem aufgrund verschiedener wiederkehrender Muster im individual- und gruppentaktischen Bereich:

  • Smit kippt in den Sechserraum ab: Das strukturelle Problem der Niederländer, im Zentrum nur schwer Aufbaumöglichkeiten zu finden, versuchte man unter anderem dadurch zu lösen, dass Zehner Smit sich vermehrt in den Sechserraum zurückfallen ließ. Phasenweise funktionierte dieses Mittel sehr gut: Smit gehört zu den wenigen Spielern im niederländischen Team, die auch unter Druck anspielbar sind – was es ermöglichte, das deutsche Pressing punktuell zu manipulieren.

    Besonders wirksam war dieses Verhalten in Kombination mit den Innenverteidigern, mit denen Smit mehrfach kleine Dreiecke bildete. Ziel war es, über diese Dreiecksstrukturen die ballferne Isolation, die Deutschland über Moerstedt erzwingen wollte, zu unterlaufen – und das gelang in mehreren Szenen sehr überzeugend. Die Niederlande konnte sich so gezielt über die Verlagerung vom Druck befreien und das Spiel kontrollierter in die Breite oder in höhere Zonen tragen.

    Indirekt hatte dieses Verhalten auch Auswirkungen auf die defensive Ordnung Deutschlands: Osawe wurde durch das tiefe Zurückfallen Smits häufig mit herausgezogen, wodurch der Zwischenlinienraum zwischen Abwehr- und Mittelfeldreihe deutlich größer wurde. Gerade Stürmer Konadu suchte zunehmend diese freien Räume – und konnte gegen Ende der ersten Halbzeit mehrfach dort angespielt werden. Allerdings fehlten in diesen Situationen häufig die Anschlussaktionen, da durch Smits tiefere Positionierung kein weiterer niederländischer Spieler in unmittelbarer Nähe war; auch die Abstände zu den Flügelspielern waren oft zu groß.

    Vereinzelt ließ Osawe Smit auch einfach gewähren und verfolgte dessen Wege nicht konsequent. Das führte dazu, dass Smit sich frei aufdrehen und ungestört in den Sechserraum andribbeln konnte. Solche Situationen destabilisierten die deutsche Mannorientierung stark und führten zu wiederholter Instabilität. Meist suchte Smit aus diesen Szenen heraus dann gezielt den diagonalen Ball auf die weit außen positionierten Flügelspieler.

    Land bricht vor den Pressingwall aus: Im Laufe des Spiels suchte der linke Achter Land immer wieder tiefere Räume – oft leicht versetzt vor den niederländischen Innenverteidigern. Auffällig war, dass sein direkter Gegenspieler Darvich diese weiten, zurückfallenden Bewegungen nicht direkt mitging, sondern erst beim Ballspiel Lands aus dem Zentrum heraus nachschob.

    Dieses Verhalten hatte unmittelbare Auswirkungen auf das deutsche Pressingverhalten: Stürmer Max Moerstedt musste seinen Pressingwinkel situativ so anpassen, dass Land isoliert blieb. Der dabei entstehende, etwas diagonalere Pressingwinkel öffnete jedoch gelegentlich den Passweg zum ballfernen Innenverteidiger – was wiederum kontrollierte Verlagerungen ermöglichte.

    In der Folge konnten die niederländischen Innenverteidiger infolge der Verlagerungen und der damit verbundenen längeren Pressingwege für Moerstedt breiter und mit mehr Dynamik andribbeln. Dadurch öffneten sich Zugänge sowohl in die Breite als auch vertikal in den Halbraum. Im Laufe der Partie erfolgte diese Dreiecksbildung mit den Innenverteidigern auch über sehr tiefe Abkippbewegungen von Stürmer Konadu.

  • Rotation in der Breitenstaffelung: Ähnlich wie bereits auf der linken Seite zu beobachten war, zeigte sich auch auf der rechten Seite eine zunehmende Rotation in der Breitenstaffelung: Der nominelle Flügelspieler Oufkir agierte etwas tiefer in der vollen Breite, während Außenverteidiger Dijkstra situativ in den Halbraum einrückte.

