Southampton FC – Tottenham Hotspur 2:3
Das Überraschungsteam aus Southampton empfängt Tottenham. Die Saints sind unter Mauricio Pochettino ein Favoritenschreck geworden, kriseln aber zurzeit. Ebenso wie der Gegner. Die Gäste traten darum auch mit einem neuen Trainer an.
Tottenham ohne André Villas-Boas und mit Tim Sherwood
In dieser Partie übernahm Tim Sherwood das Ruder bei den Spurs und stellte die Mannschaft nach seinen Vorstellungen um. Dabei waren insbesondere die personellen Veränderungen sehr drastisch. So bildeten Eriksen und Dembele die Doppelsechs, Lamela und Sigurdsson agierten auf den offensiven Flügeln und im Sturm gab es erstmals das Sturmduo Adebayor-Soldado. Dies bedeutete somit eine Umstellung auf ein klares 4-4-2, welches kritisch beobachtet wurde. Defensiv lagen die taktischen Unterschiede zur Villas-Boas-Zeit aber woanders.
Es schien nämlich so, als ob Sherwood seiner Mannschaft drei große Botschaften zum Spiel mitgegeben haben könnte:
1) Kämpfen, arbeiten, nah am Mann!
2) Weniger hohe Abwehrlinie!
3) Wir spielen mit zwei Stürmern und offensiv!
Zumindest zeigten sich diese drei Aspekte in den dabei möglichen taktischen Wechselwirkungen. Es gab ein 4-4-2, welches von den Spielern her sehr offensiv interpretiert wurde. Die Pressinglinie Tottenhams war ziemlich hoch und man versuchte Southampton früh zu stören, obwohl sie einige Male schlicht keinen Zugriff im ersten Spielfelddrittel hatten.
Nach Ballverlusten und in Zweikämpfen war Tottenham aggressiv. Gleichzeitig gab es auch klare negative Auswirkungen: Der Zwischenlinienraum der Spurs war beispielsweise weit offen, sie fanden keine effektiven kollektiven Angriffsmöglichkeiten abseits individueller Kombinationen gegen Southamptons Pressing. So war das 1:1 ein Konter, bei dem sich Adebayor zurückfallen ließ und einen Pass erhielt, der durch Southamptons Gegenpressing ging. Dann profitierte Adebayor von einem schönen Lauf Soldados, der ihm die Mitte öffnete und selbst zum Flügel auswich.
Daraufhin spielte Adebayor dann einen eigentlich zu weiten Pass auf Soldado, der den Ball von der Auslinie perfekt auf den zweiten Pfosten zu Adebayor brachte. Die beiden hatten sich zu zweit mit ein bisschen Gruppentaktik und ansonsten reiner individueller Klasse gegen eine Vielzahl Southamptoner durchgesetzt. Ansonsten war es übrigens Adebayors Ausweichen in die Halbräume oder auf die Flügel das einzig größere taktische Mittel in der Offensive von dem man ausgehen kann, dass der Interimstrainer Tim Sherwood es instruiert hatte. Einen Torschuss gab es abgesehen vom Tor in der ersten Halbzeit dennoch nicht.
Southampton hingegen war offensiv klar besser und Tottenham hatte einige Probleme im Defensivspiel. Defensiv kamen sie besonders auf den Seiten und im Mittelfeld nicht mit den Bewegungen der Saints klar. Immer wieder war der Raum vor der Abwehr weit offen, was allerdings im Zentrum und in den Halbräumen durch die Mannorientierungen und das sehr dynamische Herausrücken der Abwehrspieler weitestgehend neutralisiert werden konnte.
Southampton hatte dennoch mehr vom Spiel, weil sie in der ersten Aufbauphase Tottenhams Formation sehr gut bespielten, nach Ballverlusten stabil waren und gelegentlich über die Seiten und den offenen Zwischenlinienraum durchbrechen konnten. Offensiv waren sie wegen des Herausrückens der Tottenham-Verteidiger und teilweise sehr schlampigem Kombinationsspiel (insbesondere individuell) zu harmlos für ihr eigenes Aufbauspiel.
Southamptons strategischer Aufbauvorteil gegen das 4-4-2 unter Pochettino
Seitdem Mauricio Pochettino Trainer bei Southampton ist, versuchen diese gezielt und strategisch die Pressingbewegungen der meisten Teams in der englischen Liga zu bespielen. Dabei bewegt sich der nominelle Zehner Davis oft nach hinten oder nach rechts bis zu hinter den rechten Außenverteidiger, während Cork und Schneiderlin ähnliches praktizierten. Oftmals besetzt einer die Mitte zwischen den beiden Stürmer, die anderen beiden hingegen bewegen sich beide auf die Räume zwischen Innen- und Außenverteidiger.
Dadurch besetzt Southampton konsequent die offenen Räume der gegnerischen 4-4-2-Formation, welche sich vor den beiden Flügel- und neben den beiden Mittelstürmern befinden. Indem die Außenverteidiger gegen die oftmals sehr mannorientiert spielenden englischen Teams nach vorne schieben und dadurch weitere Räume öffnen, kann Southampton in den tiefen Zonen den Ball meistens ungehindert zirkulieren lassen.
Weiter vorne leben sie dann schnellen Kombinationen der Flügelspieler und dem Mittelstürmer, wobei sich ihre Stärke nicht im Pass-, sondern im Bewegungsspiel befindet. Lallana orientiert sich zum Beispiel sehr oft in die Zehnerräume und ist ein toller Dribbler mit einem starken Auge und hoher Spielintelligenz. Rodriguez rückt vom rechten oder linken Flügel immer wieder auf die Sturmposition, während der nominelle Mittelstürmer Rickie Lambert zwar wie ein klassischer Neuner und Zielspieler aussieht, seine Rolle aber sehr vielfältig interpretiert. Er geht oft zurück in den Zwischenlinienraum, rochiert auf den Flügel und ist wie Lallana sehr spielintelligent in seinen Bewegungen.
