Espanyol Barcelona – FC Barcelona 1:1
Im Stadtderby trennten sich die beiden Erstligisten aus der katalonischen Hauptstadt mit einem leistungsgerechten 1:1. Wie üblich hatten die Gäste dabei klare Feldvorteile, Espanyol konnte allerdings die besseren Chancen für sich verbuchen, sodass der späte Ausgleichstreffer in der 86. Spielminute durchaus verdient war.
Espanyol mit klassichen Mitteln gegen die Barca-Dominanz
Heim-Trainer Pochettino bot die im Vorfeld der Partie erwartete 4-2-3-1-Aufstellung auf. Auch die Ausrichtung seiner Mannschaft war die erwartete. Die Abwehrkette versuchte, die Barca-Spieler weit vom eigenen Tor fernzuhalten, deswegen postierte sich die Viererkette in der ersten Halbzeit etwa 30 Meter vor dem eigenen Tor. Schaffte es der Champions-League-Sieger, sich in die gegnerische Hälfte zu kombinieren, ließen sich die beiden Viererketten fallen, bei einem Rückpass schob der Abwehrverbund wieder auf den normalen Abstand vor.
Gegen das Barca-System mit zeitweise vier Stürmern setzten die Hausherren auf eine kompakte Zentrale. Man wollte versuchen die typische Dominanz Barcas im zentralen Mittelfeld durch eine sehr enge Verteidigung zumindest zu erschweren. Häufig wurde versucht, den Ballbesitzer im Zentrum zu isolieren und mit mehreren Spielern gleichzeitig zu attackieren, allerdings konnte sich der Gegner in den meisten Aktionen aufgrund der bekannten technischen Fähigkeiten aus der Umklammerung lösen.
Offensiv hatte Pochettino offenbar in Kapitän Puyol die Schwachstelle des Meisters ausgemacht, und setzte den schnellen und dribbelstarken Weiss auf ihn an. Weiss hatte anscheinend kaum Defensivarbeit zu verrichten und versuchte im ersten Durchgang die Räume, die bei einer so offensiv interpretierten Dreierkette fast zwangsläufig entstehen, zu nutzen. Trotz einer guten Vorstellung blieb dieser Ansatz jedoch erfolglos, und der Trainer wechselte den Slowaken in der Halbzeitpause etwas überraschend aus und brachte dafür Javi Lopez ins Spiel.
Barca gewohnt dominant, aber mit ungewöhnlichen Konzentrationsmängeln
Die Gäste übernahmen von Beginn an das Kommando in der sehr offen geführten Partie und kontrollierten den Rhythmus des Spiels. Busquets, Xavi und Iniesta ließen den Ball wie üblich durch die Mittefeldreihen laufen, im offensiven Mittelfeld wurden sie von den zurückfallenden Messi und Fabregas unterstützt, sodass man fünf pass- und ballsichere Spieler auf engstem Raum vereinen konnte. Unterstützt wurden die fünf von Sanchez und Alves, die für die nötige Breite sorgten und damit die Abwehr des Gegners auseinander ziehen sollten.
In der Anfangsphase hatten beide Mannschaften bereits gute Möglichkeiten, ehe Fabregas in der 16. Minute per Kopfball das 1:0 für die Gäste markierte. Danach bestimmte der FCB das Spielgeschehen und nahm immer mehr das Tempo heraus. Der Ball wanderte von der einen Seite auf die andere, wobei auf diese Weise gegen den sehr eng verteidigenden Gastgeber immer wieder Räume für Sanchez oder Alves entstanden, um in den Rücken der Abwehr zu gelangen. Allerdings wurde der Favorit nur noch selten torgefährlich.
Um der extremen Enge in der Zentrale zu entgehen, boten sich Xavi und Iniesta immer häufiger auf den Flügeln an, wo mehr Platz vorhanden war. Man verpasste es dabei jedoch über die Flügel zu mehr hochkarätigen Möglichkeiten zu kommen und die Führung auszubauen. Stattdessen schlichen sich im Kombinationsspiel ungewohnte Flüchtigkeitsfehler ein: Bälle wurden ungenau oder zu spät gespielt, man ließ es zu, dass Espanyol einzelne Akteure isolierte und so in wenig aussichtsreiche Dribblings zwang, und man ließ den Espanyol-Akteuren in der Defensive zu viel Raum, sodass auch der Gastgeber zu einigen Möglichkeiten kam.
