Chelsea – Manchester City 2:1
Die bislang Unbezwingbaren von Manchester City standen vor einer schweren Aufgabe auswärts in London. An der Stamford Bridge erwartete sie Chelsea, welche nach einem Sieg gegen Valencia und einer Rückkehr zu früherer Philosophie Selbstvertrauen getankt hatten. Trainer André Villas-Boas nannte dies einen Schlag in das Gesicht aller Kritiker und wollte gleich einen weiteren setzen. Doch zu Beginn des Spiels sah dies ganz anders aus.
Wechselwirkung der jeweiligen Formationen
Die Gäste traten mit ihrem flexiblen 4-4-2/4-3-2-1-Mischsystem an. Abermals wurde in einem größeren Ligaspiel Balotelli dem Bosnier Edin Dzeko vorgezogen, was allerdings eine herausragende Wahl Mancinis war. Der Italiener markierte bereits kurz nach Anpfiff den Führungstreffer und war einer der besseren Offensivspieler Citys in diesem Spiel. Agüero spielte leicht versetzt hinter Balotelli, er war somit die Verbindung zwischen dem Mittelfeld und der Sturmspitze. Silva und Milner, welche auf den Flügeln agierten, hatten ihn somit als konstanten Anspielpunkt, der sich horizontal freilief. Milner rochierte oft mit Silva, doch Milner kam zumeist über die Außen, während Silva sich ziemlich zentral aufhielt und seine klassische Rolle als falscher Zehner ausübte. Dahinter sicherten der reine Sechser Gareth Barry, der sich oft zwischen die Innenverteidiger fallen ließ, und Yaya Toure das defensive Zentrum. Die nötige Breite im Spiel brachten die Außenverteidiger, welche sehr hoch aufrückten und sich als Anspielstationen im zweiten Drittel anboten. Dies war einer der Gründe, wieso sich Toure und Barry im Spielaufbau weiter hinten postierten, sie bildeten quasi eine Viererkette mit den Innenverteidigern Kompany und Lescott. Dies war allerdings nur eine Variante des Spielaufbaus, je nach Druck Chelseas oder später ab der roten Karte, konnte man dieses taktische Mittel lediglich sporadisch anwenden.
Der Gastgeber spielte mit einem 4-3-3-System, welches in der Defensivordnung schnell zu einem 4-5-1 werden konnte. Sturridge auf dem rechten Flügel war nicht nur für die Breite und Vorlagen verantwortlich, sondern hatte die Aufgabe, zusammen mit Drogba Torgefahr zu verbreiten. Über die linke Seite kam Juan Manuel Mata, der spanische Neuzugang hatte allerdings deutlich andere Aufgaben als Sturridge und Mittelstürmer Drogba. Gemeinsam mit dem defensiven Mittelfeld übernahm er die Spielgestaltung und das Einleiten von Angriffsspielzügen. Dahinter wurde dieser Dreiersturm von Ramires und Meireles komplettiert. Beide sind sehr komplette Spieler, wobei Ramires stärker über seine Dynamik und Ausdauer kommt, während Meireles eine Mischung aus destruktivem Sechser und kreativem Mittelfeldspieler darstellt. Diese beiden sorgten für die nötige Robustheit im Pressing, während zwischen der Abwehr- und Mittelfeldlinie Oriol Romeu agierte, welcher sich langsam, aber sicher, zum Stammspieler mausert. Der junge Spanier ist körperlich gut, spielintelligent und verteilt ähnlich wie der frühere Chelsea-Sechser Claude Makelele die Bälleklug, risikolos und simpel. In der Viererkette kam Bosingwa rechts zum Einsatz, Ashley Cole auf links war die übliche Stammbesetzung. Aufgrund Bosingwas Aufstellung rotierte Ivanovic ins Zentrum neben John Terry.
Was entspricht Chelsea?
Fünf der sieben Torversuche Manchester Citys kamen in der Anfangsviertelstunde, einer kurz vor der Halbzeit, der letzte in der 68. Minute – ein Freistoß.
