Schalker kaum am Ball

3:1

Wenig Ballbesitz und wenig Aufbau, dafür zwei Gegentore aus frühen Ballverlusten – Schalke hatte Probleme. Bei den Bayern macht sich die Raumbesetzung zwischen Flügel und Halbraum gut, kommt im Zentrum aber unstetig daher.

Einige Ballverlustszenen gegen mannorientierte Defensive

Entsprechend der typischen Erwartung, in München zunächst die Defensive stärken zu müssen, präsentierte sich bei Domenico Tedescos Schalkern die Aufstellung: Serdar auf dem Flügel, Doppel-Sechs, Bentaleb nominell als Zehner. In der Frühphase der Begegnung ergaben sich zweimal im Anschluss an Ballverluste Gegentore für die Gäste, ohne überhaupt allzu viele Aufbauszenen zu haben – eine ungünstige Konstellation aus Sicht der „Königsblauen“.

In beiden Szenen nahmen sie sich gewissermaßen gegenseitig den Raum, weil es jeweils ballfordernde Tiefenbewegungen gab, deren Einbindung in den gesamtmannschaftlichen Rahmen untereinander nicht abgestimmt erfolgte. Insgesamt kam in jenen Fällen etwas zu viel der Kleinräumigkeit heraus gegen Bayerns sehr mannorientierte Spielweise. Beim Team von Niko Kovac halten sich die Achter des 4-1-4-1 schon vergleichsweise hoch gegen den Ball, wenn die gegnerischen Sechser zurückgezogen positioniert sind.

Vor allem im Mittelfeld werden viele Bewegungen weiträumig verfolgt, als tiefster Spieler kann sich Thiago – oder auch mal Goretzka zum Beispiel gegen Abstöße – vermehrt tiefer knapp vor die Abwehrreihe staffeln. Inwiefern die simplen Elemente dieser Organisationsform anfällig sein können, deutete sich in Einzelszenen an, in denen Schalke mal mit einem gewonnenen Dribbling sofort reichlich Raumgewinn erzielte.

Eigentlich lange Bälle und Präsenzeinbußen

Über weite Strecken der ersten Halbzeit versuchten die Königsblauen aber gar nicht nachdrücklich, die engen Münchener Deckungen aufzuspielen. Sie vermieden die größere Umformung im defensiven Mittelfeld oft oder brachen diese schnell wieder ab, griffen vielmehr früh zum langen Ball, wenn der Gastgeber zustellte, bzw. Fährmann griff zum langen Ball.

Die tiefen Unterstützungspositionierungen von der Sechserposition halfen Bayern, dass Schalke die Folgeaktionen nur selten unter Kontrolle bringen konnte. Dementsprechend verloren die Gäste über die langen Bälle viele Spielanteile, es ergab sich ein besonders hohes Übergewicht für die Münchener. Mittlerweile gelingt es schon deren Ballbesitzspiel wieder deutlich stabiler, sich Dominanz zu erzeugen, auch wenn es beileibe noch nicht alle seine Probleme aus dem bisherigen Saisonverlauf überwunden hat.

Umtriebiges Mittelfeld unstetig im Timing

Prägend war für die letzten Wochen die Tendenz des Mittelfelds, sich viele Bälle weit hinten abzuholen. In dieser Partie geschah das vor allem herauskippend auf die halblinke Seite, meist durch James, gelegentlich auch durch Goretzka. Mitunter zogen beide Achter zur selben Zeit nach hinten und ließen dadurch die Verbindungsräume verwaisen. Das fand jedoch nicht wie oft bei Ancelotti in einer umgeformten Ausgangsstruktur statt, sondern punktuell und aus den einzelnen Bewegungen heraus.

Im Mittelfeld scheint die Organisation bei den Münchenern eher von geringer Festigkeit: Dem grundsätzlichen Muster nach pendelt James viel weiträumig diagonal und setzt sich dann oft für Verlagerungen um die letzte Linie ab, Goretzka bewegt sich demgegenüber vertikaler nach vorne, entweder sehr früh in den Angriffen oder in Momenten kleinen Raumgewinns für mögliche Nachstöße im ballfernen Halbraum zum Strafraum. Dies bildet eine der wenigen Konstellationen, in denen bestimmte Situations- mit bestimmten Bewegungsmustern beantwortet werden.

