Borussia Dortmund – Alle sind schuld!

Borussia Dortmund ist an einem neuerlichen Tiefpunkt in dieser Saison angekommen. Doch der Trainer allein kann nicht der Schuldige sein. Eine kurze Bestandsaufnahme im Video.

PeterVincent 28. Januar 2021 um 16:14

@Daniel: „Aber ja, du hast natürlich recht. xG ist nicht die Wahrheit, sondern nur ein Modell zur Annäherung an die Wahrheit. Entsprechend muss man es interpretieren. Dass alles gut ist, nur das Ergebnis schlecht, kann aber über einen Zeitpunkt von ein paar Wochen schon durchaus mal sein. Wobei wie gesagt die Schwächen des Modells meiner Meinung nach in der Erhebung der Daten liegen, nicht in der stochastischen Auswertung.“

Das Erheben der Daten sehe ich nicht als das große Problem. Es gibt viele Sensoren und die Bilderkennung wird auch immer besser. Das Problem liegt viel mehr in der Modellierung von komplexen Zusammenhängen (Welche Faktoren sind wichtig? Wie schätze ich die Parameter?).

Die im Fußball verwendeten Modellen haben nicht die stabilen Beziehungen der physikalischen Eigenschaften, wie im Ingenieurswesen (z. B. Modell einer Brücke) oder die relativ gut isolierbaren Einzelaktionen mit wenig Bewegungsfreiraum und Abhängigkeiten, wie im Baseball. Man sieht auch in anderen Domänen, wie solche Modelle an der Realität scheitern. Ob im Finanzwesen, den Sozialwissenschaften oder in der Psychologie.

Wenn der xG-Wert nun dazu taugen soll, eine „reine Ergebniskrise“ zu identifizieren, dann setze ich doch eher altmodisch auf die Erfahrung und Einschätzung der Verantwortlichen. Die können durch Hinsehen und Gespräche erkennen, ob es „nur“ an der Chancenverwertung hakt, oder taktische und personelle Baustellen vorhanden sind.

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AG 28. Januar 2021 um 19:33

Darfst du gerne, die Verantwortlichen haben aber selbst sehr gemischten Erfolg 😉 Und Teams wie Liverpool machen nunmal vor, wie erfolgreich man sein kann, wenn man auf solche (und andere Daten!) hört. Allerdings muss ich dir sagen, dass das Ingenieurswesen auf krude Vereinfachungen komplexer Zusammenhänge, sei es der Quantenmechanik, Materialwissenschaft oder Physik, setzt, und trotzdem ganz gut fährt. Ich fürchte also: agree to disagree.

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[email protected] 28. Januar 2021 um 23:02

Wer aber die grössten Hochhäuser oder längsten Brücken der Welt baut, der guckt nicht einfach in das Formelbuch der Fachhochschule. Da muss man das, was man baut, auch einfach in seiner Komplexität verstehen, die Randbedingungen von Modellen stets im Auge haben und womöglich sogar neue Modelle entwickeln.

So ist es denke ich gemeint, was Daniel sagt: xG ist ja mehr Formelbuch FH.

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AG 29. Januar 2021 um 08:45

Das mag er sagen, aber ich bin einfach nicht sehr von dem Vorschlag überzeugt, das Formelbuch gegen „Hinsehen und Gespräche“ zu tauschen.

Sicherlich gibt es interessante Diskussionen über xG-Limitationen und interessante Grenzfälle, was man daraus ziehen kann und wo das Ende der Belastbarkeit ist. Ich finde es einfach ermüdend, wenn frei verfügbare Zahlen, die eine ganz andere Grundlage für eine Diskussion darstellen könnten, ignoriert und wegen fehlender Perfektion verworfen werden. Das betrifft natürlich eher Kommentatoren oder von mir aus den Rasenfunk, der gefühlt jeder Woche für jedes Team ein neues Narrativ hat, je nachdem, ob diesmal die Chancen reingegangen sind.

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TTC 29. Januar 2021 um 11:09

Haha, das mit dem Rasenfunk stimmt leider, aber das liegt vermutich auch daran, dass da jedes WE andere Gäste da sind.
Aber von wegen Narrativ: Ich moche Favre auch deswegen so sehr, weil er bzw. seine Person so schön die Widersprüchligkeiten der Fussballfans aufgezeigt hat. Bei mir natürlich auch. Bei Favre wurde immer zu Recht auf die hohe Punktzahl verwiesen von der einen Seite und das da ja am Ende des Tages das einzige ist, was zählt. Dafür wurde auf der anderen Seite, die langweilige Spielweise und das Spielglück hervorgehoben. Wenn Dormund aber verloren hat, dreht sich das ganze ein bisschen rum und erstere reden von einem guten Spiel und Pech, während die andere Seite davon redet, dass Punkte, das einzige sind, was zählt. Mit Terzic kommt nochmal neuer Schwung ins Narrativ, weil ja jetzt wieder eine Spielweise vorherrscht, die allgemein gemocht wird und „man die Spiele, auch locker hätte gewinnen können“. Ich mach mich dem natürlich auch schuldig.
Auf die xG-Werte geschaut hab ich meistens geschaut, wenn Dortmund verloren hat, um etwas Trost zu finden, da sich xG Werte meistens mit meinen Beobachtungen übereinstimmten.
Was ist eigentlich mit den Packing Werten, hat das noch irgendeine Relevanz? Das fand ich wesentlich konstruierter als xG Wert Berechungen, um ehrlich zu sein.

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Koom 29. Januar 2021 um 20:41

Um die xG Diskussion noch etwas zu würzen: Man muss dazu erwähnen, dass der Dortmunder Kader aber auch ziemlich stark ist (GoalImpact etc.). Das erklärt dann durchaus auch den hohen xG bei – auf dem Platz – teils unzusammenhängenden Leistungen, besonders gegen kleine Teams.

Anders gesagt: Dortmund agiert in etwa wie die Summe ihrer einzelnen Teile, aber nicht viel mehr. Und bei Spielen, wo die Stärken des Kaders nicht so rauskommen (Konter, Speed), funktioniert das dann auch nicht mehr belastbar gut.

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AG 29. Januar 2021 um 23:43

Guter Punkt, schauen wir da nochmal. Ich bleibe mal bei den Daten von FBRef.com, da hat der BVB tatsächlich in jedem Spiel (für das xG vorliegt) der Saison unter Favre mehr xG gesammelt als der Gegner bis auf das Rückspiel gegen Lazio Anfang Dezember und das 1:5 in Stuttgart. Letzteres aber dafür deutlich mit 0.9:3.9.

Es gab aber natürlich knappe Spiele, ich nehme mal nur die Liga und bis 0.5 xG-Differenz als knapp an. Da wäre da Spiel gegen Frankfurt im Dezember (1:1 bei xG von 1.2:0.8). Ähm, das war’s. Dann gibt es noch das zweite Bundesligaspiel gegen Augsburg, das sie 0:2 verloren haben mit xG 1.7:1.0, oder das Bayernspiel, das sie auch verloren haben mit 2:3 und xG von 2.0:1.1. Der Rest ist eine xG-Differenz von 1 oder mehr, und das finde ich nicht mehr knapp. Ansonsten war es nur noch knapp in der Champions League, das andere Spiel gegen Lazio und das eine gegen Brügge (das andere war klar besser).

Vielleicht muss du nochmal reinschauen und die Daten durchgehen, für mich gibt es da kein klares Muster. Muss es meiner Meinung nach auch nicht; ich mache mir aber schon etwas Sorgen, dass die Formkurve klar nach unten zeigt.

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TTC 26. Januar 2021 um 09:24

Hallo,
ich denke so langsam bildet sich das Narrativ, dass der Dortmunder Kader sehr unausgewogen zusammen gestellt ist, darum hier ein paar Gedanken von mir dazu:

1. Dortmund braucht Identität

Das Dortmunder Erfolgmodel basiert auf der Aquirierung von Supertalenten. Da diese den BVB jedoch (auch von der Vereinsführung gewollt) den BVB irgendwann für eine horrende Summe verlassen werden braucht man als Gegenpol einen Mannschaftstamm, der auf Jahre zusammen bleibt. Diese Spieler sollen das Identitätsrückgrat bilden. Da der Verein jedoch ständig zwischen Weltmarke und Arbeiterfussball hin und her pendelt, hat man sich meiner Meinung nach dafür entschieden diese Rückgrat mit deutschen Spielern zu füllen, in der Hoffnung, dass die regionale Verbundenheit groß genug ist, dass die Spieler nicht sofort beim erstbesten Angebot das weite Suchen. Außerdem sollten die Spieler bestenfalls schon für die Nationalmannschaft gespielt haben. Das erklärt für mich z.b. die Transfers von Schulz und Can.

