Aus dem Mittelfeld ins Finale

1:3

Deutschlands Finalgegner bei der U21-EM ist Spanien. Der Favorit zeigte gegen kompakte Italiener ein sehr ausgewogenes Mittelfeldspiel, fand aber erst spät die richtigen Mittel um Torgefahr zu erzeugen.


Mal wieder Italien gegen Spanien. Dieses Duell entwickelt sich in den letzten Jahren immer mehr zum Klassiker und brachte schon einige taktisch sehr spannende Spiele hervor. Auch dieses Mal gab es wieder einiges zu sehen – auch wenn Italien letztlich die Mittel fehlten.

Zunächst hielt die Squadra Azzura aber sehr gut dagegen. Sie verhinderten das spanische Aufbauspiel, indem sie mannorientiert hoch zustellten. Die spanischen Außenverteidiger wurden offen gelassen und die breit auffächernden Innenverteidiger gedeckt, sodass Torwart Arrizabalaga meist mit hohen Bällen auf die Außenverteidiger eröffnen musste, die dann zugeschoben wurden. Spanien kam nicht richtig raus und Italien hatte ein paar kleinere Kontergelegenheiten.

Unterschiedliche 4-3-3-Varianten

Anschließend ließ sich die Squadra Azzura jedoch in ein 4-5-1-Mittelfeldpressing zurückfallen. Diese flache, eher defensive Variante des 4-3-3 wurde nach vorne dann zum 4-1-4-1. Generell wurde das Spiel vor allem geprägt von 4-3-3-Varianten: Beide Mannschaften agierten im Aufbau mit einem zentralen Sechser und zwei Achtern, die vielseitige Bewegungsmuster zeigten. Dabei zog es vor allem die beiden linken Achter eher zum Flügel und der Zehnerraum wurde auf beiden Seiten eher sporadisch besetzt.

Italien entwickelte aus dieser Ausgangslage ein relativ flügellastiges und vertikales Spiel. Besonders Pellegrini kurbelte das Spiel sehr engagiert an, doch es fehlte Italien letztlich an Verbindungen zwischen den Offensivspielern. Spanien versuchte, in die Halbräume zu kommen, und agierte sehr horizontal mit den typischen langen Ballbesitzphasen. Gegen den Ball schob Ceballos oft nach vorne, sodass eher ein 4-4-1-1 entstand. Am prägendsten und interessantesten war aber Spaniens taktische Ausrichtung mit dem Ball.

U21 ITA SPASpanien mit Linksüberladungen

Dabei nutzten die Spanier nach vorne eine gut balancierte Asymmetrie in der Rollenverteilung: Rechts gab Bellerin Breite, sodass Asensio sich frei durch das Mittelfeld bewegen konnte. Die Innenverteidiger schoben dafür etwas nach rechts. Links hielt Deulofeu die Seitenlinie; hinter ihm balancierte Jonny Otto diese Asymmetrie, indem er den Raum neben Vallejo besetzte und später dann diagonal nach vorne startete, um die Räume innen von Deulofeu zu attackieren.

Gerade diese linke Seite war Spaniens wichtigste Zone. Ceballos wich immer wieder dort hin aus und Asensio bewegte sich häufig bis in die halblinken Räume. Nach Möglichkeit bewegten sie sich dabei im Halbraum, bei Bedarf wichen sie zur Ballsicherung bis zur Seitenlinie. Mit Llorente als Sechser und Saúl als beweglichem halbrechtem Achter hatten sie zwischen Abwehr und Mittelfeld gute Verbindungen.

Durch die Rollen von Meré, Saúl und Asensio konnten sie aber zuweilen auch halbrechts überladen, um dann etwa auf Deulofeu zu verlagern oder über Vallejo vertikale Bälle in freie Räume auf Ceballos zu bringen. Dieser Wechsel aus Angriffen über halbrechts und links-halblinks war sehr ansehnlich und wurde hervorragend umgesetzt.

Mangelnde Lösungen in Richtung Strafraum

Trotz dieser sehr ansehnlichen, zuweilen herausragenden Spielanlage im Mittelfeld konnten die Spanier im ersten Durchgang kaum Torgefahr erzeugen. In die Räume hinter die italienische Abwehr hinein gab es nämlich kaum Aktionen. Am gefährlichsten waren noch Einzelaktionen Deulofeus, auf den Saúl ein paar sehr schöne Verlagerungen spielte; durch das linkslastige Spiel war das aber eher selten.

Die Angriffe von der linken Seite entwickelten indes kaum Zug zum Tor. Die Italiener schoben sehr gut nach rechts und stellten die Räume um Asensio mit drei Sechsern zu. Ceballos gelang es bis zum 1:0 nur ganz selten, die Spielzüge in Richtung Zentrum anzukurbeln und Bellerín wurde im ersten Durchgang sehr selten eingebunden.

Ein Hauptproblem außerdem: Sandro Ramirez konnte sich in diese Spielanlage gar nicht eingliedern. Er wich nicht aus, um Räume zu öffnen oder anschließend Läufe zum Tor zu zeigen, sondern bewegte sich uninspiriert auf direktem Weg zwischen Ball und Tor, sodass er meist nur in der Rückwärtsbewegung angespielt werden konnte. (Und das entsprach sichtlich nicht seinen Stärken.) So gab es schlichtweg kaum einmal Läufe in die Tiefe.

