Pochettino zerschlägt Sanchez-loses Arsenal
Das London-Derby in der Analyse. Würde Arsenals neues System gegen Pochettinos Mannschaft bestehen?
Tottenham im Pochettino-Pressing
In seiner Anfangszeit bei Southampton galt Mauricio Pochettino als Vertreter des „Bielsaismus“, ein aggressiver und viele Manndeckungen nutzender Trainer, der bei seinen Mannschaften gerne das Angriffspressing nutzt. Zwar wurden solche Ansätze zu Beginn seiner Zeit bei den Saints öfters genutzt, doch Pochettino lässt meistens ein 4-4-1-1-Mittelfeldpressing mit einem positionsorientierten Deckungsspiel agieren, aus welchem mannorientiert herausgerückt wird.
Gegen Arsenal wurde hierbei sogar Dembele als hängende Spitze genutzt; Dembele ist eher ein Mittelfeldspieler, der sich über seine athletischen Dribblings und Läufe definiert. Defensiv sorgte er für viel Unterstützung der Mittelfeldspieler und auch von Mittelstürmer Harry Kane vorne. Besonders mit dem Zustellen Coquelins und durch sein Rückwärtspressing sorgte er für zentrale Präsenz. Auf den Flügeln schoben Eriksen auf links und Lamela auf rechts häufig mit den gegnerischen Außenverteidigern mit, gingen aber immer wieder situativ auf im Halbraum positionierte Spieler, ob aufrückende Innenverteidiger oder Sechser und Achter auf der Suche nach offenen Räumen.
Dieses kompakte, konsequente und aggressive Mittelfeldpressing sorgte für Probleme in Arsenals Spielaufbau. In der ersten Halbzeit war nicht von ungefähr der Pass von Torwart Ospina auf Mittelstürmer Giroud die am häufigsten genutzte Passkombination im Spiel Arsenals. Die Gunners probierten es zwar auch mit einer höheren Ballzirkulation, einzelnen Dribblings im Sechser- und Achterraum oder auch auf den Flügeln, aber nur selten setzten sie sich mit längeren Ballzirkulationen durch (unter 40% Ballbesitz in Halbzeit 1). Die vielen Ablageversuche Girouds funktionierten ebenfalls kaum.
Nur zwei Schüsse verzeichnete Arsenal in den ersten 45 Minuten, wobei ein Fehler von Denny Rose auf dem linken Flügel schon früh zur 1:0-Führung genutzt wurde. Danach spielte Arsenal weitestgehend passiv und tief in der Arbeit gegen den Ball.
Arsenal mit geringer defensiver Präsenz im 4-1-4-1
Direkt nach der Führung war Tottenham überlegen, hatten viel mehr Ballbesitz und konnten insbesondere durch die einrückenden Bewegungen ihrer Flügelstürmer im Verbund mit den vertikalen und diagonalen Bewegungen Dembeles sowie den aufrückenden Läufen der Außenverteidiger Gefahr erzeugen. Die mannorientierten Bewegungen Arsenals und eine schwache Flügelverteidigung öffneten Flügelräume für isolierte Dribblings und Überladungen.
Arsenal wurde mit der Zeit aber etwas stabiler und ließ vorerst wenige gute Chancen aus dem offenen Spiel heraus zu. Ihr tiefes 4-1-4-1 sorgte dafür, dass Tottenham zwar in der ersten Linie sehr ruhig und unbedrängt aufbauen konnte, da Giroud nur sporadisch anlief und die Innenverteidiger meist frei standen. Erst im zweiten Drittel starteten die Gäste ein aktives Pressing und versuchten in diesen Zonen Bentaleb und Mason an konstruktiven Aufbauversuchen und Pässe ins letzte Spielfelddrittel zu hindern.
Dafür rückten die Achter Arsenals situativ heraus, um Druck zu erzeugen. Bisweilen wurde dadurch aus dem 4-1-4-1 auch ein 4-3-2-1. Tottenham probierte sich mit Eriksen und Lamela in diese Löcher zu positionieren, konnte die beiden aber nur nach längerer Zirkulation und über diagonale Pässe von der Seite einbinden. In diesen Situationen stand Arsenal aber wieder im 4-1-4-1 und auch wenn die Aktionen Eriksens und Lamela potenziell vielversprechend waren, mussten sie wegen der Kompaktheit Arsenals und dem damit einhergehenden Druck oft sehr schwierige und unpräzise Pässe hinter die Abwehr versuchen.
Insgesamt war Tottenham aber stärker, hatte mehr Chancen und mehr vom Spiel, trotz Arsenals eigentlich kompaktem 4-1-4-1-Abwehrpressing. Die Achter der Gunners rückten später auch situativ mannorientiert auf Eriksen und Lamela nach hinten, wodurch sie diese ein paar Mal gut versperren konnten. Bei höherem Pressing, auch schon im Mittelfeld, hatte Arsenal aber Probleme und auch beim Verschieben war man unsauber. Aus diesen Mängeln entstanden die meisten guten Aktionen Tottenhams.