2. Dortmund hat zu viele Muss-Spieler

Im Kader gibt es meiner Meinung nach zu viele Spieler, die spielen müssen. Sei es vom Standing her oder vertraglicher Zusicherung (Spekulation meinerseits). Diese Spieler sind Hummels, Reus, Can, Haaland, Sancho, Bellingham, Witsel, Moukoko und Brandt. Das heißt für mich, dass die Transferpolitik dem Trainer teilweise sehr deutlich diktiert, wie die Aufstellung zu sein hat. Ein Kritikpunkt der Vereinsführung an Favre war unter Anderem, dass er Moukoko zu lange ignoriert hat. Der 16 jährige Moukoko, der natürlich wieder eines der Supertalente ist, die für den BVB so wichtig sind. Das heißt für mich insgesamt, dass der Kader zu viele Muss und zu wenig Kann Spieler hat.

3. Der Hummels Transfer war problematisch

Der Tausch von Diallo gegen Hummels war auf dem Papier ein sehr guter Transfer. Jedoch wurde damit die Hierarchie, die sich in der Mannschaft in der Vorsaison gebildet hatte, komplett zerschossen. Akanji gehörte zu den besten Verteidigern in der Saison 18/19 und fiel nach der Ankuft von Hummels in ein Leistungsloch, weil er jetzt vermehrt Hummels den Rücken freihalten musste, da dieser auf jeden Fall spielen muss. Gleichzeitig spiegelt sich Hummels Rückkehr auch nicht in einer erfolgreicheren Saison 19/20 wider. Um es plump zu sagen, hat die Rückkehr Hummels` keinen spürbaren positiven Einfluss auf die Ergebnisse gehabt, sondern hat eher dazu geführt, dass andere Spieler verunsichert waren und dass man mit Diallo einen dynamischen Innenverteiger, der auch LV spielen konnte, abgegeben hat. Und noch obendrauf hat man mit Hummels soviel Kapital gebunden, dass man sich Hakimi nicht mehr leisten konnte.

Insgesamt musste Favre somit eine ziemliche Unwucht in den Kader unterbringen und hat das mit der Einführung des 3-4-3 meiner Meinung nach auch sehr gut gemacht. Die Spiele waren dann halt langweilig. Womit man zum nächsten Problem kommt:

4. Was will Dortmund sein?

Der BVB will aufregenden Fussball spielen (Heavy Metal!). Das ist was man jetzt unter Terzic spielt. Hero-Ball. Ich denke man kann damit Erfolg haben, denn so schlecht die Spiele unter Terzic teilweise auch waren: Man hätte bizarrerweise jedes dieser Spiele gewinnen können, die Chancen waren ja da und mit etwas Glück kriegt man das dann über die Zeit und kreiert sich ein Momentum, was die Mannschaft eventuell tragen kann. Darum denke ich auch, dass man beispielweise im DFB Pokal gute Chancen hat. Aber die Halbwertszeit dafür ist begrenzt und irgendwann wird man wieder an den Punkt kommen an dem man sich sagt, dass ein Spitzenclub wie der BVB ja Ballbesitz spielen muss. Dadurch wird das Spiel wieder langsamer und langweilig und man gedenkt wieder der guten alten Zeit, als man noch Heavy Metal Fussball spielte. Siehe Tuchel, siehe Favre. Das jetzt über Rose diskutiert wird, zeigt für mich deutlich, dass es sich wieder in diese Richtung entwickeln könnte.

Ich denke aber auch, als BVB hat man viel zu verlieren und wenig zu gewinnen. Wenn man zweimal souverän Zweiter wird jubelt niemand mehr. Daher sind vielen Sachen, die von der Vereinsführung entschieden wurden, teilweise für mich nachvollziehbar. Und in Hindsight sind die Fehler natürlich immer einfach auszumachen (siehe Corona).

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druffundewerre 26. Januar 2021 um 11:20

Der letzte Absatz gibt die Problemlage genau wieder. Leverkusen, Leipzig, Gladbach, Wolfsburg freuen sich über eine CL-Quali; für den BVB ist sie ein Muss, Warum? Damit das Geld verdient werden kann, um Spieler zu halten oder zu kaufen, mit denen man sich erneut für die CL qualifziert. Ohne echte Hoffnung, die Deutsche Meisterschaft oder die CL zu gewinnen. Über zweite Plätze oder die CL-Quali freut sich tatsächlich keiner mehr groß. Insofern ist man in einem seltsamen Kreislauf gefangen.
Ich verfolge seit Längerem den Profifußball höchstens über die Sportschau, habe mir aber in der Vergangenheit die frei empfangbaren Spiele des BVB gegen Union Berlin, Braunschweig und Gladbach angeschaut. Mein Eindruck: Die Mannschaft spielt teilweise nett, aber ohne innere Überzeugung, irgendwie ohne Feuer (jaja, ich weiß, Mentalitätsscheiße). Sie erinnert mich an „klassische“ zweite Mannschaften, wie man sie in den Regionalligen findet: ein paar ältere Spieler und sehr viele begabte junge Spieler, die aber eigentlich nur eins wollen, nämlich woandershin – entweder in die eigene I. Mannschaft oder zu einem höherklassigen Klub. Die Platzierung ist relativ egal, so lange man nicht absteigt. Ein Farmteam halt. An guten Tagen werden die Sterne vom Himmel gespielt, an anderen führt robustes Spiel eines routinierten Gegners zu Niederlagen (immer dann spricht der Trainer davon, dass die anderen „Männerfußball“ gespielt hätten).
Insofern greift auch der an anderer Stelle (ob hier oder in einer Diskussion zu einem anderen Beitrag) in Bezug auf die Spielweise gezogene Vergleich zu Mainz 05, wenn auch in Bezug auf die Identifikation. Mainz 05 war zu einem Sammelbecken von Spielern geworden, die den Verein nur als Durchgangsstation sehen. Der Unterschied wiederum zum BVB ist, dass dieser fast nur Spieler holt, die als DAS Riesenversprechen – und bei Weiterverkauf- als Investition für die Zukunft gelten (Bellingham, Haaland, Sancho,…), gleiches gilt für die Talente aus der eigenen Jugend (Reyna, Moukoko). Dementsprechend sind die Erwartungen – zu hoch. Dazu kommt ein Einkaufsverhalten innerhalb der Liga, das mich so ein wenig an das erinnert, was früher den Bayern vorgeworfen wurde: Sobald bei der Konkurrenz jemand sehr ansprechende Leistungen zeigt, wird gekauft. Schulz, Wolf, Philipp, Dahoud, Delaney, Hazard, Brandt. Nur regt sich da heute niemand mehr drüber auf, anders als damals, als die Bayern Sternkopf geholt haben. Ich gebe zu, wenig Ahnung zu haben, aber es scheint mir doch, als stünde hinter den Einkäufen nicht immer die Überlegung, wo und wie derjenige dann beim BVB spielen soll.
Und leider werden viele offenbar beim BVB nicht besser, sondern stagnieren.
Dennoch ist das allgemeine Niveau offenbar so hoch, dass es ein Spieler, den keiner so recht auf dem Zettel hatte, a. überhaupt dorthin wechselt b. eine unerwartet positive Entwicklung zeigt.
Andere Vereine zaubern ab und an vermeintlich aus dem Nichts Spieler hervor, die sehr gut reüssieren. Das war beim BVB anfangs unter Klopp aus vielen Gründen natürlich anders. Heute scheint es mir, dass beim BVB der Spieler scheinbar nur verlieren kann: es werden Top-Leistungen und Offensivspektakel erwartet, alles darunter gilt als Enttäuschung.
Ein Zurückschrumpfen zur „Gesundung“ und Platzierungen im Mittelfeld will niemand der Verantwortlichen und auch die Fans wollen es nicht. Die Werbepartner schon gar nicht.
Und zum Schluss noch eine ganz steile These (für Taktik-Nerds noch abseitiger als die Hymnen-Diskussion 2012): den Unterschied zwischen dem FCB und dem BVB sieht man auch in den Trikots. Dortmund mit den komischen Zacken und bei den Trikots oft auf der Suche nach einem vermeintlich supertollen, aufregenden Design, die Bayern ganz klassisch. Oder anders gesagt: der BVB will irgendwas sein oder werden, die Bayern wissen, was sie sind.

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Koom 26. Januar 2021 um 11:50

Sehe ich sehr ähnlich. Das Problem ist auch, dass der BVB ein Standing hat (Neuzeit-Historie, Etat, Anspruch), dass ihn quasi zum einzigen direkten Gegenspieler der Bayern macht. Der BVB muss nicht zwingend Meister werden, aber er muss die Bayern in der Tabelle jagen. Tabellenzweiter reicht da nicht, wenn da schon wieder zweistellige Punktabstände sind. Also kurzum: Bei allem, was so anliegt, darf der BVB nie viel mehr als 6 Punkte hinter den Bayern liegen. Punkt.

Ich denke, du (TTC) hast es schon ganz gut zusammengefasst dabei. Persönlich denke ich, dass sich der BVB zu sehr als Wirtschaftsunternehmen sieht und erst danach im sportlichen Wettkampf. Deswegen pusht man (unfertige) Talente mit Gewalt, um sie dann, wenn sie richtig gut werden (und den Kick für Titelgewinne bringen würden) für viel Geld zu verkaufen. Rein wirtschaftlich funktioniert das, fraglos. Man hält ja meist die Balance gut genug, dass man den CL-Platz holt und mehr „braucht“ es dafür ja nicht.

