Staffelungsfindung scheitert gegen Technik

1:0

In einem ausgeglichenen Match setzt sich die talentiertere Mannschaft gegen die taktisch interessantere Mannschaft durch. Philosophie schlägt Taktik.

Im Viertelfinale der WM traf die gefeierte Ballbesitz-Mannschaft auf Japan auf die Australierinnen, die mit guten mannschaftstaktischen Fähigkeiten gut mithalten konnten. Obwohl die Asiatinnen individuell und vor allem technisch klar die überlegene Auswahl stellten, konnten sie kaum einmal entscheidende Räume und Dynamiken erspielen, um sich Abschlussszenen herauszuspielen.

Australierinnen als unkompakte Staffelungsmaschinerie

AUS-JPA 0-1Der entscheidendste Grund dafür war die gute kollektive Positionsfindung der Australierinnen. Aus einer 4-1-4-1-Formation heraus bewegten sich vor allem die Mittelfeldspielerinnen äußerst frei und clever. Beispielsweise zogen sich die Flügel öfters weit in die Halbräume zusammen. Die drei zentralen Mittelfeldspielerinnen staffelten sich unterschiedlich; die nominelle Sechserin Kellond-Knight schob einige Male zwischen den Achterinnen durch. Auch interessante Diagonallinien zum Flügel oder individuelle Herausrückbewegungen gab es zu sehen. Auch die Außenverteidigerinnen rückten zuweilen sehr weit heraus und wurden von den Zentrumsspielerinnen dabei zuverlässig abgesichert. Es entstanden spannende Staffelungen von 4-2-1-2-1 bis 3-2-3-2.

Trotz dieser sehr harmonischen und sehr spannend zu beobachtenden permanenten Anpassungen an das Spielgeschehen, gelang es Australien aber nicht häufig, Druck auf den Ball zu machen. Das lag daran, dass bei aller mannschaftstaktischen Intelligenz die mannschaftsstrategischen Grundkonzepte nicht gut umgesetzt wurden: Es mangelte extrem an Kompaktheit und das Verschieben zum Ball wurde oft nicht kollektiv durchgeführt. Die Abwehr ließ sich im Mittelfeldpressing viel zu leicht zurückdrängen und verhinderte damit eine kompaktere Grundstellung im Mittelfeld. Am Flügel kann man immer wieder nur in Gleich- anstatt in Überzahl.

Zum Teil lag das auch daran, dass die Herausrückbewegungen oftmals zu simpel mannorientiert organisiert waren; zwar reagierten Nebenleute auf die ständigen temporären Manndeckungen intelligent, doch verlor man dadurch einiges an Potential in puncto Überzahlbildung und Staffelungsdruck. Die Orientierung der Mannschaft war insgesamt sehr auf die torseitige Absicherung und zu wenig auf den Ball ausgerichtet.

Spielstil über Taktik oder: Japan manndeckt mit dem Ball

So fanden die Japaner trotz wenig struktureller Möglichkeiten einfach innerhalb der Zonen immer wieder genug Raum, um sich dem australischen Druck – nach hinten – zu entziehen. Die manngedeckten Spieler konnten sich relativ leicht mit ihrer Beweglichkeit ein paar Meter von ihren Gegenspielerinnen lösen, verarbeiteten die Bälle dann sehr sicher und ließen den Ball bei Bedarf sehr schnell laufen.

Abgesehen von diesen guten Aspekten, die eher spielphilosophische und individuelle Gründe hatten, fand Japan aber kaum taktische Antworten auf das anpassungfähige Defensivspiel der Australierinnen. In ihrer 4-4-2-Formation rückten sie balanciert und passend auf, sodass sie nach Ballverlusten stabil standen und den bespielbaren Raum gut ausnutzen konnten. Innerhalb der Zonen passierte dann aber sehr wenig. Im Mittelfeld gab es kaum Dreiecksbildung, die ein kleinräumiges Durchbrechen der australischen Staffelungen ermöglicht hätte. Die Zonen wurden meist nur von einzelnen Spielerinnen besetzt, die dann als Durchlaufstation fungierten und wenig antreibende Aktionen zeigen konnten. Das war auch ein Grund für die häufigen direkten Zuordnungen – teilweise hatte die Struktur Japans mehr Anteil an den gegnerischen Manndeckungen als die Defensivausrichtung des Gegners.

