Risikoscheue Dortmunder werden für Mut belohnt – JK
Am Dienstabend musste sich der kriselnde BVB in der Champions League bei Sporting Lissabon beweisen. Nach dem missglückten Kovac Debüt am Wochenende gegen den VfB Stuttgart, galt es nun Wiedergutmachung zu betreiben. Und da kam Sporting Lissabon gewiss zum passenden Zeitpunkt. Die Portugiesen sind seit Amorims Abgang in Richtung Manchester United selber nicht von Erfolg geprägt, erst recht europäisch. Zwar fand man in der Liga zuletzt wieder in die Erfolgsspur und hat immer noch den ersten Platz inne, dennoch ist 4 sieglosen Königsklasse-Spielen und einem leicht angeschlagenen Gyökeres nicht alles wie erwünscht. Umso wichtiger also für beide Teams, dass man mit einem Erfolgserlebnis in die Playoffs startet.
Sicherheit vor Mut – Auf beiden Seiten
Kovac startete ins Spiel mit Neuzugang Svensson und wagte es, wieder ein wenig an der Systematik zu ändern. So trat man im 3-4-3 auf, wobei Ryerson als rechter Innenverteidiger agierte und mit Sabitzer und Svensson als Doppelsechs vor der Abwehr, welche jedoch im Aufbau Spiel wenig eingebunden worden waren trotz großer Bemühung. Das gleiche kann man nicht für die beiden Schienenspieler Brandt und Groß sagen, die immer wieder gesucht worden um die mittlere Pressinglinie Sportings zu überwinden. Die Halbraumpositionen in der letzten Kette wurden von Jamie Bynoe-Gittens und Karim Adeyemi bekleidet, die in ihrer Breite stark variierten.
Sporting agierte gegen den Ball in einem 4-4-2. Vom mutigen Ansatz unter Amorim ist bei Rui Borges nicht viel übrig geblieben. Man verharrte in einem Pressing ab der Mittellinie, wobei Trincao mit Gyökeres Ersatz Harder die erste Pressinglinie bildete. Zusammen standen sie recht eng und verhinderten Passwege zu den Sechsern der Dortmunder. Sollte ein Pass doch den Weg durch das Stürmerduo finden, waren auf den zentralen Mittelfeldpositionen Debast und Simoes, die den Abstand zwischen den Linie gering hielten und abwägen mussten, ob sie bis auf die Sechser vorverteidigen oder gegen die Halbraumspieler absicherten. Die zwei Flügelspieler Quenda und Araujo schoben bei Bedarf mit auf den ballfernen Sechser, verharrten aber meist auf dem Flügel, ein wenig weiter eingerückt.
Mit vielen Taktischen Kniffen konnte der BVB jedoch nicht gegen die Lissaboner überzeugen. Zum Großteil der ersten 60 Minuten zirkulierte der Ball zwischen den drei Innenverteidigern hin und her und man fand kaum Räume zwischen den Linien, was eigentlich eines der Hauptschwächen eines 4-4-2 ist. Im Gegenteil schien es so, dass man bewusst die Zwischenräume mied, auch aus Sorge, dass bei Ballverlust Sabitzers/Svenssons gegen Debast/Simoes schnell ein gefährlicher Konter gefahren werden könnte, mit bereits 4 Spielern im Zentrum und zusätzlich 2 Flügelspielern. Deshalb bespielte man vorerst nur die Breite.
Bei Ballbesitz Sporting gab es nicht viel mehr zu beobachten. Denn auch diese agierten in einem 3-4-3, wobei Debast zwischen der Rolle als Rechter Innenverteidiger und Sechser pendelte, weshalb man phasenweise auch ein 4-2-4 erblicken konnte. Hat sich Debast doch in den 3er Aufbau fallen lassen, schob Rechtsverteidiger Fresneda hoch bis in die letzte Kette, mit der Hoffnung Quenda mehr Platz und Möglichkeiten zum 1 vs 1 zu überlassen, wenn dieser sich fallen lässt. Diese Idee scheiterte jedoch, auch da das Tempo, in welcher die Positionsrotationen durchgeführt worden sind, zu niedrig war um ernsthafte Zuteilungsprobleme bei den Dortmundern zu erzwingen. Häufig konnte Bynoe-Gittens schlicht seine Höhe halten und hatte trotzdem Zugriff auf Quenda bei Pass auf den Flügel.
