Salzburg weckt den Klopp in sich – VR & MX

Unter Pepjin Ljinders erhoffen sich einige bei RB Salzburg einen progressiven Ansatz und sehr viel Intensität. Warum und wie funktioniert der neue Trainer bei den «Roten Bullen»?

RB Salzburg – eine verkorkste Saison

Zu Beginn der letzten Saison war eigentlich klar, dass Matthias Jaissle mit Salzburg in die Saison starte. Er plante die Saison, leitete die Vorbereitung, dirigierte das 6:0 in der ersten Pokalrunde und saß auf der Pressekonferenz vor dem ersten Spiel gegen den SCR Altach. Doch dann kam alles ganz anders. Zwei Tage vor dem offiziellen Start der Bundesliga-Saison stellte der Verein seinen Erfolgstrainer frei. Grund dafür waren die fortgeschrittenen Gespräche mit dem saudischen Klub AL-Ahli. In der Abschieds-Pressemitteilung von RB Salzburg wird der Geschäftsführer Stefan Reiter mit den Worten zitiert: „Wir sind der Ansicht, dass ein Trainer, der sich nur zwei Tage vor dem Start einer wichtigen Saison derart intensiv mit einem möglichen Klubwechsel beschäftigt, bei diesem Auftakt auch nicht dabei sein sollte“. Noch am Selben Tag erscheint ein Verkündungsvideo auf X (ehemals Twitter), indem Mathias Jaissle als neuer Trainer des Al-Ahli Saudi FC vorgestellt wird. Das war aber nicht der einzige Abgang im Sommer 2023, denn auch der Sportdirektor Christoph Freund verließ den Klub. Ihn zog es in die Deutsche Bundesliga zum FC Bayern München. So stand Salzburg nur wenige Tage vor dem Start in die neue Saison, ohne Trainer und Sportdirektor da. Zudem verließen in diesem Jahr weitere Leistungsträger wie Maximillian Wöber (Leeds United) oder Noah Okafor (AC Milan) den Verein, nachdem schon in der Saison zuvor einige Top-Talente den Verein verlassen haben. So waren von der ersten Spielzeit unter Mathias Jaissle kaum noch Spieler in der neuen Saison dabei.

Die Saison beginnt – aber ohne Jaissle

Für das Auftaktspiel der Saison 2023/24, gegen Altach war der Co-Trainer Florens Koch verantwortlich. Der Heidelberger ist seit 2016 bei RB Salzburg aktiv, wo er im Jugendbereich als Co-Trainer angefangen hat. Da dieser aber nicht die UEFA Pro-Lizenz besitzt und diese in der Position als Cheftrainer in Österreichs erster Liga notwendig ist, war er eine Überganslösung. Nur zwei Tage nach dem Eröffnungsspiel, dass mit 2:0 gewonnen werden konnte, präsentierte der Klub einen Nachfolger von Jaissle. Gerhard Struber hieß nun der neue Coach, der mit den Roten Bullen die Saison bestreiten sollte. Der 47-Jährige kommt aus dem RB-Kosmos und war zuvor bei den New York Red Bulls aktiv. Davor war er beim FC Liefering sowie in der Jugend von RB Salzburg tätig. Dabei setzte er die meiste Zeit, wie im RB-Fußball beliebt, auf ein 4-4-2 Raute. Die Hinrunde der österreichischen Bundesliga schloss man als Tabellenführer ab. Am Ende holte Salzburg 50 Punkten mit einer Tordifferenz von 50:13. In Österreich werden die Mannschaften ab der Rückrunde ein zwei Gruppen eingeteilt. Die ersten sechs Mannschaften spielen in der Meistergruppe um den Titel, während die restlichen Sechs Teams in der Qualifikationsgruppe um den Verbleib in der Liga kämpfen. Dabei werden die Punkte halbiert. So hat RB Salzburg (25 Punkte) zwei Punkte Vorsprung auf den zweitplatzierten SK Sturm Graz (23 Punkte).

