Stoke – Chelsea 0:0

Ausgerechnet gegen Stoke City durfte der viertjüngste Trainer in der Geschichte der Premier League sein Debüt feiern. Gegen die als kampf- und laufstark bekannte Mannschaft von Stoke musste unbedingt ein Sieg her und Villas-Boas‘ Chelsea stand vor einer undankbaren Aufgabe.

Die gesamte Fachwelt blickte zum Britannia-Stadium und wartete auf eine Glanzvorstellung der Mannschaft des mit viel Interesse beobachteten Portugiesen, der medial schon als legitimer Nachfolger von José Mourinho gilt.

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Grundformationen

Stoke agierte mit einem klassischen 4-4-2 und man konnte einmal mehr beobachten, wie die doppelte Viererkette und die Doppelsechs als Standardtaktik gegen nominell überlegene Gegner genutzt wird.

Die Abwehrreihe Stokes stand extrem tief und die Außenverteidiger zeigten kaum Offensivaktionen, auf rechts agierte mit Robert Huth sogar ein nomineller Innenverteidiger. Im Mittelfeld versuchte man das Spielfeld eng zu machen, Glenn Whelan und Rory Delap spielten im Zentrum, während die Flügelspieler Pennant und Etherington sich stark mittig orientierten, um sowohl ihren Mittelfeldpartnern helfen, als auch die Winger Chelsea abdecken zu können.

Durch die Offensivbemühungen Chelseas und ihrer hohen Zweikampferfolgsquote in der gegnerischen Hälfte beim Pressing konnte Stoke seine Stürmer Jones und Walters nie effektiv einsetzen und beide blieben ohne wirkliche gefährliche Szene.

André Villas-Boas ließ seine Truppe in seinem 4-3-3 auflaufen, wie er es bereits bei Porto hatte spielen lassen. Vor der Viererkette, wo Alex und Bosingwa  statt den eigentlichen Stammspielern David Luiz und Ivanovic agierten, spielte mit Obi Mikel, Ramires und Frank Lampard ein sehr fluides Mittelfeld, welches sich die spielgestalterische wie defensive Verantwortung aufteilte.

Interessant war die Rolle von Frank Lampard, welcher sich abwechseln zwischen seine zwei, auf den Halbpositionen agierenden Mittelfeldpartner fallen ließ und von dort aus das Spiel dirigierte oder als Halbstürmer ins vordere Drittel rückte und dort die Innenverteidigung band. Dies hatte zwei Effekte: einerseits konnte Torres mehr am Spiel teilnehmen und mit seiner Beweglichkeit und Dynamik für Unruhe zwischen den zwei Viererketten sorgen, andererseits übernahmen Obi Mikel und Ramires spielgestalterische Aufgaben und hatten mehr Anspielstationen im vorderen Drittel.

Einige schöne Kombinationen im Angriffsspiel hatten eben diese Strategie zu Grunde und Torres konnte seine wohl stärkste Leistung im Chelsea-Trikot bislang abliefern.

Neben dem spanischen Welt- und Europameister liefen Salomon Kalou und Florent Malouda in der offensiven Dreierreihe auf. Sie bekamen den Vorzug vor Didier Drogba und Nicolas Anelka, welche beide mit einem Platz auf der Bank vorlieb nehmen mussten. Die Wahl fiel wohl deshalb auf Kalou und Malouda, da sie -ähnlich wie Hulk und Varela bei Porto in der letzten Saison- asymmetrische Flügel geben sollten, die sowohl Torgefahr als auch Breite ins Spiel bringen können. Der Franzose orientierte sich deutlich mehr auf die Seite, spielte etwas tiefer und übernahm spielgestalterische Aufgaben, während Kalou oftmals die Lücke zwischen dem linken Außenverteidiger und dem linken Innenverteidiger suchte und fast wie ein verschobener hängender Stürmer wirkte.

Chelsea beherrschte das Spiel von Beginn an und fiel besonders durch die hohe Zahl an Ballbesitz (nach den ersten 30 Minuten hatte man knapp 70%) und das erfolgreiche Mittelfeldpressing auf. Die Außenverteidiger hinterliefen die nicht-inversen Flügelstürmer selten, doch boten sich in der Offensive immer als Anspielstation an und rückten dementsprechend schematisch weit auf.