    El Mala blieb dabei nicht außen und übernahm nicht Oufkir, sondern verfolgte den einrückenden Außenverteidiger mit in den Halbraum – wodurch der direkte Passweg von Innenverteidiger Ugwu auf Oufkir mehrmals offen war.

    Dort konnte Oufkir ins Dribbling gehen – oft mit viel Raum vor sich, da Linksverteidiger Kabar diese tieferen Bewegungen nur selten direkt verfolgte, sondern erst ab einer bestimmten Höhe herausschob, um den Zweikampf aufzunehmen.

    Das verschaffte Oufkir mehrfach die Möglichkeit, die Tiefe anzulaufen – entweder auf den durchstartenden Dijkstra im Halbraum, einen dort zurückfallenden Stürmer oder mit genügend Dynamikvorteil selbst ins 1-gegen-1 zu gehen, was Kabar vor große Probleme stellte.

Allgemein war die niederländische Mannschaft zum Ende der ersten Halbzeit das dominantere Team – auch weil Deutschland zunehmend Schwierigkeiten hatte, die engen Mannorientierungen im Zentrum konsequent aufrechtzuerhalten.

Gerade gegen die dynamischeren Bewegungsmuster und Positionierungen der Niederländer fehlte es zunehmend an Klarheit im Zugriff. Diese Unsauberkeiten in den zentralen Zuordnungen führten immer wieder dazu, dass sich niederländische Spieler lösen und auch anspielen lassen konnten.

Dadurch entstanden mehrere vielversprechende Steil-Klatsch-Situationen – besonders hervorzuheben ist dabei Zehner Smit, der sich häufig intelligent in den Halbraum absetzte (wo Osawe nur lose von hinten Zugriff bekam) und von dort aufrückende Achter einsetzen konnte, was dem niederländischen Spiel viel Tempo verlieh.

Etwas unpräzise agierte Smit allerdings in jenen Szenen, in denen er nach Abkippbewegungen wieder ins Zentrum bzw. in den Zwischenlinienraum vorschob, dort diagonal von den – durch vorherige Dreiecksbildung freigespielten – weit andribbelnden Innenverteidigern angespielt wurde und anschließend selbst ins Dribbling ging. Gerade in diesen Situationen fiel es ihm gelegentlich schwer, das richtige Timing für den Vertikalpass auf Stürmer Konadu zu finden.

Niederlande mit 5-3-2-Mittelfeldpressing

Nach 45 Minuten stand es 0:1 für Niederlande, ob es verdient oder nicht ist, darüber lass ich gerne andere Urteile, denn ganz so klar, wie es auch in diesem Artikel erscheint, ist es auch nicht ganz. Deutschland brachte mehr Schüsse aufs Tor (10/6), aber der Großteil daraus entstand aus dem deutschen Umschaltverhalten, dass ich ja bereits beschrieben habe.

Aus der Struktur heraus, tat sich die Mannschaft von Hanno Balitsch durchaus in den ersten 45 Minuten schwer. Das lag vor allem daran, dass Niederlande aus dem manndeckenden5-3-2-Mittelfeldpressing extrem stabil stand. Die erste Pressinglinie aus Konadu und Silti agierte dabei ebenfalls sehr darauf bedacht, dass man mittels horizontalen Passweg die deutschen auf eine Seite zieht und sie dort auf ein Spiel in die Manndeckung hinein zwingt.

Deutscher Spielaufbau gegen Manndeckung von Oranje

Grundsätzlich war auch Silti’s Bewegungsverhalten sehr interessant. Wie bereits beschrieben, agierte er meist als linker Stürmer – allerdings nicht durchgehend: Wenn die Innenverteidiger Decker und Herwerth sehr eng positioniert waren (meist beim höheren Aufbau ohne direkte Einbindung von Torhüter Heide), blieb Silti tiefer, während Konadu als alleiniger Stürmer agierte. In diesen Situationen konnte Konadu durch seine Dynamik und gute Wege den Pressingweg über die enge Anordnung der Innenverteidiger eigenständig überbrücken.

Typischerweise war diese engere Staffelung der Innenverteidiger auch damit verbunden, dass die Außenverteidiger Bulut und Kabar etwas tiefer standen. In solchen Momenten schob Silti situativ auf Rechtsverteidiger Bulut heraus – was temporär zu einer Asymmetrie in der vordersten Pressinglinie führte.

