England – Ukraine 1:0
England siegt glücklich und ist somit Gruppenerster. Die Ukraine überrascht mit einer unorthodoxen Raumaufteilung in Ballbesitz. Schlechte Chancenverwertung beschert dem Gastgeber aber trotz gutem Spiel das Aus.
England im 4-4-2 mit Rooney
Die Abwehrkette blieb unverändert mit Terry/Lescott in der Innenverteidigung, Ashley Cole auf der linken und Glen Johnson auf der rechten Außenposition.
Im zentralen Mittelfeld übernahm Parker den horizontalen Part, Gerrard agierte als Verbindungsspieler zwischen Abwehr und Angriff. Young auf der linken Seite spielte invers während Milner auf der rechten Seite öfter den Weg zur Grundlinie suchte.
Im Sturm begann dieses Mal das Duo Welbeck-Rooney. Man hätte vor dem Spiel durchaus vermuten können, dass Rooney aufgrund der Ausgangslage – die Ukraine musste gewinnen – etwas zurückgezogen spielen würde. Er agierte jedoch als echte Spitze, so dass ein klassisches 4-4-2 entstand.
Ukraine defensiv im 4-4-2
Im Fernsehen wurde den Zuschauern eine 4-3-1-2-Formation, also die klassische Raute präsentiert. Was auf dem Platz dann passierte, war gelinde gesagt überraschend.
Um die flexible Spielweise der Gastgeber zu analysieren, ist es sinnvoll, in kleinen Schritten vorzugehen. Daher schauen wir uns zuerst das System an, das sie bei kontrollierten Angriffen Englands spielten.
In der Defensive formierten sich die Ukrainer im flachen 4-4-2, das den Vorteil von klaren Zuordnungen hatte. Die Abwehrreihe stand relativ hoch, sodass die Räume sehr eng wurden. Praktisch überall auf dem Feld gab es 1gegen1-Situationen, die von den Engländern aber kaum gesucht wurden.
Ukrainischer Spielaufbau – Tymoschchuk als abkippender Sechser und dritter Innenverteidiger
In Ballbesitz wirkte das ukrainische Spiel oft chaotisch, jedoch gab es einige klare taktische Mittel, die dazu führten, dass die Ukraine über weite Strecken die bessere Mannschaft war.
Tymoschchuk spielte als abkippender Sechser und holte sich viele Bälle im Raum hinter dem extrem weit aufrückenden Rechtsverteidiger Gusev ab. In der Regel begeben sich die abkippenden Sechser, zum Beispiel Schweinsteiger bei Bayern oder Alonso bei Real, nach dem Weiterspielen des Balles zurück in den zentralen Mittelfeldbereich. Dort dienen sie dann als sichere Anspielstation und als Absicherung gegen Konter.
Tymoschshuk allerdings interpretierte diese Rolle anders. Nachdem er den Ball, den er sich im Raum hinter Gusev abholte, blieb er in diesem Bereich und formierte gemeinsam mit den Innenverteidigern Khacheridi und Rakitskiy eine Dreierkette.
Diese konnte die beiden englischen Stürmer leicht umspielen, auch bei Kontern hatte man einen Mann Überzahl. Tymoschchuk rückte erst aus der Kette heraus, wenn die aufrückenden Außenverteidiger wieder hinten waren – um dann nach Ballgewinn wieder auf die Position des rechten Innenverteidigers zu gehen.
Warum die Ukraine das Mittelfeldzentrum verwaisen ließ
Garmash der auf dem Papier neben bzw. etwas vor Tymoschchuk spielen sollte, agierte recht hoch, sodass aufgrund Tymoschchuks Positionierung häufig ein großes Loch in der Spielfeldmitte entstand. Normalerweise gilt dies als klarer taktischer Fehler, doch in diesem Spiel machte diese Vorgehensweise Sinn.
Da Parker sowieso nicht gern vertikal agiert und in die Spitze startet, Gerrard aufgrund der auf Sicherheit beruhenden Spielanlage des Teams auch eher konservativ agierte und Rooney nur selten ins Mittelfeld zurückfiel drohte der Ukraine durch das Mittelfeldzentrum also quasi keine Gefahr.