Naturgemäß hatte das 4-4-2 nicht nur mit fehlenden Dreiecken zu kämpfen, sondern auch die Bewegungsmöglichkeiten wurden durch die gleichmäßige Raumbesetzung eingeschränkt. So gab es in der Offensive meist nur recht simple ausweichende und zurückfallende Bewegungen der Stürmerinnen, einrückende Aktionen der Flügel und einzelne Vorstöße diagonal nach außen der beiden defensiven Mittelfeldspielerinnen; aber kaum Überlappungen, bei denen auch Synergien zwischen den Bewegungen entstanden. Dementsprechend waren auch die Kombinationen meist nur sehr kurz, mit zwei oder drei eingebundenen Spielerinnen. Die Abschlüsse entstanden dann durch die permanente Offensivpräsenz und Einzelaktionen, doch klare Chancen waren Mangelware; von den 15 Abschlüssen kamen nur drei auf’s Tor.

Ein bissiges 4-0-4-0-2

Im Pressing setzten die Japanerinnen auf drei sehr kompakte Mannschaftsteile, die sich relativ getrennt bewegten. Die beiden Viererketten des 4-4-2 agierten sehr eng und die beiden Stürmerinnen versuchten gemeinsam die gegnerische Abwehr anzulaufen, doch die Vertikalabstände waren zuweilen enorm hoch.

So hatte Japan Probleme mit zweiten Bällen und bekam oftmals erst auf das Vorwärtsspiel des Gegners Zugriff. Durchbruchsaktionen wurden aber gut erschwert, da das Absicherungsverhalten innerhalb der Ketten stark war und die Spielerinnen individuell klar agierten: Sie ließen sich nicht aus ihren Ketten ziehen, sondern warteten geduldig auf Zugriffsmöglichkeiten und gingen dann bissig und konsequent in die Balleroberung. Durch die enge und daher zentrale Ausrichtung wurde außerdem das Zentrum relativ gut versperrt und Australien wurde auf die Flügel gelenkt, was gar nicht zur australischen Strategie passte.

Ambitionierte australische Zonennutzung

Auch mit dem Ball war die Staffelungsfindung der interessanteste und stärkste Aspekt bei Australien. Ihr gutes Gesür für gruppentaktische Abstände und Verbindungen konnten sie hier wieder einbringen und garnierten das mit einer passenden und mutigen strategischen Ausrichtung: Sie konzentrierten sich sehr auf die Besetzung des Zentrums und ließen die Flügelzonen ein ums andere Mal unbesetzt.

So agierten die Flügelspielerinnen erneut sehr eingerückt und auch die Außenverteidigerinnen schoben ballfern einige Male nicht den Flügel hoch, sondern rückten dann in offene Halbraumbereiche. So entstanden um das Zentrum herum immer wieder Staffelungen mit Dreierlinien und vielen Dreiecken. Das brachte den Australierinnen eine immense Kompaktheit hinter dem Ball im Gegenpressing nach Ballverlusten. Allerdings rückte der Außenseiter in diesen Momenten nicht all zu aggressiv auf, sodass sich Japan oftmals ballsicher nach hinten lösen konnte. So wurde aus dem Potential sehr wertvoller Ballrückeroberungen nur eine Verhinderung japanischer Konterangriffe.

Typische Außenseiterprobleme

Auch während der Ballbesitzphasen wurden die guten Staffelungen aus verschiedenen Gründen nicht so richtig effektiv. Zum einen fächerte die Verteidigung zuweilen inkonsequent auf und war dadurch zu leicht unter Druck zu setzen, was zu einigen unnötigen langen Bällen führte. Nach diesen war das Mittelfeld manchmal etwas zu tief. Darüber hinaus musste die Doppelspitze der Japanerinnen meist über außen umspielt werden, wodurch die Spieleröffnung auf die beiden Außenverteidigerinnen verlagert wurde, die von dieser Aufgabe etwas überfordert waren.