Titel in Gefahr!

Ab April kriselten die Salzburg. Sie schieden gegen Sturm Graz im Halbfinale der ÖFB-UNIQA-Cup mit 4:3 aus, wodurch das Double nicht mehr möglich war. Auch in der Liga ließ man Punkte liegen. Gegen Rapid Wien kam man nicht über ein 1:1 hinaus und gegen den Linzer ASK, gab es eine 3:1 Niederlage. Nachdem die Roten Bullen, den kurzzeitigen Fünf Punkte Vorsprung auf Sturm Graz verspielt hatten, trennte sich der österreichische Serienmeister vom Cheftrainer Gerhard Struber. Das Traineramt übernahm Onur Cinel der zu diesem Zeitpunkt bei FC Liefering unter Vertrag stand, wo er vorübergehend freigestellt wurde. In der Folge trat man zweimal hintereinander auf die Austria Klagenfurt. Das erste Spiel konnte man mit 4:2 gewinnen. Aber im zweiten Spiel konnte sich die Klagenfurter durchsetzen. Da Sturm Graz derweil in Wien mit 1:3 gewinnen konnte, war Salzburg erstmals zweiter in dieser Saison und es drohte eine Titellose Saison. Im direkten Duell schaffte man es nicht die Grazer zu besiegen und holte nach einem 0:2 Rückstand zur Pause noch ein Unentschieden. So hatte die Salzburger in den letzten drei Spielen eine drei Punkte Rückstand aufzuholen. Doch nachdem das darauffolgende Spiel gegen Rapid Wien mit 2:0 verloren ging, erschien der Titel kaum noch realistisch. Daran konnten auch die beiden Kantersiege gegen TSV Hartberg (1:5) und Linzer ASK (7:1), nichts mehr ändern. Somit beendet Sturm Graz die zehnjährige Dominanz von Salzburg und krönt sich zum österreichischen Meister.

RB Salzburg – ein Neuanfang

Diese Saison soll bei den Roten Bullen alles anders laufen. Der jahrelange Co-Trainer unter Jürgen Klopp, Pep Lijnders, soll das Ruder wieder herumreißen. Dabei ist RB Salzburg, nach einem kurzzeitigen Engagement bei NEC Nijmengen, erst seine zweite Trainerstation. Unerfahren ist aber nicht nur der neue Coach, sondern auch die meisten Spieler. So hat der Kader einen Altersdurchschnitt von 21,9 Jahren. Dabei ist der Älteste Feldspieler gerad einmal 25 Jahre alt. Dennoch könnte RB Salzburg in der kommenden Saison für Furore sorgen. Wir haben uns die Testspiele von Red Bull Salzburg genauer angesehen und zeigen auf, was schon gut funktioniert und woran noch gearbeitet werden muss.

Intensität im Spielaufbau

Die Salzburger verloren bislang in der Vorbereitung keines ihrer fünf Spiele. Dabei konnte man beim Team die neue Spielidee erkenne. Plan ist es wieder zurück zum RB-Fußball zu gelangen, der die letzte Saison ein bisschen verloren ging. Dabei setzt der neue Trainer auf Intensität in allen Phasen des Spiels. Dabei hat Pep Lijnders eine klare Idee im Ballbesitz. Die Salzburger spielen auf dem Papier aus einem 4-3-3 heraus. Wichtig ist dem neuen Trainer hierbei, dass die Spieler sehr viel Freiheiten in der Positionierung haben, um nicht in eine Statik zu verfallen. Aus diesem Grund ist das Spiel von Salzburg sehr fluide. Im Mittelfeld agieren sie überwiegen in einer 2-1 Struktur mit Kjaergaard als zweiten Sechser neben Diambou. Teilweise wechseln sie dann aber in eine 1-2 bzw. 1-2-1 Anordnung, um nicht berechenbar zu sein. Auch im Aufbau sind sie sehr variabel in der Struktur. Gegen Unterhaching, die aus eine 4-4-2 flach tiefer Verteidigten wurde dies deutlich. Die beiden Außenverteidiger der Salzburger, schoben in der Regel sehr hoch bis an die letzte Linie. Dadurch entstand im Aufbau eine 2-2 Struktur. Dies wechselte aber permanent, indem sich Kjaergaard teilweise in eine Toni Kroos Position fallen ließ, um ein 3+1 zu bilden. In der zweiten Halbzeit war es durch die Einwechslung von Gloukh situativ auch ein 2+3 Aufbau.