Und diese Vorgehensweise macht man ja schon seit Jahren. Klopp hielt größtenteils den Kader noch zusammen, seit dem er weg ist (und selbst einräumte, dass er den Kader hätte durchwechseln müssen), ist die Fluktuation unter den Leistungsträgern enorm hoch. Das man dann in den engen Spielen gegen Topklubs meistens das nachsehen hat, ist ja recht logisch. Mit Favre kam leider noch dazu, dass dessen Spielweise auch gegen spielverweigernde Klubs eher solala funktioniert, weil „Druck aufbauen“ nicht so Favres Werkzeugen gehört.

Am Ende des Tages ist es eben die Frage, was man will. Watzke erscheint mir der alles dominierende Mann zu sein, und neben der Wirtschaftlichkeit ist ihm wichtig, dass er der alles dominierende Mann ist und bleibt. Das ist vermutlich das große Problem des BVB.

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druffundewerre 26. Januar 2021 um 12:40

Wer wäre denn eine Alternative zu Watzke als Führungspersönlichkeit?
Zorc ist es nicht, ob Kehl es mal wird oder werden will – keine Ahnung.
Mal davon ausgehend, dass es ein ehemaliger Spieler werden soll, fällt mir keiner ein.
Vielleicht mal Hummels? Wird der in Dortmund oder Umgebung bleiben wollen oder doch lieber zurück nach Bayern gehen? (Wofür auch der Vergleich der Städte München/Dortmund bzw. der Landschaften Westfalen/Oberbayern sprechen könnte – ein weiterer weicher Wettbewerbsvorteil für die Bayern).
Es ist niemand in Sicht, der mit dem BVB erfolgreich war, die DNA des Vereins aufgesogen hat und den Job machen könnte (was z. B. Großkreutz ausschließt, der die beiden ersten Bedingungen erfüllt 😉
Also wird Watzke mit dem Verweis auf fehlende Alternativen weitermachen. Zu einer etwaigen Diskussion, ob es keine gab oder er keine aufbauen wollte oder konnte, kann ich nichts beitragen.

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Koom 26. Januar 2021 um 12:51

Es würde schon reichen, wenn Watzke nicht mehr den Frontmann geben würde und einfach nur mal still seinen Posten innehalten würde. Aber was ist schon leicht? Ein Ego ist sehr schwer einzufangen und Watzke hat viel zu großen Spaß daran, diese Macht zu haben.

Grundsätzlich wäre es gut, wenn der Sportmanager mitsamt dem Trainer das Gesicht wären. Zorc ist dazu aber einfach zu schwach, das war schon bei Tuchel/Mislintat IMO das Problem. Wer an der Position nachwächst? Kehl ist wohl ein wenig dazu auserkoren. Der wird sich aber dann auch klar positionieren müssen und ob er da gegen Watzke ankommt? Im Zweifel plaudert der wieder mit „Führungsspielern“ wie Schmelzer und Sahin einst um seine Hausmacht zu stärken. -.-

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TTC 26. Januar 2021 um 12:56

Man fragt sich eben, inwiefern den Verantwortlichen bewusst ist, was genau sie da tun und ob da eventuell ihr eigenes Vorgehen hinterfragt wird. Beispielsweise habe ich das Gefühl, das über der ganzen Favre Zeit dieses Mentalitäts Thema schwebt. Teilweise von den Medien ins Spiel gebracht, teilweise aber auch von den Verantwortlichen. (Beispielsweise nach dem Lazio Hinspiel, was ich bei Weitem nicht so schlimm fand, wie es in der Nachbetrachtung gemacht wurde. Es war ja schon fast peinlich und grenzte an Selbstgeißelung, wie Zorc da reagierte…) Dass das Thema jetzt schon wieder aufgegriffen wird, lässt mich ein bisschen daran zweifeln, dass man sich wirklich tiefer mit den Problemen auseinander setzt.
Aber, hey, mit Neuhaus ist bereits wieder ein Gerücht über einen Mittelfeldspieler aus dem Nationalelf Dunstkreis aufgetaucht, den man problemlos in das eh schon viel zu voll zentrale Mittelfeld stopfen kann.

Das ist auch so eine Sache: Man tut die ganze Zeit so, als wäre der BVB ein längerfristiges Projekt, mit den ganzen jungen Spielern, dabei ist meiner Meinung nach genau das Gegenteild er Fall. Dortmund geht es komplett ab, Talente (Raschl, Knauff) zu fördern, die vielleicht nicht den Supertalent Status haben, die aber zumindest in die Rolle als ergänzende Kaderspieler hineinwachsen könnten und vielleicht hintenraus den einen oder anderen (Mentalitäts) Transfer überflüssig machen könnten.

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Daniel 26. Januar 2021 um 13:37

„Man tut die ganze Zeit so, als wäre der BVB ein längerfristiges Projekt, mit den ganzen jungen Spielern, dabei ist meiner Meinung nach genau das Gegenteild er Fall.“

Das ist in meinen Augen auch der Kern des Problems. Der BVB plant für kaum mehr als zwei bis maximal drei Jahre. Supertalent holen, spielen lassen, Marktwert vervielfachen und wieder verkaufen. Wer da nicht mitkommt (sei es charakterlich, taktisch oder einfach vom Talent) wird ebenso schnell wieder aussortiert. Eine taktische oder menschliche Integration ist nicht das Ziel. Entsprechend spielt der BVB magischen Fußball, wenn die Talente einen guten Tag erwischen. Wenn nicht gibt es aber weder tragfähige mannschaftliche Strukturen noch wirklichen Willen, ein Spiel herumzureißen. Die Spieler wissen, dass der BVB sie vor allem als Geldanlage sieht, möglichst gewinnbringend verkaufen will und im Zweifelsfall auch schnell absägt. Entsprechend sehen sie den Verein dann auch nur als Sprungbrett, um den eigenen Marktwert zu steigern. Wenn’s nicht läuft zuckt man die Achseln und freut sich darauf, demnächst hoffentlich in München, Paris, Barcelona oder Madrid zu spielen. Das kann man Charakterschwäche nennen, oder auch „Wie man (in dem Fall der BVB) in den Wald (Spieler) hineinruft, so ruft es zurück.“
Der andere Punkt ist dann, dass die älteren Spieler (die der BVB durchaus auch hat) nicht nach den sportlichen Erfordernissen, sondern eher nach Verfügbarkeit ausgesucht sind. Bei Bayern ist Hummels verfügbar? Meuniers Vertrag läuft aus? Bei Bayern steht Rode auf dem Abstellgleis? Schulz und Wolf bringen gerade gute Leistungen? Dann holen wir die doch mal. Dass der BVB die jeweiligen Spielertypen relativ absehbar nicht brauchte wurde geflissentlich ignoriert.
Außerdem ist der BVB in meinen Augen zu groß, als dass es sinnvoll wäre, junge Spieler mittels Leihen zu holen. Das kann man machen, wenn man sich gerade in der Buli etablieren will. So gut Hakimi auch war, aber mittelfristig betrachtet war sein Transfer eigentlich eher kontraproduktiv. Der BVB hat eine Spielidee aufgebaut um einen Spieler, der absehbarerweise bald wieder weg war (ohne eine Ablöse zu hinterlassen). Am Ende hatte Hakimi die internationale Erfahrung, die er für einen hochdotierten Vertrag brauchte, Inter Mailand hatte einen guten Spieler und Real Madrid eine saftige Ablösesumme. Nur der BVB stand doof da, weil man zwei Jahre lang eigene Spieler hinter Hakimi zurückgestellt hatte und eine Spielweise verfolgte, für die man ihn zwingend brauchte und nicht ersetzen konnte-ohne dass es ohne Hakimi wirklich deutlich schlechter gelaufen wäre. Dass Reinier in Dortmund nicht zurecht kommt, ist das Beste, was dem BVB passieren konnte. Viel schlimmer wär es ja, wenn er die eigenen Talente verdrängen würde. Ein Verein solcher Größe sollte eigentlich Leihspieler nur holen, um kurzfristig und kostengünstig Lücken im Kader zu schließen. Also eher so das Perisic- Modell.

@druff
Warum sollte es denn ein ehemaliger Spieler machen? Da sollte man sich eher an Kompetenz halten als an Stallgeruch.

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TTC 26. Januar 2021 um 13:57

Schön zusammengefasst. Man fragt sich eben, ob die Verantwortlichen sehen, dass die hohe Kaderfluktuation einen potentiellen Anteil an der jetztigen Situation haben oder ob sie sich von dem (zweifelslos) vorhandenen Potential des Kaders blenden lassen. Ich denke Dortmund passiert ein bisschen das, was vor ein paar Jahren Real Madrid oder auch Manchester United passiert ist, nur mit Supertalenten statt Superstars. Da wird mMn zielsicher am Bedarf vorbei gekauft, weil das nächste heiße Talent mit 16 Jahren gerade die zweite englische Liga unsicher macht.
Zu Hakimi muss man aber fairerweise erwähnen, dass Dortmund ein Matching Right hatte, man also durchaus an einem Transfer interessiert war.
Aber um es mal etwas plakativ zu machen: Hummels + Schulz haben im Gesamtvolumen sicher soviel gekostet wie Diallo + Hakimi. Mit den beiden letztgenannten würde man mMn wesentlich besser da stehen (viel Glaskugel, ich weiß). Naja, Hindsight und so…

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csp 26. Januar 2021 um 16:35

Mein Eindruck ist, dass der BvB bei dem Verkauf der Supertalente nicht das Heft in der Hand hat. Sie hätten gerne den einen oder anderen Spieler gehalten wenn sie gekonnt hätten. Sie wollten auch keine Ausstiegsklauseln mehr …..

