Leipzig gerät im Vélodrome unter die Räder

5:2

Nach dem knappen Heimsieg im Hinspiel kassiert RB Leipzig in Marseille fünf Gegentore und scheidet verdient aus der Europa-League aus. Alles Relevante zum Rückspiel im Überblick:

  • Sowohl Leipzig als auch Marseille nutzten eine Grundordnung mit drei zentralen Verteidigern.
  • Beide Mannschaften agierten vornehmlich im Mittelfeldpressing.
  • Obwohl beide Mannschaften einen spielorientierten Ansatz wählten, gelang es beiden aus dem eigenen Spiel mit Ball kaum zu guten Torchancen zu kommen. Tore fielen entweder nach Standards oder aus Umschaltaktionen heraus.

Marseille mit Ball: Spielorientierter Ansatz ohne wirkliche Durchschlagskraft

Aufstellungen und Offensivmuster

Im Spiel mit Ball agierte Marseille aus einer 5-2-3-Grundordnung heraus. Dabei interpretierten die beiden Außenbahnspieler Sarr und Amavi ihre Rolle unterschiedlich, was ihre Spielweise in der Offensive anbelangte. Während Sarr weit mit nach vorne aufrückte und im Stile eines Flügelspielers agierte, verhielt sich Amavi eher wie ein offensiver Außenverteidiger. Entsprechend dieser Spielweise war auch das Verhalten der beiden Flügelspieler Payet und Thauvin abgestimmt. So rückte Thauvin häufig als zweite Spitze neben Mitroglou und diente im Übergangsspiel anderenfalls als tiefe Anspielstation auf dem Flügel, wenn dieser nicht von Sarr besetzt werden konnte. Payet auf der linken Seite agierte ebenfalls ins Zentrum gezogen. Seine Rolle war dabei aber deutlich tiefer und spielmachender ausgelegt. Im Laufe des Spiels orientierte er sich mal mehr und mal weniger stark in die Mitte oder rückte gar auf die rechte Seite, um dort Halbraum und Flügel zu überladen.

Im Aufbau agierten die beiden Sechser Sanson und Lopez grundsätzlich vor der Dreierkette aus Kamara, Gustavo und Sakai. Beide positionierten sich vornehmlich auf Lücke, hielten dabei aber grundsätzlich Kontakt zur ersten Aufbaureihe.

Im Übergangsspiel wählte Leipzig anschließend Wege über die Flügel oder die Halbräume, um nach vorne aufzurücken und zu Torchancen zu kommen. Für besonders viel Durchschlagskraft sorgte das gegen Leipzigs Defensive aber nicht.

Marseille gegen den Ball: Zentrum dicht und gegen den Mann

Gegen den Ball interpretierte Marseille die 5-2-3-Grundordnung als Mittelfeldpressing und bediente sich vieler direkter Zuordnungen. Das führte dazu, dass neben 5-2-3-, auch häufig 5-2-2-1- oder 5-3-2-Staffelungen zu beobachten waren. Dabei stellten die Franzosen ihre Gegner im Zentrum grundsätzlich zu und pressten diese nicht erst mit dem Pass. So sollte Leipzig gezwungen sein, im Übergangsspiel auf die Flügel auszuweichen. Dort ließen Sarr und Amavi ihre Gegenspieler zunächst frei, um sie anschließend mit dem Anspiel zu pressen.

Leipzig mit Ball: Vertikales Spiel gegen Fünferketten ist nicht einfach!

Auch Leipzig agierte aus einer Grundordnung mit drei zentralen Verteidigern, organisierte aber das Mittelfeld und den Angriff anders. Neben Demme auf der alleinigen Sechs gab es mit Keita und Kampl zwei Spieler auf der Doppelacht. In vorderster Linie spielten mit Augustin und Sabitzer zwei Spitzen, wobei Sabitzer sich häufig aus dem Sturmzentrum herausbewegte und vor allem im Spielaufbau und im Übergangsspiel zurückfiel. Sowohl Klostermann als auch Bruma rückten bei Angriffen konsequent mit nach vorne, wobei beide unterschiedlich agierten. Während Bruma mit Ball häufig Wege zur Mitte suchte und viele direkte Duelle forcierte, rückte Klostermann vornehmlich auf, um für Breite in der letzten Linie zu sorgen und als Durchbruchspieler für Angriffe über den Flügel zu fungieren.

Aus dem Aufbauspiel versuchte man ebenfalls flach nach vorne zu kommen. Demme agierte dabei nahe der Aufbaureihe. Im Übergangsspiel erzeugte man bereits eine hohe Präsenz in vorderster Linie, wobei Bruma und Klostermann weit aufrückten. In Verbindung mit der vertikalen Spielanlage im Übergangs- und Angriffsspiel führte dies weniger zu akuter Torgefahr, sondern vornehmlich zu fehlender Stabilität im defensiven Umschaltmoment.

