Chelsea FC – Manchester United 2:3

Am vergangenen Sonntag stieg an der Stamford Bridge das Spitzenspiel der englischen Premier League. In einem ereignisreichen Spiel besiegte Rekordmeister Manchester United Champions-League-Sieger Chelsea 3:2. Den Red Devils gelang ein Blitzstart. Bereits nach 12 führten sie 2:0, ehe die überlegenen Blues nach der Pause ausglichen. Nachdem Schiedsrichter Mark Clattenburg zwei Chelsea-Akteure ausschloss, erzielte der eingewechselte Javier Hernandez den Siegestreffer.

Grundformationen

Formationen zu Spielbeginn

Chelsea begann im gewohnten 4-2-3-1-System, das sich vor allem durch seine hohe Flexibilität in der Offensive auszeichnet. Im offensiven Mittelfeld begannen Juan Mata, Oscar und Eden Hazard, die Solostürmer Fernando Torres unterstützen sollten. Dahinter bildeten Ramires und John Obi Mikel in Abwesenheit des verletzten Frank Lampard die Doppelsechs, deren primäre Aufgabe es war den Ball zu den Offensivkräften in die hohen Zonen zu befördern. Unterstützt wurden sie dabei von den beiden Innverteidigern David Luiz und Gary Cahill – beide Duos kamen auf etwa die gleichen Pass- und Ballbesitzzahlen (92/116 bzw. 90/115). Komplettiert wurde die Viererkette von Ashley Cole links und Branislav Ivanovic rechts, dessen rote Karte die spielentscheidende Phase einläutete.

Manchester Uniteds Coach Sir Alex Ferguson probierte in der laufenden Spielzeit schon einige Formationen aus, zuletzt etwa ein 4-4-2 mit Mittelfeldraute. Gegen den Tabellenführer kehrte er wieder zum gewohnten 4-2-3-1/4-4-1-1-Hybridsystem zurück, in dem es eigentlich nur eine wirkliche Überraschung gab. Ashley Young bekam nämlich den Vorzug gegenüber Nani. Der englische Nationalspieler rückte oft ein und zog nur sehr selten die Grundlinie entlang, was im Verbund mit der hohen, breiten Stellung von Antonio Valencia und dem ungleichen Spiel der beiden Außenverteidiger, Rafael da Silva und Patrice Evra, zu einer merkbaren Asymmetrie führte. Fast die Hälfte aller Angriffe (46%) wurde über die rechte Seite gespielt.

Chelsea in Ballbesitz

Die schnelle Führung der Gäste gab schon früh den Charakter dieses Spiels vor. Während Manchester ohne Risiko versuchte den Vorsprung zu verwalten und über Konter Gefahr auszustrahlen, war Chelsea gezwungen die Initiative zu ergreifen. Im tiefen Spielaufbau fächerten sich die Innenverteidiger breit auf, während sich einer der beiden Sechser in deren Mitte und der andere eine Linie höher postierten. Ziel war es, wie bereits erwähnt, das Offensivquartett ins Spiel zu bringen.

Dieses agierte im Durchschnitt sehr eng aneinander (siehe hier), was daher rührt, dass die betreffenden Spieler sehr oft ihre Positionen wechselten, was angesichts der Tatsache, dass die drei offensiven Mittelfeldspieler sehr ähnliche Spielertypen sind und Torres die gesamte Spielfeldbreite abdeckt gut nachvollziehbar ist. Die vier waren intensiv um Dreiecksbildungen, dem Herausziehen der gegnerischen Verteidiger und der damit einhergehenden Raumöffnungen bemüht. Richtig gelungen ist es ihnen trotz teilweise geschätzten 70% Ballbesitz nicht daraus Kapital zu schlagen, was auch an der guten Verteidigungsarbeit von Manchester United lag. So ist es kaum verwunderlich, dass der Anschlusstreffer aus einem direkt verwandelten Freistoß fiel.

Chelseas Probleme nach Ballverlusten

Chelseas Probleme auf den Außenbahnen im defensiven Umschaltspiel

Außerdem ergaben sich aufgrund der zentralfokussierten und hohen Spielweise der Flügelspieler auch Probleme im defensiven Umschaltspiel. Die Außenbahnen sind nach Ballverlusten stark anfällig, da sie unterbesetzt sind und dem Gegner Räume für Gegenstöße bieten. Zu sehen war dies unter anderem auch beim Spiel von Borussia Dortmund in der Champions League gegen Manchester City. In diesem Spiel äußerten sich diese Schwachstellen vor allem bei beiden Gegentreffern.