Rotationen und Bewegungen

Durch das Hochschieben der beiden Außenverteidiger konnten die beiden Flügelspieler in die Mitte hineinrutschen. Dadurch binden diese den Außenverteidiger des Gegners im Halbraum, wodurch die beiden hochschiebenden Außenverteidiger der Salzburger nach Verlagerung offen sind. Vor allem in der zweiten Hälfte gegen Unterhaching sah man oft einen Diagonalball aus dem Mittelfeld auf Van der Brempt, der Platz hatte, da Forson den Außenverteidiger gebunden hatte. Durch die Situative Dreierkette war der linke Flügelspieler von Unterhaching gebunden und konnte so nicht mit in die letzte Linie verteidigen. Leider nutzte Van de Brempt den vorhandenen Raum nicht konsequent und gab viele aussichtsreiche Angriffe zu leicht her. Ein weiterer positiver Effekt, der durch das Hineinrutschen der Flügelspieler entsteht, ist, dass dadurch das Zentrum überladen wird. Somit hatte Salzburg teilweise sechs Spieler, die sich im Zentrum aufhielten. Dadurch schaffte sie mehrere Ebenen. Sie eröffnen dabei sehr mutig über die Sechser, um den Gegner so aus der Position zu locken, um in die nächsten Ebenen spielen zu können. Dabei ist der Spielaufbau sehr vertikalen. Mithilfe von Steil-Klatsch Aktionen schaffen sie es in der zweiten Linie einen freien Fuß, zu kreieren.

Salzburg eröffnet mutig über die Sechser. Dabei bewegt sich hier Kjaergaard Diagonal zu Diambou um nach Anspiel sofort eine Klatsch-Option zu bieten. Der Sechser rückt auf Diambou heraus. Da Salzburg viele Spieler im Zentrum hat ist hier Konate zwischen den Linien frei.

Im ersten Test gegen Unterhaching gelang es ihnen immer wieder den Sechser aus der Position zu ziehen. Dadurch öffneten sie den Raum zwischen den Linien, in den sie immer wieder reinspielten. Dabei bildeten die Roten Bullen eine Raute im Halbraum, meist auf der linken Seite. Gebildet wurden diese durch den Sechser; Außenverteidiger; Achter und eingerückter Flügelspieler. So stand der Sechser des Gegners permanent vor der Entscheidung, ob er herausrücken kann oder nicht. Sofern sich dieser entschied auf Diambou bzw. Kjaergaard zu schieben öffnete sich der Halbraum. So sah man in der ersten Halbzeit häufig einen flachen Diagonalball vom Außenverteidiger Daouda Guindo in den Halbraum. Das löst eine Kettenreaktion in der Abwehr der Münchener Vorstädter aus. Denn die Innenverteidiger standen ebenfalls vor der Frage, ob sie herausrücken können oder nicht. Salzburg konnte sich so mehrfach auf der ballnahen Seite hinter die Kette kombinieren. Entschied sich der Sechser den Passweg in den Halbraum zu schließen, öffnete sich der Sechser Diambou. Dieser verlagerte das Spiel entweder in den Ballfernen Halbraum auf Capaldo, oder wie schon erwähnt auf den aufgerückten Außenverteidiger.