Leipzig gegen den Ball

RB behielt die eigene Grundordnung aus dem Spiel mit Ball im Spiel gegen den Ball ebenfalls bei. Die Bullen wählten dabei wie Marseille grundsätzlich ein Mittelfeldpressing. Augustin und Sabitzer pressten die Aufbau-Dreierkette aus Marseille in der Regel erst nach einem Anspiel, um Passlaufwege ausnutzen zu können, und beschränkten sich in der ersten Phase des Pressings darauf, Marseilles Sechser in den eigenen Deckungsschatten zu nehmen und so das Zentrum nicht bespielbar zu machen.

Dahinter rückte je nach Situation einer der beiden Außenspieler oder einer der Achter nach vorne heraus. Die Mittelfeldreihe aus Achtern und Sechser spielte dabei als Kette und orientierte sich entsprechend zunächst im Raum, um in Situationen, in denen man Zugriff erzeugen konnte, gegen den Mann zu spielen.

Zur Chronik des Spiels

Nach der frühen Führung in der zweiten Spielminute durch Bruma antwortete Marseille schnell. Im Anschluss an eine Ecke fiel der Ausgleich durch ein Eigentor von Ilsanker bereits vier Minuten später. In der neunten Minute war es schließlich Sarr, der im Anschluss an eine Ecke der Leipziger und dem darauffolgenden Konter erfolgreich war. Noch vor der Halbzeit gelang Thauvin schließlich der dritte Treffer für Marseille – diesmal nach einem Freistoß.

Mit Beginn der zweiten Halbzeit organisierte sich Marseille gegen den Ball in einem 5-4-1. Gegen die Leipziger wollte man fortan vor allem Umschaltaktionen nutzen, um die Vorentscheidung zu erreichen. Doch zunächst kam es anders: In der 55. Minute stellte Leipzig durch Augustin auf 3:2, ehe Payet nach einer Stunde zum 4:2 für die Hausherren traf. Leipzig versuchte das fehlende Tor in der Schlussphase dann durch die Änderung der Grundordnung auf 4-3-1-2 zu erzwingen. Das 5:2 gegen Ende der Partie durch Sakai änderte nichts mehr.

Fazit

Wie bereits in der Einleitung konstatiert: Leipzig schied gegen Marseille zurecht aus der Europa League aus. Als Argumente lassen sich diesbezüglich die Schwäche bei defensiven Standards sowie die Tatsache, dass Leipzigs offensive Spielweise wenig zum Gegner passte und die Deutschen so durchgehend in eine strategisch unterlegene Lage brachte, anführen.

Peda 18. April 2018 um 14:48

Kurz und knackig zusammengefasst, danke dafür!

Marseille hat – soweit ich das jetzt sehen konnte – in dieser Saison abgesehen von diesen beiden Duellen praktisch nie mit einer Dreierkette gespielt. Was machte die Umstellung gerade gegen Leipzig notwendig bzw. lukrativ?

Und auf der anderen Seite: warum veränderte man auf Leipziger Seite die Grundordnung, wenn man doch im Hinspiel eine sehr gute Ausgangssituation herausspielen konnte?

Antworten

AG 18. April 2018 um 18:30

Ich hatte schon beim Hinspiel den Eindruck, dass Leipzig eher glücklich mit dem 1:0 war, das hätte auch anders ausgehen können. Marseille hat konsequent das Zentrum zugemacht, und Leipzigs Versuche, mit Vertikalpässen durch die Verteidigung zu kommen, sind praktisch immer an der Dreierkette hängen geblieben. Die Konter von Marseille waren dafür immer tödlich, so hat Leipzig ja dann auch verloren.

Antworten

Mr. Big 17. April 2018 um 20:08

Hallo! Zunächst mal will ich sagen, dass ich eure Analysen zwar seit geraumer Zeit lese, aber dennoch meist nur nur den sprichwörtlichen „Bahnhof“ verstehe.
Dennoch finde ich eure Analysen super und mich definitiv besser informiert,als wenn ich irgendwelche 08/15-Seiten lese. Dafür ein herzliches Danke.

Ich habe eigentlich schon seit letzter Saison, aber endgültig seit der Diesjährigen das Gefühl, dass die Bundesliga sich relativ zu den anderen „großen“ Ligen verschlechtert. Ich fände es interessant, wenn ihr mal einen Artikel machen könntet, in dem ihr auf die Ursachen dieser Entwicklung eingeht.

Antworten

JK 16. April 2018 um 10:19

Die Formation wäre dann wohl ein 1-1-1-1-1-1-1-1-1-1.

