Japan – Griechenland 0:0
Griechenland und Japan liefern sich das bisher vielleicht schwächste WM-Spiel. Griechenland wandelt auf Rehhagels Spuren, und den Japanern fehlt jegliche Idee, wie sie diese Fußstapfen verwischen können.
Dieser zweite Spieltag der WM bietet einige Duelle, in denen es ums Ausscheiden oder ums Weiterkommen geht. In kaum einen sind die Rollen jedoch so ungleich verteilt wie bei Japan gegen Griechenland: Auf der einen Seite die kombinationsstarken, filigranen Techniker Japans, auf der anderen Seite die brachialen, defensiven Griechen. Das Duell wurde allen Klischees gerecht.
Catenaccio auf griechisch
Griechenland setzte von Beginn weg auf eine sattelfeste Defensive. Sie reihten sich in einem engen 4-1-4-1 auf, wobei die Mannschaftsteile teilweise so eng standen, dass ihre Formation zu einem 4-5-1 wurde. Einzig Stürmer Mitroglou durfte situativ vorne bleiben und auf lange Bälle zocken, ab und an positionierte sich auch Samaras recht hoch. Die restliche Mannschaft war für das Verteidigen der japanischen Angriffe zuständig.
Die Japaner stellten der Defensive der Griechen ein 4-2-3-1 entgegen. Aus einem ruhigen Ballbesitzspiel heraus versuchten sie, um die griechischen Viererketten herum zu spielen. Die beiden Außenstürmer rückten dabei recht häufig ein, während die Außenverteidiger die Breite gaben. Die Sechser hielten sich zurück und machten das Spiel aus dem Hintergrund. Sie fokussierten besonders Angriffe über den linken Flügel. Diese Seite überluden sie, wobei sich Rechtsaußen Okubo und Sechser Yamaguchi sich auf diesen Flügel bewegten.
Japan ließ sich allerdings früh auf den Flügel abdrängen und spielte sich dort oft fest. Griechenland stand im Zentrum kompakt und rückte manchmal heraus, sodass sie den Pass auf die Flügel provozierten. Hier verfolgten die Außenstürmer die Außenverteidiger mannorientiert. Griechenland zwang Japan damit ein flügel- und flankenlastiges Spiel auf, mit dem sie naturgemäß den physisch starken Griechen unterlegen waren.
Nur selten gelang es den Japanern, das offensive Zentrum zu bespielen. Honda fiel teilweise hinter die gegnerischen Achter zurück, wurde dabei aber mannorientiert verfolgt. Im Zwischenlinienraum positionierte er sich selten, und wenn, dann nur wenig klug. Die Engenkombinationen, die Japan in der Vorbereitung so auszeichneten, zeigten sie nie. Dies lag auch an den robusten Griechen, die extrem eng im Zentrum standen. Im Zweifelsfall halfen sie sich hier mit einem Foul und erduldeten die Freistöße, die Japan nichts einbrachten.
Gleichförmiges Tempo, gleichförmiger Rhythmus
Das Traurige an dieser ersten Halbzeit war, dass es eigentlich nicht mehr über sie zu sagen gibt als die obigen vier Absätze. Die Partie plätscherte gleichförmig vor sich her. Griechenland hielt das tiefe Mittelfeldpressing, während die Japaner den Ball vom Sechserraum aus auf die Flügel spielten. Tempowechsel oder strategische Änderungen gab es praktisch keine. Die Japaner wechselten in der Offensive zwar ab und an die Positionen, allerdings waren ihre Läufe ohne Ball zu statisch und berechenbar.
Auch Griechenland steuerte nicht viel zur Partie bei außer der eigenen Defensive. In Umschaltmomenten waren sie zu langsam, sodass Japans Gegenpressing leicht zuschlagen konnte. Hier machten sich die Überladungen der Japaner positiv bezahlt, während das griechische 4-1-4-1 nur eine offensive Anspielstation bot – zu wenig für ein effektives Spiel in die Tiefe. Ab und an brachen die Griechen über die Flügel durch. Rechtsverteidiger Torosidis war mit seinen diagonalen Läufen der auffälligste Grieche. Hauptsächlich drehten sich die griechischen Offensivbemühungen aber darum, Freistöße oder Ecken herauszuholen.