RB Salzburg bildet eine Raute im Halbraum. Dadurch öffnet sich Raum zwischen den Linien des Gegners oder sie können über den Sechser verlagern

Dabei sind die abgestimmten Bewegungen der vorderen Reihe von entscheidender Bedeutung. Denn nur, indem die offenen Räume hinter dem Sechser besetzt werden, können diese auch bespielt werden. In der zweiten Halbzeit gegen Unterhaching, wo Salzburg die Komplette elf gewechselt hatte, gelang dies nicht immer optimal. Es wurden zwar die Sechser aus der Position gezogen, wodurch sich Räume im Rücken ergaben, nur besetzte Salzburg diese nicht mehr konsequent. In der ersten Halbzeit waren es Konate und Capaldo die immer wieder zwischen den Ketten des Gegners die Räume fanden.  Grundsätzlich will Pep Lijnders sehr mobile Stürmer, die sich immer durch vertikales Entgegenkommen von der letzten Linie lösen. Dafür braucht es die geeigneten Spielerprofile, sowie eine klare Absprache. Gelingt dies ist es unheimlich schwer für den Gegner das permanente Entgegenkommen aufzufangen, da man sonst Räume in der Tiefe öffnet die durch die schnellen Nene, Konate, Daghim bespielt werden können.

Gelingt es Salzburg im Mittelfeld einen Spieler mit Gesicht zum gegnerischen Tor freizuspielen, verschärfen die Roten Bullen das Tempo. Sie überladen mit den beiden Achtern sowie den hohen Außenverteidigern die letzte Linie und versuchen sehr direkt zum Tor durchzuspielen. Dabei wollen sie flach mit vielen Spieler in die Box eindringen. Hier gibt Pep Lijnders seinen Spielern ein klares Muster an die Hand, wie dies gelingen soll. Sofern der Ball auf den Flügel gespielt wird, setzt sich ein ballnaher Spieler aus dem Zentrum vertikal nach hinten ab. Dies ermöglicht einen Querpass ins Zentrum. Erfolgt dieser läuft der Spieler, der den Ball abgespielt hat nach dem Prinzipe-Spielen-Gehen in Form eines Bogenlaufes diagonal nach innen. Der Passempfänger versucht den Ball mit dem ersten Kontakt hinter die Kette weiterzuleiten. Gelingt es RB nicht hinter die Kette zu spielen so ist im Notfall auch ein Schuss aus der Distanz eine Option.

Analyse gegen Prag à Hohes Pressing Gegner

Da Lijnders Schüler von Jürgen Klopp war, der einst in einem Fernsehinterview sagte „Gegenpressing ist der beste Spielmacher“ verwundert es nicht das Pep Lijnders ähnlich denkt. So sagte er in einem Interview bei seinem neuen Verein „Gegenpressing ist kein Vorschlag, es ist ein Gesetz!“. In den Testspielen kristallisierte dies mit eine der Stärken des „neuen“ RB. Dabei schieben die beiden Achter sehr hoch, um nach Ballverlust direkt in die Ballrückeroberung zu kommen. Diambou schiebt zwar auch mit, aber agiert grundsätzlich etwas vorsichtiger. Die Innenverteidiger orientieren sich schon im Ballbesitz risikoreich an den Stürmer, um diese eng zu markieren, hierbei gab es auch in den Testspielen Problemen, wenn man sich aus dieser Orientierung zu weit aus der Viererkette herausziehen ließ. So hatten die Innenverteidiger direkten Zugriff, sofern die erste Welle des Gegenpressings überspielt worden ist, mussten aber oft auch den großen Raum zwischen Viererkette und Torwart nach langen Bällen verteidigen und früh die Läufe des Stürmers antizipieren.

