Es ist so eine Sache mit dem Risiko in der Bundesliga

Eine Halbzeit lang umgehen RB Leipzig und Schalke 04 routiniert die Pressingfallen des Gegners. In der zweiten Halbzeit tapsen sie hinein – mit dem schlechteren Ausgang für die Königsblauen.

Es war das Thema der Winterpause: Spielen die Bundesliga-Teams zu schlechten Fußball? Das ist eine These, die wir in der Vergangenheit auch so manches Mal verfolgt haben. Viele Themen werden in dieser Debatte vermischt: das internationale Abschneiden deutscher Teams, das fehlende Ballbesitzspiel, die Dreier-/Fünferkette.

Ein Faktor, den man bei all den Diskussionen nicht außer Acht lassen darf: Es hat einen guten Grund, warum viele Teams auf ausgefeilte Defensivpläne und eher konservatives Aufbauspiel setzen, wie Martin in unserem Podcast bereits ausgeführt hat. Die Partie Schalke gegen Leipzig war ein gutes Anschauungsbeispiel.

Defensivreihen perfekt organisiert

Grundformationen RB Leipzig gegen Schalke 04

Schalke-Trainer Domenico Tedesco machte sich in der Hinrunde einen Ruf als ausgewiesener Taktikfuchs. Sein Gegenüber Ralph Hasenhüttl ist seit Längerem als Advokat eines intensiven Pressings bekannt. Im direkten Aufeinandertreffen waren es daher nicht zufällig lange Zeit die Defensivreihen, die das Spiel prägten.

Tedesco schickte seine Elf im altbekannten 5-3-2-System auf das Feld. Offensiv rückten die Außenverteidiger vor, sodass ein 3-1-4-2 mit Max Meyer als Ankerspieler im Mittelfeld entstand. Hasenhüttls Elf agierte nicht im gewohnten 4-4-2-System, sondern lief in einem 4-3-3 auf. Hier war Diego Demme der zentrale Mann vor der Abwehr.

Beide Teams sind besonders stark darin, dem Gegner im Zentrum den Ball abzuluchsen. Schalke setzt im 5-3-2 auf ein sauberes Verschieben und auf eine zahlenmäßige Überzahl im Zentrum. Leipzig wiederum möchte den Gegner ins Zentrum lenken, um dort die Gegenspieler zu isolieren. Die Leipziger Stürmer nutzen intensiv den Deckungsschatten, um diagonale Pässe des Gegners im Aufbau zu verhindern.

Wenig Risiko

Beiden Mannschaften war zu Beginn der Partie anzumerken, dass sie hohen Respekt vor der Verteidigung des Gegners hatten. Sie vermieden es, in die Pressingfallen im Zentrum zu passen. Der Spielaufbau sollte stattdessen über die Außen stattfinden. Leipzig besetzte dazu die Flügel doppelt, auch Diego Demme rückte immer wieder nach Außen. Schalke wiederum suchte früh die Außenverteidiger oder spielte den Ball direkt aus der ersten Linie zu den Stürmern.

Es war ein Abnutzungskampf auf beiden Seiten, doch zunächst beging keine Mannschaft einen Fehler. Ballverluste im ersten oder zweiten Drittel gab es kaum. Nach Ballverlusten im letzten Drittel organisierten sich beide Teams schnell wieder. Die defensiven Pläne wurden nahezu perfekt ausgeführt, sodass es kaum Mittel gab für beide Teams, nach vorne zu rücken – typisch Bundesliga, könnte man sagen.

Selbst wenn ein Team auf dem Flügel Überzahlen herstellte, konterte der Gegner diese Überzahlen sofort. Schalke agierte mit einer pendelnden Abwehrkette, um die Flügelangriffe des Gegners zu kontern: Der ballnahe Außenverteidiger rückte weit nach vorne, um den gegnerischen Außenverteidiger unter Druck zu setzen. Auch die Achter rückten weit nach außen, sodass Leipzig nie flache Kombinationen über die Flügel starten konnte. Auf der anderen Seite agierten die Leipziger Außenverteidiger ähnlich aggressiv, sodass Schalkes Außenverteidiger kaum Zeit am Ball hatten.

Erste Fehler, erste Tore

In der ersten halben Stunde gab es angesichts dieser Konstellation kaum Torchancen. Kein Team ging mehr Risiko ein als nötig, niemand traute sich, das Spiel über das Zentrum zu eröffnen. Ein Angriff in der 36. Minute bewies, warum: Schalke traute sich zum ersten Mal, in die kompakte Staffelung des Leipziger Mittelfelds zu spielen. Es wurde sofort bestraft: Leipzig eroberte den Ball, konterte und bekam einen Elfmeter zugesprochen:

Leipzig zieht sich eng um den Ball zusammen. Schalke macht in dieser Szene den Fehler, die Szene nicht mit einem langen Ball oder einem Pass zum Torwart aufzulösen. Leipzig sucht den Zugriff, erobert den Ball und kontert.