In der zweiten Halbzeit viel Hin und Her
Nach dem Seitenwechsel war ein ähnliches Bild zu sehen; Tottenham presste aggressiver, abgestimmter und effektiver, hatte mehr vom Spiel und mehr Chancen. Allerdings probierte Arsenal zumindest den Ball situativ länger laufen zu lassen ihre Offensivspieler einzubinden. Die Staffelungen letzten Drittel und im Konterspiel generell waren allerdings unbrauchbar, vieles war auf individuelle Aktionen ausgelegt und auch die nominell sehr starke Mitte (mit einer potenziell herausragenden Achterbesetzung) wurde mäßig eingebunden.
Die 4-1-2-3hafte Formation mit einem gelegentlich tieferen und einrückenden Özil führte bei Arsenal im eigenem Aufbauspiel nicht wie erhofft zu guter Zentrumspräsenz und Ballzirkulation, weil sie sich selten passend bewegten, um sich aus dem Dunstkreis des Tottenhamer Pressings zu befreien. Die vielen Pässe auf den Flügel oder langen Bälle in die Spitze übersprangen das Mittelfeld, was insbesondere für Cazorla zum Problem wurde. Der kleine Spanier ist eigentlich ein Weltklasseakteur in puncto Ballverteilung, Entscheidungsfindung und Pressingresistenz, was aber eigentlich kaum genutzt wurde.
Durch die Überlegenheit Tottenhams, deren hohen Ballverluste, Arsenals langen Bälle im Aufbauspiel und versuchten schnellen Kombinationen im Umschaltmoment sorgten im Verbund mit den dafür interessanten Spielertypen auf beiden Seiten für ein kurzweiliges, schnelles Spiel in der Anfangsphase der zweiten Halbzeit. Kein einziger Akteur von Arsenal kam auf über 80% Passquote, außer Sechser Coquelin.
Für englische Verhältnisse (da wenig Pressing in der Liga) und speziell für Arsenal ist dies eine geringe Quote. Tottenham hatte auch letztlich deswegen mehr vom Ball, weil Bentaleb auf der Sechs sich sehr gut bewegte und Arsenal im Pressing deutlich tiefer stand.
Letztlich fehlte es allerdings beiden Mannschaften an Durchschlagskraft aus dem Kombinationsspiel heraus. Dembeles und Kanes guten Bewegungen sowie das starke Ablagenspiel von Letzterem, das Einrücken der beiden Flügelstürmer und Bentalebs sehr starke Passgenauigkeit gingen in der tiefen Ausrichtung Arsenals unter. Passenderweise waren es ein Tor nach einer Ecke und eine Halbfeldflanke in der Schlussphase, welche die zwei Tore für Tottenham und somit die gelungene Aufholjagd verantworteten.
Arsenal fehlte es wiederum ohne Sanchez an der Dynamik ganz vorne. Mit Welbeck und Giroud hatten sie zwei Spieler vorne, die sich beide eher über ihre Bewegungen und Ablagen definieren, als mit klar tororientierten Läufen. Özil auf links ist ohnehin ein verkappter Mittelfeldspieler und Spielgestalter, der für seine Pässe die passenden Läufe vor ihm benötigt. Deswegen brachte Wenger wohl auch Walcott für die rechten Außenbahn und Rosicky für Cazorla auf der linken Acht, einen Effekt hatte es allerdings nicht. Eine 4-4-2-Umstellung in der Schlussphase kam zu spät.
Fazit
Ein durchaus unterhaltsames Spiel, in welchem Tottenhams Pressing und Gegenpressing ihre Dominanz verantworteten. Beiden Seiten fehlte es wegen der gegnerischen Defensive an der Möglichkeit konstant Torchancen aus aussichtsreichen Positionen zu erspielen, viele Abschlüsse kamen unter Bedrängnis, nach Standards oder aus der Distanz. Dennoch war es insgesamt ein kurzweiliges Spiel mit einigen interessanten Punkten.
4 Kommentare Alle anzeigen
Halfarsen 8. Februar 2015 um 13:07
Hält eine neue Rambo-Rhetorik bei SV Einzug, nachdem Dortmund schon gegen die Wand gedroschen hat?
Gooner90 8. Februar 2015 um 10:43
Danke für die Analyse! Ich hoffe bei Arsenal noch auf eine Steigerung in dem System. Die Umstellung ist ja noch nicht lange hin. Da kann es unter Druck schon mal nicht so gut klappen….. Tottenham spielt halt für englische Verhältnisse ein gutes Pressing. Aber da sieht Arsenal mal wo es noch hapert, ein Dämpfer zu richtigen zeit soll ja ganz gut sein. Tottenham muss man gratulieren spielen momentan einfach stark ( hoffentlich bekommen sie nicht auch noch konstant Durchschlagskraft hin)
CF 7. Februar 2015 um 17:37
Wie findest du Mason in der Einbindung und generell?
Joker 8. Februar 2015 um 09:57
Mich würde interessieren was ihr von dem sehr tiefen pressing von arsenal haltet, ähnlich wie sie es gegen city gespielt haben ?
Eigentlich hat arsenals stil sich meiner meinung nach durch mehr ballbesitz und eine gute ballzirkulation auch im angriffsdrittel ausgezeichnet, was gegen die spurs fast nie statt fand.