Wenn sie die damit einhergehende Fluktuation einschränken wollen, fehlen ihnen diese Talente, die aber auch einen großen Anteil an der Erfolgen hatten.
Was verspricht mehr Erfolg: die Supertalente die schnell gehen oder andere Spieler ohne diese Talent?

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Daniel 26. Januar 2021 um 16:57

@csp
Naja, dieses oder seh ich ehrlich gesagt nicht. Die Transfers der „Supertalente“ kritisiere ich ja nicht. Haaland und Sancho haben sich perfekt ausgezahlt, Bellingham hat in meinen Augen keine richtige Funktion, da es im Kader ähnliche Spieler gibt, aber dennoch war der Transfer sicherlich nicht falsch. Nur Hakimi halte ich wie gesagt zu diesen Konditionen für einen Fehler. Das Problem seh ich eher im Scouting der etwas älteren Spieler, das zu oft willkürlich beziehungsweise auf unwichtige Randfaktoren (Verfügbarkeit, Nationalität, N11-Erfahrung…) abgestellt scheint und dadurch teure Flops hervorbringt. Schulz und Wolf haben als Flügelverteidiger neben einer Dreierkette im Umschaltspiel bei Mittelfeldmannschaften dank ihrer Laufstärke gut funktioniert, dass ihnen aber sowohl die defensive Stabilität für eine klassische AV-Rolle als auch die Kombinationssicherheit in engen Räumen für das Spiel in einer Mannschaft wie dem BVB fehlt war schon vor den Transfers zu erkennen. Dito Meunier, wobei der zumindest keine Ablöse gekostet hat. Delaney war ein guter Mittelfeldallrounder für einen unteren bis mittleren Bundesligisten, beim BVB gibts für jede Rolle bessere Spieler (oder sollte es jedenfalls). Für Can war im Mittelfeld gar kein Platz, weswegen er zwischen dem Mittelfeld (wo man ihn eigentlich nicht brauchte) und der Halbverteidigerrolle (wofür man lieber einen gelernten Spieler geholt hätte) hin und herschob. Hummels war schon zum Zeitpunkt des Transfers in einem Alter, ab dem es erfahrungsgemäß nur noch bergab geht, Witsel fast auch schon. Gemessen an den für IV geringeren Preisen und seinem Alter war Hummels deutlich zu teuer. Wenn der BVB einen geschlossenen Mannschaftskern hätte, in den die Supertalente integriert werden könnten, wäre die Fluktuation dieser paar Spieler nicht so schlimm. Da die älteren Spieler nicht passen und deswegen schnell wieder gehen (oder jedenfalls gehen sollen) ist da aber auch viel Fluktuation…

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csp 27. Januar 2021 um 11:22

@Daniel
Vermutlich haben wir etwas aneinander vorbeigeredet. Mein Eindruck in vorherigen Posts war, dass das wirtschaftliche Modell des BvBs mit der Weiterentwicklung und dem recht zeitigen Verkauf von Supertalenten vom BvB so komplett gewollt sei. Mein Eindruck ist, dass der BvB da keine andere Wahl hat als da so mitzugehen oder es mit den Toptalenten zu lassen (die kämen wohl dann nicht).
Ich gehe damit mit, dass die Struktur der Mannschaft dazu, wie von dir beschrieben, nicht passt.

Koom 26. Januar 2021 um 20:17

Hart, aber gut zusammengefasst. So ein bisserl sind die Spieltransfers wie bei FIFA/PES. Man holt ablösefreien einen „alten, guten“ und die Supertalente so jung wie möglich. Da man selbst steuert und dadurch die Eingespieltheit raus hat, funktioniert das ganze und wirtschaftet so genial. Die Realität funktioniert so nicht (außer, du hast sowas wie nen Klopp als Trainer, der das so zusammenbringen kann).

Da du gerade Diallo auch aufzählst und ich den als Mainzer gut kenne: Hammerspieler. Aber unfertig. Für mich durchaus vergleichbar mit einen Kimmich (zum damaligen Zeitpunkt): Noch ein bisserl hektisch am Ball, aber willig, laufstark und mit einem breit gefächerten Talent. Das ist so einer, den du halten und schulen musst und dann geht der potentiell irgendwann für 60-80 Mio weg. Oder hält dir deine Mannschaft die nächsten 10 Jahre hinten zusammen. Aber der war von Anfang an Verschiebematerial, wurde nicht weiter gefördert und ging dann frustriert weg.

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druffundewerre 27. Januar 2021 um 16:41

Ja, sicherlich sollte man das. Aber oft läuft es doch anders. Mal mit mehr, mal mit weniger guten Gründen und Erfolg.

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Alex 25. Januar 2021 um 17:06

Du hast es gut rausgestellt, dass diese mangelnde Konstanz und diese Mentalitäsfrage schon seit Tuchel gestellt werden. Diese Diskussionen sind nicht neu. Aber: Seit damals unter Tuchel spielen maximal 1 oder 2 Spieler noch in der Startelf und es sind 4 Trainer verschlissen.
Woran liegt es, dass selbst mit ausgetauschtem Team und Trainern die Probleme immer die Gleichen sind? Ein BVB Fluch? Sobald die Spieler nach Dortmund kommen gehen sie dann ein?
Witsel zu Beginn beim BVB Weltklasse. Fallrückzieher-Tor gegen Leipzig im ersten Spiel. und heute? Gefühlt 3 Klassen abgebaut.

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Koom 28. Januar 2021 um 09:56

Ich glaube nicht, dass die Spieler „eingehen“. Es wird wohl ein kleines Stück Mentalität sein, aber ich würde das nicht überbewerten. Man merkt dem BVB an, dass der Verein nicht mit jeder Faser auf Titel geht. Dazu ist man viel zu bückfreudig, wenn andere mit großem Geld wedeln. Der BVB ist angedacht als Durchgangsstation auf hohem Niveau.

Jetzt nehmen wir mal Spieler wie Hummels und Witsel. Man könnte einige weitere nennen, die eher mit 26+ zum BVB gekommen sind: Für die ist der BVB nicht mehr Durchgangsstation, sondern wollen bleiben. Und immer, wenn sich gerade was entwickelt, wird die Offensive (oder andere) verscherbelt und neue Leute kommen. Und da sind dann eben auch mal mehr, mal weniger kompatible Charaktere dabei. Und weil das so läuft und dann ausnahmsweise mal ein „Nein“ kommt, wie bei Sancho, fällt der (sehr junge) Spieler danach ein bisserl ins Motivationsloch, weil er mehr wollte (Geld, Titel).

Das zieht auf Dauer dann die Dauerspieler auch runter. Es funktioniert halt alles schlechter, wenn man dauernd die Besten verliert oder die eine persönliche Krise erleben, weil sie 2 Mio weniger verdienen als anderswo.

Man kann jetzt schon vermuten, dass Ende dieser Saison ein unverschämtes Angebot für Halaand kommen wird. Junger Stürmer, anständig, bullig, schnell, trifft oft aus allen Lagen: Da wird garantiert einer der großen, vorzugsweise ein englischer Klub, mit dreistelligen Millionensummen ankommen.

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PeterVincent 25. Januar 2021 um 16:17

Ein Problem der „Expected Goals“-Statistiken ist, wie undurchschaubar diese ermittelt werden. Das Prinzip klingt einfach, aber es existieren je nach Anbieter unterschiedliche Algorithmen. Und selbst innerhalb eines Anbieters ist der Algorithmus in der Regel nicht transparent und wird regelmäßig verändert. Oberhalb der eher „technischen“ Ebene gibt es auch auf konzeptioneller Ebene Kritikpunkte, etwa bei der Berücksichtigung der Gewichtung von vielen weniger guten Torchancen vs. wenigen aber guten Torchancen. Grundsätzlich ist es nicht einfach, überhaupt formal zu definieren, was eine gute Torchance ist, welche Parameter berücksichtigt und wie diese gewichtet werden.