Zur Führung sollte der Elfmeter nicht genügen, Augustin vergab vom Punkt. Doch kurze Zeit später traf Keita nach einem Flügelangriff; er stand vor dem Sechzehner völlig frei, nachdem er mit Kampl die Position getauscht hatte. Schalke glich nach einem Standard kurz nach der Pause aus (55.).

Plötzlich gehen beide Teams Risiko

Die Phase vor und vor allem nach dem Schalker Tor war von einer risikoreicheren Spielanlage geprägt. Beide Teams fingen plötzlich an, auch einmal das Spiel über das Mittelfeldzentrum zu eröffnen. Auf Leipziger Seite ließ sich Kevin Kampl öfter fallen und forderte den Ball im Zentrum. Bei Schalke war es Harit, der sich nun tiefer anbot.

Hier zeigt sich das Problem, das die Bundesliga derzeit durchzieht: Die eigenen Möglichkeiten, mit flachen Kombinationen durch enge Zonen zum Erfolg zu kommen, sind nicht groß genug, als dass sich das Risiko auszahlt. Sowohl Schalke als auch Leipzig verteidigten weiterhin kompakt im Zentrum, stellten dem Gegner Pressingfallen. Der Unterschied zu Halbzeit 1: Beide Teams passten direkt in diese Pressingfallen.

In der Folge gab es zwar kaum Torchancen nach Szenen aus dem Spielaufbau, dafür zahlreiche gefährliche Konter durch Ballgewinne im zentralen Mittelfeld. Es waren die Leipziger, die in der Folge diese Ballgewinne besser ausspielten. Hier machten sich die Einwechslungen von Werner (63., für Augustin) und Poulsen (67., für Keita) bezahlt. Leipzig änderte nicht etwa das System, sondern verblieb im 4-3-3. Werner agierte auf dem Flügel, Poulsen im Sturmzentrum.

Leipzig hatte nun eine recht klare Aufgabenteilung im Konter: Poulsen wich häufig auf die rechte Seite aus. Leipzig spielte den ersten Pass nach rechts heraus, hatte hier im Konter eine Überzahl. Auf der linken Seite lauerte wiederum Werner, um auf der ballfernen Seite zum Torabschluss zu gelangen. Er erzielte das 2:1. Nach dem Führungstreffer tat Schalke Leipzig den Gefallen, noch häufiger in die Leipziger Pressingfallen zu passen. Das 3:1 setzte praktisch den Schlusspunkt auf diese Partie.

Harit (am Ball) erhält den Ball und dribbelt ins Zentrum. Leipzig zieht sich um ihn zusammen und erobert seinen Pass. Der anschließende Konter führt zum 3:1.

Fazit

„Der Sieg für RB war hochverdient, weil wir den Gegner stark gemacht haben. Wir haben uns sehr viele Ballverluste erlaubt“, sagte Domenico Tedesco nach dem Spiel. Unrecht hat er nicht: Dem 2:1 wie auch dem 3:1 gingen unnötige Schalker Ballverluste voraus, durch die Leipzig kontern konnte – Fehler, die man gegen Leipzig nicht machen darf. Insofern war Leipzigs Sieg durchaus verdient.

Spannt man einen größeren Bogen, zeigen sich die positiven Seiten der Entwicklung der Bundesliga, aber auch die Schattenseiten. Defensiv sind die Mannschaften auf einem herausragenden Niveau angekommen, sodass kleinste Fehler bestraft werden. Schalke bekam dies in dieser Partie zu spüren.

CHR4 16. Januar 2018 um 22:22

oh je! da hat sich ja was verselbständigt – das hatte ich so definiitv nicht anstoßen wollen

mir ging es nämlich
1. weniger um die Person Mehmet Scholl (egal ob als Spieler oder Trainer – wenn ihr darüber diskutuieren wollte macht das …)
2. auch nicht um die Aussage über Laptoptrainer

SONDERN: darum , das der Nachwuchs 10 Systeme rückwärts pupsen kann (oder wie immer er das ausgedrückt hat), aber kaum noch dribbeln lernen, weil sie beigebracht bekommen, möglichst schnell denn Ball weiterzuspielen

dies ist für mich dann auch konstruktive Kritik, denn er macht ja einen Vorschlag, was man dem Nachwuchs erlauben sollte: Erfahrungen im 1-gegen-1 sammeln, auch wenn das gerade am Anfang natürlich auch öfter mal in die Hose gehen wird – die frage ist also für mich, wird schon am Anfang zuviel Wert auf Ergebnisse gelegt und dadruch die nachhaltige Entwicklung behindert, weil kreativer Spieler eben Freiräume bedürfen und der Nachwuchs sich in jungen Jahren wirklich Fußball SPIELT und nicht nur „ARBEITET“