Ein Vorteil dieser unorthodoxen Raumaufteilung war, dass Garmash, der bei Ballbesitz als Zehner agierte, viele zweite Bälle im Rückraum aufsammeln konnte. Dadurch bekamen die Ukrainer nach geklärten Flanken oder Diagonalbällen einige Male eine zweite Chance, den Angriff abzuschließen.
Asymmetrie Part I: Die rechte ukrainische Seite
Auf der rechten Abwehrseite spielte Oleg Gusev eine ähnliche Rolle wie Dani Alves bei Barca. Er war teilweise der höchste Spieler der Ukrainer und hatte massiven Anteil daran, dass Ashley Young in der Offensive kaum Akzente setzte, da er defensiv gebunden war.
Gusevs hohe Positionierung sorgte dafür, dass Vordermann Yarmolenko sehr zentral agieren durfte. Dies stellte Englands Linksverteidiger Cole vor die schwierige Frage, wie weit er denn mit einrücken sollte.
Bei einem zu weiten Einrücken hätte er den offensivstarken Gusev gegen Young alleingelassen, was angesichts Youngs nicht unbedingt stark ausgeprägten Defensivqualitäten gefährlich gewesen wäre. Andererseits musste er aber auch seine beiden Innenverteidiger unterstützen – letztendlich entschied er sich häufiger für diese Variante, was Young gegen Gusev einige Male in arge Bedrängnis brachte.
Asymmetrie Part II: Die linke ukrainische Seite
Auf der linken Seite sah man eine andere Rollenverteilung. Linksverteidiger Selin interpretierte die Rolle des Außenverteidigers sehr klassisch. Er positionierte sich deutlich vor den Innenverteidigern, jedoch bei Weitem nicht so hoch wie sein Gegenüber Gusev. Vor ihm spielte mit Konoplyanka ein Rechtsfuß mit ausgeprägtem Zug zum Tor. Der Mann mit dem schönen Namen empfing den Ball meist in sehr breiten Positionen, um von dort nach innen zu ziehen.
Um diese Torschüsse aus der Distanz möglich zu machen, musste Selin seinen Vordermann immer wieder hinterlaufen, sodass Konoplyanka nicht so einfach zu doppeln war. Selin lief also sehr viele Wege „umsonst“, die taktisch jedoch sehr wichtig waren.
Die Ukraine spielte nur gut jeden vierten Angriff durch die Mitte, die meisten Offensivaktionen kamen also über die Außenbahnen. Hierbei war auch die starke Asymmetrie zu sehen, die rechte Seite (41%) wurde deutlich öfter gesucht als die linke (32%). Angesichts der Verwaisung des Mittelfeldzentrums bei Ballbesitz ist diese Statistik aber auch kein Wunder.
Flanken, Fernschüsse, Dribblings – Ukraine im letzten Drittel sehr variabel
Im und um den Strafraum herum zeigten die Ukrainer, dass sie durchaus variabel im Angriffsspiel sein können. Durch die gut harmonierenden Pärchen auf den Außenbahnen kamen sie immer wieder zu Flanken, 25 waren es am Ende des Spiels.
Da England zunehmend zurückgedrängt wurde, griff die ukrainische Elf häufig zu Fernschüssen – 12 der 16 Torschüsse kamen von außerhalb des Strafraums. Sie vertrauten auf die gute Schusstechnik ihrer Spieler (Konoplyanka) und spekulierten auf mögliche abgefälschte Bälle.
Auch Dribblings in Strafraumnähe wurden häufiger eingesetzt. Die Engländer wirkten hier nicht immer beweglich genug, einige Male zogen sie aus Angst vor Fouls auch sehr früh zurück. So tanzte beispielsweise Yarmolenko in der ersten Halbzeit durch die halbe englische Defensive.
Generell spielten die Ukrainer auch im letzten Drittel recht geduldig und vermieden so unnötige Ballverluste – englische Konter waren also Mangelware. Ein weiterer interessanter Aspekt im Offensivspiel der Ukrainer war, dass außer Khacheridi und Selin sämtliche Feldspieler mindestens einen Torabschuss abgaben.
Gutes Pressing, gutes Gegenpressing – England mit Problemen im Spielaufbau
England hatte bei eigenen Angriffen, die ruhig von hinten aufgebaut wurden, Schwierigkeiten ins letzte Drittel zu kommen. Die ukrainische Abwehrreihe stand relativ hoch, die Abstände wurden kleingehalten. Durch die Spiegelung des Systems entstanden derart eindeutige Duelle, dass man förmlich merkte, wie die englischen Spieler überlegten, ob sie denn wirklich mit nach vorne gehen sollten. Jeder einzelne Spieler wusste um die Gefahr, bei einem Ballverlust dem Gegenspieler zu viel Raum anzubieten.
