Málaga CF – FC Barcelona 1:4
Nach dem Sieg gegen Real Madrid unter der Woche hatte Barcelona neue Kraft für die Aufholjagd in der Liga getankt. Auswärts tat man sich bisweilen schwer, doch mit (noch) mehr Selbstbewusstsein sollte die Aufgabe gegen den „Scheichklub“ Malaga einfacher zu bewältigen sein. Trotz des schließlich souveränen Sieges und einem Hattrick von Stürmerstar Messi war man in der ersten Halbzeit teilweise vor Probleme gestellt worden, der Sieg war dennoch verdient. Ohne Xavi und mit Thiago als Spielmacher konnte man zumindest in der zweiten Halbzeit voll überzeugen.
Wechselwirkung der jeweiligen Formationen
Malaga begann mit einem sehr kompakten und dennoch breit aufgestellten 4-4-1-1. Mit Gamez auf der rechten Außenverteidigerposition und Monreal über links spielte man eher defensivorientiert, dazwischen kam das ehemalige Bundesligainnenverteidiger-Pärchen Mathijsen und Demichelis zum Einsatz. Letzterer ließ sich oftmals aus seiner Position locken, attackierte höher im Feld und rückte manchmal ins Mittelfeld auf, wobei dies aufgrund des geringen Ballbesitzes Seltenheitscharakter besaß. Dieses Aufrücken, um früher angreifen zu können, war schließlich mitverantwortlich für Messis Sololauf, da er Demichelis früh ausschalten und danach an Fahrt aufnehmen konnte. Mit Maresca und Camacho traten zwei individuell gute Spieler gemeinsam auf der Doppelsechs an, ihre Aufgabe war es, kompakt zu stehen und Pässe in die Spitze beziehungsweise auf die Außenbahnen zu spielen, dazu übernahmen sie ebenfalls das Verschieben und Zustellen von Schnittstellen. Eliseu und Millioneneinkauf Santi Cazorla kümmerten sich um das Flügelspiel und generell um das Offensivspiel, denn Malagas Spielphilosophie war es, sich über die Außen nach vorne zu arbeiten und dann gefährlich durch Pässe in den Rücken der Abwehr oder Hereingaben zu Chancen zu kommen. Wichtig war hier die Rolle der beiden Stürmer, während van Nistelrooy sich in der Nähe des Tores positionierte, suchte Isco im Rücken der Abwehr nach Lücken und kam neben einem guten Kopfball nach einer Ecke auch zu einer sehr guten Chance von der Sechzehnerkante, beide Male reagierte Victor Valdes hervorragend.
Barcelona trat ohne Xavi mit einer Viererkette an und vorne dem Dreiersturm. Im Mittelfeld agierte ein klassisches Trio mit einem Sechser, einem defensiven und einem offensiven Achter. Statt Pique kam Javier Mascherano in der zentralen Verteidigung zum Einsatz, er spielte rechts, während Puyol den linken Part übernahm. Puyol orientierte sich mehr am Mittelstürmer, während der gelernte Sechser Mascherano den tiefer agierenden Gegenspieler übernahm, was letztlich aber irrelevant war: die gegnerischen Stürmer waren nicht durchgehend an eine Seite gebunden, sondern teilten sich wie bereits beschrieben die jeweiligen Aufgabenbereiche. Vor der sehr breit agierenden Viererkette sicherte Busquets in seiner Paraderolle als alleiniger und spielstarker Sechser den Raum, kümmerte sich um das Erhalten des Ballbesitzes und verteilte die Bälle geschickt auf die aufrückenden Außenverteidiger, hier natürlich besonders Dani Alves, der abermals extrem offensiv spielte. Für den geschonten Xavi kam sein designierter Nachfolger Thiago Alcantara zum Einsatz, der seine Rolle gut spielte und zusammen mit Iniesta für die Einleitung von Offensivaktionen zuständig war. Adriano über links übernahm die Aufgabe, das Spiel breit zu machen, während sein Pendant auf der rechten Seite, Alexis Sanchez, oftmals ins Sturmzentrum rückte und mit Einzelaktionen für Aufsehen sorgte. Messis Rolle als falsche Neun im Sturmzentrum bedarf kaum weiterer Erklärung, eine Mischung aus Mittelstürmer und Nummer Zehn, welche überall auf dem Platz auftauchen darf und diese Freiheit zugunsten seiner individuellen Klasse zu nutzen weiß.