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CHR4 16. Januar 2018 um 22:24

-> sollte eigentlich zum Thread ganz unten

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Daniel 17. Januar 2018 um 00:39

@CHR4

„SONDERN: darum , das der Nachwuchs 10 Systeme rückwärts pupsen kann (oder wie immer er das ausgedrückt hat), aber kaum noch dribbeln lernen, weil sie beigebracht bekommen, möglichst schnell denn Ball weiterzuspielen“

Hab schonmal unten versucht es anzudiskutieren: war das denn jemals anders? Gab es mal eine Epoche, als Deutschland reihenweise Superdribbler produziert hat? Die meisten ehemaligen Weltklassefußballer von Uwe Seeler über Gerd Müller und Franz Beckenbauer bis hin zu Michael Ballack waren bei all ihren Qualitäten sicher keine überkrassen Dribbelkönige. Nur Scholl selber und vielleicht noch Sebastian Deisler würde ich in der Vergangenheit als tolle Dribbler bezeichnen, aber die waren beide verletzungsbedingt nicht langfristig in der Weltspitze. Wenn das aber schon immer so war, dann kann man die Verantwortung dafür nicht den „Laptoptrainern“ (was auch immer das ist) in die Schuhe schieben, die es ja erst wenige Jahre gibt. Insofern würde ich den Grund für das weitgehende Fehlen dieses Spielertyps eher in der deutschen Fußballkultur suchen. Tatsächlich find ich die momentane Spielergeneration in der Hinsicht vergleichsweise wirklich gut, momentan gibts mit Leuten wie Sané, Draxler, Reus oder Brandt mehr gute Dribbler als in den meisten anderen Epochen.

Dennoch bin ich in dem Punkt bei dir: man sollte junge Spieler gezielt in 1-gegen-1 Duelle schicken um sie in diesen zu verbessern, und sie nicht zu früh taktisch einbremsen. Aber ich find in dem Punkt die „Laptoptrainer“ eher Vorreiter denn Bremser, denn Leute wie Nagelsmann oder Tedesco lassen einen für Buli-Verhältnisse sehr gepflegten Ball spielen. Da sind eher Leute wie Breitenreiter oder Kovac das Problem, die wirklich nur Destruktivfußball spielen lassen (der Hauptgrund, warum ich Kovac nicht als Bayerntrainer sehen will).

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CHR4 17. Januar 2018 um 02:02

bin da voll bei dir – ich sagte ja, ich meinte nicht die Aussage zum Thema Laptoptrainer und ich sehe da auch nicht das Problem (ganz im Gegenteil) – finde auch, dass es früher noch dunkler aussah bei den Dribblern – wir Deutschen neigen halt tendenzielll eher dazu, im Sport (wie in anderen Bereichen) perfektionistisch und fokussiert auf das Ausmerzen von Fehlern aus zu sein als kreativ, spaßorientiert und fokussiert auf die Förderung individueller Stärken
das hat tobit schon an anderer Stelle geschrieben: wir brauchen die ein, zwei Individualisten im Tema und die Kunst ist es diese so einzubinden, dass sie soviel Freiraum haben, dass das Team von ihren Specials profitieren kann und dafür das Team ihre Schwächen kompensiert/neutralisiert

wie schon oben erwähnt halte ich unsere Nachwuchsarbeit in jungen Jahren im Schnitt für zu ergebnisorientiert: siehe dazu der Artikel über den Relative Age Effect – bestens zusammengefasst in der Aussage von Johan Cruyff zu Pep (Kasten zwischen 3.1 und 3.2)

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tobit 17. Januar 2018 um 09:53

Einerseits geht mir Scholls Kritik am eigentlichen Thema vorbei, andererseits geht sie mir nicht weit genug.