Das Mittelfeld der Griechen hielt sich hingegen weitestgehend zurück. Nur selten wagten sie sich weit in die gegnerische Hälfte und setzten zu einem Angriffs- oder Gegenpressing an. Just diese Situationen wurden ihnen zum Verhängnis: Katsouranis holte sich in Pressingszenen zwei gelbe Karten ab. Er musste zwei taktische Fouls begehen, damit Japan nicht durchbricht, und sah zurecht Gelb-Rot (38.).
Eine rote Karte sorgt für Langeweile
Was folgte, war die wohl inspirationsloseste Halbzeit dieser WM. Griechenland versuchte gar nicht erst, selbst ein Tor zu erzielen, sondern zog sich in einem 4-5-0 zurück. Selbst Stürmer Gekas wurde als dritter Sechser im defensiven Mittelfeld eingespannt, um die Vorstöße des eingewechselten Sechsers Endos zu blocken.
Um es kurz zu fassen: Japan fand praktisch kein Mittel, diesen engen griechischen Block zu bespielen. Erst als Kagawa (57., für Osaka) in die Partie kam, stießen sie wenigstens ab und an in die Halbräume vor. Meistens rieben sie sich jedoch auf dem Flügel auf, von wo sie allerdings keine Gefahr erzeugen konnte – Griechenland fing praktisch alle Flanken ab.
Die wenigen Torszenen ergaben sich meist dann, wenn die Außenverteidiger überraschende diagonale Laufwege wagten und von den Mitspielern bedient wurden. Doch selbst als Griechenland auf eine Strafraumverteidigung umstellte und die Halbräume im Sechzehner unbesetzt ließ, bespielte Japan diese Zone kaum. Stattdessen ließen sie sich auf Flanken und körperliche Duelle im Mittelfeld ein – ein Spiel, das sie nur verlieren konnten. Es war ein zähes Ringen, das am Ende verdient mit 0:0 endete.
Fazit
Japan blieb (wie schon am ersten Spieltag) unter den eigenen Möglichkeiten. Die von uns in der WM-Vorschau so gelobten Kombinationen in den engen des Zentrums waren höchstens in Ansätzen zu erkennen. Es scheint vielmehr das einzutreten, was wir unterschwellig befürchtet haben: Die Gruppe C ist zu physisch, die Japaner lassen sich von den körperlich robusten und defensiv stabilen Gegnern den Schneid abkaufen. Damit droht der eigentlich stark besetzten Truppe das Vorrundenaus.
Die Griechen spielen bei dieser WM so, als müsse jeder offensive Vorstoß erst von der Troika genehmigt werden. Ihr Fußball ist derart defensiv, dass sie nicht einmal den Umschaltmoment nutzen – eine Geißel des 4-1-4-1-Systems, das nur eine Anspielstation in der Tiefe bietet. Allerdings muss ihnen zugutegehalten werden, dass sie extrem diszipliniert und kompakt verteidigten. Eventuell könnte diese Totaldefensive sogar reichen, um ins Achtelfinale zu gelangen. Die Elfenbeinküste dürfte sie mit ihrer Physis aber mehr beschäftigen als die Japaner.
9 Kommentare Alle anzeigen
Schimanski 20. Juni 2014 um 15:00
Die vielen Flanken habe ich auch nicht verstanden. Immer und immer wieder ohne Lerneffekt.
Enttäuschend fand ich bei den Japanern auch die seltenen Momente, in denen die Griechen etwas aufgerückt sind. Meiner Meinung nach haben sie dann viel zu kollektiv ballorientiert verschoben und hatten dann im Umschaltmoment eine ungünstige Positionierung, also ohne hohe Anspielstationen oder Gleich-/Überzahlbesetzungen der gefährlichen Zonen gehabt.
Eigentlich hätten sie die Griechen mehr rauslocken oder vielleicht sogar bewusst den Ball hergeben müssen, um diesen Umschaltmoment öfter zu bekommen. Wenn sich die Griechen erst tief formiert hatten, waren die Japaner eigentlich chancenlos, da sie auch in vielen 1:1-Duellen physisch unterlegen waren.
Damit erhärtet sich mein Eindruck, dass die Asiaten für diese WM ne Nummer zu zahm sind bzw. nicht die richtigen Lösungsansätze haben, um die körperlichen Nachteile zu kompensieren.