Am problematischsten war aber schlichtweg die übertriebene Vorsicht, die Australiens Angriffe begleitete. Das Aufrückverhalten war zu zögerlich, sodass man auch bei guten Spielzügen hinten heraus zu wenig Personal in den gefährlichen Zonen hatte und die japanische Abwehr nicht ausreichend unter Druck setzte. Im Mittelfeldspiel nutzte man nur in seltenen Ansätzen die guten Zentrumsstaffelungen für Kombinationen durch die japanische Mittelfeldlinie. Die Mischung aus Mannorientierungen und der immensen Horizontalkompaktheit Japans machten das aber auch relativ schwierig.

Fazit

Australien konnte gegen den spielstarken Titelverteidiger zeigen, dass es eine der taktisch versiertesten Auswahlen des Turniers stellte. Abgesehen von den unnötigen Mannorientierungen war die Staffelungsfindung der Mannschaft außergewöhnlich gut und hochinteressant. (Teaser: Zum Thema Staffelungsfindung haben wir noch einen halbfertigen Artikel in der Pipeline; da wird diese Mannschaft sicher auch noch mal eine Rolle spielen.)

Japan zog seinen typischen Stil absolut konsequent durch, was zum Schluss knapp genügte. Doch der technisch hochwertige Fußball ist in diesem Fall nur in Ansätzen mit taktisch hochwertigem Fußball gleichzusetzen. Im Grunde ist Japan ein gutes Beispiel dafür, dass die großen Ballbesitzmannschaften des Weltfußballs sich eben nicht nur über Technik und Philosophie definieren, sondern vor allem durch taktische Finesse und Detailarbeit so dominant werden; andersherum zeigen die Japanerinnen aber auch, wie wertvoll eine Ballbesitzphilosophie selbst dann sein kann, wenn die taktische Umsetzung nicht optimal ist – und manchmal sogar nicht mal so viel Ballbesitz dabei rumkommt.

datschge 2. Juli 2015 um 12:16

Japan ist und bleibt leider eine kriminell unterbewertetes Team. Gerade bei dieser WM kann man wieder gut sehen, wie von Kommentatoren die Gegner von Japan sehr gerne stärker geredet und deren Niederlagen oft als unverdient dargestellt werden. Dabei bleibt, obwohl Japan Titelverteidiger ist und nun zum dritten Mal hintereinander im Finale eines Weltturniers steht, durchgehend unterschätzt, wie fein austariert die Nutzung ihrer Fähigkeiten mit ihren eklatanten Nachteilen in der Physis sind (außer Ogimi stehen alle Spieler in physischen Konfrontationen komplett auf verlorenem Posten).

Japan hat ein gutes Gespür zur Schaffung von Überzahlsituationen und nutzt diese auch, wenn dieses sich risikolos bieten. Dass sich solche gegen taktisch konsequentere Mannschaften, die Japan physisch überrollen können, eher selten zeigen, sollte auf der Hand liegen. Auffällig ist auch, dass Japans starke Standardsituation trotz trickreicher Kniffe (oft gesehen die enge Reihenbildung vor der Ausführung, damit die gegnerische Zuordnung unklarer bleibt) von den Gegnern inzwischen so passable abgesichert werden, dass die mangelnde Physis von Japan nicht mehr mit mit höherer Präzision mit dem Ball umgangen werden kann, wie es ihnen noch bei den letzten Turnieren möglich war.

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MR 2. Juli 2015 um 15:28

Naja, Japan hatte jetzt in den letzten beiden Spielen ausgeglichene Shots on target, gegen England dazu weniger Gesamtschüsse, expected Goals aus dem Spiel von 0,1. Beides Mannschaften die technisch deutlich schwächer waren. Von daher seh ich mich in meiner Einschätzung bestätigt, dass das taktisch zur Zeit „nur“ gute Basisarbeit ist; zu den vorherigen Turnieren kann ich nichts sagen.

Wieso sollte sich Überzahlbildung gegen physisch überlegene Gegner seltener zeigen? Wird doch gerade dann benötigt. Ich hatte aber gegen Australien auch gar nicht den Eindruck, dass Japan da athletisch unterlegen war. In puncto Robustheit ein bisschen, dafür in puncto Antrittsstärke aber klar überlegen, was mE der wertvollere Vorteil ist.