Auf dem ersten Blick wirkt xG verlockend, aber wenn man tiefer bohrt, wird klar, dass hier die üblichen Probleme auftreten, wenn man versucht, komplexe Sachverhalte in Modelle zu packen und es kommen die typischen Mechanismen der Modellgläubigkeit auf: Wenn es einen Widerspruch (xG-Werte vs. Performance) gibt, wird der Fehler eher nicht im Modell, sondern in der Realität gesucht. Wenn der BvB doch endlich nur mal anfangen würde , so zu performen, wie xG es vorhersagt …

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AG 25. Januar 2021 um 17:53

Ist dir die Pauschalkritik nicht etwas zu billig? Mir ist bekannt, dass die Modelle von außen undurchsichtig sind, weil damit Geld verdient wird. Statsbomb ist sogar noch relativ transparent, mit vielen Artikeln, die auch mal auf Details eingehen – sicher Teil der Marketingstrategie, aber genug, um einen guten Eindruck zu machen. Kannst ja mal CE danach fragen 😉

Ich behaupte eben das Gegenteil von dir. Der Widerspruch wird zu oft Richtung „Performance“ (eher Ergebnisse) aufgelöst, und dann schmeisst z. B. Monaco 2018 seinen Trainer Leonardo Jardim raus, als die Ergebnisse schlecht sind, die xG-Differenz aber noch gut aussieht. Der Ersatz kann nichts retten und wird drei Monate später entlassen, in dem Fall kommt tatsächlich Jardim wieder und stabilisiert den Club zumindest. Oder Klopp hat im letzten Jahr beim BVB eine Ergebniskrise, obwohl es nach xG immer noch gut aussieht. Er geht, wird aber von Liverpool eingestellt, die auch sonst viel in Analytik stecken. Wie das weiterging, weißt du selber.

Am Schluss heißt das nicht, blind auf ein Modell zu vertrauen. Aber die Erfolge der guten Modelle sind klar belegt und greifbar, und die anderen Teams haben das Nachsehen. Für Kommentatoren stelle ich unten ganz klar die Frage, wieso so wenig auf xG-Differenz oder wenigstens die Schussverhältnisse eingegangen wird. Eine Shotmap z. B. ist einfach zu verstehen.

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AG 25. Januar 2021 um 18:06

Etwas versöhnlicher: geh doch selbst mal auf fbref.com und schau dir für einen Wettbewerb, der dich interessiert, die relevanten Daten an. Da ist viel mehr als nur xG, auch Performancedaten einzelner Spieler inklusive defensiver wie Tackles, Interceptions etc. Ist doch einfach cool, was man alles sich umsonst anschauen kann! Und wenn du mehr zu den Daten wissen willst, CE hat hier einige Artikel mit den Statsbomb-Daten gemacht, die haben selbst auf ihrer Seite eine Menge Artikel, wo sie die Daten nutzen (z. B. die Premier League-Saisonvorschauen) oder auch die Erfassung erklären. Da draußen gibt es eine Menge!

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Koom 25. Januar 2021 um 20:44

Ich finde deinen Ansatz ganz gut. Es ist schon wahr, dass man xG recht wenig in Betracht zieht bei der Bewertung einer Mannschaft, und eigentlich auch zu Unrecht. Im Grunde ist der Wert ja sowas wie ein „Sieg nach Punkten“ beim Boxen, wo keiner eben einen KO landen konnte.

Um mal bei der Sache zu bleiben: Bin nicht so fit mit fbref.com. Auch kein Experte bei xG, aber im Grunde werden ja die ganzen Torschüsse/chancen bewertet und zu einer Zahl zusammengerechnet. Dabei wäre dann die Frage, wie die Zahl sich aufschlüsselt. Wenn ich 10x ne 20% Chance habe, sollte ich wohl 2 Tore erzielen (xG 2,0). Aber andererseits sind 20% halt scho dünne. Und wenn der Gegner nur eine Chance hat, die aber mit 80% bewertet wird, erklärt das einiges. Vermutlich ist das zu simpel gerechnet – und eigentlich sagt man ja auch, dass Favres Mannschaften eher wenige, dafür gute Chancen rausspielen.

Und mal anders: Was sind die Lehren da drauf? Offenkundig underperformen die Angreifer oft. Nicht unbedingt pauschal, Haaland ist schon ziemlich gut. Vielleicht sind sie schlecht im Strafraum? Oder beim Abschluss unter Bedrängnis? Man „weiss“ ja, dass Dortmund insbesondere große Probleme gegen die kleinen Teams hat, dann würde das passen.

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AG 25. Januar 2021 um 21:44

Kurzer Disclaimer zum Anfang: Man sollte etwas vorsichtig sein mit xG-Betrachtungen einzelner Spiele, da ja letztlich nur Schüsse gezählt werden. Außerdem ändert es ja auch was, ob ein Team hinten liegt, da kommen oft mehr Schüsse zusammen. Über längere Zeiträume sollte xG aber schon eine Aussagekraft haben.

Du hast auch Recht, eine einzelne Zahl ist nicht optimal. Shot maps finde ich ganz anschaulich, auf denen Schussposition und xG-Wert auf einen Blick was bringen, da gibt es auch einige öffentliche Quellen. Alternativ hilft ein sogenannter Race chart, wo die Schüsse in zwei Kurven über die 90 Minuten aufgetragen sind, um anzuzeigen, wer über die Zeit Chancen gesammelt (und Tore geschossen) hat. Betweentheposts.net nutzt das z. B., leider sind die meisten Artikel inzwischen kostenfrei, gibt aber immer auch freie dort. Übrigens ein gutes Beispiel für die Kombination von Analyse mit Daten wie xG.

Die Lehren aus xG können unterschiedlich sein: das erste war, Teams von Fernschüssen abzubringen. In allen großen Ligen sinkt seit Jahren die mittlere Distanz der Torschüsse, weil weit außerhalb des Strafraums die Chance auf ein Tor einfach nur 2–3% ist, und es sich fast immer lohnt, noch einen Pass zu spielen. Es gibt ja meist nur eine begrenzte Zahl an Ballbesitzphasen, und für so eine schlechte Chance sollte man die nicht unbedingt herschenken (oder denk mal an einen Konter, der von weit draußen abgeschlossen wird — Verschwendung).

Was deine Fragen angeht: letztlich werden beim Fußball wenige Tore geschossen, und Glück ist immer dabei. Und manchmal auch Pech, und selbst Topstürmer treffen längere Zeit das Tor nicht mehr (und danach doch wieder). Es gibt wenige Stürmer, die konsequent und über einen längeren Zeitraum über ihrem xG-Wert Tore schießen — anscheinend ist der Abschluss generell in den Topligen so gut, dass wenige noch darüber kommen. Denn an den Topligen wird ja der Erwartungswert für xG berechnet. Ich habe auch noch einen Link, packe den aber in den nächsten Beitrag wegen der Freischaltung.

Statsbomb scheint übrigens recht gut zu sein, was die xG-Daten angeht: die rechnen Verteidiger ein, die im Weg stehen, Druck auf den Schützen, und auch Ballhöhe (ob am Boden, halbhoch oder in der Luft) sowie das Körperteil für den Abschluss. Zumindest habe ich mir das zusammengereimt aus dem, was sie öffentlich machen. Also keine Gewähr 😉

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Koom 26. Januar 2021 um 11:59

Danke. Um mit den Daten aber weiterzuarbeiten: Man sollte ja Lehren draus ziehen und es nur auf Pech/Glück zu reduzieren, ist zu simpel. Vor allem, wenn es über Wochen und Monate passiert oder bei vergleichbaren Mannschaften. BVBs schlechte Performance gegen „kleine“ Mannschaften bspw.

Einfach mal in den Raum geworfen: Die BVB-Offensive mag Konter. Sie brauchen Platz, Tempo. Das sind auch die Stärken der Offensive, dass sind alles Sprintertypen. Selbst Haaland als Bulle. Natürlich mögen die meisten Stürmer solche Situationen, weil sie meistens dynamischer und einfacher sind. Im Strafraum nen Ball annehmen, drehen und einlochen ist schon mehr Kunst. Und gerade die Leichtgewichte bei Dortmund (eben alle ausser Halaand) sind da leicht zu beeinflussen. Die Lehre daraus wäre, die Offensivspieler eben auch auf Abschlüsse in Engen zu trimmen und nicht nur auf die coolen, breiten Konter zu hoffen.

Nehmen wir einfach mal die Bayern her, die selten zum Kontern kommen sondern tatsächlich meist mit 4-6 Verteidigern im Strafraum arbeiten müssen. Aber Kimmich flankt präzise, Lewandowski und Müller bewegen sich dabei überragend – das sind schon Sachen, die man auch trainieren kann und muss.

Das erklärt dann auch der einerseits gute xG-Wert, weil sie oft den Ball in eine gute Situation bekommen (im Strafraum abschließen ist gut), aber dabei oft vergeben. Vergleichbar mit einem Golfer, der lange Bälle sensationell spielen kann, aber wenn es ums Putten geht, ist er furchtbar.

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PeterVincent 26. Januar 2021 um 14:20

„Die Lehren aus xG können unterschiedlich sein: das erste war, Teams von Fernschüssen abzubringen. In allen großen Ligen sinkt seit Jahren die mittlere Distanz der Torschüsse, weil weit außerhalb des Strafraums die Chance auf ein Tor einfach nur 2–3% ist, und es sich fast immer lohnt, noch einen Pass zu spielen. Es gibt ja meist nur eine begrenzte Zahl an Ballbesitzphasen, und für so eine schlechte Chance sollte man die nicht unbedingt herschenken (oder denk mal an einen Konter, der von weit draußen abgeschlossen wird — Verschwendung). “

Das ist dann doch etwas dünn oder? So viel Aufwand für so eine triviale Schlussfolgerung, die man schon in der E-Jugend lernt? „Ey, nicht so oft Draufbolzen, SPIELEN!“

Was ist denn konkret für den BVB eine Schlussfolgerung? Es gibt doch viele Daten frei verfügbar, da sollte man doch als Daten-Fan irgendwie was Handfestes ableiten können?