Durch diese Besetzung und Bewegung kann Southampton Dynamik im Spiel nach vorne erzeugen. Das 2:2 war dafür exemplarisch. Für einen Pass aus dem defensiven Halbraum nach vornerochierte Lambert auf die Seite, Lallana rückte von links mit einem diagonalen Lauf ein und befand sich in der geöffneten Mitte vor dem Strafraum. Lambert legte auf Lallana in seinen Rücken ab, Lallana verwertete diese Vorlage zum zwischenzeitlichen Unentschieden.
Neben diesen Bewegungen und den Stärken der drei offensiven Spieler ist Southampton auch nach Ballverlusten stark. Ihre Aufbauformation gibt ihnen eine hohe Stabilität und ermöglicht ein intensives Gegenpressing durch die aufrückenden Sechser und Achter dahinter, die mit Dynamik nach vorne rücken. Allerdings war diese Partie dennoch kein Highlight der Southamptoner Saison.
Individuelle Unterlegenheit und aggressives Bewegungsspiel machen den Unterschied
Die Saints hatten in der ersten Halbzeit sowohl mit spielerischen als auch mit personellen Problemen zu kämpfen. Ihnen fehlten ein paar Stammspieler, außerdem gab es im Kombinationsspiel zahlreiche Fehler und verlorene Zweikämpfe, weswegen sie Tottenhams Probleme nicht ordentlich bespielen konnten. Das war an sich kein Problem, doch in der zweiten Halbzeit zeigte sich Tottenham plötzlich auch taktisch verbessert.
Sie agierten nicht mehr ganz so unkompakt zwischen erstem und zweitem Band, setzten das Herausrücken aber nach wie vor gut ein. Im Spiel nach vorne konnten sie durch Dribblings, Kombinationen, ihre individuelle Überlegenheit und immer bessere Einbindung der Läufe Adebayors überzeugen. Auch der Wechsel von Chadli für Lamela äußerte sich positiv, Bentaleb für Dembele war auch keine Verschlechterung.
Im Pressing reagierten sie ebenfalls gut. Zuvor hatte Southampton das Pressingduell eigentlich gewonnen; mit deren 4-2-3-1/4-4-1-1 und viel Bewegung hatten sie Tottenham gut verteidigt. Nach der Halbzeit übte Tottenham plötzlich viel mehr Druck aus, die Flügelstürmer agierten variabler und klebten nicht mehr an den Außenverteidigern, sondern schoben einige Male sehr passend auf die herausrückenden zentralen Mittelfeldspieler Southamptons. Generell wirkten sie etwas chaotischer, zogen sich teilweise sehr stark in Ballnähe zusammen, die Flügelstürmer rückten ein und machten generell mehr Defensivarbeit. Es war der beherrschende und entscheidende Faktor der zweiten Halbzeit.
Fazit
Im Verbund mit den vielen Mannorientierungen, der individuellen Überlegenheit sowie etwas abnehmender Kraft bei Southampton konnte Tottenham das Heft in die Hand nehmen und war nach der Halbzeit mindestens ebenbürtig. Southampton hatte zwar noch ein paar gute Angriffe in der zweiten Halbzeit und war nicht wirklich schwächer, musste sich aber letztlich Tottenham geschlagen geben.
Die Spurs konnten nicht nur dank ihrer Verbesserung und kadertechnischen Überlegenheit den Sieg erringen, sondern auch durch ihre Effizienz; von drei Torschüssen landeten drei im Tor. Southamptons Wechsel (Gaston Ramirez für die Mitte, Ward-Prowse auf die Doppelsechs, mehr versuchte Präsenz vorne) brachten nur geringe Veränderungen.
2 Kommentare Alle anzeigen
CF 22. Dezember 2013 um 23:30
Ich finde die Entscheidung gut, obwohl ich ein großer AVB Fan bin. Aber dieses Jahr ist es ihm gar nicht gelungen die neuen Spieler einzubauen. Dabei könnte man mit dem Kader so viel tolle Sachen anstellen. Es gab keine Synergien in der Offensive, keine raumschaffenden Bewgungen, keine gute Defensive Absicherung, kein gutes Pressing, keine klaren Strukturen im Aufbauspiel waren zu leicht zupressen, keine gute Positionierung auf zweiten Bälle. Alles zu klar alles zu einfach, keine wirklichen Strukturen. Ab und an mal Keilpressing aber nie Konsequent genug. Man muss sich wirklich fragen ob seine Teams taktisch Innovativ waren verglichen mit der Bundesliga.
Partizan 22. Dezember 2013 um 21:47
Fand es schade, das Villa Boas letzte Woche gehen müsste, leider hat er bei den Spurs ebenfalls nicht die Chance wie bei Chelsea damals erhalten den Umbau des Teams zu beenden.
Denke der Weg der Spurs wird wieder zurück zum typischen britischen 4-4-2 gehen, und damit ein wenig das Potenzial verschenkt wird was in diesem Kader steckt, besonders Holtby könnte der größte Verlierer der Umstellung werden.
Ich kann nur hoffen das man Villa Boas eine weiter Chance in der PL bei einem anderen Klub gibt, wo er sein großes Potenzial als Trainer beweisen kann.