Grund für diese zurückhaltende Spielweise war die Tabellenkonstellation – ein Punkt hätte den Engländern schon für ein Weiterkommen gereicht. Ein einfacher Ballverlust im Dribbling wäre also zu riskant gewesen. Auch das Freilaufen auf Kosten zu großer Räume hinter sich wurde von den sechs defensiven Engländern (Viererkette+Parker/Gerrard) vermieden.
Es ist also kaum verwunderlich, dass Torwart Joe Hart nach Parker und Gerrard die meisten Ballkontakte im Team der Three Lions hatte. Die Engländer mussten viele Rückpässe spielen – ein Lob an das Pressing der Ukraine.
Auch im Gegenpressing, also der Balleroberung direkt nach einem Ballverlust, verhielt sich die Ukraine stark. Durch die vielen Spieler im letzten Drittel, die zudem recht eng agierten, konnten sie nach einem Ballverlust schnell lokale Überzahl herstellen.
Nur in den seltensten Fällen gelang es den Engländern, diese Situationen kontrolliert spielerisch zu lösen. Meistens blieben ihnen nur lange Bälle auf Rooney und Welbeck, die aber gegen die beiden Innenverteidger und Tymoschchuk schweres Spiel hatten. In den seltenen Fällen, in denen das Sturmduo aus Manchester aber seine Schnelligkeitsvorteile ausspielen konnte, wurde es aber gefährlich.
Kaum Unterstützung für das englische Sturmduo
Da die Außenspieler Milner und vor allem Young defensiv stark eingebunden waren, fehlte ihnen die nötige Kraft und Bereitschaft, die langen Wege mit nach vorne zu gehen. So ist es kaum verwunderlich, dass spielerisch nur wenig bei den Engländern ging. Nur 6 Torschüsse brachten sie aus dem Spiel heraus zu Stande, dafür waren sie aber bei Standards gefährlich.
Das Tor durch Rooney fiel bezeichnenderweise nach einer Ecke. Nach seinem Eckstoß gelangte der Ball noch einmal heraus zu Gerrard. Dessen Flanke wurde gleich zweimal abgefälscht, was den ukrainischen Torwart recht blöd aussehen ließ – Rooney köpfte aus kürzester Distanz ein.
Zusammenfassung
- Die Ukraine zeigte sich in Ballbesitz höchst flexibel. Die Formationen schwankten hier zwischen 3-3-4, 3-2-5 und sogar 3-1-6.
- Mit Tymoschchuk, der nach seinem abkippen hinter den Rechtsverteidiger bei den Innenverteidigern blieb, und dem weit aufrückenden Garmash ließ die Ukraine das Spielfeldzentrum völlig frei. Durch die fehlende Kontergefahr durch die Mitte war dies ein gutes Mittel. Auch die Tatsache, dass die besten Spieler der Ukraine auf den Außenbahnen zu finden sind und England dort defensive Schwächen offenbart, lässt diese Aufteilung sinnvoll erscheinen.
- England offenbarte Mängel in Sachen Kreativität und Spielaufbau. Nur nach Standards und bei den wenigen Kontern (als die Ukraine alles auf eine Karte setzte) wurden sie wirklich gefährlich.
- England fand kein Mittel, sich dem Druck der Ukrainer zu entziehen.
- Das nicht gegebene Tor der Ukraine sorgte zwar für Aufregung, jedoch muss man hier auch bedenken, dass der ukrainische Angreifer in der selben Szene im Abseits stand und der Torschuss so eigentlich gar nicht zu Stande gekommen wäre.
Fazit
Mit England hat das Spiel keinen wirklich verdienten Sieger gefunden. Die Three Lions waren nur nach Standards gefährlich und fanden keine Lösungen gegen die hochmotivierten und offensiven Ukrainer. Lediglich Gerrard behielt beim Druck des ukrainischen (Gegen-)Pressings die Übersicht und streute einige Spielverlagerungen ein.
