Tottenham Hotspur – Manchester United 2:2
Nachdem die Spurs am vergangenen Spieltag eine herbe Niederlage gegen City einstecken mussten, entschied sich der portugiesische Jungtrainer für eine andere Spielweise und Ausrichtung gegen den anderen Topklub aus Manchester. In einem Spiel voller Rhythmuswechsel, etwas unstrukturierter Offensiven und 4-4-1-1-Defensiven holte er damit einen Punkt.
André Villas-Boas reagiert
Tottenhams hohes Mittelfeldpressing gab es nicht mehr in einem solchen Ausmaß und in einer solchen Intensität, stattdessen gab es immer wieder ein tiefes Mittelfeldpressing oder ein hohes Abwehrpressing. Gleichzeitig war Tottenham beim Herausrücken deutlich weniger aggressiv und intensiv, sie konzentrierten sich lieber auf eine kompakte Formation, aus der sie dann situativ nach vorne rückten und höher pressten, aber grundlegend eher etwas passiver und tiefer waren.
Interessant waren auch die einzelnen Mannorientierungen auf dem Feld. Die beiden Sechser und die beiden Stürmer im Pressing (Paulinho orientierte sich an Soldado) schoben immer wieder im Wechsel auf die beiden Sechser Uniteds und brachten damit Dynamik in die 4-4-2/4-4-1-1-Defensivformation. Diese Anpassungen mit einer tieferen Ausrichtung, die in ihrer Umsetzung auch kompakter war, war eine Reaktion auf die großen Probleme gegen City.
Noch interessanter war die Reaktion aber in der eigenen Offensivphase. Hier versuchte sich Villas-Boas an einer Veränderung der Laufwege und neuen Spielerbesetzung. Die inversen Flügelstürmer wurden anders interpretiert beziehungsweise auf rechts nicht gespielt, mit Nacer Chadli auf links und Aaron Lennon auf rechts wollten sie mehr Diagonalität, Tiefensprints und Konterstärke ins Spiel bringen. Zentral gab es ebenfalls eine Veränderung.
Der zuvor als Sechser zu vertikale und offensiv schwach eingebundene Paulinho erhielt eine neue Rolle. Gegen City war er zuvor relativ linear nach vorne aufgerückt, erhielt dort aber kaum Bälle und brachte keinen wirklichen Mehrwert, zusätzlich fehlte er in der Defensive. Doch gegen United sollte er als „Zehner“ agieren, der mit seiner Laufstärke und seinen Vertikalsprints seine Stärken besser einbringen kann. Gleichzeitig erhielt Soldado einen größeren Aktionsradius, er wich mehr aus und ließ sich auch vereinzelt zurückfallen, um für Chadli, Paulinho und Lennon Räume zu öffnen.
Für Paulinho rückte Dembélé in die Mannschaft, der zwar nominell ähnlich wie Paulinho agiert, dabei aber präsenter ist und in seinen Laufwegen gewählter. Er gab mehr Balance als Paulinho neben Sandro, die beiden ergänzten sich gut. Insbesondere durch schnelle Konter konnten die Spurs sich einige Chancen erspielen, mit dieser Mittelfeldverteilung und Soldado vorne hatten sie einen passenden Sturm für diese Spielweise, was zu einigen Chancen führte.
Im Verbund mit den Mannorientierungen und der etwas tieferen Ausrichtung wirkten die Spurs stabiler und konnten zur Halbzeit auch deutlich mehr Schüsse als United verbuchen. Weil sie immer wieder herausrückten und in aggressiveres Mittelfeldpressing übergingen, fand United auch selten in den Rhythmus. Generell hatten die Red Devils gewisse Probleme mit sich selbst.
Welbeck, Kagawa und Rooney
Bis zum Gegentor wirkte es eigentlich wie ein potenziell sehr gutes Spiel für United. Sie verteidigten in einem 4-4-1-1/4-4-2, hatten vorne mit Rooney als Mittelstürmer und Kagawa als hängender Spitze ein Traumduo, welches in der Anfangsphase auch den Ball sehr gut zirkulieren ließ.