Ansonsten agierte man – wie gesagt – aus einer Manndeckung heraus und das funktionierte auch über weite Strecken sehr gut. Weite Abkippbvewegungen wie von Linksverteidiger Kabar – der meist aus der letzten Aufbaulinie weit abkippte – wurden weit mitverfolgt und dadurch war zwar sitautiv ein Anspiel durchaus möglich, aber mit Aufdrehen tat sich die deutsche Elf weitgehend schwer. Gerade Sechser Osawe tat sich gegen die Manndeckung von Smit extrem schwer, wodurch das Zentrum nahezu isoliert war für Deutschland.

Allgemein war das deutsche Spiel stark auf Abkippbewegungen aus dem Mittelfeld bzw. aus der letzten Aufbaulinie angewiesen. Diese Bewegungen sorgten zwar grundsätzlich für viel Dynamik, offenbarten jedoch auch ein zentrales Problem gegen eine enge, mannorientierte Deckung: Die Spieler waren zwar anspielbar – das Aufdrehen war jedoch enorm schwierig.

Gerade deshalb wäre ein konsequentes Nachrücken essenziell gewesen, doch damit tat sich Deutschland sichtbar schwer. Die Innenverteidiger schoben kaum ballnah nach, und insgesamt war man in der Struktur so raumgreifend angeordnet – mit dem Ziel, die Niederlande auseinanderzuziehen –, dass auch die Abstände zwischen den eigenen Spielern zu groß wurden. Diese Dynamik führte paradoxerweise zu einer gewissen eigenen Zerfahrenheit im eigenen Spielaufbau.

Am gefährlichsten wurde es, wenn die niederländischen Halbverteidiger doch einmal zu zögerlich oder zu fahrig mit El Mala und Brunner mitgingen – dann ließ man ihnen jene paar Meter Raum, die gegen diese 1-gegen-1-Unterschiedsspieler sofort bestraft werden können. Sobald sie sich mit etwas Platz aufdrehen konnten, wurde es brenzlig. Man könnte es auch zuspitzen: Es wurde aus der Struktur gefährlich, wenn die Niederlande Fehler machten. Nur machten sie diese eben äußerst selten.

Deutschland steigert sich

Schon kurz vor der Halbzeit kam Leopold Wurm für den verletzten Elias Decker (Gute Besserung an der Stelle!)m bei den Holländeren kam Boorgaard für Verkujil.

Mit Ball agierte Deutschland nun zunehmend aus einem 4-1-3-2 – eine Anpassung, die insbesondere auf der linken Seite Wirkung zeigte.Wätjen agierte dabei als sitautiver Linksverteidiger. Dadurch agierte sein direkter Gegenspieler Oufkir automatisch höher und breiter, was zur Folge hatte, dass die linke Außenbahn unbesetzt blieb – eine Lücke, die El Mala gezielt anlief.

Mit Ball agierte Deutschland zunehmend aus einem 2-3-3-2 / 2-3-4-1 – eine Anpassung, die vor allem auf der linken Seite Wirkung entfaltete. Wätjen übernahm dabei situativ die Rolle des Linksverteidigers, wodurch sein direkter Gegenspieler Oufkir höher und breiter agierte. Das hatte zur Folge, dass die linke Außenbahn oft unbesetzt blieb – eine Lücke, die El Mala gezielt anlief.

Diese Asymmetrie erzeugte strukturelle Vorteile: Das Erzwingen einer flachen Viererkette auf niederländischer Seite erschwerte es Oranje, die Breite konsequent zu verteidigen – insbesondere gegen einen frühzeitig positionierten, sehr breiten Flügelspieler. Kabar, nominell als Außenverteidiger aufgeboten, rotierte dafür mit Wätjen in den Halbraum und agierte von dort als durchstoßender Achter. Deutschland suchte gezielt lange Diagonalbälle in die freie linke Breite, um horizontale Verschiebungen in der niederländischen Defensive zu erzwingen – und dadurch Unruhe in deren mannorientierte Zuordnungen zu bringen. Das führte mehrfach zu direkten Torchancen, da die deutsche Mannschaft die entstehenden Zwischenräume in der sich bewegenden Viererkette konsequent anlief und bespielte.

