AS Roma – Fiorentina 2:1
Im Topspiel der Serie A empfing die Roma die Fiorentina. In einem interessanten Spiel zeigten beide Mannschaften einige interessante Aspekte und in der Partie entstand eine spezielle Dynamik, welche für einen Bundesligazuseher durchaus ungewohnt war. Das Auffälligste aus taktischer Sicht war die Flexibilität der Viola in der Defensive.
Fiorentinas variable Formation
Nominell agierten die Gäste eigentlich in einem 4-3-3. Der angeblich von den Bayern umworbene Cuadrado und der angeblich früher einmal von den Bayern umworbene Vargas bildeten dabei die Flügelstürmerzange. Zentral gab es mit Aquilani und Borja Valero zwei eher spielgestaltende und raumgreifende Achter, dahinter spielte mit Ambrosini ein laufstarker Abräumer in nicht mehr allerbesten Jahren.
Dieses 4-3-3 wurde offensiv relativ klar mit passender Rollenverteilung umgesetzt. Die Außenverteidiger marschierten nach vorne, Cuadrado und Vargas gaben Breite und schoben dann in die Halbräume, die Außenverteidiger rückten früh und weit auf, während die Sechser und Achter die Innenverteidiger im Aufbauspiel unterstützten. Die Roma hatte deswegen lange Zeit kaum wirkliche Balleroberungen in der Mitte, obwohl sie es mit den stark aufrückenden Achtern gerne darauf anlegen.
Die Gäste leiteten aus der Mitte geschickt auf die Flügel weiter und überluden dort. Mit den beiden technisch guten Achtern hatten sie dann auch passende Anspielstationen, um die aufrückenden Läufe der gegnerischen Achter zu kontern und sich für Rückpässe der Flügel in den Zwischenlinienraum zu positionieren. Deutlich interessanter war diese Formation aber in der Defensive.
Im Gegensatz zur Offensive war es kein 4-3-3, sondern variierte je nach Situation und gegnerischer Bewegung. Stand Fiorentina in einem hohen Mittelfeldpressing, dann wurde es oft zu einem 4-1-4-1. Aus diesem 4-1-4-1 rückte dann oft einer der Achter nach vorne und übernahm einen der ansatzweise herauskippenden Achter der Roma und es entstand eine Art 4-4-1-1. Gelegentlich wurde dies sogar auf beiden Seiten praktiziert, wodurch dann ein 4-3-2-1 mit breiter Dreierkette vor der Abwehr entstand. Manchmal war aber das Gegenteil der Fall, wenn die Außenstürmer auf die tieferen Außenverteidiger rückten und ein 4-3-3 herstellten.
Kam die Roma nach vorne, dann veränderte sich die Formation der Fiorentina wieder. Im Abwehrpressing bzw. in der Strafraumverteidigung positionierten sich die Gäste deutlich passiver und auch etwas kompakter. Aus dem 4-3-3/4-1-4-1 wurde sehr oft ein klares 4-5-1. Dieses 4-5-1 wurde aber wiederum sehr interessant umgesetzt.
Ballfern ließ sich einige wenige Male der Flügelstürmer etwas zurückfallen und es entstand ein 5-4-1, womit man Flanken besser abfangen sollte; insbesondere Maicon stand einige Male auch ballfern sehr hoch. Bei Seitenverlagerungen ins zweite Band hatte der Flügelstürmer durch das Herausrücken mehr Dynamik im Aufrücken und presste. Meistens aber blieb es beim 4-5-1, wo Cuadrado ab und zu ein bisschen zockte und ein asymmetrisches 4-4-2 herstellte.
Diese Spielweise sorgte aber im Verbund mit den Bewegungsmustern der beiden Mannschaften für die eingangs angesprochene interessante und ungewohnte Spieldynamik.
Besonderheiten im Spielrhythmus und Wechselwirkung mit den Spielausrichtungen
Aus der deutschen Bundesliga ist man gewohnt, dass sich die Defensivarbeit der jeweiligen Teams am fokussiertesten im Mittelfeldband abspielt. Man lockt den Gegner in eine bestimmte Zone oder lässt Pässe in die eigene Formation zu und wird dann enorm intensiv. Die Mannschaften ziehen sich dann eng zusammen, pressen stark und suchen daraufhin den schnellen Konter oder einen Angriffsabschluss; oft ist die Strafraumverteidigung erzwungen, weil im Mittelfeld die Eroberung fehlschlug und der Gegner gleichzeitig Dynamik entwickeln musste.