Dem Eigentor von Luiz zum 0:1 ging ein verlorener Zweikampf von Mata gegen Rio Ferdinand im zweiten Spielfelddrittel voraus. Wayne Rooney konnte anschließend ohne nennenswerte Gegenwehr auf der rechten Seite vorstoßen und auf Robin van Persie ablegen. Die Rechtslastigkeit in Uniteds Angriffsspiel hängt zudem auch mit der hohen Position von Chelsea-Linksverteidiger Cole im Spielaufbau, was der Antrittsschnelligkeit von Valencia entgegenkam. Beim zweiten Treffer sah sich Cole aufgrund der fehlenden Unterstützung seines Vordermanns zwei Gegenspielern gegenüber, musste aufgrund des heranstürmenden Rafael nach vorne rücken und Valencia ziehen lassen.

Aber auch auf der anderen Abwehrseite hatte Ivanovic teilweise mit zwei Gegenspielern bzw. der Schnelligkeit des betreffenden Flügelspielers zu kämpfen. Ein Beispiel dafür ist die Szene, die zu seinem Ausschluss führte. Außerdem erkennt man die typische Struktur, in der die Reds ihre Angriffe vortrugen, denn van Persie fehlte aufgrund der zurechtgelegten Defensivtaktik die Unterstützung aus dem Mittelfeld, was dazu führte, dass er sich fallen ließ. Sein direkter Gegenspieler wurde dadurch aus dem Abwehrzentrum gelockt, während die Außenspieler – vor allem Young – in den geöffneten Raum sprinteten.

United gegen den Ball

In aller Regel ist Rooney für die Verbindungen nach vorne zuständig, gegen Chelsea war der 27-Jährige aber vor allem in der Defensive auffällig. Wie im bereits erwähnten BVB-Spiel formierte sich United gegen den Ball in einem breiten 4-5-1 um die Schnittstellen zu Chelseas flexibler offensiver Dreierkette möglichst eng zu halten. Rooney positionierte sich dabei halbrechts, was den angenehmen Nebeneffekt hatte, dass er nach Ballgewinnen Chelseas anfällige linke Abwehrseite überladen konnte. Zu erkennen ist Rooneys tiefe Position auch in den Durchschnittspositionen auf whoscored.com.

Außerdem agierte man sehr mannorientiert, was dazu führte, dass beispielsweise die Außenverteidiger oft in der Mitte zu finden waren, wohin sie geeilt waren um die zentralen Chelsea-Flügel zu neutralisieren. Dadurch ergaben sich logischerweise Räume auf den Abwehrseiten, die die Blues selbstverständlich suchten. Torres wurde aber – gemäß der mannorientierten Spielweise – vom ballnahen Innenverteidiger verfolgt, während sich Carrick ins Abwehrzentrum zurückfallen ließ.

Anpassungen nach der Pause

Nachdem die Gefahr der Offensivspieler durch das laufintensive Spiel der United-Hintermannschaft eingedämmt wurde, suchte CFC-Coach Roberto Di Matteo in der Halbzeit nach Lösungen trotzdem aus dem Spiel heraus gefährlich zu werden. Zum einen fehlte Manchester eine passende Zuordnung auf die Sechser, aufgrund deren tiefen Position. Mikel und Ramires wurden zusehends aggressiver und rückten im Pressing bzw. Gegenpressing weiter auf.

Eine weitere Anpassung war, dass Di Matteos Schützlinge nach dem Seitenwechsel vermehrt versuchten auch Pässe hinter die Abwehr zu spielen. So konnten die Londoner die Geschwindigkeitsvorteile ihrer Offensivkräfte gegenüber der United-Abwehr ausspielen. Beide Szenarien spiegelten sich im 2:2 wider. Zunächst erlief Mata einen langen Pass über die Abwehr, dann köpfte Ramires zum Ausgleich ein.

Folgen der Ausschlüsse

Den Wendepunkt des Spiels stellten die Ausschlüsse gegen Ivanovic und Torres dar. Bis dahin dominierte Chelsea die Partie, hielt De Gea sein Team mit starken Paraden im Spiel. Ivanovics Ausfall kompensierte Di Matteo mit der Einwechslung von Cesar Azpilicueta, was ein klares Indiz dafür war, dass er die Begegnung trotz Unterzahl unbedingt gewinnen wollte. Der Spanier ist offensiv orientierter als Ivanovic, was United theoretisch mehr Räume im Umschaltspiel öffnen hätte können.