Die Ukraine zeigte in der Offensive einige interessante Formationen, die man sonst nicht so häufig sieht. Das völlige Ignorieren des Sechserraums bei eigenen Angriffen war ebenso unorthodox wie sinnvoll.
Da man vorne aber zu viele Chancen vergab, oder statt des Schusses doch noch einen Haken zu viel schlagen wollte, schied nun auch der zweite Gastgeber dieser Europameisterschaft aus. Zum Abschied haben sie uns aber ein Spiel beschert, dass man aus taktischer Sicht nicht so schnell vergessen wird.
Es wird nun interessant sein, wie England sich gegen Italien schlägt. Keines der Teams glänzte bisher durch eine ausgeprägte Dominanz, man darf also gespannt sein, wer dort die Kontrolle über das Spiel übernehmen wird. Mehr dazu wird in den nächsten Tagen in der Vorschau zu den Viertelfinals kommen.
16 Kommentare Alle anzeigen
crs 23. Juni 2012 um 11:53
„Um diese Torschüsse aus der Distanz möglich zu machen, musste Selin seinen Vordermann immer wieder hinterlaufen, sodass Konoplyanka nicht so einfach zu doppeln war. Selin lief also sehr viele Wege “umsonst”, die taktisch jedoch sehr wichtig waren.“
habe ich so überhaupt nicht gesehen. wie in den anderen spielen hat er offensiv äußerst verhalten agiert. die espn-heatmap unterstützt meine beobachtung.
in einer szene hat sich sein vordermann sogar mächtig aufgeregt, als er links wiederholt seinen mitspieler vergeblich gesucht hat.
das ist mmn ein großer grund für die rechtslastigkeit.
/
hat scholl nicht versucht eine raute zu erkennen ?
Stefan 21. Juni 2012 um 13:48
Welcher Spieler war beim nicht gegebenen Tor von Devic eurer Meinung nach im Abseits? Devic selbst wohl nicht (siehe http://www.youtube.com/watch?v=rzF_IuFbWcM nach 6 Sekunden). Gibt es Aufnahmen, wo Milewski (spielt den Pass auf Devic) vor dem Abspiel zu ihm selbst zu sehen ist?
mtoteaxmax 21. Juni 2012 um 11:48
Erstmal ein Lob an dich PP, du bist erst seit kurzer Zeit dabei und deine Artikel werden von mal zu mal besser. WEITER SO!!
Zum Spiel: Eines der interessantesten Spiele die ich je gesehen habe, diese Taktik ist gegen eine schwache Mitte so gut (dass ich sowas Ähnliches noch sie gesehen habe, erstaunt mich sehr) der ukrainische Trainer ist einfach dieser Fuchs.
Daniel 21. Juni 2012 um 09:08
Was mir noch auffiel
In England ist man gerade zu fixiert auf den Spieler Rooney. Ihm wird eine Art Erlöserfunktion zugesprochen, ähnlich wie Shewa bei den Ukrainern oder Imbra bei den Schweden. Der Tenor war „Erst überstehen wir die beiden ersten Spiele und dann haben wir ja Rooney wieder“
Ich hatte allerdings den Eindruck, dass Rooney zu oft gesucht wurde und dann die Bälle leicht abzufangen waren. Im Spiel gegen Schweden schien mir die Verbindung aus Carrick und Außenstürmern besser zu funktionieren. Rooney scheint ja schon traditionell bei Landesmeisterschaften nicht auf seinem Leistungszenit zu sein und wenn man der Boulevardpresse glauben darf, auch nicht zu sein wollen.
Tymo hatte ich, vor allem bei Ballbesitz der Ukraine im letzten Drittel eher ein Stück nach vorne versetzt in Erinnerung. Er hat bei wilden Klärungsversuchen der Engländer häufig den Ball abfangen können und dabei so eine Art Vorstopperfunktion erfüllt. Allerdings kamen häufig seine technischen Schwächen zum Tragen und mir schien auch, als hätten die Engländer ihn gezielt gepresst. Vielleicht lag das aber auch daran, dass sie natürlich nach Befreiungsschlägen schnell nach vorne spielen wollten und dann aggressiv auf den Ballführenden gingen.