Antworten

Fachmann 16. April 2018 um 01:47

Hallo RT,

so sehr ich die SV mag, so sehr übertreibt und theoretisiert ihr eure Analysen gelegentlich. Und genausoweit von der Realität sind eure Analysen gelegentlich von der Realität entfernt. Der Witz an der hiesigen Analyse ist, daß Du mit dem zweiten Teil deines Fazits den ganzen Quatsch vorher auf den Punkt gebracht hast: Eine taktische Katastrophe seitens RB.

Gulacsi
Konaté
Ilsanker
Orban
Klostermann
Demme
Kaiser
Keita
Kampl
Forsberg
Werner

wäre die richtige Aufstellung gewesen.

Altmodisch? Ja. Unschön? Ja. Defensiv? Ja.

Wie auch immer, ihr werdet meinen Beitrag eh ned veröffentlichen, daher noch ein Hinweis: Fussball ist nicht nur Theorie, Packing oder Messi.

Antworten

tobit 16. April 2018 um 17:36

Welchen Unterschied hätte Forsberg statt Augustin denn gemacht? Und warum bist du dir so sicher, dass es das Resultat entscheidend verändert hätte?

Natürlich ist Fussball nicht nur Theorie/Taktik – hier geht es aber eben genau um diesen Teilaspekt. Der wird dann halt bis in letzte Detail beleuchtet. Dabei geht es den Autoren in den Analysen/Artikeln (meistens) explizit nicht darum, den Plan der Trainer zu beschreiben oder zu entschlüsseln, sondern darzustellen, was sich auf dem Platz aus den Wechselwirkungen der Trainer-Pläne und der instinktiven bis bewussten Handlungen der Spieler ergab. Das ist teilweise kompliziert und genügt sicherlich nicht immer höchsten journalistischen Ansprüchen (will man teilweise auch gar nicht), beinhaltet aber meistens einen wahren Kern (über einzelne Beobachtungen kann man natürlich immer diskutieren).

Warum sollte man deinen Kommentar nicht veröffentlichen? Hier wurde schon heftigstes Getrolle passieren gelassen und Kommentare in deiner Stoßrichtung liest man hier auch alle paar Wochen.

Antworten

tobit 16. April 2018 um 20:19

Fällt mir jetzt erst auf: Kaiser statt Bruma – dein Ernst? Der stand seit Januar 2017 nur neunmal mehr als 20 Minuten – nur vier Mal über 45 Minuten (davon zweimal zur Halbzeit ausgewechselt), nie über die volle Distanz – auf dem Platz und pendelte die meiste Zeit zwischen Bank und Tribüne.

Antworten

CE 16. April 2018 um 19:10

„wäre die richtige Aufstellung gewesen“ – Eine derartige Behauptung nehmen wir uns (normalerweise) nicht heraus.

„Wie auch immer, ihr werdet meinen Beitrag eh ned veröffentlichen“ – Aha.

Antworten

FAB 17. April 2018 um 08:20

… auch komisch, dass Upamecano laut Fachman herausgemusst hätte und ausgerechnet Ilsanker drin geblieben wäre. Ich denke RBL hatte tatsächlich statische Probleme, sowohl links, als auch in den Halbräumen, was man durch eine andere Formation vielleicht etwas vermindert hätte können. Noch problematischer finde ich aber (nicht nur in diesem Spiel) die vielen, unnötigen Ballverluste, viele Ungenauigkeiten in allem Möglichen (Positionsfindung, Entscheidungsfindung). Vieles ist fast gut, aber einfach ein wenig zu ungenau und ein klein wenig zu inkonsquent. nur an der individuellen Qualität kann das nicht liegen, weil genauso auch Keita und Werner trotz ihrer Qualität immer leicht fehlerhaft spielen …
Wie auch immer, dem RBL dagegen dürfte der Europa League Ausflug die Qualifikation für die Champions League gekostet haben … den BVB wird es freuen …

Antworten

Koom 17. April 2018 um 10:25

Mal abwarten. Ich traue Leipzig zu, noch mal mehr Momentum aufzubauen als den Konkurrenten da oben.

Antworten

TT 18. April 2018 um 07:26

Sehe ich ähnlich, gerade der BVB sollte sich da nicht zu früh freuen. Das könnte am letzten Spieltag noch ein richtiges Endspiel um die CL werden gegen Hoffenheim…

Aber zum Thema, ich habe das Spiel nicht gesehen und verfolge RB auch nicht so intensiv, muss ich zugeben. Die Grundausrichtung mit einer aufbauenden Dreierkette kommt daher für mich recht überraschend – warum tat man dies? Sicherung des Hinspielergebnisses, oder ist das ein „Trend“ bei RB?

Und warum überhaupt das Getrolle? Warum gibt man oben in seinen Browser „spielverlagerung.de“ ein und beschwert sich über eine taktische Analyse? Das nenne ich eine taktische Katastrophe…

Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Fachmann Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*