Anders als in den meisten Spielen waren die Ballgewinne des Gegners damit nicht erst kurz vor dem eigenen Tor, sondern schon kurz hinter der Mittellinie, sodass ein gefährliches Konterspiel gegen die weit aufgerückten Gäste aufgezogen werden konnte. Gerade in der zweiten Hälfte offenbarten sich Probleme des CL-Siegers, nach den unerwarteten Ballverlusten ein effektives Gegenpressing aufzuziehen und gleichzeitig gefährliche Vertikalpässe zu verhindern. So konnte Espanyol häufig schnell in die Tiefe spielen und die Offensivleute einsetzen, somit das gefürchtete Angriffspressing der Gäste umgehen.
Das Spiel mit dem Abseits – Fluch und Segen zugleich
In der ersten Halbzeit spielte Barca lange Zeit mit vier Stürmern, sodass jeder Akteur in Espanyols Abwehrkette unmittelbarer Gefahr ausgesetzt war. Erschwerend kam hinzu, dass teilweise bis zu drei Stürmer einige Schritte im Abseits standen, somit nicht direkt am Aufbauspiel teilnehmen konnten. Damit waren sie zwar für den Moment aus dem Spiel, für die Verteidiger ergab sich allerdings das Problem, dass sie mit dem Stürmer im Rücken agieren mussten, mit der allgegenwärtigen Gefahr, dass dieser den einen Schritt nach hinten macht und dann frei anspielbar wird.
Zudem ergibt sich für Barca durch die passive Abseitsregel die Möglichkeit , dass wenn ein anderer Spieler steil geschickt wird, der zuvor im Abseits postierte Spieler wieder im Spiel ist und man so zwei durchgebrochene Spieler besitzt, die auf den Torhüter zulaufen, was ein fast sicheres Tor bedeutet. Ein solches Ausnutzen der derzeitigen Regeln erscheint sinnvoll und logisch, generell ist es doch verwunderlich, wie wenig Spieler und Trainer diese Regel ausnutzen und bloß über die Sinnlosigkeit der Regel sprechen, anstatt die eigene Spielweise daran anzupassen.
Doch trotz der klugen Ausnutzung des passiven Abseits konnte Barca nicht mehr als ein Tor erzielen, dies lag auch daran, dass das Schiedsrichtergespann in einigen strittigen Situationen in der Schlussphase auf Abseits entschied, und dem Titelverteidiger so einige wichtige Tormöglichkeiten raubte. Insgesamt war die Leistung des Schiedsrichters dennoch gut, auch wenn er in der Nachspielzeit noch einen Handelfmeter für den FC Barcelona hätte geben können.
Fazit
Espanyol blieb durch die klassische Verteidigungsstrategie mit zwei Viererketten, die relativ weit weg vom eigenen Tor postiert waren, in der Partie. Man versuchte die Zentrale unbespielbar zu machen und den Gast auf die Außenbahnen zu drängen, was phasenweise auch ganz gut gelang. Nach vorne profitierte man von Barcas Schwäche im Umschaltverhalten und hatte einige gute Möglichkeiten.
Die Konzentrationsmängel im Kombinationsspiel, das niemand so beherrscht wie es der FC Barcelona tut, kostete die amtierenden Spanischen Meister wichtige Punkte im Zweikampf mit Real Madrid. Das Unentschieden war unnötig und unglücklich, nach Spielverlauf und Chancenverteilung aber verdient und folgerichtig. Vielleicht kommt dieser Dämpfer zur rechten Zeit um die Spieler daran zu erinnern, dass im Ligaalltag volle Konzentration notwendig ist, um mit den Madrilenen Schritt zu halten. Dafür ist eine Steigerung in den kommenden Spielen notwendig.
13 Kommentare Alle anzeigen
Mr.Plexus 16. Januar 2012 um 00:32
Mit Allem Respekt jedem Gegenüber muss ich nur sagen,daß keinem aufgefallen ist,weshalb Barcelona ab und zu so spielt.Dieser Manschaft fehlt die gewisse Aggressivität.Über die Refere brauchen wir nicht zu reden.Ihr analysiert jedes We das Spiel von Barcelona dafür bin ich euch sehr dankbar.Aber es kann nicht sein,daß KEINER je erwähnt hat,daß diese Manschaft aggressiv spielen muss.
In diesem Sinne
Vielen Dank
Tank 16. Januar 2012 um 16:39
Nur damit ich richtig verstehe, was du meinst: Meinst du eine mentale Grundaggressivität (aka „dass sie heiß sind“) oder meinst du die notwendige Härte, die sich in intensiven Zweikämpfen und dem ein oder anderen Foul niederschlägt? Beides ist, denke ich, nicht ganz deckungsgleich. Ersteres scheint auch schwerer zu be- bzw. widerlegen.
