1.FC Heidenheim – Karlsruher SC 2:2
Freistöße und Torwartfehler entscheiden ein gutes Drittligaspiel.
Am ersten Spieltag der dritten Liga trafen zwei der größten Aufstiegskandidaten aufeinander. Die abgestiegenen Karslruher trafen auf den 1.FC Heidenheim, der vergangene Saison nur um einen Punkt an der Aufstiegsrelegation vorbei schrammte. Am Ende dieses interessanten Duells stand ein 2:2-Unentschieden, welches viele Fragen offen ließ.
Die von Torwartfehlern begünstigten Tore des Spiels fielen dabei stark antizyklisch. Die erste Halbzeit dominierte Heidenheim, aber Karslruhes vielumworbenes Nachwuchsjuwel Calhanoglu versenkte zwei Freistöße zum 0:2 Halbzeitstand. Mit der Führung im Rücken bekam Karlsruhe mehr Kontrolle ins Spiel, aber der Heidenheimer Kapitän Schnatterer traf kurz vor Schluss wiederum per Freistoß zum überraschenden Anschlusstreffer. In der letzten Aktion einer stürmischen Endphase gelang dem weit aufgerückten Rechtsverteidiger Malura dann noch der Ausgleich.
Die Defensivordnungen beider Mannschaften entsprachen den aktuellen Standards – der KSC lief in einem 4-4-2 auf, Heidenheim griff zum 4-2-3-1. In der offensiven Phase waren beide Systeme nicht ganz so klar einzuordnen.
Das lag im Fall der Heidenheimer daran, dass sie weit aufrücken konnten und sich am gegnerischen Strafraum dann flexibel bewegten. Grundlegend agierten sie dabei in einem 2-4-4, spielten gegen das Karlsruher Abwehrpressing viel über den Flügel und versuchten dann diagonal in die Mitte zu kommen. Insbesondere der rechte Flügel des sehr spielstarken Malura war dabei sehr präsent.
Der Ansatz des KSC in Ballbesitz war darauf ausgerichtet, den offensiv denkenden Calhanoglu von der Sechserposition ins Offensivspiel zu integrieren und abzusichern. Die Ideen, die Trainer Kauczinski zu diesem Zweck erdacht hatte, waren zwar schlüssig, aber funktionierten nur teilweise.
Heidenheim zwischen Kontrolle und Harmlosigkeit
Der dominante Beginn der Heidenheimer erklärt sich im Offensivspiel hauptsächlich mit dem Karlsruher Defensivansatz. Diese pressten zwar ansatzweise im Mittelfeld, es fehlte aber an Anbindung zwischen Sturm und Viererketten. Die beiden Stürmer waren weitestgehend auf sich allein gestellt, insbesondere beim Pressing auf Heidenheims Außenverteidiger. Die beiden Ketten wichen dabei hauptsächlich passiv zurück, wodurch sich das „potentielle“ Mittelfeldpressing in der Realität meist als Abwehrpressing in zwei engen Viererketten darstellte.
Somit konnte Heidenheim recht problemlos über die Flügel bis an den gegnerischen Strafraum vordringen. Dort wurden sie aber nur ansatzweise gefährlich, was im ersten Satz bereits begründet liegt: Die Heidenheimer spielten hauptsächlich über außen nach vorne und bekamen keine Kontrolle in die kreativen Räume des Zentrums. Dadurch konnte Karlsruhe früh nach außen schieben und stand in kompakter Überzahlstellung am eigenen Sechzehner.
Auch fehlten den Heidenheimern der Plan und die technische Klasse, um von außen kontrollierte Kombinationen in den Strafraum zu ziehen. Sie versuchten immer wieder diagonal in die Spitze zu kommen, wirkten dabei aber unpräzise und improvisiert. Eine ordnende Hand, die auch in engen Zwischenräumen zurechtkommt, wäre hier womöglich das entscheidende Plus gewesen.
Die Besetzung der Offensivräume war jedoch ordentlich. Neben den beweglichen Stürmern Heidenfelder und Mayer, gingen auch die Außenspieler immer wieder mit in den Strafraum und die Sechser unterstützten mit gelegentlichen Vorstößen. Somit konnten die Gastgeber immer wieder Gefahr und Standards erzwingen, wenn sie mit Flanken oder Distanzschüssen den Zufall bemühten.
In der Summe strahlte Heidenheim in den ersten 45 bis 60 Minuten stets Gefahr aus, wenn auch eher durch regelmäßige Halbchancen, als mit hochwertigen, herausgespielten Gelegenheiten. Dadurch, dass Karlsruhe dabei aber fast keine Ballgewinne im Mittelfeld verbuchen konnte, verhinderte Heidenheim außerdem Konter des KSC. Diese hätten ansonsten über die beiden schnellen Stürmer gefährlich werden können.