Meistens finden die verschiedenen Läufe aber zu unbestimmten (oder fast willkürlichen) und dann teilweise seltsamen Zeitpunkten statt. Sie stehen nur bedingt in Einklang mit dem Umfeld der jeweiligen Szene, können dann leicht mal ziellos werden und in peripheren Räumen enden. Dadurch ist insgesamt die Raumbesetzung in den zentralen Räumen unzuverlässig, an Schlüsselstellen also manchmal unvollständig. Darin liegt ein Nährboden für inkonstante Phasen.

Gnabry und Coman in Schnittstellen

Sehr engagiert gestalten sich aktuell die Bewegungen der offensiven Flügelspieler. Das betrifft insbesondere das Einrücken in Mittelfeldschnittstellen im Halbraum. Mit ihrer Spielweise betreiben Gnabry und Coman dort hohen Aufwand, orientieren sich fokussiert in jene Zonen und generieren sich so allein quantitativ einiges an Präsenz. Zwar taugen die Anschlussbewegungen, aktuell bei Coman nicht in der gezielten Selbstverständlichkeit, noch zum potentiellen Knackpunkt.

In diesen Bereichen kamen die Bayern aber dennoch zuletzt zu manchen guten Ansätzen. Nicht zuletzt viele Aufbauaktionen von Hummels halfen dabei, auch etwas kleinere und knappere solcher von den nach innen geschobenen Flügeln besetzten Zwischenräume überlegt und rational anzuspielen. Zusammen mit den umtriebigen – und in dieser Begegnung teilweise fast zu präsent nach hinten gerichteten – Bewegungen Lewandowskis sorgte jenes Einrücken von Gnabry und Coman abermals dafür, den Gegner im defensiven Mittelfeld zu beschäftigen.

Die Breite für die Zirkulation freimachen

Das erleichterte den Bayern die Ballverteilung nach außen noch etwas mehr. Auch über die herauskippenden Tiefenbewegungen der Achter verlagert sich der Ballvortrag schon ein Stück weiter auf die seitlichen Zonen. Vor allem trägt aber schließlich die Nutzung eingerückter Positionierungen der Außenverteidiger als eine andere Variante dazu bei, das Leder nach außen zu bringen und dort aufrücken zu können.

Insbesondere auf der rechten Seite mit Kimmich kommt dieser Zug zum Tragen, nicht zuletzt auch in der Rückzirkulation. Der gegnerische Außenspieler kann enger gebunden werden, um so den diagonalen Passweg direkt auf den eigenen Flügelstürmer zu öffnen, der in diesem Fall dementsprechend breiter agiert. Derartige Abläufe gewinnen bei den Bayern so langsam (wieder) an Selbstverständlichkeit hinzu, auch das Timing verbessert sich. Nachdem Konoplyanka bzw. Serdar nach innen gedrückt waren, konnten die Münchener das Spiel einige Male öffnen und sich außen nach vorne arbeiten.

Frühe Unterstützung des ballnahen Sechsers

Wenn einer der Achter tiefer aus dem Halbraum eröffnete, reagierte Schalke häufig so, dass der ballnahe Sechser schon frühzeitig mit weit nach außen durchschob. Das bedeutete prinzipiell eine schnellere Absicherung und Präsenz am Flügel, während der Offensivspieler etwas länger eine engere Position für etwaige sich ergebende Konter halten konnte. Sehr ähnlich hatte das unter der Woche schon die Hertha im Pokal gespielt, allerdings noch fokussierter und sauberer in den Umschaltpositionierungen, dafür insgesamt mannorientierter.

Das Defensivverhalten der offensiven Flügelspieler startete in breiteren Positionen bei den Königsblauen nicht so abgetrennt, insgesamt verschoben sie geschlossener und normaler im zweiten Drittel, eigentlich standen sie damit auch etwas kompakter als die Hauptstädter. Rein zahlenmäßig hört es sich vielversprechend an, den ballnahen Sechser schon früh quasi als „dritten“ Spieler mit in der Flügelverteidigung und den Offensivmann davor etwas mehr über dem Halbraum zu haben.

Allerdings ließen sich die Schalker in dieser Konstellation auch immer wieder dazu verleiten, nur noch mit diesem Trio die eigentliche Verteidigungsarbeit zu führen. Der restliche Verbund besetzte zwar die Positionen dahinter und schob grundsätzlich nach, aber reagierte dann nicht mehr auf die Zugriffsmomente. Das frühe Herausschieben des Sechsers führte also immer mal dazu, dass Schalke sich in ein 3gegen2/2gegen2 oder 3gegen3 abtrennen ließ, wo sie sich gruppentaktisch teilweise ungeschickt anstellten.