Zumindest die notwendige Härte hat Barcelona meiner Ansicht nach durchaus in ihrem Spiel. So haben sie, wenn man mal mit einberechnet, dass sie oft sehr lange den Ball haben und da wenig Gelegenheit zum Foul haben, eine gar nicht mal so geringe Foul-Quote. Das entsteht besonders durch die vielen kleinen taktischen Fouls, die sie im Pressing begehen. Wurde hier auch schonmal in einem Artikel erwähnt.
Und überhaupt, das Pressing! Das ist für mich eigentlich das Merkmal, dass Barcelonas Aggressivität vor allem ausmacht. Es ist halt nur keine Pepe-Aggressivität, die auf alles einschlägt, was sich bewegt, sondern eine sehr bewusst kanalisierte Aggressivität.
Aber bevor ich lang rumschwadroniere, was man so zu Barca und Aggressivität sagen kann, nochmal die Frage vom Anfang: Was meinst du genau damit?
Ronnie 14. Januar 2012 um 19:29
ICh finde die ANalyse absolut konsise u stimmig…
Niemand muss streiten, wer das bessere TEam war, aber EB hat aufgrund einer sehr klugen u mutigen Grundeinstellung Barca unter Druck setzen können…
Und zwar nicht so, wie Real das versucht, mit Bulldozer-Strategie u Härte, sondern mit klugem Abwarten u (va in der 1 HZ) die richtige SChwachstelle attackierend, nämlich Puyol…
EB hat exxxtrem genau das Spiel Real-Barca analysiert, die haben Busquets aus dem Defensivspiel herausgenommen (also weniger Unterstützung für die Defenders…)…genial gemacht, mit dem notwendigen Glück am SChluss…
Aber:
Wir sprechen hier über ein Team mit unerschöpflich-fussballerischer Qualität…niemand schlägt BArca, wenn sie 90% konzentriert sind…gegen EB waren sie auf einem 50% Niveau..easy…
ICh bin absoluter Fan von diesem BArca-FUssball…die LIga bleibt zudem spannend…
Jose Mourinho 15. Januar 2012 um 09:58
Absoluter Quatsch, von wegen „keiner kann Barcelona schlagen wenn sie 90% konzentriert sind“. Tut mir Leid aber deine Sympathie für Barca sieht man ganz deutlich und hat mMn nichts in Spielanalysen zu suchen. Ich finde es komisch dass es viele Leute gibt die das Defensivspiel im Fussball einfach nicht sehen wollen, es gibt einfach Momente für mich da ist ein Ballgewinn 100mal unterhaltsamer als irgendein tiki taka am Mittelkreis.
HW 15. Januar 2012 um 10:15
Welch eine Ehre 😉
Natürlich gehört die Verteidigung zum Fußball. Aber verteidigen ist nicht alles.
Es ist auch nicht fair Barca ein langweiliges Spiel vorzuwerfen, wenn der Gegner den Ball nicht haben will. (Ein Vorwurf, den man oft liest.)
Balleroberungen sind natürlich schön und jeder hat seinen eigenen Geschmack welche Szenen er sehen will. Aber vorausschauend zu spielen, technisch gut den Ball anzunehmen, zu passen usw. gehört auch zum Fußball. Das sollte dann nicht abgetan werden, nur weil es unspektakulär oder einfach aussieht.
Ich simme dir aber zu, 90% Konzentration sind, gerade für Barca, zu wenig. Dann nimmt die nicht nur Real auseinander (die auch schön spielen). Es ist bewundernswert wie regelmäßig Barca weit über 90% Konzentration erreicht.
Ich sehe den Katalanen gerne zu und ich bin froh sie spielen sehen zu können. Einfach weil ich sie besser einordnen kann als eine Mannschaft, die vor 40 Jahren ganz groß war.
Es wird nicht ewig so weiter gehen in Barcelona. Aber selbst, wenn die in den nächsten 3 Jahren „nur“ 4 Titel gewinnen, sind sie noch lange kein schlechtes Team. Die Messlatte ist im Moment einfach sehr hoch gelegt.