Der Calhanoglu-Kniff
Umso wichtiger war es für Karlsruhe, aus dem eigenen Aufbau heraus Gefahr zu erzeugen. Mit den technisch versierten Gaetan Krebs, Alibaz, Soriano und Calhanoglu hatte der Absteiger dabei mehr individuelle Qualität am Ball zu bieten als die eher physisch besetzten Heidenheimer. Um die Fähigkeiten aller vier passend zu Nutzen, agierten die Karlsruher in einer ungewöhnlichen Aufgabenverteilung.
Jungspund Hakan Calhanoglu hatte dabei alle Freiheiten nach vorne. In seinen Bewegungen, seiner Ballbehandlung und seiner Erscheinung sehr an Mesut Özil erinnernd, hatten auch seine Laufwege gewisse Ähnlichkeiten mit denen des DFB-Zehners. Er bewegte sich früh nach vorne in die Zehnerräume und oft rochierte er sogar bis auf die offensiven Außenposition um seine Kreativität einzubringen.
Die dadurch entstehenden Konterräume im defensiven Mittelfeld, sollten durch eine insgesamt engere Ausrichtung kompensiert werden. Alibaz und vor allem Krebs nutzten nicht die ganze Feldbreite sondern hielten sich recht eng zu Haas und Calhanoglu. Nach Ballverlusten eilten sie schnell zurück, wodurch oft sogar kurzzeitig eine Mittelfeldraute mit Calhanoglu als Zehner entstand.
Als Kompensation dieser Enge versuchte Soriano aus dem Sturmzentrum viel nach außen (meist links) zu rochieren, um die Außenverteidiger dort zu binden und für Krebs Raum zu schaffen. Die Grundstruktur war also, dass die dynamischen und gradlinigeren Soriano und Alibaz außen für Gefahr sorgen, während die beweglichen Krebs und Calhanoglu zusammen die zentralen Räume nutzen sollten.
Heidenheim zerpresst die Idee
Karlsruhes Spielstärke in der Offensivreihe kam aber kaum zur Geltung, da die Bälle nur selten kontrolliert nach vorne gespielt werden konnten. Die Heidenheimer spielten ein gutes Offensivpressing und verhinderten so einen konstruktiven Spielaufbau der wenig passsicheren Viererkette des KSC.
Dafür bedienten sie sich dem 4-2-3-1-typischen Keilpressing nach außen: Mayer presste seitlich auf die Innenverteidiger, um den KSC aus der Mitte zu drängen, während Heidenfelder hinter ihm den geraden Passweg nach vorne zustellte. Schnatterer und Bagceci agierten hoch und eng und verhinderten so Pässe ins Zentrum und konnten schnell auf die Außenverteidiger pressen.
Dadurch, dass Calhanoglu früh vorstieß, war der defensive Haas dabei allein in der zweiten Kette und war dadurch leicht zu isolieren. Auch Krebs und Alibaz waren in der zentraleren Stellung schwer anzuspielen wegen der engen Stellung von Heidenheims Flügelspielern. Die Anbindung zwischen Defensive und Offensive der Karlsruher war dadurch kaum vorhanden. Wenn der Ball doch kontrolliert ins offensive Mittelfeld kam, fehlte dort oft auch einfach der Raum, für gute Aktionen.
Somit war das Karlsruher Angriffskonzept zwar gut überlegt, aber passte nicht zur Strategie des Gegners. Gegen die eng und hoch pressenden Heidenheimer hätte der KSC mehr Breite benötigt und spielstärkere Defensivspieler. Die Außenverteidiger hätten zudem raumschaffend vorstoßen können – passenderweise hatte Rechtsverteidiger Schiek bei einem der ganz seltenen Vorstöße die größte Karlsruher Chance aus dem Spiel heraus. Die zwei Tore zur Pause waren sehr glücklich, da es auch nicht viele Standardsituationen für Karlsruhe gab.
Umschaltmomente und Spielstärke
Die defensive Grundhaltung der KSC-Viererkette und die enge Mittelfeldformation führten aber dazu, dass Heidenheim trotz vieler Ballgewinne keine Gefahr bei Kontern ausstrahlte. Krebs und Alibaz verhielten sich sehr aufmerksam und bremsten viele Gegenangriffe aus, Haas spielte gutes Gegenpressing und fing einige Versuche ab.
In den gelegentlichen Situationen, in denen Heidenheim dennoch in die gefährlichen Halbräume kam, ließen sie sich wieder zu leicht auf den Flügel drängen oder nahmen kein Tempo in die Spitze auf. Man merkte Heidenheim auch in diesen Momenten den Mangel an Kreativspielern an, die aus engen zentralen Räumen überraschende Pässe in die Tiefe spielen könnten.
