Frauen-WM: Deutschland – Nigeria 1:0

Die deutsche Frauennationalmannschaft bestätigt den negativen Eindruck des Kanadaspiels und hat auch beim 1:0 Sieg gegen Nigeria große Mühe.

Schnelle Spielzüge, Flankenläufe und kreatives Passspiel – all dies sind Attribute, die das deutsche Spiel gegen Nigeria nicht kennzeichneten. Ein glückliches Freistoßtor von Laudehr sicherte ihnen dennoch den Viertelfinaleinzug.

Nigerianische Aggressivität

Bundestrainerin Neid entschied sich, der gleichen Formation zu vertrauen wie beim knappen 2:1-Sieg im WM-Eröffnungsspiel. Im deutschen 4-2-3-1 waren die Aufgaben erneut paarweise eingeteilt: Okoyina da Mbabi und Prinz stießen abwechselnd ins Sturmzentrum, während die beiden Außen Behringer und Gardefrekes immer wieder die Seiten tauschten. Taktisch und personell änderte sich bei Deutschland also im Vergleich zum eher schwachen Spiel gegen Kanada nichts.

Die zweimaligen Weltmeisterinnen waren gegen die Afrikanerinnen klarer Favorit. Es überraschte demnach keineswegs, dass sich das nigeriansiche Team aus ihrem 4-4-2 heraus in erster Linie auf das Verteidigen konzentrierte. Dennoch stellten sich der Afrikameister nicht nur hinten rein: Die Außenspielerinnen rückten weit auf, wenn die deutschen Verteidigerinnen den Ball in der eigenen Hälfte hatten. So übten die Außenseiterinnen weit in der gegnerischen Hälfte Druck auf die Ballführende aus.

Druck war nicht nur im Offensivpressing ein wesentliches Merkmal des nigerianischen Spiels: Auf dem gesamten Feld standen sie eng an ihren Gegenspielerinnen und gingen aggressiv in die Zweikämpfe. Die Deutschen konnten keinen Ball annehmen, ohne dass ihre Gegnerinnen sie direkt störten. Die Nigerianerinnen agierten dabei stets am Rande der Legalität. Im Sinne des Fair Plays war das nigerianische Spiel verwerflich – es erfüllte aber seinen Zweck.

Die deutsche Mannschaft tut sich schwer, wenn sie ihr Direktpassspiel nicht aufziehen können. Dies war bereits gegen Kanada zu sehen. Normalerweise reicht den technisch beschlagenen Angreiferinnen wenige Meter Platz, um ein Dribbling oder einen tödlichen Pass kreieren zu können. Nigeria gab ihnen diesen Platz nicht. Deutschland wirkte nicht nur in der ersten, sondern auch in der zweiten Hälfte perplex ob des zweikampfsuchenden Gegners. Die vielen kleinen Fouls des Gegners brachten sie sichtbar aus dem Konzept.

Deutsche Schwächen

Nicht nur das gegnerische Pressing stellte die deutsche Offensive vor Probleme, sondern auch die eigenen Laufwege. Zwischen den offensiv aufrückenden Außenstürmerinnen und den recht defensiv stehenden Außenverteidigerinnen klafften bei Nigeria riesige Lücken, in die keine deutsche Spielerin hineinstieß. Bei den wenigen Situtationen, in dem die Deutschen über Außen kamen, gab es für Gardefrekes und Behringer keine Unterstützung von den Außenverteidigerinnen. Einzig die sehr bewegliche Laudehr half ab und  an – zu wenig, um über diese potenzielle Schwachstelle des Gegners Druck auszuüben.

Auch fehlte es einer ordnenden Hand im zentralen Mittelfeld. Laudehr war als „Box-to-Box-Runner“ viel unterwegs, hatte jedoch genau wie Kulig wenig Konstruktives zum Spielaufbau beizutragen. Schnelle Seitenwechsel hätten die gut sortierte Abwehrreihe des Gegners auseinanderziehen können, waren im deutschen Spiel jedoch nicht zu finden. So war man dem gegnerischen Pressing ausgesetzt und fand in der ersten Halbzeit nicht ins Spiel.

Auch Silvia Neids Personalentscheidungen kann man kritisieren: Warum schickte sie Popp (31. für die verletzte Behringer) in den Sturm und nicht auf die linke Außenbahn? Mit ihrer Schnelligkeit und der Dribbelstärke hätte sie dort für mehr Wirbel sorgen können als im Sturmzentrum, wo nur wenige Bälle hinter die Abwehr kamen. So wurde die an diesem Abend schwache Okoyino da Mbabi auf Linksaußen geschickt und agierte dort auf verlorenem Posten, ebenso wie Popp im Sturmzentrum.

Frühes Tor in Halbzeit Zwei

Die erste Halbzeit war für den neutralen Zuschauer schwer verdaulich: Viele kleine und große Fouls, keine Torchancen und wenige spielerische oder taktische Glanzpunkte zeichneten die Partie aus. Für Nigeria lief das Spiel nach Plan: Sie versuchten, möglichst lange das 0:0 zu halten und mit einem ihrer langen Bälle ihre schnellen Stürmerinnen in Szene zu setzen. Kreativität sieht anders aus – aber für einen krassen Außenseiter ist das ein durchaus legitimes Mittel.