Nach einem Ballverlust gehen die Spieler gedankenschnell und kollektiv ins Gegenpressing über, um mögliche Konter gerade über die Flügel frühzeitig zu ersticken. Zudem ist die Chance zur Rückeroberung des Balles am größten, solange der Gegner selbst seine Struktur noch nicht gefunden hat. Benötigt der Gegner zu lange, schlägt Salzburg zu: Sie üben überall und von überall her Druck aus, mit der höchsten Intensität rücken umherliegende Spieler auf den ballführenden Spieler. Durch ein sauberes Positionsspiel im Ballbesitz werden die Momente des Gegenpressings bereits vorbereitet, da die Mannschaft stets geschlossen in die gegnerische Hälfte vorrückt. Das führt zu kurzen Abständen zwischen den Spielern und ermöglicht am Ort des Ballverlustes eine schnelle Überzahl, gerade die Dreiecksbildung mit dem Ball, kann auch gegen den Ball verwendet werden: Zwei Spieler suchen proaktiv den Zweikampf, während der dritte Spieler den vertikalen Passweg zustellt. Befreit sich der Gegner aus dem Gegenpressing, bleibt ihnen meist nur der Weg über die Außenspuren, da die Halbraumspieler früh einrücken und das Zentrum schließen. Das verzögert die Gegenangriffe und RBS sucht den Übergang in ihre defensive Grundordnung.

Mutiges RB-Pressing

Eröffnet der Gegner das Spiel im strukturierten Spielaufbau von hinten heraus, so steht RB Salzburg meist in einem 4-1-2-3. Interessanterweise stellt das zentrale Mittelfeld eine Veränderung zur 4-3-3-Grundformation dar, so rücken die äußeren zentralen Mittelfeldspieler auf und agieren hier in einer hybriden Herangehensweise. Sie verhalten sich grundsätzlich vor allem dann mannorientiert, wenn ein gegnerischer Sechser horizontal in Richtung des Außenverteidigers verschiebt und sich versucht anzubieten. Ansonsten stellt man über die Positionierung im Halbraum, um auch Zugriff auf den Flügel zu haben. Zusätzlich hängt diese Positionierung auch mit den systematischen Schwächen im 4-1-2-3 zusammen, da sich die Dreierreihe im Sturm sehr offensiv und eher eng verhält, ist der Raum zwischen gegnerischen Flügelspieler und gegnerischen Außenverteidiger am Flügel sehr groß, diesen nutzen die Flügelspieler dann durch Abkippen. Um nicht die eigenen Außenverteidiger um bspw. Terzic und Dedic zum risikoreichen Herausverteidigen zu zwingen, sollen die halbräumigen Mittelfeldspieler aus der halbräumigen Position heraus hinausschieben.

Gleichzeitig soll durch dieses breites Aufgabenprofil der zentralen Mittelfeldspieler aber nicht die gegnerischen Sechser, gerade gegen spielstarke Spielertypen, vergessen werden. Im Normalfall laufen die beiden äußeren Stürmer, die Innenverteidiger mannorientiert mit Deckungsschatten zu den Sechsern an, der freie Mittelstürmer stellt derweil raumorientiert den Passweg ins Zentrum zu. Dahingehend drängt man den Gegner in Zielräumen wie bei den Außenverteidigern oder in andere Szenarien in den Sechser Sechserraum zu Abkipp- und Freilaufbewegungen, diese versucht RB früh zu identifizieren, um dann mittels aggressiver Zweikampfführung ein Aufdrehen verhindert.

Im alternativen 4-1-2-2-1 gegen flache Viererketten im Spielaufbau des Gegners ist es nicht selten Mittelstürmer Ratkov der als alleiniger Läufer eingesetzt wird. Er versucht gegen breit stehende Innenverteidiger, diese von innen aus in Richtung der Außenbahn zu drängen und Pässe in jene Richtung zu leiten. Hier soll dann die zweite Linie, aus den beiden äußeren Stürmern mannorientiert die Außenverteidiger attackieren. Gerade im 4-1-2-2-1 stehen die Salzburger Außenstürmer breiter als in der direkten Dreierreihe und laufen hierbei die gegnerischen Außenverteidiger sofort an, wenn diese den Ball erhalten, um daraufhin einen offenen Pass vertikal nach vorn zu verhindern, allerdings kann man aus dieser Mannorientierung heraus in dieser Positionierung den Weg in den Sechserraum anders als im 4-1-2-3 nicht abdecken. Hierdurch wird das eigene zentrale Mittelfeld mehr in der Verteidigung dieses offenen Raumes gefordert und ebenso mehr zu einer Mannorientierung neigt als im 4-1-2-3.