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datschge 2. Juli 2015 um 18:41

Sehr schön. Die Japanerinnen schaffen also gegen technisch schwächere Mannschaften grad mal eine ausgeglichene Statistik, sind von der Physis her komplett unterlegen, und haben ein expected Goal gegen null. Und trotzdem können sie ihren typische bei Turnieren unglaublich erfolgsstabilen Stil durchziehen, der sie jetzt ins dritte Weltfinal in Folge geführt hat, mit dem sie bei dieser WM noch nicht verloren, in der Gruppenphase alles gewonnen und als erste für die KO Phase qualifiziert haben. Die „Ballbesitzphilosophie“ nutzen Sie dabei komischerweise nur in der eigenen Hälfte und schenken den Ball in der generischen Hälfte entgegen der Philosophie oft scheinbar sinnlos her. Gleichzeitig lassen sie keine 1zu1 Chancen zu und gefährliche Ballverlusste und Chancen durch mangelnde Physis und besonders der kleinen Köpergröße sind eine Rarität, die niemandem aufzufallen scheint. Wie passt das alles zusammen? Japan ist technisch stark und braucht deswegen keine Torschüsse um so kontinuierlich zu gewinnen wie sie es nun mal tun?

Analysen, leider auch diese, erklären die Japanerinnen zu Favoriten, den Gegner zu überraschend starken Mannschaften und ein Versuch, die stabil gegensätzliche Ergebnisse daraus zu erklären, findet über die üblichen platten Attribute (starke Technik, disziplinierte Defensivarbeit, hohe Ausdauer, Ballbesitzspiel) hinaus praktisch nicht statt.

Ich muss ehrlich sagen, als Zuschauer der letzten WM empfinde ich diesen Mangel an Analyse- und Lernfähigkeit als Armutzeugnis für die Frauenmannschaften gerade der größeren Nationen. Gute erste Ansätze, bisher wesentlich schwächer, habe ich nur von China und Südkorea gesehen.

Beschähmend sollte das für die anderen Mannschaften sein, da das Mangel der Physis einfach auszunutzen wäre, wenn mehr bewusst wäre, wie die Japanerinnen das im Konkreten so beständig schaffen, zu kompensieren.
– Generell geht Japan das Risiko einer Unterzahl in der letzten Reihe bei generischen Ballbesitz nie ein.
– Japans 4-4-2 ist eine erfolgstabile Defensivformation, welche von der Mannschaft bei Ballverlust immer so schnell wie möglich wieder eingenommen wird.
– Die drei Reihen des 4-4-2 werden zum eigenen Tor hin jeweils immer kompakter gespielt, so dass bei jedem Ballverlust der Nebenmann relativ guten Zugriff hat und damit der gegnerische Spielzug verschleppt und ein Durchbruch verhindert werden kann. Die Reihen haben den passenden Abstand, sowohl um mit Rückwärtspressing stärker zurückzuziehen als auch in der Vorwärtsbewegung ballhaltende Spieler (erste Reihe Mitte, zweite Reihe Außen) einzusetzen.
– Das Ballbesitzspiel in der eigenen Hälfte wird, bei stark aufgefächerter Stellung und konsequente Einbindung des Torhüters, als inverse Pressingfalle genutzt. Der Gegner soll in Überzahl pressen und dabei Japan eine risikofreiere Überzahl im eigenen Angriff ermöglichen. Die verhältnismäßig riskanten Versuche an Schnittstellepässe erlauben Japan, auch bei wenig tatsächlichen Chancen zumeist zu enorm hohen Chancenqualitäten zu kommen (vergleiche auch Englands Eigentor).
– Bei Zweikampfkonfrontationen zeichnen sich die Japanerinnen durch ein ausgezeichnetes individualtaktisches Positionsspiels aus, welches durch das verhältnismäßig simple Gesamtkonstrukt zusätzlich abgesichert wird. Gerade hohe Bälle werden von ihnen oft durch optimalere Stellungen trotz niedrigerer Körpergröße abgefangen oder zumindest in risikolosere Zonen abgelenkt.