Ein weiterer Punkt, der ins Auge stach, war die klare Rollenverteilung der einzelnen Mannschaftsteile, sowohl horizontal als auch vertikal.

André Villas-Boas versuchte eindeutig Frank Lampard, den offensivsten der drei zentralen Mittelfeldspieler, und Starstürmer Torres in Tornähe zu bringen, während die Flügelstürmer und die zentralen Mittelfeldspieler als Vorbereiter glänzen sollten. Die Verteidigung hielt sich offensiv zurück, sorgte zwar immer für Anspielstationen und den Spielaufbau, doch die Hauptaufgabe war das möglichst sichere und frühe Zurückgewinnen des Balles.

Lange Zeit hatte Stoke kein Mittel gegen Chelseas Übermacht und die Londoner glänzten mit technischer Sicherheit und Agilität. Die gesamte Mannschaft war konstant in Bewegung und konnte so kollektiv weit bis in die gegnerische Hälfte aufdrücken, doch vor dem Tor versagten entweder die Nerven oder man war zu ungenau. Im Laufe der ersten Halbzeit konnte man sich trotz der Überlegenheit keine wirklichen Chancen herausspielen.

Bis zur zweiten Halbzeit jedoch konnte Stoke Chelsea nur bei und dank der langen Einwürfe Delaps in die eigene Hälfte zurückdrängen, auf welche die Blues fast allergisch reagierten – die gesamte Mannschaft zog sich zurück auf Strafraumhöhe und verteidigte gegen Stokes Geheimwaffe.

Zur zweiten Halbzeit keine Veränderungen, André Villas-Boas hoffte auf mehr Ernsthaftigkeit seiner ansonsten soliden Mannschaft, während Tony Pulis mit dem Unentschieden seiner Mannschaft zufrieden schien.

Nach dem Seitenwechsel ein ähnliches Schauspiel, doch Chelsea schien etwas unbeweglicher zu werden. Gute Chancen gab es nach einem Weitschuss des ansonsten eher unauffälligen John Obi Mikel und des nimmermüden Torres.

Villas-Boas wechselte nach 65 Minuten mit Malouda statt mit Kalou nicht den schwächsten Spieler der Blauen aus und brachte Nicolas Anelka, der als inverser Winger einerseits mehr Torgefahr versprühen sollte und andererseits Ashley Cole auf der Seite mehr Raum öffnen sollte. Dies war wohl der Hauptgrund, wieso Kalou bis zur 75. Minute auf dem Platz blieb, bis er für Didier Drogba ausgetauscht wurde.

Mit Drogba, Anelka und Torres im Sturm begann die Schlussoffensive und man kam zu einigen Chancen, doch Stoke konnte dank Asmir Begovic das Unentschieden halten.

Auffällig war, dass mit den drei Mittelstürmern in der Offensive das System zwar deutlich ungeordneter war, aber Chelsea zu viel mehr Chancen kam. Dies mag durchaus auf die höhere individuelle Klasse der Joker zurückzuführen sein, aber noch mehr auf das Chaos, welche eine solch atypische Formation in die Reihen der Gegner brachte, zurückzuführen sein.

Obwohl elf der 20 Schüsse Chelseas in den letzten 25 Minuten auf das Tor von Asmir Begovic kamen, konnte Chelsea keinen Treffer erzielen und muss sich mit einem Punkt begnügen.

Fazit

Kein perfektes, aber ein akzeptables Debüt für den Trainerneuling Villas-Boas, der scheinbar eine deutliche Veränderung im Spiel von Chelsea London bewirken soll.

Ein Spiel im Britannia gegen Stoke ist immer eine undankbare Aufgabe und obwohl das Unentschieden für die Blues eine Enttäuschung darstellt, sollte man aufgrund der vielversprechenden Ansätze nicht in Zweifel verfallen.

Stoke hingegen zeigte mit einer disziplinierten Defensivleistung viel Kampfeswillen und hat sich zumindest moralisch einen Punkt verdient.

Suq Madiq 14. August 2011 um 19:48

mit marc wilson standen sogar 4 nominelle innenverteidiger in der 4er-kette von stoke. in verbindung mit der sehr tiefen abwehr hat man da wohl das richtige mittel gegen die schnellen flügel von chelsea gefunden…

Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Suq Madiq Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*