Bei dem Dribbling von Yarmolenko in der ersten Halbzeit fiel mir auf sie sehr die Engländer darauf bedacht waren Fernschüsse abzublocken. Sie waren so sehr darauf fixiert, dass er sie mit einfachen Finten ziemlich schnell zu diesen typischen Abdreh-Aktionen hinreißen konnte. In solch einem Moment sind die Gegenspieler nur auf den Schuss fixiert, man hat richtig gemerkt, wie sehr die Engländer für eine Millisekunde eingefroren waren.
Da könnte man eine Gegentaktik gegen Unpressing ansetzen. Ein Ball wird abgestoppt, ein Gegenspieler nimmt zwei Schritte Anlauf, aber, anstatt zu schießen, wird der Ball gezielt weiter gepasst. Die Gegenspieler müssen in diesem Moment ihre Bewegungen stoppen um keine möglichen Lücken vor dem Tor zu lassen. Die angreifende Mannschaft könnte dies ausnutzen.
Rasengrün 21. Juni 2012 um 02:17
In der zweiten Grafik ist der ukrainische MS namenlos. War er für mich allerdings vorher auch.
Christoph 20. Juni 2012 um 20:27
Wenn man die Spielanalyse und die bisherigen Kommentare liest, möchte man fast glauben, dass die Ukrainer hoch gewonnen haben… Meiner Meinung nach haben sie – bei aller „Fluidität“ – bis auf das nicht gegebene Abseitstor nichts wirklich gefährliches zustande gebracht. Und die Engländer? Na ja, sie sind keine Zirkulationskünstler, das werden sie wohl erst dann werden, wenn Brendan Rodgers das Zepter übernehmen sollte. Gestern haben sie halt gespielt wie ein Team, dem ein Unentschieden reicht; diese Erkenntnis kommt ja auch in der Analyse vor. Ansonsten hatte das Spiel drei Momente zum Zungeschnalzen: Ashley Youngs Flanke (nach überragendem Terry-Pass) auf Rooneys Schädel (jämmerlich vergeben), Gerrards Flanke (nach überragendem Dribbling) auf Rooneys Schädel (drin) und Gerrards überragenden Pass auf Rooney, der damit allein aufs Tor zuläuft (allerdings zu langsam). Das hat gereicht, das nennt man Effektivität. Solche Momente entscheiden ein Spiel – nicht Ballbesitz, nicht Tiki-Taka am Mittelkreis, nicht Fluidität. Die Spanier schießen ihre wenigen Tore (Ausnahme Irland) auch immer nur dann, wenn mal einem etwas wirklich Überragendes einfällt.
Rasengrün 21. Juni 2012 um 02:15
Die Ukrainer haben das Spiel verloren, obwohl sie den „tactical battle“ (um das mal in ZM-Diktion zu sagen) gewonnen haben. Auf einem Taktikblog ist doch wohl eigentlich klar, was dann Thema ist. Es gibt natürlich immer auch andere Faktoren, die ein Spiel beeinflussen und entscheiden können, für die ist dann in den Kommentatoren noch genug Platz. Effektivität hast du ja schon angesprochen, in diesem Fall rührt sie allerdings wohl vor allem aus der individuellen Qualität der einzelnen Akteure und was könnte langweiliger zu diskutieren sein?
Das England in der Kategorie der Ukraine auf praktisch allen Positionen haushoch überlegen ist stellt doch eine Binsenweisheit dar. Gerade weil dem aber so ist, wird die englische Spielweise meist als sehr enttäuschend empfunden. Bei Spanien sieht man wesentlich häufiger Synergien aus den individuellen Qualitäten, auch wenn da in der Tat häufig der Zug zum Tor fehlt.
Schon erstaunlich, dass sich gewisse nationale Besonderheiten so hartnäckig halten, obwohl die Spieler in ihren Vereinen, auch und gerade in der englischen Liga, doch eigentlich eher in einem fußballerischem Multikulti-Umfeld geprägt werden.
tom24 20. Juni 2012 um 17:16
Wirklich gute Analyse zu diesem vielschichtigen Spiel.
Und gleichzeitig muss ich auch das Duo Scholl – Beckmann loben, die die Kniffe von Blochin gut erkannt haben. (während das Fersehgartenduo KMH/OK einfach nur weh tun)
Ich war bis jetzt wenig am ukrainischen Team interessiert, aber wie sie die Three Lions „ausgeguckt“ haben – alle Achtung. Unorthodox aber wirksam.
Habe mich auch schon seit ge abend auf die Analyse gefreut.