Zudem band Deutschland den kopfballstarken Zielspieler Moerstedt nun deutlich besser ein – etwas, das bereits in der ersten Halbzeit wünschenswert gewesen wäre. Auch das Nachschieben funktionierte nun wesentlich griffiger als noch vor der Pause, was vor allem an der angepassten Systematik lag: Man war nicht mehr permanent auf tiefes Abkippen angewiesen, sondern konnte mit klareren Strukturen in höheren Zonen agieren.

Das zentrale Problem blieb jedoch bestehen: Deutschland gelang es kaum, aus der Breite gefährlich in die Box zu kommen. Ursächlich war vor allem die tief gestaffelte Defensivstruktur der Niederländer, die im letzten Drittel in eine Art 6-3-1-0-Ordnung übergingen. Dadurch war sowohl der Rückraum als auch der Strafraum kollektiv gut abgesichert. Einzig Stürmer Konadu „zockte“ situativ etwas, indem er sich im zweiten Drittel positionierte und so bei Befreiungsschlägen zumindest gelegentlich für individuelle Entlastung sorgen konnte. Möglichkeiten auf Fernschüsse wurden nur selten gezogen – wenn man sie zog – wie El Mala bspw. in der 71. Minute, dann stand aber auch ein sehr guter Torspieler mit Heerkens im holländischen Tor.

Fazit

In den letzten 25 Minuten sah man aber dann auch bei Deutschland als auch bei den Niederländern, dass die sehr laufintensive Partie etwas an den Kräften zehrte und die Intensität sichtlich nachließ. Herausverteidigen und Verschiebungen passierte etwas langsamer und dadurch sah man zunehmend 1v1 in der Breite, wovon am Ende besonders die Holänder auch über die idnivuduelle Klasse von besonders Oufkir profitierte.

Mit der Führung im Rücken und einer abnehmenden Pressingintensität auf deutscher Seite gewann die niederländische Mannschaft in der Schlussphase zunehmend an Kontrolle. Die Ballbesitzphasen wurden ruhiger und strukturierter, das Spieltempo etwas gedrosselt. Auch Innenverteidiger Heerkens wurde verstärkt eingebunden und konnte – begünstigt durch das nachlassende Herausrücken des deutschen Zentrums – zunehmend zentrale Verbindungen herstellen. Besonders Zehner Smit kippte weiterhin situativ ab, konnte sich nun aber häufiger aus diesen Bewegungen heraus aufdrehen. Dadurch war er in der Lage, aufrückende Außenverteidiger gezielt in Szene zu setzen und so das niederländische Positionsspiel in der Endphase nochmals zu stabilisieren.

In der Schlussphase erhöhte Deutschland erwartungsgemäß das Risiko und besetzte die letzte Linie zeitweise mit bis zu fünf Spielern. Immer wieder suchte man mit langen Bällen und Halbfeldflanken die Überladung im Strafraum. Doch gerade dank der herausragenden Strafraumbeherrschung von Heerkens ließ die niederländische Defensive kaum gefährliche Abschlüsse zu. Das hohe Risiko im deutschen Spiel offenbarte sich schließlich defensiv: Zwei Konter in der Endphase führten zu weiteren Gegentoren und besiegelten den 0:3-Endstand.

Das Ergebnis täuscht ein wenig über eine insgesamt durchaus ordentliche Leistung der deutschen Mannschaft hinweg – insbesondere angesichts der hohen individuellen Qualität des niederländischen Teams. In den entscheidenden Momenten, vor allem im letzten Drittel, zeigte sich jedoch der Unterschied: Während die Niederländer variabler und zielstrebiger agierten, wirkte Deutschland in diesen Zonen zu berechenbar. Das Turnier ist damit keineswegs verloren – das bleibt unbestritten. Dennoch schmerzt diese Niederlage gerade mit Blick auf die Tordifferenz umso mehr.

MX entdeckte seine Liebe zur Taktik beim SSV Jahn. Nach einigen Stationen in Nachwuchsleistungszentren und zuletzt einer kurzen Pause richtet er nun seinen Fokus wieder verstärkt – und vor allem – auf seine Liebe: Spielverlagerung.

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