Barcelona ohne Xavi
Ohne den primären Anspielpunkt in der Mitte gab es für Barcelona eine Neuordnung in der Mitte, insbesondere was die genauen Aufgaben auf dem Platz betrifft. Da Thiago nicht nur aufgrund seiner fehlenden Erfahrung und Geduld in Bezug auf den Einbau von Vertikalpässen der Rolle Xavis nicht alleine gewachsen ist, wurde er tatkräftig von Iniesta und Busquets unterstützt. Beide übernahmen vermehrt spielgestalterische Aufgaben im zweiten Spielfelddrittel und organisierten mit Thiago das Geschehen, bauten Angriffe auf und nutzten Thiagos Dynamik, um eine sehr fluide Mittelfeldreihe zu spielen. Sie verschoben sehr gut und obwohl es nicht von Xavis ununterbrochenen Kurz-, Wechsel- und Doppelpässen wimmelte, war das Ballbesitzspiel Barcelonas ungebrochen und steigerte sich im Laufe des Spiels immer mehr, bis es das Standardausmaß erreichte. Weiters wurde klar, dass aktuell weder Fabregas noch Thiago als direkter Xavi-Nachfolger in Frage kommen, vielmehr könnte Busquets mehr als Spielmacher genutzt werden und gleichzeitig Iniesta tiefer gezogen werden.
Malagas Kontersystem – beinahe ein Erfolg
Viele Mannschaften packen gegen Barcelona die Mitte voll und lassen die Außenbahnen fast verwaisen. Bei Malaga konnte dieser Trend nicht erkannt werden, ganz im Gegenteil, besonders im Mittelfeld spielten sie relativ breit und hofften, die Lücken der Außenverteidiger und die Ausflüge ins Zentrum von Sanchez zu ihren Gunsten nutzen zu können. Problematisch wurde dies jedoch, weil Messi sich halbrechts fallen ließ, Sanchez seine Defensivaufgaben nicht vernachlässigte und zusammen mit Alves gutes Gegenpressing zeigte, so entwickelte sich ein kleines Paradoxon. Malaga konnte nicht in die Lücken hinter Alves spielen, weil sie schlichtweg nicht soweit kamen und wurden deshalb auf die andere Seite gezwungen – wo zwischen Adriano, der kein gelernter Außenstürmer ist, und dem defensiven Abidal eine Lücke im zweiten Drittel zu finden ist. Diese Lücke konnte bespielt werden, wenngleich ihre Effektivität fragwürdig war, denn der Weg zum Tor war noch ein weiter und man sah sich einer sehr defensivstarken linken Seite ausgesetzt. Eine Verlagerung zurück auf die rechte Seite ist aufgrund Barcelonas Stärke im Pressing kaum möglich und Mascheranos leicht erhöhte Position sowie seine Bissigkeit im direkten Zweikampf und seine Erfahrung als destruktiver Sechser beengten den Raum rechts für Malaga noch mehr. Ob Pep Guardiola bewusst Puyol deswegen halblinks aufgestellt hatte, ist zwar dennoch fraglich, verwundern würde es allerdings nur wenig. Barcelona war zwar in der Luft anfällig und über außen verwundbar, aber der souveräne Sieg geriet nie in Gefahr.
Fazit
Es war keine non-stop Gala des FC Barcelona, aber es war eine beeindruckende Leistung in der zweiten Hälfte und eine ordentliche in der ersten Halbzeit. Nachdem man sich diese Saison auswärts einige Male sehr schwer getan hat, platzte nun vielleicht der Knoten – perfekte Einstimmung für das morgige Spiel gegen den Erzrivalen aus Madrid. Malaga hatte ein gutes Konzept, war aber weder kalt noch konstant genug, um dem amtierenden Meister aus Katalonien Punkte stehlen zu können.
8 Kommentare Alle anzeigen
el tren 25. Januar 2012 um 15:50
Es ist auch nicht unbedingt notwendig, Xavi 1:1 zu ersetzen. Das Spiel wird sich dann natürlich ändern. Aber es muss dadurch nicht schlechter werden – nur anders.
Tank 25. Januar 2012 um 16:41
Muss es nicht. Da hast du Recht. Aber wenn man bedenkt, dass die Art wie Barca spielt im Großen und Ganzen gleichbleiben soll, dann ist der Spielraum, wie verschieden ein zentraler Spielmacher da von Xavi sein darf auch nicht sehr groß.
Es kann natürlich sein, dass ich mich damit täusche. Vielleicht braucht es keinen Pass-Roboter in der Mitte, der pro Spiel 130 Pässe milimetergenau auf den Mann bringt. Aber andererseits…Xavi ist schon sehr, sehr wichtig für diese Art Fußball zu spielen.
Mein persönlicher Kandidat für die Xavi-Nachfolge ist übrigens Iniesta. Wenn der in 2 oder 3 Jahren ein bisschen was von seiner Geschmeidigkeit im Dribbling verloren hat, dann könnte der doch super ein bisschen nach hinten rücken und Maestro anstelle des Maestros werden…
el tren 26. Januar 2012 um 10:39
Sie haben ja mit Iniesta, Cesc, Thiago und nicht zu vergessen Busquets viele spielstarke Mittelfeldspieler. Von denen muss nicht zwingend einer in die exakte Xavi-Rolle schlüpfen. Es passt dagegen auch wenn die genannten Spieler Xavis Rolle im Kollektiv übernehmen. Dann reichen kleine Anpassungen – und vlt. wird Barcas Spiel dann sogar weniger ausrechenbar und weniger abhängig vom zurzeit noch eindeutigen Regisseur.