Gerade letzteren Punkt halte ich für Japan entscheidend.

Diese WM ist generell das Flachpassspiel durch den grottigen, zu schnell überhitzenden Kunstrasen zusätzlich geschwächt. Ich hoffe, das ändert sich zur nächsten WM endlich.

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MR 2. Juli 2015 um 19:36

„ein Versuch, die stabil gegensätzliche Ergebnisse daraus zu erklären, findet über die üblichen platten Attribute (starke Technik, disziplinierte Defensivarbeit, hohe Ausdauer, Ballbesitzspiel) hinaus praktisch nicht statt.“

Naja, wenn es so viel mehr halt nicht gibt? Das sind ja auch schon ziemlich wertvolle Punkte, gerade wenn andere Topteams gleichzeitig Anja Mittag als Kreativzentrale aufstellen.

Drei oder vier deiner Defensivpunkte hab ich doch in der Analyse drin. Das ist für mich aber taktisch gesehen auch nicht viel mehr als Basisarbeit, die sie eben mit ihren klugen und beweglichen Spielerinnen auf hohem Niveau durchziehen können. Das lockende Element im Ballbesitz hab ich mangels entsprechender gegnerischer Reaktion bisher nicht gesehen, was dann wohl auch ein Grund dafür war, dass das die beiden schwächsten Spiele von Japan waren; kann mir aber gut vorstellen, dass sie in solchen Momenten sehr gut sind, Raumnutzung und Klarheit hab ich ja auch gelobt, das sind dann die entscheidenden Punkt. Meine Kritik an der offensiven Simplizität hast du ansonsten ja gar nicht relativiert, von daher wundert mich, wo dein großer Widerspruch herkommt bzw worin genau der besteht.

Dass du „die gewinnen ohne Torchance“ hier so umdrehst, dass es noch ein Qualitätsmerkmal ist, find ich bisschen albern, sofern das nicht nur ein rethorischer Kniff war, den ich vlt bisschen überinterpretiere. Die waren halt bis zum VF sehr souverän überlegen (xG-Ratio von cirka 2:1), waren gegen Australien noch den Hauch besser und England war dann eine Mannschaft, die sie nicht knacken konnten und am Ende mit Glück geschlagen haben. Weiß nicht, wieso man das mit den Erfolgen der Vergangenheit relativieren sollte.

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datschge 2. Juli 2015 um 21:54

Deutschland ist für mich spielerisch kein Topteam.

Den Widerspruch sehe ich darin, das im Zusammenhang mit Japan bestenfalls von „Basisarbeit“ geredet wird, die bei anderen fehlt, unvollständig in Ganze eingebunden wird, nicht konsequent durchgezogen wird und/oder keine adäquate Reaktion darauf gibt. Wir reden hier vom einem amtierenden Weltmeister, auf den sich bisher niemand genügend eingestellt hat, um ihn im Turnier zu besiegen. Die letzte Niederlage aus dem Spiel raus von Japan bei einem internationalen Turnier (WM, Olympia, AFC) war netterweise gegen England 2011 zum Abschluss der WM Gruppenphase, als Japan sich schon für die KO Phase qualifiziert hatte.

Ich habe nicht von „gewinnen ohne Torchance“ geschrieben. Ich habe von expected goal geschrieben, die laut Dir fürs Spiel gegen England bei 0.1 liegt, obwohl im von mir genannten Beispiel das Englische Eigentor durch eine Drucksituation entstand, bei der einen scharfe flache Flanke die Stellungsfehler der Englischen Hinterreihe offenlegte. Wäre Bassett nicht mehr drangekommen, hätte Ogimi aus nächster Nähe eine 1zu1 Situation gegen den TW gehabt oder zur ebenfalls ungünstig gedeckten mitgelaufenen Iwabuchi direkt neben ihr durchlassen oder mit ihr kombinieren können. Schaut man sich die Szene in der Enstehung an (90 +1:28, 1:07:00 in der Mediathek), sieht man, dass England an diesem Punkt nach einigem hin und her die Ordnung komplett verloren hatte während Japan da plötzlich allen Raum und Zeit der Welt hatte, ihr Ding durchzuziehen. Wenn das der expected goal mit 0.1 bewertet, dann ist es in diesem Zusammenhang wohl der falsche Parameter, um die Gefährlichkeit der Mannschaft zu bewerten, und man müsste sich überlegen, wie das sonst adäquat wiedergegeben werden kann.