Die erste Viertelstunde nach der Pause war die beste Phase im deutschen Spiel. Jedoch kamen sie selbst in dieser kaum über Mittelmaß hinaus: Zwar gab es nun ein paar Flankenwechsel und aufrückende Außenverteidigerinnen. Die Offensive war allerdings noch immer desorientiert. Prinz war ins Spiel nicht einbezogen und das Pressing der Gegnerinnen setzte ihnen immer noch zu. Chancen gab es nicht aus dem Spiel heraus, sondern nur bei Frei- oder Eckstößen. In der 54. Minute wurde solch eine Standartsituation zum entscheidenden Treffer genutzt: Laudehr knallte den Ball nach einer chaotischen Strafraumsituation kompromisslos ins Netz.

Danach zeigte sich erneut eine Tendenz, die bereits negativ im Kanadaspiel auffiel: Die deutsche Mannschaft wackelt trotz beruhigender Führungen in der Abwehr beträchtlich. Obwohl Nigeria nie eine ernste Bedrohung darstellte, hatten die Innenverteidiger bei einigen langen Ball Probleme in der zweiten Hälfte. Auch die zweiten Bälle geht man nicht aggressiv genug an, da Laudehr und Kulig oftmals zu weit vor der Abwehr stehen. Gegen Nigeria war das noch kein Problem, andere Mannschaften bei diesem WM-Turnier könnten das aber besser auszunutzen wissen.

Fazit

Die nigerianische Mannschaft stellte die deutschen Favoritinnen vor größere Probleme als erwartet. Im deutschen Offensivspiel passte nicht viel zusammen. Gerade die mangelnde Kreativität war teilweise erschreckend, gerade weil man bei den letzten Turnieren mehr von Birgit Prinz und Co. gewohnt war. Zudem kommt noch hinzu, dass die deutsche Abwehrleistung bisher nur schwer gemessen werden kann. Kanada und Nigeria waren offensiv schwach, stellten Krahn und Co. jedoch vor so manche Probleme. Das Spiel gegen die Französinnen, die beim 4:0 gegen Kanada gerade durch ihre Kaltschnäuzigkeit auffielen, wird ein erster echter Prüfstein. Silvia Neids Team wird sich steigern müssen, wenn sie bei dieser WM um den Titel mitspielen wollen.

ob 1. Juli 2011 um 13:19

Als Spielmacherin ist Prinz denkbar ungeeignet. Sie kam schon immer vor allem über die Physis und ragte fussballerisch auch zu ihren besten Zeiten nicht heraus. Den Vorteil bei der Athletik hat sie inzwischen verloren, teils aus Altersgründen, teils durch die verbesserte Ausbildung der jüngeren Spielergenerationen in diesem Bereich.

Als Denker und Lenker im Mittelfeld eignen sich aus dem Kader eigentlich nur Bresonik und v.a. da Mbabi, die müssen allerdings als RV bzw. in der Sturmspitze malochen.

Dass bei Versagen von Plan A dann auf dem Platz keine Antworten gefunden werden, ist beim aufgestellten Personal auch nicht verwunderlich. Laudehr, Kulig, Garefrekes und Behringer sind natürlich sehr gute Spielerinnen, aber eben vor allem ( in verschiedenen Aspekten ) physisch dominant. Ihnen fehlen die taktische Intelligenz und das Spielverständnis, um dann auch mal einen anderen Gang einzulegen und die Nebenleute entsprechend einzubinden. Dazu noch die zunehmend verblassende Prinz und im Mittelfeld ist Ebbe.

Da wäre natürlich die Trainerin gefragt, aber Silvia Neid hat dieses vor allem auf Kraft und Fitness beruhende Konzept ja gerade eingeführt. Unter Tina Theune-Meyer war die spielerische Komponente noch sehr viel wichtiger. Ich hoffe jedenfalls, dass es nach der WM und dem Ausscheiden von Prinz wieder eine zumindest teilweise Umorientierung gibt. Das Potential dazu ist da, zumal ja auch Marozsan wieder zur Mannschaft stossen wird.

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dastchge 1. Juli 2011 um 09:48

Gute Zusammenfassung. Erschreckend fand ich, wie eindimensional das deutsche Spiel manchmal wirkte: Bälle wurden zu hektisch nach vorne gespielt und dadurch schnell wieder verloren, es gab keinen, der den Spielaufbau in ruhige Bahnen lenkte, und wenn der Ball mal ruhiger lag gab es plötzlich von den Mitspielern keinerlei Bewegung mehr. Mir scheints, die Mannschaft spielt hauptsächlich über Automatismen, werden diese vom Gegner gestört fehlen den Spielerinnen die Alternativen und das Spiel sieht schnell so aus wie gegen Nigeria. Fände es interessant, ob Prinz in der Lage wäre, im offensiven Mittelfeld kreative Alternativen zu bieten.

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