Eine Stärke des 4-1-2-3, nämlich die Möglichkeit, in offene Räume am Flügel hinauszurücken, ist durch diese Mannorientierung der Sechser beschränkt. Nicht wenige Male löste man sich gegen Unterhaching zu spät aus dieser Mannorientierung, infolge musste die Außenverteidigung aggressiv herausverteidigen und man stand in der Abwehrlinie 3v3 gegen den Gegner, was sehr gefährlich ist.

Dennoch möchte Ljinders möchte unterdessen die laterale und unabhängige Kompaktheit seiner Viererkette nicht aufgeben (wodurch das Team teils zweigeteilt scheint), wenn der Gegner über die Außenbahn angreift. Einerseits agiert der ballferne Außenverteidiger immer etwas eingeschoben, um notfalls zu einer Dreierkette mit normaler Breite zu wechseln. Wie im obigen Beispiel aber, gehen die Außenverteidiger auf den gegnerischen Flügelstürmer, sobald dieser in den Angriff durch bspw. Abkippbewegungen eingebunden wird. Tendenziell deutete es sich aber bereits an, dass der Flügelspieler diesen zumindest zeitweise nach Abkippen übernehmen und der Mittelstürmer vom Innenverteidiger zum Außenverteidiger durchlaufen sollte.

Dies zeigt aber auch die Krux bei seiner Philosophie, die stets von Intensität handelt. Wann gehe ich volles Risiko mit der Intensität, wann bin ich aber auch gewillt, anderswo Zugeständnisse zu machen – sprich dem Gegner Raumgewinne zu erlauben. Ein Stilmittel, welches hier wichtig werden könnte, ist das von hinten Verteidigen, welches zusätzlichen Druck auf den ballspielenden Gegner ausübt, ohne dass man risikoreich aus anderen Räumen herausgeht. Dies sieht man bei Salzburg aktuell von überspielten Linien noch zu wenig, wodurch es oft beim Pressen sowie Herausrücken aus der zweiten Linie oder der Abwehrlinie oft Probleme, und folglich aus dem zu großen Abstand zum Gegner, auch Unterzahlsituationen gibt. Allerdings ist es auch erst der Anfang, ganz nach Ljinders: «Sie haben ein Problem, entwickeln eine Lösung, beginnen mit dem Training und stellen fest, dass es nicht funktioniert, bestehen aber darauf und wiederholen und korrigieren das Verhalten so lange, bis jeder den Sinn verstanden hat.»

Tiefer Block im 4-1-4-1

Wurde das Pressing überspielt, lässt man sich gerade durch das fehlende von hinten Attackieren früh in ein tiefes 4-1-4-1 fallen. Die beiden äußeren Stürmer fallen dabei weit in die zweite Linie zurück, lassen sich neben die beiden zentralen Mittelfeldspieler fallen, welche einrücken, und bilden eine flache Viererkette. Diese zielt diese darauf ab, einen kompakten Abstand zwischen der zweiten Linie und der Abwehrlinie zu halten und schließen den Raum zwischen den Linien und stellen auch die Passwege vom Flügel ins Zentrum zu. Die zentralen Mittelfeldspieler bedrängen den direkten Gegenspieler oft Mann gegen Mann, wobei die Außenspieler tendenziell hochschieben, um die hoch gerückten gegnerischen Außenverteidiger zu markieren.