Diese enorme Diskrepanz an herausgespielten Chancen lag vornehmlich an Chelseas unterschiedlicher schematischer Höhe sowie ihrem Pressing. Zu Spielbeginn folgte die Mannschaft der vorgegebenen Marschroute sehr aggressiv zu pressen und mit einer hohen Verteidigung den Gegner unter Druck zu setzen, doch aufgrund der extremen Dynamik der gegnerischen Stürmer und der Kreativität im Mittelfeld dahinter war man offen wie das sprichwörtliche Scheunentor. Viele flache lange Bälle Citys infiltrierten den großen Raum zwischen Cech und den beiden Innenverteidigern, was letztlich die Ursache für den Treffer Balotellis war. Im Laufe des Spiels kehrte das Team von Villas-Boas‘ Vorgabe ab und agierte deutlich tiefer: vorteilhaft für Chelsea, trotz des Rückstandes. Man stand tiefer, hatte mehr Raum und konnte sich Selbstbewusstsein erarbeiten, während Manchester City sich immer mehr festspielte. Chelsea wurde stärker und ließ kaum Torchancen zu, spätestens ab der zweiten Hälfte waren die Londoner die spielbestimmende Mannschaft.
Gefundene Offensivreihe und das Wiedererstarken Drogbas
Eine der Hauptfragen Villas-Boas‘ war in der laufenden Saison, wen er im Sturm zusammen auflaufen lassen würde. Mit Sturridge ganz vorne als Außenstürmer hat man neben Drogba nun einen zweiten Stürmer, der für Torgefahr sorgen kann. Dennoch vernachlässigt der Shootingstar seine defensiven Aufgaben nicht und zusammen mit Mata, dem die defensiven Verantwortungen ohnehin gut tun, hilft er den Außenverteidigern in der Defensive aus.
Bei Mata ist diese tiefe Stellung aufgrund des Umschaltspiels ohnehin praktisch, da er leichter Bälle erhält und Pässe aus der Tiefe verteilen kann. Drogba hat allerdings vorne eine Herkulesaufgabe, welche er extrem gut meistert. Neben der Beschäftigung beider Innenverteidiger, damit sie sich nicht ins Mittelfeld einschalten können, muss er einen flexiblen Anspielpunkt für die gesamte Mannschaft liefern. Weite Bälle und Befreiungsschläge kann er nur durch konstante und intelligente Bewegung abfangen, doch dies gelingt ihm aktuell extrem gut, was die Defensive entlastet und das Umschaltspiel verbessert – die gesamte Mannschaft erhält wegen Drogba mehr Zeit zum Aufrücken, was dank Ramires und Meireles sogar zwei weiteren Spieler die Möglichkeit zum Miteinschalten in torgefährlichen Aktionen beim gegnerischen Sechzehner gibt.
Manchester Citys Offensivspiel
Herausragend war dennoch die Wahl Mancinis für Balotelli statt Dzeko. Obwohl der Bosnier eine hervorragende Runde spielt und zu den besten Stürmern Europas in dieser Saison gehört, dürfte Balotelli trotz der Niederlage die bessere Wahl gewesen sein. Hauptgrund dafür war, dass Balotelli deutlich schneller als sein Konkurrent und auf den Flügeln präsenter ist. Neben der hohen Abwehr, die beim Treffer so wunderbar ausgenutzt wurde, waren es die offensiven Außenverteidiger, die Mancini beschäftigen wollte. Man wollte sie nicht nur beim Aufrücken an demselben hindern, sondern die entstehenden Löcher bei Kontern nutzen, was allerdings selten gelang. Einerseits war es die tiefere Position ab der zwanzigsten Minute und andererseits das half-pressing Chelseas, welche City diesen gut gedachten Schritt verwehrte.
Fazit
„Es war ein interessantes, aber kein spektakuläres Spiel“ – diese Phrase kommt zugegeben oft vor, aber wie so oft passt sie auch hier perfekt. Beide Teams neutralisierten sich, Lampard verwandelte den Elfmeter und die beiden Mittelstürmer waren wohl die schillerndsten Figuren, ohne wirklich durchgehend zu glänzen. Etwas Glück und die neugefundene Identität Chelseas fügten den Citizens den ersten großen Dämpfer dieser Premier-League-Saison zu. Ein Erfolg für Villas-Boas, der dennoch das sture Festhalten an seiner Philosophie überdenken sollte.
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