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MR 3. Juli 2015 um 02:37

Wir reden hier von einem amtierenden Weltmeister, der bisher kein Spiel mit mehr als einem Tor gewinnen konnte. Woher nimmst du den Anspruch, dass ausgerechnet die amtierende beste Mannschaft geschlagen werden müsste?

Dass es nicht so arg zielführend ist, eine einzelne Torszene zur Bewertung der taktischen Qualität heranzuziehen, sollte dir klar sein. Dass eine einzige Großchance in der Nachspielzeit nicht für einen überzeugenden Auftritt spricht, ebenfalls.

Dass diese Basisarbeit bei vielen Teams noch fehlt, habe ich doch mit dem Deutschland-Vergleich gerade gemeint. Aber ich hab Japan im Artikel nicht in den Kontext der restlichen WM gestellt, sondern einfach so beschrieben wie ich jede Mannschaft beschreibe. Und sehe weiterhin nicht, wo meine Analyse schlecht gewesen sein soll. Vielleicht klingt das auch einfach alles nur negativer, als ich es geschrieben hab, weil ich daneben von den (gar nicht mal so effektiven, aber eben sehr spannenden) Eigenschaften der Australierinnen so „schwärme“.

Vor allem leuchtet mir nicht ein, wieso du so unzufrieden mit dem Fokus des Lobes auf Philosophie und Technik bist, wenn eben diese Aspekte die wichtigsten der Japanerinnen sind. Das ist doch kein minderwertiges Lob.

Worüber reden wir hier eigentlich?

SuperMario33 3. Juli 2015 um 11:08

„Wir reden hier von einem amtierenden Weltmeister, der bisher kein Spiel mit mehr als einem Tor gewinnen konnte.“ Spanien, WM 2010 (ok, kein amtierender Weltmeister). Ein Spiel mit mehr als einem Tor Unterschied gewonnen. Vorrunde gegen Honduras, 2:0


SuperMario33 2. Juli 2015 um 09:33

ah, Viertelfinale, das hatt ich nicht gesehen, alles klar

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SuperMario33 2. Juli 2015 um 09:32

Steh ich aufm Schlauch? Ich hab gestern Japan gegen England gesehen, ging 2:1 aus

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Thomas 2. Juli 2015 um 08:52

Überraschenderweise gibt es beim Frauenfußball Manndeckung …

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HW 2. Juli 2015 um 09:40

Es muss ja nicht für alles Neusprech erfunden werden. Fraudeckung, wie klingt den sowas?!

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SuperMario33 2. Juli 2015 um 11:32

Wie klingt denn Manndeckung?

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HW 2. Juli 2015 um 12:12

😉

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MR 2. Juli 2015 um 13:28

Hab ich auch kurz gestutzt, aber wird schon trotzdem so genannt oder? Find auch „Sechserin“ und so oft etwas sperrig. Doofe Sprache.

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HW 2. Juli 2015 um 13:40

Sehe ich auch so. Da muss man sprachlich nichts übers Knie brechen was nur der Lesbarkeit schadet. Die Bedeutung ist jedem klar.

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SuperMario33 2. Juli 2015 um 14:05

Individualdeckung oder so wär was Neutrales. „Die sechs“ ebenfalls. Da geht schon noch was. Und an Torhüterin oder Torfrau und Stürmerin hat sich ja auch mittlerweile jeder gewohnt.

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HW 2. Juli 2015 um 16:44

„Die“ Sechs? Neutral?

Individualdeckung? Sorry, aber Sprache lasse ich mir nicht vorschreiben. Das ist bei der Verwandlung vom Studenten über Studenten/Studentinnen zu Studierende schon absurd und unnötig. (Der Student ist an einer Uni eingeschrieben. Der Studierende ist vielleicht nur irgendeine Person die sich (wissenschaftlich) eingehend mit einem Thema befasst.)