Fussballnarr 20. Juni 2012 um 15:18
Unglaublich, aber wahr…..bei der ARD hat Mehmet Scholl tatsächlich den taktischen Kniff Blochins auf der rechten Angriffsseite auch erkannt und (man beachte) dem Publikum erklärt.
Vielen Dank für die erstklassige Analyse, ich liebe Eure Seite!
drumsMalta 21. Juni 2012 um 11:52
Jepp, ich habe das Spiel auch daheim gesehen und Scholls wunderbare Analyse genossen, zumindest wenn ihn der hyperaktiv dampflabernde Beckmann mal zu Wort kommen liess (ich habe mich dazu auch mal ausgiebig auf meinen Blog geäußert)
Was die Engländer angeht, mir scheint Roy Hodgson, wie auch in seinem Liverpool-Gastspiel vor nicht allzu langer Zeit, ein sehr altbackenes, auf Sicherheit bedachtes System zu spielen. Nur so lässt sich erklären, warum Walcott nicht spielte und an seiner statt die Flasche Milner über den Platz trabte.
Ich denke auch, gegen die Italiener ist Schluss mit Lustig, deren Stürmer sind im Gegensatz zu den unglücklichen Ukrainern eiskalt.
Hier auf Malta durchzieht eine Demarkationslinie das Land: Die eine Hälfte ist pro-Italien, die andere pro-England und beide fanatisch. Der Sonntag wird den Felsen zum Beben bringen, fürchte ich.
Greets from the rock.
Tobias 20. Juni 2012 um 14:34
Sehr schöne Analyse, die einem auf den ersten Blick taktisch enttäuschenden Spiel doch noch nette Aspekte abgewinnt. Spar Dir aber bitte bei den nächsten Texten Formulierungen wie „Der Mann mit dem schönen Namen“. Das kommt im schlimmsten Fall rassistisch, auf jeden Fall aber unseriös und in diesem Fall auch mißverständlich (ist Gusev oderKonoplyanka gemeint) rüber.
Sonar 20. Juni 2012 um 14:50
Danke. Schöne Analyse (erst recht verglichen mit den doch enttäuschenden Ausführungen auf ZM) und ich finde, ihre werdet besser und besser. Ich finde den Namen übrigens auch schön.
Bari 20. Juni 2012 um 15:21
rassistisch??? Das ist aber wirklich wirklich an den Haaren herbeigezogen!
Jeder hat das Recht,einen Namen schön zu finden und das auch zu sagen. überhaupt kein Problem damit. Wer das als rassistisch auffasst, sollte zum Arzt gehen.
Lass diese blumigen Formulierungen bitte unbedingt drin! Wir sind hier nicht beim Pulitzer Prize, sondern auf einem privaten Blog, wo die Autoren so (un)seriös sein dürfen wie es denen gefällt. Alle Kommentatoren sind hier nur vorbeischauende Gäste und sollen sich auch so verhalten.
Abgesehen davon: super Spielbericht! Ich fand die Engländer auch sehr enttäuschend, nicht nur in dem Spiel sondern schon ungefähr seit 30 Jahren. Der eklatante Mangel an Originalität, Kreativität und Innovationsgeist ist schockierend.
Ich wünsche mir sehr, dass ein modernes Team wie Spanien herkommt und die Engländer so richtig demontiert, sowie Deutschland es bei der WM vor 2 Jahren tat, um ihre taktischen, technischen und spielerischen Unzulänglichkeiten richtig bloßzustellen. Leider treffen sie aber nun auf Italien, und ich befürchte, das wird eine gähnende Abwehrschlacht, wo kaum gelungene Offensivaktionen zustande kommen werden… Schade.
Alexander 20. Juni 2012 um 18:46
Es ist erstaunlich……:
englische Nationalspieler sind kaum in der Lage Taktiken umzusetzen! Selbst Legionärs-Rumpf-Truppen wie die Ukraine und Kroatien mit eher Motivatoren als Trainer können das.
Tolle Idee der Ukraine. Als Milner in der 70.Minute ausgewechselt wurde, wußte der bestimmt nichts vom Spiel außer Wassertrinken und -lassen in der Halbzeit und Rooneys Tor. Und selbst bei ‚englischen Tugenden‘ wie erfolgreiche Tacklings (über 90% Ukraine 75%Engl.) oder Kopfballduelle (fast 60% Ukraine 40% Engl.) waren die Engländer schwächer als der Gegner.