Gegen den Ball war auch beim BVB das 4-4-2 das Mittel der Wahl, wobei Brandt mit in die erste Pressinglinie rückte. Auch der Dortmunder Pressingblock zog sich bis auf die Mittellinie zurück und fing erst dort an Stress auszuüben. Guirassy und Brandt waren etwas aktiver im Anlaufverhalten als Sporting, jedoch meist ohne wirklich zwingend zu sein.
Und trotz eines umherschwirrenden Trincaos fand man auch zwischen den Linien kaum Platz und selbst wenn es glückte war Schlotterbeck sehr aufmerksam beim nach vorne verteidigen und hat viele Lücken geschlossen. Auch Emre Can hat einen vernünftigen Arbeitsnachweis hinterlassen, da er es schaffte Harder fast für das ganze Spiel abzuschalten, auch bei Bällen die Harder mit seiner körperlichen Präsenz festzumachen versuchte.
Dortmunds Mittel der Wahl: Diagonalbälle
Torgefahr zu entwickeln fiel beiden Teams schwer. Besonders der BVB hatte große Schwierigkeiten ins Spiel reinzukommen und die erste Pressinglinie zu durchbrechen. Zum Großteil der Zeit wurde der Ball von den drei Innenverteidigern hin und her gepasst, Risiko wurde bei jeder Möglichkeit gemieden. Sporting verhielt sich jedoch auch diszipliniert, Pässe in die Zone vor der Kette waren quasi nie möglich und bei Ball auf Sabitzer oder Svensson kam Druck von mehreren Seiten. Dies war Druck den der BVB auch vermeiden wollte: Pässe zu den Sechsern waren absolute Mangelware und die Angst vor einem Ballverlust überwog. Nicht nur aufgrund der aussichtsreichen Konterchancen für Sporting, auch da Sabitzer und Svensson als Mittelfeldduo nicht eingespielt waren und phasenweise die technischen Fähigkeiten fehlten um sich zu lösen (misslungenes Spiel über Dritte, schlechte Entscheidungen beim Aufdrehen).
Deshalb entschied sich der BVB das Spiel mehr auf die Flügel zu verlagern. Besonders auffällig dabei waren die diagonalen Bälle Schlotterbecks auf Adeyemi. Aufgrund des primären Ziel Sportings die Sechser aus dem Spiel zu nehmen war der Druck auf den Innenverteidigern meist sehr gering. Zwar versuchte man, die Innenverteidiger abzuschneiden und Rückpasse zu unterbinden, aber dafür fehlte meist die Intensität im anlaufen. Diese fehlende Intensität nutzte Schlotterbeck als Zeitpunkt, die Seite zu verlagern und Vorstöße ins letzte Drittel zu vagen. Häufig war Araujo, der linke Flügel mit eingerückt, ebenso wie Linksverteidiger Reis, der den Moment zum durchschieben der 4er Kette versuchte vorzubereiten. Um Adeyemi zu entlasten startete Halbraumspieler Brandt immer wieder tiefe Läufe um St. Juste mit sich zu ziehen und Adeyemi noch mehr Zeit und Möglichkeiten zu eröffnen.
Nach Zuspiel verschob sich das Spiel dann auf rechts, Ryerson versuchte den Anker zu stellen, während Sabitzer die Abwehrkette weiter unter Druck setzte. Wiederholt kam der Versuch vom Mittelfeldzentrum in die Tiefe zu starten und den Tempovorteil auszunutzen, aufgrund mangelnder Athletik schlug dies aber fehl.
Generell gab es wenig Ertrag für die Dortmunder aus diesen Situationen, da Adeyemi und Brandt trotz geschaffener 2 vs 2 Situationen viele individuelle Fehler unterliefen. Spätestens auf Höhe des Sechzehners war der Ball wieder verloren gegangen, Guirassy in Szene setzen hat man kaum geschafft.