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AG 26. Januar 2021 um 15:29

Meine Analysen sind leider nur das Wert, was du dafür zahlst 😉 Außerdem scheint es bei einigen Spielern nur sehr langsam anzukommen…

Eine konkrete Schlussfolgerung für den BVB wäre es gewesen, Ruhe zu bewahren. Favre wegen der Ergebnisse rauszuschmeißen, war wahrscheinlich keine gute Idee, da die darunterliegende Performance die beste der Liga war. Das gilt natürlich nicht, wenn es um Stil o. ä. ging.

rb 28. Januar 2021 um 10:23

Das mag eine triviale Schlussfolgerung sein, aber sie kann entscheidend sein, wenn man sie konsequent anwendet – Schüsse außerhalb des Strafraums zu unterlassen, war einer der Bausteine von Volker Finke, um mit dem absoluten Underdog SC Freiburg in den frühen 90er-Jahren die Bundesliga aufzumischen. Vielfältiger taktischer Avantgardismus hat natürlich dem SCF damals auch geholfen.

Und es ist durchaus so, im Amateuer-Bereich noch mehr als im Profi-Bereich, dass dem Abschluss an sich schon ein besonderer Wert zugesprochen wird. Insbesondere Zuschauer feiern solchen Aktionismus gerne mal ab, weil ein Abschluss immer eine Annäherung an ein Tor ist – selbst dann wenn der langweilige, kluge Querpass eigentlich die Torwahrscheinlichkeit eines Angriffs erhöht.

Tatsächlich konnte man diese Begeisterung für Abschlüsse an sich auch an der statistik-basierten Berichterstattung lange Zeit (und immer noch) beobachten. Abgegebene Schüsse und Schüsse aufs Tor finden sich immer noch in vielen Spielberichten – und werden explizit oder implizit häufig als Bewertungsgrößen herangezogen. Ein viel gravierenderes Beispiel dafür, wie eine unzulängliche Statistikverwendung sich auf Spielstile auswirken kann: Lasst uns viel schießen, damit die Torschussstatistik uns sagt, wie gut, überlegen usw. wir eigentlich waren.
xG gleicht diese resultierenden Fehlschlüsse eben aus, indem es die Wertigkeiten von Abschlüssen miteindenkt und z.B. sichtbar macht: 2 gute Abschlüsse können viel wertvoller sein als 15 schlechte. Bildet xG die Realität exakt ab – nein? Bildet es die Realität exakter ab als andere Statistiken und lässt es sich darum für eine valide Einordnung des allgemeinen Spielvermögens nutzen – absolut.

AG 25. Januar 2021 um 21:46

Und noch ein paar Links, die müssen meist erst freigeschaltet werden.
Stürmer in der Premier League mit Toren über/unter xG gegen Schüsse:
https://twitter.com/jair1970/status/1350154256721072132
Das gleiche für Liverpool, bis vor kurzem mit 80 Schüssen ohne Tor!
https://twitter.com/jair1970/status/1352692008331206657
Aktueller Artikel von Statsbomb, wie deren Verknüpfung von Daten mit Analyse aussieht:
https://statsbomb.com/2021/01/english-players-abroad-german-bundesliga/

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knorke 27. Januar 2021 um 07:20

Nö, so funktioniert Wahrscheinlichkeitsrechnung. Hast du 10 Chancen a 20% machst du mit 99,99% Wahrscheinlichkeit ein Tor. Es gibt nicht umsonst Trainer, die auf Chancenwucher setzen und auch schlechte Abschlusspositionen mitnehmen und solche die wenige, aber hochwertige Chancen favorisieren.
Nimm Eckbälle – da geht gefühlt 1 von 10 rein. Tore fallen dadurch trotzdem zahlreich, weil es eben viele Ecken gibt.

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AG 27. Januar 2021 um 07:59

knorke, das ist nicht ganz richtig. Bei einer 20%-Chance wirst du zu 80% kein Tor machen. 10 davon heißt 0,8^10 = 0,11, also 11% kein Tor, 89% ein Tor. Für die meisten Fälle gilt außerdem: viele schlechte Chancen lohnen sich weniger als wenige gute. Ist eine Wahrscheinlichkeitsrechnungssache – bei vielen Schüssen hast du eine sehr geringe Chance auf viele Tore, und eine etwas höhere Chance auf gar kein Tor als bei wenigen.

Außerdem ist 20% sehr gut, durchschnittlich sind 10-11% Tore pro Schuss für die meisten Teams. Und nur etwa 3% aller Ecken ergeben ein Tor. (Quelle: Google :D)

Antworten

TTC 27. Januar 2021 um 08:15

Aber ist das nicht auch ein Denkfehler? Das ist ja nicht wie Lotto Spielen, wo Kugeln gezogen werden und Bälle dann weggelegt werden, sondern jede Situation wird wieder „von vorne“ bewertet. D.h., dass man auch 100 mal mit einer 20% Chance aufs Tor schießen kann, man wird trotzdem bei jeden Schuss zu 80% das Tor nicht machen. Darum ist die Aufsummierung der Wahrscheinlichkeiten ein nettes Vergleichstool mMn, spiegelt aber die Wirklichkeit nur unzureichend wider, bzw. „erzählt“ es nicht die Geschichte des Spiels.

Daniel 27. Januar 2021 um 13:14

@AG
Eigentlich nicht 11% kein Tor und 89% ein Tor, sondern 11% kein Tor und 89 % MINDESTENS ein Tor. Tatsächlich sind zwei Tore das wahrscheinlichste Ergebnis in unserem fiktiven Beispiel von 10 20 %-Chancen. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung lautet:

0 Tore: 10,7 %
1 Tor: 26, 8 %
2 Tore: 30,2 %
3 Tore: 20,1 %
4 Tore: 8,8 %
5 Tore: 2,6 %
6 Tore: 0,6 %
7 Tore: 0,08 %
8 Tore: 0,007 %
9 Tore: 0,0004 %
10 Tore: 0,00001 %

>>Für die meisten Fälle gilt außerdem: viele schlechte Chancen lohnen sich weniger als wenige gute.

Das versteh ich nicht ganz. Kommt darauf an, um wie viel weniger du gute Chancen mehr hast als schlechtere bzw um wie viel die schlechten Chancen schlechter sind als die guten.

@TTC
Die Wahrscheinlichkeiten werden ja nicht aufsummiert, sondern aufmultipliziert. Die Wahrscheinlichkeit, kein Tor zu erzielen, lautet 0,8^10. Wenn du’s summieren würdest würdest du ja weit über 100 % landen.
Und das geht eben genau deshalb, weil keine Kugeln weggelegt werden und jede Situation „von vorne“ bewertet wird. Dadurch bleibt die Wahrscheinlichkeit konstant und eben deshalb kann man die immer gleiche Wahrscheinlichkeit annehmen. Im Sinne der Schulstochastik liegt hier ein Urnenmodell vor mit Zurücklegen (weil die Wahrscheinlichkeit konstant bei 20% liegt, egal wie das Experiment die Male davor ausgegangen ist) und ohne Beachtung der Reihenfolge (uns interessiert nur, wie viele Tore fallen…ob die erste und die vierte oder die neunte und die zehnte Chance im Treffer resultieren ist uns egal).

Die Probleme von expG liegen denk ich nicht in unserem bisschen Schulstochastik hier, sondern darin, wirklich Torchancen zu quantifizieren. Klar, man kann quantifizieren, wie wahrscheinlich es ist, einen Schuss aus einer bestimmten Position zu treffen. Wahrscheinlich kann man auch quantifizieren, wie viel Druck der Schütze hat (also wie viele Spieler wie nah an ihm sind oder in der Schusslinie stehen). Aber es gibt ja noch unendlich viele Faktoren mehr. Mit welcher Geschwindigkeit bewegt sich der Ball vorher, schießt der Schütze mit seinem schwachen oder starken Fuß, hoppelt der Ball, ist der Ball glitschig, ist der Schütze nach einem langen Sprint k.o. und zu guter Letzt: wer ist der Schütze überhaupt. Ein und dieselbe Chance ist für Cristiano Ronaldo oder Robert Lewandowski natürlich viel größer als für Dennis Diekmeier. Ich kann mir beim besten Willen kein Verfahren vorstellen, wie man diese Faktoren wirklich quantifizieren will, so dass ich die Fehlerrate bei der einzelnen Chancenbewertung als hoch ansehe.