LM 20. Juni 2014 um 16:20
Man konnte allerdings grade Japan zutrauen, dass sie da einige Lösungen finden. Mit der Einwechslung von Kagawa dachte ich schon, dass die Japaner jetzt im durch die gelb-rote Karte nicht mehr zusätzlich gesicherten Zwischenlinienraum richtig abgehen. Aber mal haben die Griechen den einfach so krass komprimiert, dass er quasi unbespielbar war, mal haben die Japaner einfach überhaupt keinen Ansatz gezeigt, da mal reinkommen zu wollen. Japan hat mich wie schon im ersten Spiel extrem enttäuscht. Andererseits kann ich mit dem Ergebnis gut leben, weil ich zum einen Griechenland mag (das Land, nicht den Fußball 😉 ) und zum anderen 0:0 getippt hatte 😀
Chris 20. Juni 2014 um 17:15
Flanken könnte man schon. So könnte man aus dem Halbraum an den langen Pfosten gegen die Laufrichtung der rausrückenden Viererkette flanken. Ein Okazaki kommt da dran! Das machten die Mainzer auch in der BuLi. Ist ein durchaus probates Mittel gegen diese nervenden tischkickerhaften Linienverschiebungen der Griechen.
mh 21. Juni 2014 um 13:45
Das mit dem fehlenden Herauslocken der Griechen teile ich. Statt Flanken wären wohl flache, scharfe Eingaben ein besseres Mittel gewesen. Vor allem fehlten aber offensive Fluidität und Überladen von Räumen, was bei der griechischen Kombination aus Raum- und Manndeckung fast zwangsläufig zu Lücken in den Ketten geführt hätte…
Bademeister 20. Juni 2014 um 14:12
Das schlimmste an diesem Spiel war die offensive Ideenlosigkeit der Japaner. Selten wurden Kombinationen gefahren, die auch nur eine Chance auf Erfolg gegen den Block der Griechen hatten. Das man nicht versuchen sollte, hoch in den Strafraum der Griechen zu flanken, hätte man schon vor dem Spiel wissen können, jedoch wurde genau das von den Japanern anstelle von cleveren flachen Hereingaben in den Rückraum oder dem Auseinanderziehen der Innenverteidigung durch einen herausrückenden Stürmer gemacht.
Das Spiel der Japaner war ein erschreckendes Beispiel für die Statik eines Ballbesitzfußballs ohne Ideen.
fluxkompensator 20. Juni 2014 um 13:05
interessanterweise waren die einzigen gefährlichen situationen der japaner, als sie in den zwischenlinienraum spielen konnten; ich erinnere mich etwa an einen diagonalen pass von uchida auf den stürmer, der auf honda ablegte (der griechische torhüter konnte recht einfach parieren). für mich schleierhaft, wieso man das nicht gezielt versuchte, zu bespielen.
Chris 20. Juni 2014 um 12:07
Noch schlimmer, als Griechenland, das sich zu einem plumpen 0:0 „rehagelt“, war die bereits angesprochene japanische Ideenlosigkeit.
Wäre ein schnelles Abtropfen des Balls durch einen Offensivspieler (Okazaki bspw.) kurz dem Strafraum, um so die griechische Abwehrkette ein paar Meter zur Mittellinie hinaus zu ziehen, und eine anschließende (idealerweise inverse) Hereingabe aus dem Halbfeld zum Tor hin auf Spieler wie Osaka oder Okazaki nicht die bessere Option gewesen? Die Griechen schienen mir in allen Aktionen etwas zu behäbig. Einmal klappte das ja sehr gut.
MB 20. Juni 2014 um 10:04
Schade dass von dem begeisternden Spiel der Japaner im Confed-Cup z.B. gegen Italien so wenig übrig geblieben ist. Immer wieder erstaunlich, wie weit die Griechen mit ihrer Spielweise kommen (-> EM 2012). Bei aller – berechtigten – Ernsthaftigkeit der Analyse gefällt mir ein humorvolles Einsprengsel wie das mit der Troika, die jede Offensivbemühung der Griechen wohl erstmal genehmigen muss. Richtig dosiert erhöht es die Lesbarkeit.
JonS 20. Juni 2014 um 08:32
Ich muss widersprechen. Iran gegen Nigeria bleibt die schwächste Partie.