Wenn Dortmund jedoch auch nur ein wenig Gefahr ausstrahlen sollte, ging es meist über die rechte Seite. Dort gab es auch einen kleinen strukturellen Vorteil: Sporting versuchte gelegentlich mit Pass auf Ryerson einen Pressingmoment zu starten, weshalb Araujo oft in einer höheren Position verharrte. So entstand Diagonal zu ihm Platz für Brandt, der jedoch in den meisten Szenen auch wieder wenig mit dem Platz anzufangen wusste. Zwar war Ryerson durchaus in der Lage Brandt außen freizuspielen, aber Araujo konnte durch seinen Tempovorteil die Lücke wieder schließen. Nur vereinzelt war Brandt in der Lage den Vorteil zu nutzen, manchmal mit Hilfe eines tiefer fallenden Guirassy, andere male selber durch gute erste Kontakte in die entgegengesetzte Laufrichtung Araujos.
Ansonsten war es ein ideenloser Auftritt der Dortmunder. Teils wurde um den Block herum gespielt in der Hoffnung, dass Bynoe-Gittens alleine eine Lösung herbeizaubern könnte, scheiterte jedoch spätestens am 3. Gegenspieler oder mit einem Weitschuss am Torwart.
Sporting um den Block herum und ohne Ideen
Wem das Ballbesitzspiel Dortmunds schon mager war, der hatte an Sportings Verhalten mit Ball noch weniger Vergnügen. Zwar scheuten die Portugiesen weniger vor Ballverlusten zurück, jedoch konnte man trotzdem kaum nennenswerte Durchbrüche verzeichnen.
Debast entschied ob er sich neben die Abwehrkette fallen lies, abhängig davon wie aktiv Guirassy und Brandt vorverteidigten. Wurden beide aktiver im Pressing wollte man eine Überzahl herstellen, die sowohl horizontal über die Innenverteidiger oder vertikal mit Sechser Simoes aufzulösen war. Häufig wurden also Überzahlsituation Sportings gegen Dortmunds erste Pressing Linie ausgespielt und St. Juste hatte viel grünen Rasen vor sich. Vereinzelt konnte er diesen auch nutzen und Adeyemi rausziehen, was Matheus Reis wiederum Platz verschaffte. Ryerson stand dann vor der Entscheidung ob er durchschiebt und Araujo Platz in der Tiefe gibt oder ob er in der Kette bleibt und das nachrücken von Adeyemi wartet.
Auch in geordneter Staffelung hatte Adeyemi Probleme auf seiner Seite. Schaffte er es nicht seinen Deckungsschatten auf Araujo zu legen, wurde dieser angespielt, was das Signal war für Reis tief zu starten. Auch hier stellt sich Ryerson die Frage ob dieser vorverteidigt und damit den Platz in der Tiefe öffnet oder ob Adeyemi rechtzeitig nachverteidigen kann. In beiden Fällen war Sporting in der Lage, hinter dem AV-Raum die Tiefe zu bespielen und eine Flanke zu schlagen.
Vorstöße Sportings waren immer maßgeblich unterstützt durch Fehlverhalten von Dortmunds Flügelspielern. Bynoe-Gittens schob vereinzelt zu schnell auf Debast hoch, wenn dieser sich im Dreieraufbau einschaltete. Fresneda war in der Lage diese Momente schnell zu erkennen und lies sich weit fallen, was Svensson zwang entweder vorzurücken und Quenda Platz hinter sich zu lassen oder er lief Gefahr in eine 2 gegen 1 Situation gegen Fresneda und Quenda zu laufen.
Sporting tat auch sein bestes zwischen den Ketten für Probleme zu sorgen, indem bei Zuspiel der Schienenspieler Außen Trincao sich ballnah in den Halbraum begab, in der Hoffnung für Zuordnungsprobleme zwischen den Dortmunder Innenverteidigern und Achtern zu sorgen. Letzendlich nahmen die Achter diese Laufwege auf, was zwar Passlinien zu Harder öffnete, jedoch in keiner Gefahr mündete, da Harder große Probleme im Spiel mit dem Rücken zum Tor aufwies.
Wirkliche Gefahr konnte Sporting nicht nach einem geordneten Spielaufbau verzeichnen, sondern bei Umschaltsituationen. Ob bei zweiten Bällen oder bei den wenigen Versuchen Dortmunds über das Zentrum vorzustoßen, immer wieder schoben Sabitzer und Svensson hoch oder verloren selber den Ball. Im Anschluss lief Sporting also nur noch auf die Abwehrkette zu, was unter anderem zu Sportings bester Chance führte, Araujos Lattentreffer.