HW 26. Januar 2012 um 10:56
Ich glaube mich an ein Zitat zu erinnern mit dem Inhalt: Xavi wird Guardiola vergessen lassen, aber Iniesta wird Xavi und Pep vergessen lassen. (So oder ähnlich soll es Guardiola zu Xavi gesagt haben, wenn ich mich richtig erinnere.)
RM 25. Januar 2012 um 12:28
Hui, mein Fehler, Entschuldigung. Ein Gedankendreher, der sich (zu) lange zog. Meine Scham ist nicht in Worte zu fassen.
Ja, so in etwa sehe ich Thiago auch – ein herausragendes Talent, aber zu unruhig, um Xavis Wissenschaft kopieren zu können.
Tank 25. Januar 2012 um 00:51
Ich glaube da hat sich ein Fehler bei euch eingeschlichen. Puyol war es, der geschont wurde. Pique hat gespielt.
Malaga hat Barca aus meiner Sicht die Sache zu einfach gemacht. Da gab es große Lücken zwischen Abwehr und Mittelfeld, die von Barcelona immer wieder ausgenutzt wurden. Wenn Messi oder Iniesta den Ball zwischen den Reihen annehmen können, sich umdrehen und dann noch in aller Seelenruhe Tempo aufnehmen können, hat man einfach alles falsch gemacht. Besonders Messi hat diese Freiheiten sichtlich genossen.
Ein Wort noch zu Thiago. Ihr scheint ja auch ein bisschen hin- und hergerissen zu sein, was seine Leistung angeht. Zum einen sagt ihr, dass er wohl nicht der Xavi-Nachfolger wird, auf dessen Position er ja Sonntag gespielt hat. Zum anderen attestiert ihr ihm aber auch ne gute Leistung. Ich kann beides verstehen, neige aber dazu das erste zu betonen. Er hat wirklich kein schlechtes Spiel gemacht, aber dazu Xavi ersetzen zu können fehlt noch vieles. Es ist wirklich erstaunlich, wie viel es da zum Beispiel ausmacht, dass Thiago bei einer geglückten Ballannahme den Ball doch oft einen halben Meter springen lässt. Das hatte Sonntag zunächstmal keine Konsequenzen, weil Malaga nicht eng genug an ihm dran war und er auch schnell genug ist den Ball wieder an den Fuß zu bekommen. Was es jedoch bewirkt hat war, dass Barcas Spiel damit an einer entscheidenden Schaltstation ca. eine halbe bis eine Sekunde verzögert wurde. Klingt ja erstmal nach Erbsenzählerei, sowas zu kritisieren, aber…hey, das ist moderner Fußball! Da kommt es auf sowas an. Besonders wenn man an Stelle von Senor Hernandez spielt.
Ich sehe grade, dass seine Passquote am Sonntag bei 92% lag. Das hätte ich schwächer eingeschätzt. Nun gut, er hat trotzdem auch im Passspiel meiner Ansicht nach nicht voll überzeugt. Dabei geht es mir weniger um ein paar missglückte Risikopässe in die Spitze, sondern darum, dass er mehrmals seine Kollegen im Mittelfeld bei einfachen Pässen in Schwierigkeiten brachte. Und was sowas angeht, herrscht im Mittelfeld der Katalanen eben einfach eine Null-Toleranz-Politik. Sowas macht Xavi nie, Iniesta fast nie und Busquets einmal alle 4 Spiele. Aber nicht mehrfach in einem Spiel.
Insgesamt sehe ich Thiago eh nicht als Xavi-Nachfolger, sondern eher als jemand der zwischen der Iniesta-Position, der Fabregas-Position oder gar den Flügeln pendeln sollte. Ich würde das aber weniger mit seinen Schwächen im tiki-taka (die ja vllt. eh noch weggehen), als mit seinen Stärken im Dribbling, „Kunst“pässen und im Abschluss begründen. Außerdem hat er schon 2-3 interessante Kopfballtore gemacht.
Nachdem ich nun lange über Thiago hergezogen bin: Ich halte ihn ab 2014-15 für einen Ballon d’Or Kandidaten.
HW 25. Januar 2012 um 12:41
Thiago ist ja noch nicht so alt, er hat also noch Zeit sich zu entwickeln. Dazu kommten Iniesta, Fabregas und Messi, die alle das Zeug haben im Mittelfeld den Spielmacher zu geben und es wahrscheinlich in ein paar Jahren (wenn Xavi aufhört) auch machen werden. Das ist ja das gute am Barca-System, es ist nicht abhängig von einem Spieler, weil alle ihren Teil beitragen. Scheidet Xavi mal aus und Thiago übernimmt, dann macht er es eben auf seine Art.
HW 25. Januar 2012 um 12:51
„…dass Thiago bei einer geglückten Ballannahme den Ball doch oft einen halben Meter springen lässt.“
Damit hast du natürlich recht. Und viele sehen nicht, dass Tiki-Taka diese perfekte Technik als Grundlage hat (Ballan- und -mitnahme), in jeder Szene.