Ergänzungsläufe in Zwischenlücken am und um den Flügel

Gerade einige explosive Horizontalläufe von James unterstützend in eigentlich isolierte und schon zu dichte Flügelszenen ermöglichten kurze Überzahl in den ungünstigen Räumen und damit doch noch manchen erfolgreichen Dreiecksspielzug vom Flügel. Vielversprechend waren für die Münchener in der Anfangsphase die Räume zwischen dem ballnahen Schalker Sechser und dessen zentral absicherndem Kollegen, in die die Achter oder Lewandowski nach Querpässen stoßen konnten.

Als der andere Mittelfeldmann horizontal weiter mit nach innen rückte und Schalke eher im ballfernen Halbraum Präsenz hergab, wurden die Gäste im letzten Teil der ersten Halbzeit im Verteidigungsmoment direkt ein Stück stabiler. Sie mussten Bayern zwar weiter längere Zirkulationsstafetten in den vorderen Zonen gewähren und blieben auch durch das einrückende Raumsuchen der Flügelstürmer gefordert, aber ließen weniger zu.

Bayern wechselt später zur Doppel-Sechs

Auch die Gastgeber sollten sich später anpassen gegen den Ball: Im Laufe der zweiten Halbzeit wurde deutlich, dass Goretzka sich tiefer neben Thiago einreihte. Dadurch veränderten sich die genauen Zuordnungen für die Defensivarbeit, waren weniger klar an den einzelnen Gegenspieler ausgerichtet und erforderten mehr Aufwand im Übergeben.

Die beiden tieferen Akteure hielten sich zunächst um Schalkes offensiven Mittelfeldmann herum. Der ballnahe Spieler rückte dann für möglichen mannorientierten Zugriff diagonal auf und richtete sich eher am Passweg aus. Sein Nebenmann wiederum hatte die beiden anderen Gegner im Blick, um bei Bedarf für den Zugriffsübergang entweder horizontal einzuschieben oder nach vorne herauszurücken. In der Umsetzung und Abstimmung funktionierte das recht flüssig, so dass dadurch tatsächlich die nominell stärkere Tiefenpräsenz und Absicherung zur Geltung gebracht wurde.

Die Schalker versuchte in dieser Phase vermehrt über den von der Flügelposition in den rechten Halbraum zurückfallenden Harit anzukurbeln und verbuchten so auch einige Ansätze. Allerdings übergingen sie in diesen Bemühungen zunehmend die raumausschöpfende Einbindung des Mittelfeldmannes im ballfernen Halbraum, büßten so wieder etwas Präsenz ein und erleichterten vor allem den Münchenern deren Umstellung der eigenen Organisation und Aufteilung in der Zentrale. Damit brachten diese das Ergebnis in einer von beiden Seiten mit mancher Nachlässigkeit geführten Schlussphase ins Ziel.

Daniel 12. Februar 2019 um 11:50

Ich hoffe für Schalke, dass das nicht alles ist, was sie im Spiel gegen den Ball zu bieten haben. So wird man bei einem Pep-Team 7:0 zerlegt.
Zu Bayern: das war jetzt wohl die momentan spielerisch stärkste Variante, mit Thiago, James, Coman, Gnabry, Kimmich und dahinter Hummels und Boateng. Ohne Martinez und Müller deutlich mehr Ballkontrolle im Zentrum und keine Altstars auf den Flügeln, die dauernd den Ball fordern und verlieren (Rib) oder zur Mitte ziehen, keine Lücke finden und einen Rückpass spielen (Rob). Sah mal wieder ganz ok aus und führte gemeinsam mit den Ergebnissen der Konkurrenz zu einem überraschend erfreulichen Spieltag 🙂 Hoffentlich darf die Mannschaft jetzt öfter in dieser Formation spielen, die die weiter bestehenden Defizite im Positionsspiel und Spielaufbau durch individuelle Klasse teilweise zu überdecken vermag.

Antworten

kalleleo 13. Februar 2019 um 12:10

Schalke wird wohl so oder so nix zu lachen haben, da sie ja im ersten Spiel zuhause tendenziell auch eher erstmal selbst was zeigen muessen. Das wird gegen den hohen Druck, den ManCity ausuebt, ein ziemliches Problem werden.

Bei Bayern bin ich gespannt, wie sie sich gegen das 4-3-3 von Liverpool organisieren und ob sie da versuchen werden das Spiel unter Kontrolle zu bekommen oder mit hau-ruck Fussball spielen.

Antworten

Schreibe einen Kommentar zu kalleleo Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*