TTC 27. Januar 2021 um 13:40

@Daniel
Mit Aufsummieren meine ich, und ich schaue mir grad mal einen Post von 11tegen11 an, dass die expG Werte für jeden einzelnen Schuss aufsummiert werden. Liege ich da falsch? Durch Aufmultiplizieren komme ich nicht bei einen Wert von 1.5 raus, sondern bei 0,0000015. Vielleicht mache ich aber auch nur einen Gedankenfehler.
Mein Lotto Vergleich, sollte nur zeigen, dass ich beim Lotto, egal wie oft ich ziehen muss, irgendwann meine Zahl bekomme. Beim Fussball muss das Tor auch nach 10 hochkarätigen Chancen nicht fallen. Ich habe also kein statistischen „Recht“ auf ein Tor.
Ich würde end expG tatsächlich mit dem Model der Wettervorhersage vergleichen. So wie ich das verstanden habe, werden ja historische Daten mit aktuellen Gegebenheiten verrechnet und am Ende steht eine Wahrscheinlichkeit, die aber vor allem im historischen Kontext zu betrachten ist. Wenn mir der Wetterdienst eine Regenwahrscheinlichkeit von 80% gibt, heißt das, dass es in den letzten 100 Jahren (zum Beispiel) an 80% der Tagen, die wie der heutige sind, geregnet hat. Das heißt aber nicht, dass es regnen muss. Entsprechend müsste es ja beim expG heißen: Im Schnitt sind in 1000 Spielen, die wie das jetzige gelaufen sind, 3 Tore gefallen. Da es beim Fussball nur zu sehr wenigen Toren kommt, ist der Einfluss von „Freak“ Ereignissen besonders hoch, wie beispielweise unforced erorrs, die direkt zum gegnerischen Torabschluss führen, oder auch ob Lewandowski oder Diekmeier aufs Tor schießen. Ich denke in einer Sportart wie Basketball oder Handball gleichen sich expG und tatsächlich erzielte Tore daher an, während man im Fussball wahrscheinlich einen wesentlich größeren Zeitraum betrachten muss.

In dem Zusammenhang würde mich aber auch mal interessieren, bis in welche Liga Daten ergriffen werden. Also nur Profiligen oder auch darunter.

Koom 27. Januar 2021 um 13:54

@AG: Hast du einen Anhaltspunkt, wie die durchschnittliche Bewertung einer BVB-Chance so ist?

Unabhängig davon: Wahrscheinlichkeitsrechnung ist gut, aber natürlich auch nicht die „einzige“ Wahrheit. Ich bleib mal kurz bei „meinen“ Zahlen, auch wenn die xG Werte seltener sowas wie „20%“ wären. Für mein Gedankenbeispiel sind 20% ein eher schlechter Wert, 60 oder 80% wäre toll.

Sagen wir mal eine Mannschaft erzielt 10x 20% Chancen. Nach xG also sollten ~2 Tore rauskommen. Soweit, so gut. Aber eine 20% Chance ist jetzt nicht gut. Also 10mal ne schlechte Schußchance kann auch 10x vergeben werden. Während jetzt ein Team, das vielleicht nur 3 Chancen hat, die aber jeweils hohe Erfolgsquoten haben, damit weiter kommt.

Und zusätzlich: Wenn du konstant „nur“ 20% Chancen erzielst, dann ist das auch schlecht. Deine Vorbereitung der Chancen ist demzufolge relativ schlecht. Und wenn dann die reine Anzahl geringer wird, sinkt der xG und das Ergebnis um so mehr.

Also nur zur Sicherheit: xG ist gut und ein weiterer guter Parameter um das Spiel einer Mannschaft zu bewerten. Aber wie jede Statistik muss man auch versuchen, daraus abzulesen, warum sie gerade nicht passt. BVBs (oder Liverpools) hoher xG vs. die erzielten Tore (und Gegentore). Es hilft halt nie, wenn man sich hinstellt und sagt, dass eigentlich alles gut ist, nur das Ergebnis ist schlecht. 😉

Daniel 27. Januar 2021 um 14:52

@TTC
Achso ja, sorry. Die einzelnen expG-Werte werden natürlich aufsummiert. Dein Vergleich mit der Wettervorhersage ist nicht schlecht, das trifft es schon im Kern. Und ja, die Korrelation zwischen den expected Goals Werten und einem konkreten Ergebnis ist durch die kleine Stichprobe natürlich sehr gering. Erst über einen längeren Zeitraum kann man da überhaupt Aussagen treffen. Im Basketball oder Handball wäre die beiden Werte für ein einzelnes Spiel betrachtet aussagekräftiger.

@Koom
20 % ist schon eine ziemlich hohe Wahrscheinlichkeit. Ich behaupte jetzt mal, dass die allermeisten Tore im Fußball aus Abschlüssen mit geringerer Wahrscheinlichkeit fallen und es da dann einfach die Menge macht. Die berühmte „100-prozentige Chance“ ist in den meisten Fällen nicht mal annähernd hundertprozentig. Selbst in 1-gegen-1 Duellen zwischen Stürmer und TW, die die besten halbwegs häufig vorkommenden Chancen im Fußball sind, behält der Torhüter meinem Eindruck nach in mindestens 50 % der Fälle die Oberhand.

„Also 10mal ne schlechte Schußchance kann auch 10x vergeben werden. Während jetzt ein Team, das vielleicht nur 3 Chancen hat, die aber jeweils hohe Erfolgsquoten haben, damit weiter kommt.“
3 gute Chancen können ebenso gut dreimal vergeben werden wie 10 schlechtere zehnmal vergeben werden können. Ist das Gleiche in Grün. Siehe Mainz 05, die in Bochum drei Elfer hintereinander versemmelt haben 😉 Der Vorteil von zehn mittelguten Chancen bestehen darin, dass daraus mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sogar mehr als drei Tore werden können. Die Chance gibt’s bei der ersten Variante natürlich nicht. Aber letztlich bringt diese ganze Überlegung nichts, solange man nicht spezifiziert, wieviel besser die bessere Chance im Vergleich zur schlechteren ist.

Aber ja, du hast natürlich recht. xG ist nicht die Wahrheit, sondern nur ein Modell zur Annäherung an die Wahrheit. Entsprechend muss man es interpretieren. Dass alles gut ist, nur das Ergebnis schlecht, kann aber über einen Zeitpunkt von ein paar Wochen schon durchaus mal sein. Wobei wie gesagt die Schwächen des Modells meiner Meinung nach in der Erhebung der Daten liegen, nicht in der stochastischen Auswertung.

AG 27. Januar 2021 um 17:34

Viel gibt es ja nicht mehr zu Daniel hinzuzufügen 😉 Leider ist die Qualität der Modelle wirklich entscheidend, und da gibt es schon Unterschiede. Ich lobe hier sehr gerne Statsbomb, weil die transparent sind und sehr viel darüber erzählen, was in ihr Modell eingeht und wo sie besser als die Konkurrenz sind. Leider natürlich eingeschränkt, da die damit Geld verdienen, aber sie stellen sogar manche ihre Daten umsonst zur Verfügung, z. B. die WM 2018 oder alle Messi-Spiele. Programmieren müsste man können…

Im Prinzip kommt die größte Stärke von xG auch erst über größere Datenmengen, die Daniel sagt. Aber sie erlauben dir halt, mehr als nur die Tore zu zählen, und das noch recht objektiv. Das ist sicher nicht das einzige Kriterium, sei es bei der Bewertung einer Mannschaft oder eines Spielers, aber es ist viel mehr als nur reine Tordifferenz (oder Punkte). Und das sollte man eben mit einbeziehen in die Entscheidungsfindung – wenn man Favre wegen des schlechten Stils rausschmeisst, oder weil man sogar noch mehr mit diesem Team erwartet, okay. Aber wenn er entlassen wird, weil die Ergebnisse nicht stimmen, während das Team die beste xG-Differenz der Liga hat, und dazu noch der Stil geändert werden soll, klingt das brandgefährlich für mich. Stimmt die Performance / die xG, kannst du hoffen und erwarten, dass es wieder besser laufen wird (natürlich immer nur mit einem gewissen Risiko). Wenn aber viel geändert werden soll, und auch noch von einem unerfahrenen Trainer (der aber eigentlich vorher Co-Trainer und damit involviert am vorigen Stil war), ist da ein echtes Risiko, dass die Performance schlechter wird.

Daniel, du hast dich übrigens vertan. Eine xG-Summe von 2,0 aus 3 Schüssen führt zu etwas mehr erwarteten Punkten als aus 10 Schüssen, da dir ein Sieg um viele Tore keinen Vorteil bringt, im letzteren Fall aber die Chance auf kein Tor höher ist. Siehe 3 Schüsse mit 2/3 xG jeweils:
0 Tore: 3,7%
1 Tor: 22,2%
2 Tore: 44,4%
3 Tore: 29,6%
Das ausrechnen der Punkte gegenüber deiner Rechnung oben erspare ich mal, ist aber nicht 50%!

Daniel 28. Januar 2021 um 02:22

@AG
Hm, um aus den xG-Werten Punkte zu machen bräuchte man doch auch die des Gegners, oder? Insofern kann man gar nicht sagen, welcher Fall besser wäre. Oder mach ich da grad nen Denkfehler? Expected Points werden auch meines Wissens nach nur von understat erhoben, wobei ich keine Ahnung habe, wie die das berechnen.