Auch das Umschalten bei 19 : 4 (Eng:Ukr) Turn overs ist als kläglich zu bezeichnen , das Tor ein Zufallsprodukt als 2. Ball nach einer geklärten Ecke und unglücklichem Zweikampf gegen Gerrard.
Ein 3-5-2 oder sogar 3-1-4-1 Italiens würde zwar die Eng lähmen aber als Ergebniss ein unansehnliches Spiel nach sich ziehen.
Ich habe schon mal einen Tisch bestellt und wenns nebenan beim LieblingsItaliener laut wird, dann halt Erdbeer-Tirami-Su und Grappa zum Dessert.
Rasengrün 21. Juni 2012 um 02:05
Wundervolles Buch zum englischen Fußball, seinen auffälligen Limitierungen und deren Gründen: „Those Feet“ von Daiv Winner. Übrigens in diesem Zusammenhang auch ein sehr schöner Name. ;p
Amsonsten finde ich aber eigentlich, dass Hodgson aus einer schwierigen Situation noch das Beste rausholt. Er hat das Team ja erst vor Kurzem übernommen und es ist nicht dafür bekannt leicht trainierbar zu sein. Gar nicht mal so unähnlich zu den Griechen, man beschränkt sich auf das, was man kann. Defensive steht so halbwegs und vorne müssen es die Standards richten. Innerhlab eines einfachen Systems finden die Anpassungen hauptsächlich durch Personalwechsel auf den vier offensiven Positionen statt und dann müssen es eben die Standards richten, die man durch Flügelspiel, hohe Diagonalbälle und Flanken erzwingt. Klassisch… und warum man es mit jedem anderem Ansatz in England schwer hat lasse ich dann David Winner erklären.
Alexander 21. Juni 2012 um 13:00
Danke für den Buch-Tip… Rasengrün!
In diesem Zusammenhang wollte ich erwähnen, daß im Gegensatz zu Deutschland unglaublich viel Fußball- Sachverstand im engl.-sprachigen Fersehen stattfindet (hier machte auch ein DIDI Hamann eine sehr gute Figur).
Obwohl der Anspruch von SPIELVERLAGERUNG doch ein anderer ist, möchte ich einmal psychologisieren, etnologische und sozio-kulturelle Phänomenologie, Wahrnehmungs-und Verhaltenstheorien bemühen.
Oftmals bestimmt der krasse Gegensatzund/Widersprüchlichkeit die Existenz, Stabilität und Erfolg eines Systems – durch Abgrenzbarkeit!! Und erleichtert auch die Wahrnehmung(ob die dann richtig ……oder relevant ist ……möchte ich auch nicht diskutieren). So entstehen Mythen!!
Antagonien wie Vermarktungsgrad und Beschwörung “alter Tugenden“+Mythen,
Star-Kult und eigene Entwicklungsmöglichkeiten und gesellschaftliche Aufstiegschancen, Top-Gehälter und Ablösesummen im Gegensatz zur eigenen wirtschaflichen Situation seien hier nur exemplarisch genannt.
So ist auch die Rolle eines WRooney als Erlöser/Heilsbringer/Volksheld zu verstehen.
In der engl. PL gibt es tolle neue Taktik-Konzepte für deren Umsetzung aber andere SpielerTypen eingekauft werden.
Die deutsche Entwicklung fußt auf eine behutsame, koordinerte und vielschichtige Nachwuchsarbeit in den Vereinen und den U-Nationalmannschaften. Dabei fällt auf, daß dort noch kaum Konzentrationseffekte bezüglich der Vereine zuverzeichnen sind. MSammer als Kordinator und HHrubesch&Co als Trainer beim DFB bestimmen maßgeblich die Entwicklung des Deutschen Fußballs in den nächsten Jahren.
Und nachdem mit Joe Hart ein wirklicher Torwart existiert (MNeuer, GBuffon, PCech, ICasillas machen auch Fehler!)lasse ich mich zu einer
Progrose verführen: England wird Italien zu schlechten Abschlüssen verleiten (wie an anderer Stelle schon diskutiert) und dann auf den ‚lucky punch‘ durch diadonale lange Bälle von JTerry+SGerrard auf Welbeck/Rooney oder Stardardverwertung (auch durch einen Wühler setzen).