Es gibt sicherlich sehr deutliche Defizite in der Ausbildung neuer Fussballspieler, die auch damit zutun haben, dass sie wenig mit ehemaligen Topprofis arbeiten. Viele Jungspieler sind nicht ausreichend auf Profitum vorbereitet (da sind die üblichen Medien- und Rhetorik-Coachings nicht der richtige/ausreichende Weg) und sind dann mental mit Situationen überfordert, weil sie versuchen, allen (Trainer, Fans, Familie, Medien, …) gerecht zu werden oder mit der Berühmtheit und dem schnellen Geld nicht umzugehen wissen. Dabei spielt vielleicht auch die zunehmende „Internatisierung“ in der Jugend eine Rolle, die Kinder aus ihrem Umfeld reißt.
Ein anderer Punkt ist sicherlich auch die fussballerische Qualität und der Fokus der Ausbildung. Aktuell wird in der Jugend für mein Gefühl immer noch sehr wenig implizites Taktikwissen vermittelt, sondern eben explizit ein paar Systeme eingeschliffen, die dann jeder grundsätzlich beherrscht, aber nicht situativ anpassen kann. Hier geht Scholls Kritik teilweise am Thema vorbei, weil das nicht an den „gehirngewaschenen Laptop-Trainern“ liegt, sondern sich durch diese eher schon verbessert hat. Andererseits geht mir Scholl nicht weit genug, weil er bei individueller Qualität nur auf Dribbling und Technik abzielt. Auch Umblickverhalten und Positionierung (als Beispiele) gehören dabei dazu. Das sind Dinge, die noch stärker vermittelt und vom Trainer entwickelt werden müssen, um das höchste Niveau zu erreichen. Diese Aspekte der individuellen Spielerentwicklung spielen bisher kaum eine Rolle, auch weil sie denke ich sehr schwer implizit vermittelbar sind, was in der Jugend nötig wäre.

Zu dem Thema passen einige Aussagen von Urs Siegenthaler sehr gut:
https://www.morgenpost.de/sport/article212977643/Partien-werden-vor-dem-Spiel-entschieden.html

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bs 17. Januar 2018 um 12:33

Danke für den Link zu diesem sehr erhellenden Interview! Der Artikel spricht auf jeden Fall eine ganze Menge Themen an, welche bei SV vor allem im Adventskalender als Eigenschaften der Spieler von morgen beschrieben werden (s. mein Kommentar dort, habe den Link vor lauter Begeisterung auch nochmal gepostet^^)

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koom 17. Januar 2018 um 13:29

Finde den Artikel auch gut. Er enthält auch meine „eigene“ Theorie, dass Vereine/Mannschaften eine Charakteristik haben, die man auch nur sehr schwer verändern kann und immer irgendwie durchsickert. Im wesentlichen sagt Siegenthaler das ja bei der Gegnerbewertung auch schon.

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tobit 17. Januar 2018 um 14:00

Nationalmannschaften tragen immer auch die nationale Identität nach außen. Das lässt sich aber über sehr verschiedene Spielweisen realisieren. Chile hat ja vor Bielsa wahrscheinlich kein hochintensives Pressing gespielt und ist erst mit Sampaioli langsam zu einem der besten Ballbesitzteams geworden.
Die Spielweise eines Klubs spiegelt finde ich weniger die Identität wieder, weil die Kader da viel stärker fluktuieren und der verfügbare Spielerpool um ein vielfaches größer ist. Es gibt immer wieder Beispiele, wo das perfekt passt (Simeones Atletico, Klopps Dortmund, tlw. Klopps Liverpool) aber auch Teams, die sich darum wenig scheren (Tuchels BVB 15/16, tlw. Rodgers Liverpool).

Ich finde vor allem den Teil über Cristianos „Licht-Aus-Kopfbälle“ interessant. Vororientierung und räumliche Einschätzungsgabe könnte man in der Jugend sehr stark entwickeln, spielen aber gefühlt kaum eine Rolle in klassischen Trainingskonzepten – seien sie auf Gruppen- oder Individualentwicklung ausgerichtet. Wichtig finde ich auch den Satz etwas danach: „Entwicklung … ohne Angst vor Fehlern“. Diesen Grundsatz vernachlässigen zu viele Nachwuchsteams und -akademien (FC Bayern, I’m looking at you).

Auch, dass sie schon vor vierzig Jahren überlegt haben, Feldspieler ins Tor zu stellen finde ich sehr interessant. Schade, dass das nie verwirklicht wurde.
Ein Boateng oder Weigl wären dafür ziemlich genial. Groß genug, das Tor ordentlich azudecken, halbwegs explosiv (was Torhüter in einer solchen Rolle zwingend sein sollten) und herausragend im sicheren Aufbau und bei der Bewertung von Risiken. Ein Sergio Ramos könnte das bestimmt auch, auch wenn der im passspiel nicht ganz so herausragend und strategisch ist.
Man müsste da natürlich auch erstmal eine Menge Training (Timing, 1vs1, Sprungtechnik, Abwürfe und -schläge, …) reinstecken, aber wenn aktuell mal ein Feldspieler ins Tor muss, wird das Team ja auch nicht direkt abgeschossen.