Mit Phil Jones und Tom Cleverley bauten sie das Spiel auf, wirkten dabei gegen die passiveren Spurs durchaus stabil und konnten immer wieder Kagawa und Rooney in Szene bringen. Diese tauschten sehr oft die Positionen vorne, teilweise agierte Kagawa wie eine falsche Zehn und Spurs erhielt kaum Zugriff. Dies veränderte sich aber nach dem Gegentor, woraufhin die Spurs öfter nach vorne schoben und Moyes die Mannschaft umstellte. Kagawa ging wieder auf den linken Flügel, während Welbeck von links in die Mitte kam und mit Rooney das Sturmduo bildete. Damit änderte sich die Spieldynamik.
Rooney ist als hängender Stürmer zwar sehr gut und besitzt herausragende Stärken, kann sich jedoch nicht in engen Räumen ganz so gut durchsetzen wie Kagawa und es fehlt ihm ohne Kagawa im Zentrum eine Anspielstation nach vorne. Rooney rochierte zwar danach immer wieder vor das Mittelfeld von den Spurs und versuchte dort das Spiel zu organisieren oder ging auf die offeneren Flügel, wurde dort aber immer formativ isoliert.
Das zuvor ansehnliche Ballbesitzspiel Uniteds mit sicherer Ballzirkulation in der Defensive und schnellen Kombinationen mit Kagawa und Rooney beim Übergang nach vorne waren nicht mehr zu sehen. Kagawa rückte von links mehrmals in die Mitte, aber das Wechselspiel mit Rooney war nicht mehr in dieser Dynamik vorhanden und beim Einrücken des Japaners gaben weder Evra noch Welbeck (mit ausweichenden Läufen) konstant Breite im letzten Drittel.
Dennoch hatte United mehr vom Spiel, wirkte aber in Strafraumnähe und im Zwischenlinienraum unsicher. Sie konnten den Ball in diesen Zonen kaum zirkulieren lassen und fokussierten sich auf Angriffe über die Flügel und auf eine Ballzirkulation um die Formation Tottenhams herum, welche sie vorher mit dem Wechselspiel Rooney-Kagawa infiltrieren konnten.
Das 2:1 durch Sandro, der mit einem fulminanten Distanzschuss die offene Mitte dieser auch defensiv lineareren 4-4-2-Formation bestrafte, kam fast schon folgerichtig. Und fast ironisch wirkte es, dass Welbeck kurz darauf den Elfmeter herausholte, wodurch wieder Gleichstand herrschte. In der Folgephase wurde United stärker. Sie überwanden das Mittelfeld schneller, Rooney wurde noch stärker eingebunden und Kagawa interpretierte seine Rolle immer freier.
Nach einer kurzen Phase klarer Überlegenheit des amtierenden Meisters reagierte Villas-Boas wieder. Andros Townsend kam für Aaron Lennon, wenige Minuten später wurde Defoe für Soldado eingewechselt und die Offensive der Londoner veränderte ihre Bewegungsmuster.
In der Schlussphase entwickelte sich ein hochinteressantes Spiel, wo United mit Cleverley und Jones vor der Abwehr zwei Zirkulationsspieler und Absicherung hatte, Kagawa vorne sehr frei spielte und mit Rooney wieder die Synergien suchte, während für Welbeck Chicharito eingewechselt wurde. Tottenham spielte in der Schlussphase ebenfalls offener und aggressiver, wodurch viel Hin und Her entstand, obwohl es taktisch keine größeren Veränderungen gab. Moyes brachte für die Schlussminuten noch Nani und Young für Kagawa und Valencia als frische und tororientiertere Flügelzange, aber es blieb beim Unentschieden.
Fazit
Für mich blieb die Hauptfrage nach dieser Partie die folgende: Wieso wechselte Moyes Kagawa und Welbeck? Die Antwort ist nicht einfach zu finden. Anscheinend war Welbeck nicht fit, weswegen er nach vorne ging und Kagawa Walker bei dessen Ausflügen verfolgen sollte. Ein Indiz dafür ist sicherlich die Positionierung Welbecks ganz vorne als Mittelstürmer, obgleich kein wirklicher Beweis.