Jeder weiß, dass Manndeckung im Frauenfußball nichts mit dem Geschlecht zu tun hat und nicht diskriminierend gemeint ist. Der Begriff Manndeckung implizeirt keine geschlechtsbezogenen Stereotypen. Er lässt weder männliche noch weibliche Spieler schwach oder stark erscheinen. Er bezeichnet nur ein bestimmtes taktisches Vorgehen.

Torhüterin geht doch auch total einfach von der Zunge. Außerdem bezeichnet Spielerin genau das was die Person auf dem Feld ist, eine Spielerin (oder Torfrau, Stürmerin…). Wie gesagt, die Manndeckung ist ein Vorgang und der hat sich nie aufs Geschlecht bezogen. Man sagt auch nicht Kinderdeckung in der Jugend (oder Jungen- und Mädchendeckung).
Durch solche sprachlichen Albernheiten wird der Gleichberechtigung nicht geholfen.

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SuperMario33 2. Juli 2015 um 17:00

Fraudeckung ist halt darum blöd, weil Manndeckung schon selten dämlich ist (siehe „die Manndeckung ist ein Vorgang“). Soundso spielt auf der sechs hab ich hier oft gelesen. Dein persönlicher Sprachgebrauch ist mir Banane.

HW 2. Juli 2015 um 17:45

Mag sein, dass Manndeckung genau betrachtet auch selten dämlich ist. Aber was ist in Sprachen nicht alles „selten dämlich“ und deswegen manchmal besonders wertvoll. (Im teilweise homophoben Fußball gibt es Manndeckung. Das Wort muss doch aufgrund des Paradox in den Frauenfußball übernommen werden.). Aber wegen „Dämlichkeit“ muss man den bisherigen Sprachgebrauch nicht ändern in eine Lachnummer wie Individualdeckung. Außer man will sich mit besonderen Albernheiten hervor tun.
Und wenn man es in anderen Sprachen anschaut. „Man“ im Englischen heißt einfach Mensch. Ist hier total OT. Ist einfach nur Augenwischerei wenn man die Sprache ‚bereinigt‘ aber die echten Probleme nicht angeht.

Fraudeckung habe ich auch mit einem Augenzwinkern geschrieben.

MR 2. Juli 2015 um 19:42

Hu, hu. Ich werd doch wohl nicht der erste Mensch sein, der im Kontext von Frauenfußball über die Deckung der Gegenspielerin schreibt? Statt hier also anzufangen über Sprachengendering zu diskutieren, was auf passenderen Plattformen schon deutlich substantieller getan wurde, könntet ihr mir ja mal die Frage beantworten, ob das denn die gängige Variante ist. Ich hab nämlich nicht den Anspruch, die Sprache eines Sports, über den ich ein Mal im Jahr schreibe, neu zu formen, ich wollt mich da ausnahmsweise mal nur innerhalb der Konventionen bewegen.

SuperMario33 2. Juli 2015 um 19:56

Keep Cool, MR, schreib einfach über Teams die Raumdeckung betreiben.

HW 2. Juli 2015 um 19:59

Meinst du das Wort ‚manndeckt‘? Habe ich so noch nie gehört/gelesen. Ein Spieler/in deckt, eine Team spielt Manndeckung. Anders kenne ich das nicht.

Das taktische Verhalten bei eigenem Ballbesitz auch nahe an den Gegenspielern zu bleiben hätte ich nicht so bezeichnet. Aber SV ist kreativ mit der Beschreibung ungewöhnlicher Vorgehensweisen.

Die Frage ist, warum spielt Japan so? Sind sie nahe am Gegner um bei Ballverlust direkten Zugriff zu haben? Dann wäre das Verhalten sicher eine Vorbereitung von Manndeckung.
Vielleicht wollen die Japaner auch nur die Gegner in einer Mannorientierung locken um dann die gegnerische Ordnung aufzubrechen. Das wäre dann keine Deckung sondern eine Orientierung/Positionierung für den Spielaufbau.

Die Motive würde ich auch gerne kennen.

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