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CHR4 18. Januar 2018 um 01:27

Danke für den Link! 🙂
sehr interessanter Artikel in dem viel drin steckt – auch der Vergleich mit anderen Sportarten
spricht mir in vielen Punkten aus der Seele

und Danke! dafür, dass die Diskussion sich hier jetzt wieder in eine andere Richtung entwickelt hat 😀

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koom 17. Januar 2018 um 10:55

Ich weiss gar nicht, ob der Nachwuchs wirklich so viele Systeme gebimst bekommt. Die Frage fängt ja schon damit an: Welcher Nachwuchs? U16, also die jenseits vom Profitum? Oder eher die Gruppe an Spieler ab 17 rum, die langsam in die Profikader kommen? Nehmen wir die Aussage einfach mal so und ignorieren Herrn Scholl dabei. Er dient dann nur zum Anstoß der Diskussion. Hineinzudenken, was Scholl damit meinte, ist nicht sonderlich konstruktiv. 😉

Aus meiner ungebildeten Sicht ohne Einblicke scheint es so zu sein, dass auch im Jugendfußball mittlerweile viel zu oft auf Ergebnisse geschaut wird. Und Ergebnisse erreicht man dann über 2 Wege: Taktik (gut) und Spieler einsetzen, die körperlich überlegen sind (schlecht). Es ist ja auch durchaus auffällig, dass in den Jugendmannschaften kaum „Zwerge“ rumrennen wie einst Hässler oder Littbarski (oder Messi) sondern die meisten von denen Gardemaß ala Draxler haben. Ich denke, dass ist das eigentliche Problem. Frühentwickler und solche, die einfach „größer“ wachsen, werden vom System stark bevorzugt.

Und für mich persönlich dann das Problem der schlechten Spezialisierung. Ich wiederhole mich da zwar, aber finde es halt wichtig: Wir haben einen großen Haufen diffuser Offensivspieler, die vieles gut können, aber weder einen besonders guten Torschuß, Flanke oder Dribbling haben. Das macht gerade die N11 dann ziemlich unabhängig von einzelnen Spielern, aber sorgt auch dafür, das wir wenig echte Weltklasse auf vielen Positionen haben.

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Ein Zuschauer 17. Januar 2018 um 11:02

Also Elgert macht das auf Schalke auf jeden Fall sehr viel, gerade defensiv. Vielleicht nicht unbedingt das Beispiel, das Scholls These am meisten in die Karten spielt.

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TE 17. Januar 2018 um 15:40

Du musst immer bedenken, dass Entwicklungen im Jugendbereich sich im Profibereich immer erst mit drei bis fünf Jahren Verzögerung zeigen. Die jungen Spieler, die jetzt langsam zu Stammspielern werden, sind schon seit einiger Zeit aus den Jugendabteilungen raus. Das ist die große Crux an Scholls Kritik: Sie war richtig. Vor drei bis fünf Jahren. Damals wurden individualtaktische und athletische Faktoren etwas vernachlässigt. Schaust du dir heute die A-Jugend-Bundesliga an (zumindest die Spitzenteams), sieht es wieder ganz anders aus. Mehr gute Dribbler, besseres Reinstellen des Körpers im Zweikampf, allgemein athletischere Spielertypen. Ich würde sogar so weit gehen und sagen: Mittlerweile wird wieder zu viel Wert auf diese Tugenden gelegt und zu wenig auf gruppen-/ und mannschaftstaktisches Verhalten geachtet, gerade im Ballbesitz sind da viele Teams grausam.

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Daniel 15. Januar 2018 um 13:32

Hasenhüttl ändert die Grundformation vom 4-2-2-2 zum 4-3-3 um Schalkes Dreierkette mannorientiert anlaufen zu können! Seltene taktische Variante/Veränderung von RB, was meines Erachtens auch den Respekt vor S04 bzw. deren Lauf ausdrückt. Der Erfolg gibt Hasenhüttl Recht, auch wenn natürlich der direkte Zusammenhang „nicht zu beweisen“ ist.

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Alex Ahrs 15. Januar 2018 um 12:59

Die Beiträge verfolge ich immer mit großem Interesse. Wo kann ich nachlesen, wie die Mannschaften in der Bundesliga, aber auch in anderen führenden europäischen Ligen taktisch eingestellt werden? Kennt jemand eine Internetseite, auf der man die Grundformationen und taktischen Ausrichtungen europaweit vergleichen kann?
Zeigen Bundesliga-Teams für den durchschnittlichen Zuschauer schlechten Fussball, weil die defensiven Organisationen vieler Mannschaften auf einem herausragenden Niveau angekommen zu sein scheinen, aber dabei die taktische Entwicklung des Offensivspiels vernachlässigt wurde? Stürmer bzw. Mittelstürmer werden in Deutschland kaum noch ausgebildet. Mich würde interessieren, welche Art von Fussball die Taktik-Experten in 10 bis 20 Jahren erwarten? Werden wir dann nur noch universal einsetzbare Mittelfeldspieler sehen?