Koom 28. Januar 2021 um 10:06

> Wobei wie gesagt die Schwächen des Modells meiner Meinung nach in der Erhebung der Daten liegen, nicht in der stochastischen Auswertung.

Sehe ich auch so. Generell ist Wahrscheinlichkeitsrechnung prima, sie eignet sich nur meistens nicht für ein Einzelergebnis, sondern mehr für einen größeren Zeitraum. Moneyball lässt grüßen.

Und ja, die Erfassung dieser Werte und Bewertung derselben ist der Schwachpunkt. Also nicht wirklich „Schwachpunkt“, aber hier sind eben die Sachen, die die man wissen muss, um korrekte Schlüsse draus zu ziehen. Das betrifft ja auch andere statistische Werte, die eben idR immer noch von Menschen erfasst werden. Aber auch da: der 80:20-Ansatz ist meistens ausreichen (also wenn 80% der Daten ok sind).

Noch mal kurz zu den Chancenbewertungen:
Ich sage ja auch immer, dass Fußball einen großen Glücksanteil hat. Mit Taktik und Training kann man den Anteil senken, aber am Ende des Tages ist auch immer noch Glück dabei. Wenn selbst mehrfache Weltfußballer wie Ronaldo und Messi nicht jeden Ball passgenau rechts oder links in den Winkeln buttern können, ist der Glücksfaktor groß. Wir reden halt immer von einem Spiel, bei dem der Mensch versucht, mit einem seiner gröbsten, ungenauesten Körperteile unter hohem Druck, Tempo und Belastung einen Plastikball, der bei Luftdruck, Spielzeit, Luftfeuchtigkeit und Beschaffung seine Eigenschaften verändert, punktgenau an einen bestimmten Ort in hohem Tempo zu bewegen. Beim Dribbeln geht das (aber auch da spielt der Rasen mit), beim Schießen gibt es selbst bei Superprofis viel Streuung.


AG 25. Januar 2021 um 09:42

Was wäre, wenn beim BVB alles in Ordnung wäre außer den Ergebnissen? Laut fbref.com/Statsbomb haben sie immer noch die beste xG-Differenz der Liga, und vielleicht ist das einfach monumentales Pech, so wie Klopps letzte Saison in Dortmund. Vermutlich reicht es für die Champions League, wenn auch leider nicht mehr. Allerdings hast Du trotzdem Recht, CE, der Trend zeigt nach unten und das ist der schlechteste Lauf nach xG (außer gegen Stuttgart).

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[email protected] 25. Januar 2021 um 10:18

Man kann aber ja im Spiel Fehler sehen, wie z.B. ungute Abstimmung, schlechte Positionierung, fehlendes Gegenpressing.

Gerade Favre kam immer wieder mit dem Satz, dass das Gegenpressing oder sogar Pressing nicht gut gemacht würde. Das hat er in zig Aussagen in verschiedenen Pressekonferenzen über mehr als ein Jahr gepredigt – intern wird er es wohl auch mal erwähnt haben. 😉

Wenn Haaland nicht dabei ist, fehlt es dann auch offensiv sehr deutlich, man hat kein Offensivsystem, was zu Toren führt, sondern man kann gut ins zweite Drittel spielen. Aber ab da klemmt es immer wieder: wenn der Gegner nicht öffnet, passiert offensiv dort praktisch nichts mehr: viele Spiele enden dann ohne ein selbst geschossenes Tor.

Die Ballverluste dort, werden viel zu teuer bestraft, da der Gegner viel Platz und Zeit hat einen langen Pass zu spielen.

Beides sah man wunderbar z.B. gegen Augsburg oder Köln: stellt sich eine Mannschaft defensiver auf und setzt auf Konter und Standardsituationen, hat man den BVB schon fast besiegt. Das Rezept ist so billig und die Fehler schreien einen ja an, die man in diesen Situationen sieht.

Dazu nur Pech zu sagen, da würde ich dann eher erwidern, dass die Statistik da zu wenig aussagt. Gegenpressing beispielsweise wird wo erfasst in der Statistik? Raumaufteilung wird wo erfasst in der Verteidigung? Auch Freilaufverhalten zum Anbieten einer Anspielstation wird wo erfasst?

Man kann sicher sagen, dass Dortmund eigentlich absolut gesehen nicht viel fehlt, aber die Spieler müssten konsequent über 90 Minuten einem Plan bedingungslos folgen und das tun sie nicht.

Ob das dann Kommunikationsprobleme auf dem Platz sind, ob das Motivationsprobleme sind, ob das körperlich/geistige Probleme sind, muss ein Trainer analysieren. Es mag ja auch sein, dass das Vermögen oder das Vertrauen fehlt bei einigen Spielern 90 Minuten sehr hohe Leistung abzurufen.

Hohe Leistung meint: stell dich an den richtigen Ort, mach den richtigen Weg, mit der richtigen Intensität über 90 Minuten. Glaube dran, dass es sich lohnt, dass du das machst. Stehenbleiben, wenn eine Umschaltsituation entsteht, ist offensichtlich immer falsch.

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AG 25. Januar 2021 um 11:21

Versteh mich nicht falsch, auf eine Zahl das zu reduzieren ist auch nicht alles. Ich möchte aber schon einen Denkanstoß geben, dass oft das Ergebnis überinterpretiert wird und Pech zu einem Narrativ hochstilisiert wird. Wenn all diese Dinge, die du beschreibst, passieren, und sie trotzdem die besseren Torchancen als die Gegner rausspielen, scheint es ja doch nicht so schlecht zu laufen. Selbst, wenn die nicht verwandelt werden – da ist leider einige Schwankung und Glück dabei.

Gegenpressingversuche und -erfolge werden übrigens definitiv erfasst, wenn auch oft nicht öffentlich gemacht. Raumaufteilung in der Defensive ist eine Sache, die nicht einfach ist, zumindest mittlere Positionen ohne Ballbesitz gibt es aber sicher. Einen Hinweis darauf, wie erfolgreich das ist, geben zugelassene Schüsse oder direkt zugelassene xG 😉

Was ich mir letztlich wünsche, ist eine Analyse, die solche Statistik berücksichtigt und mit diskutiert. Oder kannst du mir erklären, warum Zweikampfquoten und Laufkilometer, die schwer zu messen sind und dubiose Aussagekraft für die Zukunft haben, Standard sind, Schüsse und xG hingegen Ausnahmen?

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Koom 25. Januar 2021 um 12:16

Korrigiert mich, aber: Expected Goals sagt ja primär aus, wie oft und wie gut ich zum Torabschluss komme. Rein danach ist es ok, wenn der BVB gut ist und die Aussage wäre korrekt, dass man da unter der Erwartung bleibt.

Aber das ist halt auch nur eine Statistik. Schon eine, auf die man sich berufen kann und die was aussagt, aber zwischen den Torchancen liegt jede Menge Spiel. Und wenn die Gegner ihre Tore erzielen und eigentlich genau auf oder „über“ den Erwartungen liegen, dann ist das ja auch eine Aussage.

Ich verstehe aber auf jeden Fall, wo du hin willst und das ist wohl auch nicht falsch. Es war jetzt sicherlich auch ergebnispech, gerade gegen Gladbach. Aber es ist gefährlich, es nur darauf zu münzen.

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Daniel 25. Januar 2021 um 12:46

AG spricht von der xG-Differenz. Da ist also die andere Seite schon auch mit eingepreist. Sowohl wie der BVB selbst zum Abschluss kommt als auch wie die Gegner gegen den BVB zum Abschluss kommen. Und hier fällt auf, dass der BVB bisher fast sechs Tore mehr geschluckt hat als statistisch zu erwarten wäre.
Wie so oft liegt die Wahrheit wohl irgendwo in der Mitte. Sicherlich spielt der BVB diese Saison nicht so, wie das zu erhoffen bzw zu erwarten war. Allerdings spielt er deutlich besser als er derzeit in der Tabelle steht, da sind wir uns denke ich alle einig. Was aber gefährlich werden kann, manchmal führt die Verunsicherung über eine Ergebniskrise in eine tatsächliche spielerische Krise (siehe Klopps letztes Jahr). Vermutlich aber wird sich der BVB berappeln und als Dritter das Mindestziel CL noch relativ locker erreichen. Schon weil da einige Mannschaften dabei sind, die derzeit auch klar überperformen.

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AG 25. Januar 2021 um 17:56

Tatsächlich ist das Gladbachspiel ein schlechtes Beispiel für meine These, nach xG (fbref/Statsbomb) lag da Gladbach mit 1.8 zu 1.2 vorn. Trotzdem: eine xG-Differenz von fast +1 Tor pro Spiel ist verdammt gut. Wenn Terzic das halbwegs halten kann, wird der BVB bis zum Ende der Saison auch wieder Ergebnisse liefern.

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knorke 27. Januar 2021 um 07:26

Blöd nur dass laut undertstat die xPTS pro Spiel für Dortmund von 2,0 auf 1,8 abgesunken ist seit Terzic am Ruder ist. Immer noch besser als die realen Ergebnisse, aber spricht nicht unbedingt für eine Trendwende. Nun kommen leichtere Gegner, vielleicht rückt das die Verhältnisse grade.

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