Die Abwehrreihe agiert ähnlich kompakt und zieht sich bei Bedarf auch weiter enger zurück. Die Innenverteidiger sind in der Regel für die Angreifer zuständig, die sich fallen lassen und versuchen, zwischen den Linien zu empfangen, sowie für das direkte Spiel im Zentrum und das Klären von Flanken. Gerade wenn einer der Innenverteidiger rausrückt, soll Diambou derweil den offenen Raum in der Viererkette füllen. Die Außenverteidiger springen nach vorne, um in am Flügel Druck auszuüben, hierbei versuchen sie aber grundsätzlich eher weniger risikoreich zu agieren und rücken nur im äußersten Notfall aus der Viererkette heraus.

Probleme ergeben sich aus dem tiefen Block heraus allerdings ebenso. Mit diesem Block schenkt man dem Gegner schlichtweg zwei Drittel des Feldes und lässt ihn den Ballbesitz kontrollieren. Gegen technisch und individuell schwächere Teams, gerade in der Liga, wird das allerdings tendenziell auch eine Stärke sein. Allerdings gibt es gerade Probleme, wenn der Gegner aus der Tiefe heraus mit bspw. Innenverteidigern andribbelt und man aus seiner Kompaktheit zum Herausverteidigen gezwungen wird. Einerseits wirken hier die Automatismen noch zu wenig ausgereift, andererseits fehlt in diesen Momenten auch die Defensivarbeit im tiefen Block des alleinigen Stürmers, der sich bereits im tiefen Verteidigen um das Suchen von Räumen für Konter kümmert. Durch das Locken kann man die perfekte Balance aus dem 4-1-4-1 für Konterfußball nutzen. Durch dieses System besitzt man die nötige Anzahl an Spielern, die aus dem Zentrum nachschieben können, wie auch durch das Zurückfallen der äußeren Stürmer auch das notwendige Tempo. Präsenz im Zentrum, um Konter einzuleiten und eine Vielzahl von Stürmern einzubinden.

Fazit und Ausblick

Wie «gut» sind die Salzburger von Ljinders nun am Ende des Tages? Der neue Trainer hat in sehr kurzer Zeit in der Vorbereitung eine intensive und eine durchaus ausgeglichene Mannschaft mit einer recht breit angelegte Palette an Idealen aufgebaut. Die Truppe zeichnet sich dadurch aus, dass sie mit aggressiver Zweikampfführung, ständiger Laufbereitschaft, gutem Umschalten in beide Richtungen, dynamischem wie kollektives Nachrückverhalten und vielen Bewegungen zum Ball, ihre Stärken auf das Feld bringen.

Ihre grundsätzliche Systematik gestaltet sich dahintehend flexibel und stabil, hierbei könnte es eine gute Mischung aus dem RB-Umschaltfußball, den jeder kennt, und Ljinders-Ballbesitzfußball, der sehr von Crujff geprägt wurde, werden, wenn zu diesem Zeitpunkt auch die Details nicht immer ganz sauber sind.

In diesem Zusammenhang spielt es auch eine Rolle, inwieweit man auf Gegner in Pflichtspiele reagieren kann und dennoch die Identität behält und wie man im tristen Ligalltag jene Intensität auch aufbringen kann. Essenziell wird es auch, wie man im Laufe der Saison auf diese Basis aufbaut.

Autoren: VR hat vor Jahren angefangen, sich tiefgründiger mit dem Fußball zu beschäftigen und arbeitet seither neben der Ausbildung zum Sportkaufmann beim Bayrischen Rundfunk in der Sportredaktion. Er analysiert gerne und verfasst Artikel über das Spiel + MX hat eine Vorliebe für besonders auf Ballbesitz ausgerichtete Mannschaften, steht mittlerweile aber auch auf Relationismus. Neben Der-Jahn-Blog schreibt er auch für miasanrot. Vorher war er im Analysebereich des NLZ von Jahn Regensburg tätig.

Gregor 20. August 2024 um 12:40

Vielen Dank, sehr spannender Artikel.

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