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tobit 16. Januar 2018 um 10:33

Die Grundstrukturen findet man eigentlich auf relativ vielen Seiten (kicker, whoscored, …) – sagt halt nix über die taktische Ausrichtung aus. Dafür muss man sich dann ein bisschen durch Statistiken (Ballbesitz, Dribbles, Schusssituationen, …) wühlen und/oder ein paar der wichtigen Spieler (zumindest grob) kennen.

Die Bundesliga ist defensivtaktisch ziemlich gut aber nicht besonders variabel oder kreativ. Die meistens Teams sind trotz immer weiter verbreiteter Manndeckungen sehr kompakt und nutzen gute Referenzpunkte fürs Aufrücken ins Pressing und wieder Zurückfallen. Da könnten sich viele andere Ligen und Teams was von abgucken. Die meisten Spieler sind auch individuell stark beim Timing von Rausrückbewegungen und der Bewertung dieser Situationen.
Leichte Probleme gibt es aber, wenn man sich ganz weit zurückzieht. Da fehlt es dann teilweise an der vorher gezeigten Konsequenz im Vorrücken und an der letzten Kompaktheit. Perfekte Beispiele, wie man das gut macht, wären Atletico oder letztes Jahr PSG in der ersten Hälfte des Barca-Rückspiels.

Ob die BL für „den“ Fan unattraktiv ist, weiß ich nicht. Was ich kritisieren würde ist die fehlende oder zu frühe/tiefe Einbindung der Spektakel-Spieler und Gamechanger. Die wenigsten von denen sind gut genug, das Team von der Mittellinie (oder noch früher) bis an den Strafraum zu tragen. Manche Teams identifizieren ihre Topspieler auch gar nicht als solche und fokussieren das Spiel auf andere.
Diese unpassende Einbindung resultiert für mich sehr klar aus den fehlenden Strukturen in Ballbesitz, die nur selten stark genug sind, die Gamechanger vorne freizuspielen. Bessere Strukturen würden „dem“ Fan wahrscheinlich gar nicht auffallen (oder als Lösung einfallen), aber die Attraktivität massiv erhöhen, gerade wenn man sie (wie Schalke, Bayer oder Hoffenheim das aktuell schon zeitweise können) für schnelle, vertikale Kombinationen nutzt.

In der Zukunft wird man (vor der Abwehr) denke ich eine Mischung aus möglichst kompletten Universalspielern (Saul, di Stefano, Lewy, …), die Athletik, Balltechnik und Zweikampfqualitäten vereinen und krassen, hochspezialisierten Insel-Talenten (Dembélé, Mbappé, Cristiano, Keita, …) sehen. Die Insel-Talente werden dabei für die entscheidenden Momente sorgen, während die Universalspieler sich um die Struktur (und oft um die Absicherung) kümmern. In der Abwehr wird es an vielen Stellen weiterhin eher „klassisch“ zugehen, davor wird die Flexibilität aber ins fast unermessliche steigen.

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Daniel 17. Januar 2018 um 00:42

Von welchen Teams würdest du sagen, dass sie ihre Topspieler gar nicht identifiziert haben und sich auf andere fokussieren? Das krasseste Beispiel dafür fand ich war Wolfsburg unter Jonker, der teilweise auf Malli und Arnold verzichtete. Das wurde unter Schmidt besser, was zu dem kleinen Aufschwung geführt hat. Ansonsten fällt mir jetzt noch Embolo bei Schalke ein..

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Derentlauber 14. Januar 2018 um 21:35

Wie im Artikel erwähnt war das Spiel ein bisschen symptomatisch für den Bundesligafußball nach Pep. Niemand kann offensiv auf so hohem Niveau spielen, dass Ballbesitz mittelfristig sicher zum Torerfolg führt. Eigentlich schade, ganz theoretisch sollte doch die angreifende Mannschaft immer einen strategischen Vorteil haben. Bin gespannt, wann ein Trainer (mit einer Mannschaft) das außerhalb der Geld-schießt-Tore-Kategorie mal wieder in Angriff nimmt.

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HW 14. Januar 2018 um 22:10

Ist das ein Problem der Bundesliga oder ein europaweiter Trend?

Ich erinnere mich an einen Artikel im Guardian vor einiger Zeit in der es darum geht, dass die Ballbesitzstatistiken (in der EPL) immer extremer werden. Mannschaften scheinen sich zu spezialisieren. Da wollen viele nicht mehr lange den Ball haben. Es soll schnell gehen und ansonsten wird möglichst sicher verteidigt. Ein paar wenige Teams spezialisieren sich dagegen auf Ballbesitz, bzw. sie können dominant sein.

Vielleicht hatten wir etwas ähnliches schon immer in der Bundesliga. Deutscher Fußball war oft Konterfußball. Viele Teams stehen unter Druck, Konstanz gibt es selten und da besinnt man sich eben auf das „Kerngeschäft“. Man muss es ja ’nur‘ besser machen als die anderen. Anders zu sein scheint ein größeres Risiko.