In dieser Partie wirkte das anders. Die Defensivarbeit im klassischen Sinne wurde vorwiegend ganz vorne und ganz hinten abgewickelt. Das Mittelfeld war ohnehin Sperrzone auf beiden Seiten; die Roma verhinderte Pässe dorthin, die Fiorentina regelte dies mit der enormen Kompaktheit und Enge im 4-5-1, wodurch die Roma zwangsläufig und teilweise relativ unbedrängt um diese Formation herumspielte.
Diese Mischung wirkte dann, als gäbe es gelegentliche Pressingausflüge nach vorne und wenn diese erste Pressingwelle überwunden wurde, dann zogen sich die Teams zurück. Beim Zurückziehen leitete man den Gegner auf eine Seite, isolierte ihn dort, aber war relativ passiv und auf Stabilität konzentriert. Um diese Formation herum griff der Gegner an und schloss ab – oder eben nicht. Wenn nicht, spielte er zurück und nutzte den offenen Raum hinten, um neu aufzubauen, oder man verlor den Ball und der Gegner schaltete um und konterte.
Dies ist übrigens keine Kritik: Persönlich fand ich es durchaus logisch und interessant. Beidseitig ging wenig über die Mitte. Die Roma hatte zwar 38% ihrer Angriffe über die Mitte, aber musste im Endeffekt oft auf die Flügel gehen; Strootman bewegte sich viel nach links und Pjanic sollte etwas höher als üblich agieren, beide konnten ihre Stärken aber kaum ausspielen.
Die Fiorentina hatte gar nur 28% der Angriffe über die Mitte, weil die Roma ebenfalls wenig über die Mitte zuließ, hier aber aggressiver und intensiver war sowie Fiorentina mit den Pärchen auf den Seiten ohnehin flügellastiger ist. Dennoch gab es viele Abschlüsse. Der Grund dafür ist einfach. Wie schon in unserem Mannschaftsporträt der Roma erzwingen diese mit Drucksituationen in der Mitte viele frühe Abschlüsse; ähnliches tat die Fiorentina mit der hohen Passivität und enormen Defensivkompaktheit.
Zusätzlich hatte die Fiorentina noch eine sehr interessante Deckungsweise. Sie isolierten oftmals einzelne Spieler aus dem Kollektiv heraus, um Kompaktheit im Kollektiv und Zugriff im Einzelnen zu wahren. Ein Beispiel: Der ballnahe Außenverteidiger rückte auf die Seite, weil Romas Flügelstürmer breiter stand. Die anderen Verteidiger verfolgten diese Bewegung aber nur minimal nach und blieben eher in der Mitte bei ihren jeweiligen Gegenspielern, damit sich keine Löcher um den Strafraum auftun. Besonders das Wechselspiel der Flügelstürmer kam in dieser Partie bei der Roma nicht so zu tragen. Ohnehin hatten die ohne Totti eine andere Rollenverteilung.
Mit veränderter Aufteilung der Rollen und ohne ihren spielmachenden Neuner veränderte sich nämlich die Angriffsstruktur der Römer. Normalerweise haben sie mit Totti einen zusätzlichen Nadelspieler, der Raum für die Flügelstürmer öffnet und sie gleichzeitig mit seinen tollen Pässen sehr gut einsetzen kann.
Ohne Totti kam dies kaum zu tragen; besonders seine Nadelspielerfähigkeiten hätten im Verbund mit Pjanic wichtig werden können. So war bei der Roma aber vieles Stückwerk und Ljajic wurde zu stark als ausweichender Akteur für Gervinho eingebunden, anstatt beidseitige Synergien zu erzeugen. Der Sieg gibt Rudy Garcia dennoch Recht: Mit fortschreiendem Spielverlauf bekamen sie die Flügelvorstöße Florenz‘ in den Griff, waren bei ihren eigenen Flügelvorstößen sehr effektiv und hatten mit der Einwechslung Mattia Destros mehr Präsenz vorne. Diese vielen kleinen Anpassungen und die generelle Überlegenheit gaben dann letztlich im Verbund mit den vielen Abschlussversuchen die nötige Durchschlagskraft.
Fazit
Ein dem Auge wohlgefälliges Spiel zweier guter Mannschaften. Es gab kaum Gebolze, viele Kombinationsversuche, interessantes Aufbau- und Defensivspiel sowie einige individuell sehr starke Spieler. Die Roma war dabei zu Beginn schwächer, steigerte sich aber stetig und verdiente sich letztlich diesen Sieg.
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