Dieses Manko zog sich durch Heidenheims Spiel und so wirkte es spätestens im Laufe der zweiten Halbzeit immer weniger so, als wären sie in der Lage gegen die zunehmend sicher werdende Abwehrreihe Karlsruhes erfolgreich zu werden. Noch schwerwiegender wurde dies, nachdem Trainer Frank Schmidt in der 50. Minute den Bundesliga-bekannten Torjäger Michael Thurk für Richard Weil brachte und auf ein sehr offensives 4-1-3-2 umstellte.
Misslungene 4-1-3-2-Umstellung
Diese Umstellung war ein Paradebeispiel dafür, dass ein plumper Offensivwechsel ohne feinere Idee sehr leicht nach hinten losgehen kann. Die Mechanismen der Heidenheimer wurden durch den Wechsel beschädigt und der KSC konnte bedeutend leichter pressen.
Der zusätzliche Spieler im Sturm war weit weniger Wert, als es der zweite Sechser gewesen war. Wittek war hinter Karlsruhes Stürmern nun völlig isoliert. Diese konnten deshalb viel frühzeitiger zum Flügel weichen, um die Außenverteidiger unter Druck zu setzen und Heidenheim kam immer seltener kontrolliert vorwärts. Wenn doch, fehlte der zweite Sechser als Verbindungsspieler beim diagonalen Spiel in die Spitze.
Der zusätzliche Stürmer war währenddessen meist verschenkt und wartete wirkungslos ballfern in der Viererkette auf Bälle, die nicht gespielt werden konnten. Zwischen dem Wechsel und dem Anschlusstreffer hatte die Defensive der Karlsruher daher die meiste Ruhe. Erst Schnatterers glücklicher Freistoßtreffer in der 81. Minute kippte das Spiel wieder.
Die breite Endphase
Mit dem Anschlusstreffer im Rücken, erhöhte Heidenheim das Risiko und Tempo des Angriffsspieles enorm. Insbesondere die Außenverteidiger rückten stärker auf und es wurden zunehmend lange Bälle gespielt.
Die dadurch entstehende extreme Streckung des Spiels, brachte die KSC-Viererkette in große Schwierigkeiten, die sie die Breite nicht mehr ausreichend abdecken konnten (ähnlich der portugiesischen Gegner bei der EM). Nach weiten Diagonalbällen hatten sie immer wieder Zuordnungsschwierigkeiten.
Dazu kam, dass sie durch die Drucksituation hektischer und ungeordneter wurden, weshalb sie Bälle schnell verloren, zu langsam herausrückten und Lücken offenbarten; kurz gesagt, machten sie die üblichen Fehler von Mannschaften, die in Endphasen ein Ergebnis retten wollen.
Nach einem langen Diagonalball ins Sturmzentrum, der unkontrolliert zum aufgerückten und freien Malura abprallte, fiel dann in der letzten Minute noch der Ausgleich. Wenigstens dieser Treffer entsprach insofern dem Spielverlauf, als dass Malura bereits in der ersten Hälfte der vielleicht stärkste Spieler auf dem Platz war.
Fazit
Ein sehr undankbares Spiel für eine Analyse, da drei Tore gegen den Spielverlauf fielen. Somit war es am Ende ein Punktgewinn für Heidenheim, der angesichts der zweiten Halbzeit äußerst glücklich zustande gekommen ist, aber doch über 90 Minuten absolut verdient war. Wichtiger als der Punkt werden für beide Mannschaften die Erkenntnisse des Auftaktmatches sein.
Der 1. FC kann auf einem sehr guten Defensivfundament aufbauen, hatte man die starke Offensivabteilung des Aufstiegskonkurrenten doch über die ganze Spielzeit eigentlich unter Kontrolle. Die eigenen Angriffe werden solide aufgebaut, es fehlt aber an Kreativspielern für die letztliche Durchschlagskraft. Frank Schmidt steht insbesondere vor der Aufgabe, dieses Defizit seines Kaders zu kompensieren, wenn er die Vorsaison übertreffen will.
Karlsruhe befindet sich im Grunde in der entgegengesetzten Situation. Zwar ist die individuelle Klasse vorhanden, aber das Pressing ist noch grauer Standard und das Aufbauspiel war zumindest diesem starken Gegner nicht gewachsen. Angesichts des weitgehend neu zusammengewürfelten Teams ist dies nicht all zu verwunderlich, aber eine Spitzenmannschaft der Liga sollte diesbezüglich möglichst schnell Fortschritte erzielen.
1 Kommentar Alle anzeigen
firedo 23. Juli 2012 um 14:24
Ich finds toll, dass ihr auch über die Dritte Liga berichtet.
Also warum steht der Ajax-Artikel immernoch ganz oben auf eurer Seite?
Der Artikel hier gefiel mir sehr gut, wenn er auch sehr sehr umfangreich war.
Bitte schreibt auchmal was über die Spiele von Hansa.
Das ist nämlich der schönste Verein.