Die Umstellung aufs 4-4-1 hielt aber nicht lange, da Torres kurze Zeit später nach einer harten Entscheidung Gelb-Rot sah. Doch obwohl man zwei Spieler weniger war, versuchte Chelsea weiter das Geschehen zu kontrollieren. Das 2:3 kassierten die Gastgeber ebenfalls nach einem Ballverlust in der Vorwärtsbewegung. United trug den Angriff zwar nicht im höchsten Tempo vor – wie etwa bei den ersten beiden Toren – dennoch war zu erkennen, dass Chelsea aufgrund der Unterzahlsituation nicht in die geplante Defensivordnung kam.

Ferguson reagierte ebenfalls. Nach dem ersten Ausschluss brachte er mit Hernandez einen klassischen Neuner, der sehr direkt spiel und seine im Strafraum hat. Zudem ersetzte Ryan Giggs Rooney, die Marschroute war also klar vorgegeben. Nachdem man sich über weite Strecken des Spiels das Hauptaugenmerk auf die Defensive legte, wollte man den Gegner in der Schlussphase überlaufen, was letztlich auch gelang.

Fazit

Es war aus taktischer Sicht kein hochklassiges Spiel, dennoch erlebte man als Zuschauer ein ereignisreiches Spitzenduell mit fünf Toren und zwei Ausschlüssen. Manchester United zeigte sich vo dem Tor überaus effektiv, konnte in der Defensive Chelseas gefährliches Offensivquartett mit einem hohen Grad an Manndeckung und großem Laufaufwand weitestgehend in Schach halten. Dennoch hat der Sieg aufgrund der diskutablen gelb-roten Karte gegen Torres und der Tatsache, dass Hernandez bei seinem Tor im Abseits stand, einen schalen Beigeschmack, denn bis dato hatte man eher das Gefühl, Chelsea würde als Sieger vom Platz gehen. In zahlenmäßiger Überlegenheit ließ United nichts mehr anbrennen und konnte auch die Statistiken auf annehmbare Zahlen hinbiegen.

Toni 30. Oktober 2012 um 10:13

Wann hatt ManU bitte gegen den BvB gespielt?
Das war ManCity!

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RM 30. Oktober 2012 um 10:25

Da ging’s um ein Beispiel aus einem anderen Spiel, wo die gleiche Anfälligkeit trotz anderer Spieler zu sehen war. Es ist ein Vergleich und eine Verdeutlichung dieses taktischen Problems.

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Jean 29. Oktober 2012 um 19:55

Was ich nicht verstanden habe: Warum wechselte di Matteo am Ende Hazard aus als er Sturridge brachte? Chelsea lag zurück, warum nicht wenigstens zwei Männer in der Offensive lassen, darunter Hazard, der sich nur eine Minute zuvor gegen drei Gegenspieler durchsetzte und eine Flanke in den Strafraum brachte, wo dann nur einfach der Mittelstürmer fehlte? Dafür ließ di Matteo mit Bertrand, Mikel, Ramires und der Viererkette sieben Defensivkräfte auf dem Platz (auch wenn Ramires durch offensiv agieren kann). Mikel wäre doch eigentlich der logische Wechsel gewesen, um mit zwei Angreifern noch irgendwie den Ausgleich zu erzwingen. Sturridge alleine konnte dann auch nichts mehr anrichten. Wie seht ihr das?

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AS 29. Oktober 2012 um 20:51

es ist halt immer schwer mit zwei Spielern weniger entscheidenden Zugriff aufs Spiel zu bekommen, noch dazu wenn das Spiel schon so weit fortgeschritten ist und der Gegner gerade das 3:2 macht. Da muss schon einiges zusammenlaufen, vielleicht hat Di Matteo noch auf Standards gehofft o.ä. Macht aus meiner Sicht jetzt jedenfalls keinen großen Sinn lange über diese eine Entscheidung zu diskutieren.

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Lino 29. Oktober 2012 um 18:07

Frage zur Grafik „Chelseas Probleme auf den Außenbahnen im defensiven Umschaltspiel“: Standen die Außenverteidiger Chelseas bei Ballbesitz wirklich so tief ???

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AS 29. Oktober 2012 um 20:42

nein, die waren schon etwas höher. Habs aus Gründen der Übersichtlichkeit etwas auseinandergezogen.

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