Aber das ist sicher nicht der einzige Faktor. Man muss ein gutes Offensivspiel erstmal als Philosophie entwickeln können. Dann braucht man die passenden Taktiken für die Gegner und kreative Spieler um das umzusetzen. In der Breite ist das für eine Liga natürlich schwer umzusetzen. Bedingungsloser Offensivfußball kann bei allen 18 Erstligisten nicht funktionieren.

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Koom 14. Januar 2018 um 22:13

Man kann ja Konterfußball machen und trotzdem ein gutes Offensivspiel haben. In der Bundesliga haben das allerdings sehr wenige. Würde nur Augsburg nennen in dem Bereich. Simpel, aber gut strukturiert und die Tore fallen eher geplant als bei anderen Teams, die eher „im Moment“ leben.

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Schimanski 15. Januar 2018 um 11:54

Das „Problem“ fängt doch schon in der Jugendausbildung an, wo Athletik und „Spiel zerstören“ oft vor Technik und Spielintelligenz steht und die Spieler auch entsprechend gescoutet werden. Wenn ich mir NLZ-Spiele im mittleren Jugendbereich anschaue, sind das reine Umschaltfestivals. Da fällt so gut wie kein Tor aus dem Ballbesitz.

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JMBouvary 14. Januar 2018 um 21:16

Das ist wirklich ein gutes Beispiel für die allgemeine Situation, die wie ich finde bedauerlicherweise so ein bisschen ein selbstverstärkendes System ist. Es ist doch kaum zu erwarten, dass sich neue Ballbesitzteams bilden und eine Position erarbeiten können. Eine gute Ballbesitzmannschaft kann zwar gegen gute Pressingmannschaften bestehen, aber wenn man versucht so ein Spiel zu etablieren, gibt es natürlich anfangs Schwächen und passieren Fehler. Wer aber in der Bundesliga ein (noch) unausgegorenes konstruktives Zentrumsaufbauspiel auf den Platz bringt, der wird selbst von den schwächeren Teams kaputtgekontert werden. Welchen Ausweg könnte es geben?

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Lukas 15. Januar 2018 um 02:14

Kontinuität. Leider bleibt bei eigentlich allen Vereinen kaum Zeit, um Ballbesitz zu erlernen. Tedesco hat über die Hinrunde zwar einen langsamen Wandel versucht, am Ende ist es aber dann doch sicherer es gegen Teams wie Leipzig mit Konterfußball zu versuchen. Selbst eine Sommerpause halte ich für zur kurz um das System eines Teams komplett auf Ballbesitz umzukrempeln. Und die Geduld, sich bei ner Umstellung anfangs auch Mal auf ein paar Niederlagen​ einzustellen, die gibt es im schnelllebigen Fußballgeschäft nicht. Dazu kommt, dass vielen schwächeren Teams auch das Spielermaterial fehlt.

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rb 15. Januar 2018 um 08:48

richtig gut hat das mit der schnellen einführung einer ballbesitzmannschaft eigentlich nur tuchel 2015 hinbekommen. aber der hatte halt auch weigl, gündogan, hummels oder micky zur verfügung – und praktischerweiser eine europaleague-qualifikation, bei der man das neue system auf nicht ganz so hohen niveau unter wettkampfbedingungen erproben konnte…. aber selbst da ging es trotz mindestens 1-klassen-unterschied nicht immer ganz so smooth (z.B. gegen odds bk).

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GS 15. Januar 2018 um 12:12

Ich glaube der Punkt „Spielermaterial“ ist der entscheidende Aspekt: wenn man nicht ausreichend technisch begabte und geschulte Spieler hat, die sich trotz dauerndem Pressing des Gegners mehr oder weniger blind und fehlerfrei die Bälle zuspielen können, ist jeder Versuch der Umstellung auf Ballbesitz zum Scheitern verurteilt. Und diese Fähigkeiten kann man als Spieler wohl auch nur durch jahrelanges Üben in der Jugend weit genug verinnerlichen.
Auf die konkrete Frage von JMBouvary nach dem Ausweg würde ich daher antworten: Wenn man in Deutschland mehr Ballbesitzpiel in der Bundesliga haben will, muss man ebendieses in den Nachwuchsleistungszentren rauf- und runter-üben und Pressingresistenz zum alles entscheidenden Aufnahme-Kriterium machen. Dann könnten in 3-4 Jahren die ersten Vereine die Umstellung angehen.

Die Frage ist aber, ob das Publikum das überhaupt will – selbst beim FC Bayern unter Guardiola haben sich ja relativ schnell die eigenen Fans beschwert, dass das „ständige Ball-Hin-und-Her-Geschiebe“ langweilig anzuschauen sei – obwohl damit fast jeder Gegner nach Belieben am eigenen Strafraum eingeschnürt und besiegt wurde.