Gegen Ende der ersten Halbzeit probierte sich auch Sporting mit Diagonalbällen, ähnlich wie Dortmund (s. Abb. oben), wobei der ballführende Innenverteidiger nicht unter Druck gesetzt wurde und sowohl der ballferne Halbraum als auch Flügel in die Tiefe starteten.
Dortmunds Intensität wird belohnt
In Halbzeit 2 wurden beide Mannschaften allmählich mutiger. Sporting lief phasenweise hoch an, besonders bei Abstoß Dortmund, fand jedoch wieder keine guten Pressingauslöser, sobald sie einmal im tiefen Block verharrten. Bei Dortmund äußerte sich die erhöhte Risikobereitschaft vor allem beim Gegenpressing, mit welchem man deutlich mehr Ballgewinne verzeichnen konnte. Gleichzeitig schlichen sich bei Sporting auch mehr Fehler ein.
Bei Abstoß Dortmund verfiel man in eine 4-2-3-1 Ordnung, mit Groß und Sabitzer als die beiden Sechser, und Svensson und Ryerson wieder auf ihren nominellen AV Positionen. Aus dem hohen, mannorientierten Pressing Sportings konnte man sich teils spielerisch lösen. Da Quenda mannorientiert auf Svensson blieb, machte dieser wieder den Weg in den Sechserraum. Dies öffnete den kompletten Flügel und ermöglichte Pässe zu Groß der aus dem Zentrum mit Dynamik nach Außen startete. Im 2 gegen 1 bespielte man dann weniger die Tiefe, sondern versuchte sich Platz zu schaffen und Flanken zu schlagen.
Das 1:0 fällt dann letztendlich nach einem erfolgreichem Gegenpressing Moment, wo Sporting gezwungen ist blind den Ball wegzuschlagen. Dortmund, noch gut gestaffelt auf dem Flügel, nutzt erneut die Überzahl um eine Flanke zu schlagen die dann Guirassy findet. Generell war aber ein Intensitätsverlust auf Seite Sportings zu beobachten, weshalb sich das Tor in dieser Phase des Spiels auch angedeutet hat.
Blickt man auf das 2:0, startet es wieder beim Aufbau des BVB, bei dem Sporting es nicht schafft sowohl Svensson als auch Groß in den Griff zu bekommen. Erneut ist es die gleiche Bewegung, wo Svensson ins Zentrum startet und Groß auf die Außen ausweicht, diesmal zieht Groß aber den Gegenspieler mit, was es erlaubt Svensson aufzudrehen und auf die freie Seite zu wechseln. Erneut ist der Flankengeber kaum ohne Druck, trotz Verteidigern in unmittelbarer Nähe.
Nach dem 2:0 flachte die Partie dann endgültig ab, die blutjunge Lissaboner Mannschaft lies es zunehmend an Intensität vermissen und konnte sich in Halbzeit 2 nicht mehr steigern. Letztlich konnte der BVB nach einem Freistoß nochmal einen Konter fahren, um sogar noch das 3:0 zu erzielen und aus der möglichen Beute das maximum rauszuholen.
Fazit
Vor allem in Halbzeit 1 war es ein schwaches Champions League Spiel. Beiden Mannschaften war anzumerken, dass man der jeweils anderen die Verantwortung und Kontrolle überlassen will. Lösungen mit Ball waren Mangelware und darauf ausgelegt, bloß kein Risiko zu kreieren. Erst mit Anpfiff der zweiten Halbzeit wurden beide Teams ein wenig mutiger, wobei vor allem der BVB einen guten und strukturierten Eindruck machte, vor allem in der Art und Weise wie man vom Spielaufbau aus ins letzte Drittel kommt und wie man nach Ballverlust dem Ball nachjagt. Ein am Ende verdienter Sieg für die Dortmunder, auch wenn er ein wenig zu hoch ausfällt, aber kein Leistung auf der man sich mit Blick auf die folgenden Spiele ausruhen kann.
JK hat irgendwann als Jugendlicher hinterfragt wieso Werder jedes Spiel verliert und stieß irgendwann auf das Stichwort Taktik. Seitdem nutzt er seine Freizeit um weitaus mehr als Werder zu analysieren und geht einem Sport-Studium nach. Nebenbei auch Trainer.
Keine Kommentare vorhanden Alle anzeigen