Spanier tauschen Angriffspositionen und Saul marschiert

Die Gefahr kam dann stattdessen aus dem Rückraum. Saúl entschied die Partie mit einem Hattrick aus Rückraumpositionen nach Zuspielen von Ceballos, Deulofeu und Asensio. Diese drei tauschten im ab Ende der ersten Hälfte auch die Positionen, was neue Möglichkeiten öffnete.

Deulofeu spielte auf der rechten Seite nicht so breit, sondern rückte eher – ähnlich stationär wie zuvor – in den Halbraum ein. So öffnete er Raum für Bellerín, der nun viel präsenter war, und eben wie vor dem 2:1 für Saúl. Asensio und Ceballos konnten flotter miteinander kombinieren und das Spiel dann dynamischer nach vorne entwickeln, da die linke Seite nicht von Deulofeu effektiv zugestellt wurde. Zwischendurch tauschte Asensio auch mal mit Ramirez, der dann auf den linken Flügel ging.

Besonders lobenswert, auch unabhängig von seinen Toren, war jedoch Saúl Ñíguez. Er bewegte sich unaufgeregt über das Feld, balancierte seine Mannschaft und gleichzeitig war er derjenige, der am meisten Druck entwickeln konnte: zum einen über sehr starke, weiträumige Aktionen am Ball, zum anderen dadurch, dass er – bereits im ersten Durchgang – die richtigen Momente fand, um nach vorne zu schieben und Präsenz in Strafraumnähe zu entwickeln. Die drei hervorragenden Abschlüsse krönten seine Leistung.

Ausblick auf das Finale

Die Spanier sind in ihrer Spielanlage der deutschen Mannschaft nicht unähnlich. Die Ballzirkulation ähnelt sich auf beiden Seiten, während das Spiel im Angriffsdrittel bei beiden noch etwas schleppend verläuft. Insgesamt entwickelt die deutsche Elf etwas mehr Zug zum Tor, während die Spanier innerhalb des Mittelfelds noch besser strukturiert sind. Gegen den Ball sind beide Teams nicht hundertprozentig sattelfest und gegen ein Angriffspressing bekamen auch beide schon Probleme. Die Spanier aber mit Asensio und Saúl wohl die beiden besten Spieler des Turniers in ihren Reihen.

Das Finale des Turniers schickt sich also an, hochinteressant zu werden. Vor allem diesbezüglich, dass dies das erste höherrangige Pflichtspiel zwischen Spanien und Deutschland ist, seitdem auch der DFB sich auf Ballbesitzspiel fokussiert. Ballbesitzteam gegen Ballbesitzteam ist ja immer noch eine eher seltene Erscheinung im Weltfußball. Mal sehen, wie sich das entwickelt.

Koom 28. Juni 2017 um 09:48

> Insgesamt entwickelt die deutsche Elf etwas mehr Zug zum Tor, während die Spanier innerhalb des Mittelfelds noch besser strukturiert sind.

Ich glaube, dieses Statement wird man immer im Vergleich zwischen einer deutschen und spanischen Mannschaft so schreiben können. Das scheint beides einfach mehr im Grundcharakter der jeweiligen Mannschaften zu stecken.

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DrKlenk 28. Juni 2017 um 01:06

Ballbesitzteam gegen Ballbesitzteam ist normalerweise richtig geil. Noch geiler wird´s, wenn beide auch noch gut hoch pressen können.

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Dr. Acula 28. Juni 2017 um 11:18

richtig, habe auf das spiel weit mehr vorfreude als auf irgendein spiel des confed cups

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tobit 28. Juni 2017 um 16:08

Deutschland, Chile und Mexico sind doch alle relativ Ballbesitzorientiert. Das erste von drei möglichen Duellen fand ich sehr gut (und habe mich da auch im Vorfeld drauf gefreut).
Bei der U21 profitieren sowohl Spanien als auch Deutschland (wenn auch nicht so stark) bislang sehr von der deutlichen Überlegenheit (individuelle Klasse, internationale Erfahrung, …) einiger Spieler gegenüber dem Gros der Gegner (Saul, Asensio, Sandro, Deulofeu, Bellerin, Arnold, Dahoud, Meyer, Gnabry, Toljan). mal schauen, wie viel davon gegen ebenbürtige Gegner übrig bleibt.

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Daniel 29. Juni 2017 um 22:08

Fand sowohl Deutschland-Chile als auch Deutschland-Mexiko jetzt sehr ansprechend.

@tobit
Ich würde da Italien noch mit dazuzählen. Spanien, Italien und Deutschland sind dem Rest individuell schon sehr deutlich überlegen bei diesem Turnier. Wenn man noch Frankreich hinzuzählt ist das ja auch genau die prinzipielle Stärkeverteilung in Europa, an diese großen Vier kommt keiner ran.

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tobit 30. Juni 2017 um 14:45

Stimmt die Italiener haben da auch ziemlich starke Leute im Kader, die auch schon viel Erfahrung gesammelt haben. Insgesamt sehe ich die Spanier aber individuell nochmal deutlich stärker und die Deutschen haben in der Breite noch mehr Erfahrung auf höchstem Niveau.

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