Eine Gegenthese meinerseits für diese Idee ist, dass Kagawa wohl nicht so eingerückt und frei (insbesondere nach dem 2:2) agiert hätte, wenn man Walker so viel Respekt entgegenbrachte. Kagawa rückte nämlich ab dieser Phase bis zum rechten Halbraum ein und Evra agierte deutlich höher als zuvor. Andererseits zeigte Kagawa bei Angriffen Tottenhams aus dem Aufbauspiel heraus durchaus eine sehr gute Defensivleistung gegen Walker, wurde aber in einzelnen Szenen auch von Joens und Cleverley abgesichert.
Eventuell wollte Moyes aber auch Welbeck vorne als zusätzliche Präsenz im Strafraum bei Flanken sowie als Blocker für Rooney und Kagawa haben, was jedoch nur in der phasenweise funktionierte. Passend zu dieser These brachte Moyes auch Chicharito für Welbeck. Wirkliche Veränderungen brachte alles nichts. In einem etwas zerfahrenen Spiel ohne konstante Großchancen trennten sich die beiden Teams mit einer Punkteteilung.
3 Kommentare Alle anzeigen
Daniel_D 2. Dezember 2013 um 08:15
Machen dir diese Spiele eigentlich Spaß zu schauen? Für mich erinnert PL einfach an Wrestling in den 90ern. Ich erwarte noch, dass Hulk Hogan aus den Zuschauerrängen sprintet und Valencia mit dem Klappstuhl erwischt. Am Ende ärgere ich mich über die Zeit, die ich mit Sehen verschwendet hab, wie bei einem schlechten Youtube Video, welches ein Freund empfiehlt.
Ich fand auch in der Anfangsphase hat das Duo Rooney / Kagawa nicht viel erreichen können. Man konnte zwar vor der Abwehr den Ball zirkulieren, hatte aber keinen Zugriff auf die gefährlichen Räume.
Rooney müsste ohne RvP seine Rolle wie RvP interpretieren um Kagawa ins Spiel zu bringen, das tut er aber nicht, er interpretiert sie wie eben Rooney. Normalerweise müsste er mit dem Rücken zum Tor in der gegnerischen Formation stehen und auf den Doppelpass warten. Stattdessen muss dort der arme Kagawa rein. natürlich spielt dann wieder niemand flach zu ihm. es werden zwei, drei Halbfeldflanken ausgepackt, die sind natürlich völlig absurd gegen die großen Verteidiger und schließlich ignoriert man ihn ganz.
CF 3. Dezember 2013 um 15:44
Wenn man sich erst BPl anschaut und danach die Bundesliga ist der Spielrythmus schon stark verändert. Trotzdem gibt es taktisch extrem imteressante Spiele und Clubs in der BPl.
Torriecher 1. Dezember 2013 um 15:45
Lieber RM, vielen Dank für die schnelle Analyse.
Was mir hier gefehlt hat ist ein extra Lob für Walker. Nicht nur sein Tor war grandios sondern gerade auch sein Laufpensum in den letzten Minuten der 2. Hälfte. Der unbedingte Drang noch gefährliche Situationen erzeugen zu wollen, kam letztlich, so mein Empfinden, hauptsächlich von ihm.
Ich bin auch der Meinung, dass Kagawa auf dem Flügel total die Anbindung verloren hat und dort über alle Maßen verschenkt wirkte. Ich werde irgendwie das Gefühl nicht los (schreiben ja auch alle), dass er nicht so recht in das Manu-Gefüge passt beziehungsweise er nicht genug Wertschätzung genießt, dass man das Offensivspiel auch mal komplett auf ihn zuschneidet. Vielleicht fehlt ihm da letztlich dann auch ein wenig die Physis. Ich denke er wird früher oder später wechseln… Ob zurück zum BVB ist dahingestellt, er würde dort den positiven Druck von der Bank jedoch um Einiges erhöhen und wäre bei einer erneuten CL-Quali nächste Saison eigentlich die Top Alternative.
Ein schönes Spiel zum ersten Advent und auch schön zu sehen wie extrem gefährlich Rooney immernoch ist. Gerade seine interpretativen Pässe in den Kontersituationen waren phänomenal…