RonnieBarca 20. Januar 2012 um 00:55
Du hast recht…das war reine Sympathiebekundung meinerseits…resp. ich hege nicht nur Sympathie, ich bin FAN von diesem Spiel…komplett hin u weg…
btw: die 90% waren eher rhetorische Einbringung…
aber auch einverstanden: das hat nichts mit Analyse zu tun…
Jose Mourinho ist aber eine echte Reizwortkombo…
Tank 10. Januar 2012 um 14:10
Ich muss sagen, dass ich ein wenig überrascht von der Analyse des Spiels bin. Wenn ich auch mit vielem übereinstimme (Barca hätte Raum auf den Flügeln besser nutzen müssen, etc.), so kann ich eurem Fazit „Espanyol hat das ordentlich gemacht, Barca hatte aber auch nen schwachen Tag plus kein Glück mit dem Schiri“ nur halb zustimmen: Espanyol war grandios und DESHALB hatte Barca einen ganz miesen Tag! Ich sehe nun so ziemlich jedes Barca-Spiel seit Guardiola Trainer ist und ich glaube das war die faszinierendste Leistung, die je eine Mannschaft gegen Barca in dieser Zeit gebracht hat. Wie Espanyol es geschafft hat über das ganze Spielfeld hinweg, nicht nur vorm eigenen Strafraum, die Räume so eng zu machen, dass Barcas tiki-taka nicht in Gang kam war (leider leider leider) ein Lehrmodell für jeden Barca-Gegner. Wenn Espanyol auch nur halbwegs fähige Stürmer gehabt hätte, wäre das für Barca in einer Blamage geendet.
Ein ganz großes Lob an Herrn Pochettino…
MB 10. Januar 2012 um 14:16
Du hast sicher recht, Espanyols Defensiv- wie Offensivleistung war herausragend. Allerdings muss man auch klar sagen, dass die Barca-Spieler sehr häufig unbedrängte Ballverluste verschuldeten, einfach weil sie nicht so schnell oder so genau wie üblich spielten. Das soll aber auf keinen Fall die Leistung Espanyols schmälern, aber ich denke beide Teams hatten ihren Anteil daran, dass dastypische Barca-Spiel kaum aufgezogen werden konnte.
HerrHAnnibal 10. Januar 2012 um 02:17
Ich stimme mit der taktischen Analyse ja zu aber wie kann man denn von einer insgesamt guten Schirileistung sprechen wenn innerhalb der letzten 4 Minuten so krasse Fehler gemacht werden? Erst war Messi deutlich nicht im Abseits und hätte seelenruhig mit 30 Meter Anlauf auf den Keeper zugehen können, danach schiesst Pedro aus 3 Metern aufs Tor um dann anzusehen wie ein Feldspieler mit der Hand klärt….
Das ist bei 5 Unentschieden nun schon das dritte Mal wo Barca in den letzten Minuten reguläre Tore aberkannt oder aber Elfer verweigert werden…
Ich halte nichts von Verschwörungstheorien aber bei Real war dies bisher nicht der Fall. Im Gegenteil die hätten mit einem sehenden Schiri beispielsweise gegen Valencia niemals gewinnen dürfen….Hoffentlich muss man am Ende nicht darüber sprechen, dass diese Pfiffe die Liga mitentscheiden.
Mo 10. Januar 2012 um 10:43
@HerrHAnnibal
Ich versteh ja den Frust einer Barca-Seele in solchen Momenten. Aber dein Vergleich mit Real in diesem Zusammenhang ist einfach nicht gültig. Erstens verstehe ich nicht warum der Sieg gegen Valencia gestohlen sein sollte (rein regeltechnisch). Zweitens kommt Real seit einigen Spielen nie mehr in die Bedroullie um in den letzten 5 min. des Spiel noch ein Tor schiessen zu müssen, oder irgendwelche Geschenke von Händen der Gegenspieler zu erhalten. Barca kann übrigens froh sein, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht schon in Rücklage waren.
HerrHAnnibal 10. Januar 2012 um 20:49
Gegen Valencia klärte der am Boden liegende Higuain in der Nachspielzeit einen Schuss mit der Hand. Der Ball wäre zum 3:3 Ausgleich im Tor gelandet.
http://www.youtube.com/watch?v=PpYxxyYLg4Y&feature=related
Anonsten ist es natürlich richtig, dass Real in den meisten Spielen absolut hochverdient siegt.
Barca hat sich die Punkteverluste natürlich durch schwache Leistungen auch selbst eingebrockt. Ich würde da auch nie alleine die Refs verantwortlich machen. Nur gab es bei einigen Spielen eben dann doch Pech mit den Entscheidungen. Und das ist eben einfach ärgerlich.
datschge 10. Januar 2012 um 22:56
Das ist eine eher schlechte Perspektive, von hinten sieht man, dass das eher Schulter/Oberarm/Brust war. http://www.youtube.com/watch?v=1VQquobhwWM Und der Abprallwinkel des Balls haut nur von der Brust aus hin. (Und diese Diskussion können wir überhaupt nur Anhand Zeitlupen führen. Generelles Fazit: Schiedrichterentscheidungen anzweifeln bringt einfach nichts.)
Pseu 12. Januar 2012 um 15:33
ob Hand oder nicht Hand: lässt er den Ball durch, dann steht da ja auch noch ein Torwart im Weg 😉