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tobit 15. Januar 2018 um 13:32

Das Problem bei Pep war halt eben diese alles zerdrückende Überlegenheit (sowohl der Kaderqualität als auch der Taktik), die dann synonym wurde mit Ballbesitz an sich. Ein kleines Team, das auf Ballbesitz spielt, wird ja nicht automatisch zu einer Pep’schen Dominanzmaschine, sondern wird weiter Spiele verlieren und Schwierigkeiten haben.
In den aktuellen Bundesligamannschaften gibt es eigentlich reichlich Ballbesitzspieler – man müsste halt anfangen, die zu sammeln und auch aus dem Ausland zuzukaufen.
Mal eine kleine Auswahl:
Tor: Hitz, Bürki, Casteels, Neuer, Sommer
IV: S. Bender, Toprak, Bartra, Zagadou, Hummels, Boateng, Süle, Ginter, Kehrer, Stambouli, Brooks, Vogt, Hinteregger, Hasebe, …
AV: Guerreiro, Bernat, Alaba, Kaderabek, Hector, Kimmich, Rafinha, Weiser, Henrichs, Wendell, Stenzel, Insua, Aogo, (Schmelzer)
DM: Baier, Weigl, Rudy, Thiago, Grillitsch, Geiger, Burnic, Keita, Kampl, Aranguiz, Meyer, Martinez, Bargfrede, Zakaria, Kramer, Dahoud, (Geis, L. Bender)
OM: James, Götze, Harit, Kagawa, Havertz, Castro, Koo, Amiri, Demirbay, Rupp, Koziello, …
AS: Sabitzer, Yarmolenko, Pulisic, Forsberg, Coman, Robben, Brandt, Hofmann, Traore, Grifo, …
ST: Stindl, Raffael, Hazard, Kramaric, Muto, Isak, Lewandowski, (Volland, Uth)
Je offensiver, desto weniger muss man ein klarer „Ballbesitzspieler“ sein, um in ein solches System zu passen. Vidal, Goretzka, Tolisso, Finnbogason, Ribery, de Blasis und viele andere könnte man da auch wunderbar unterbringen.

Was im Jugendbereich noch wichtiger wäre als schiere individuelle Pressingresistenz (die ist mittlerweile oft ziemlich gut aber eben selten gut eingebunden): gescheite Strukturen in Ballbesitz herzustellen (statt der altbekannten Kreis-Formation) und Spieler entsprechend dahingehend auszubilden, dass sie selbstständig eine halbwegs verbundene Struktur herstellen und erhalten können. Daran mangelt es den meisten Teams viel mehr. Dazu gehört dann natürlich auch Bewegungsschulung – also wie laufe ich mich in welcher Situation am besten frei.

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koom 15. Januar 2018 um 13:44

IMO hats vom Spielermaterial tonnenweise Spieler, die EHER in einem Ballbesitzteam stärker wären als in einem Konter/Gegenpressing-Team. Nehmen wir allein mal die Innenverteidiger: Die meisten von denen sind besser in der Spieleröffnung als im eigentlichen Zweikampf. So einen richtigen eisenharten Verteidiger, wo gegnerische Stürmer zum Weinen getrieben werden, hats in der BL ja gar nicht mehr.

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tobit 15. Januar 2018 um 13:57

Die Eisenmänner gibt es noch – haben nur überwiegend ihre Plätze an spielerisch bessere (und seltener gesperrte) verloren. „Eisen-Ermin“ Bicakcic, Sokratis, Subotic, Orban, Papadopoulos würden mir da sehr spontan einfallen. Viele der im Aufbau ganz ordentlichen können halt mittlerweile doch sehr gut Zweikämpfe führen, müssen das aber nicht, weil der Gegner sich gar nicht so weit nach vorne oder in die Mitte traut (bzw. es dahin schafft).

Daniel 18. Januar 2018 um 15:13

Wobei die sich als „Eisenmänner“ nur dadurch definieren, dass sie spielerisch schwächer sind als der Rest, nicht dadurch, dass sie im Zweikampf überlegen wären. Ob nun Sokratis, Bicakcic oder Subotic, die sind in nichts besser als Leute wie Hummels, Boateng, Süle, Badstuber (vor seinen Verletzungen), Martinez, Christensen oder Varane-sie sind nur in manchen Bereichen (Zweikampf, Tackling, Kopfball) nicht ganz so viel schlechter wie in anderen (Spielaufbau, Passspiel, Pressingresistenz). Generell gibt es schon gar nicht so wenige sehr komplette Verteidiger, die sowohl im Spielaufbau als auch im „klassischen“ Defensivzweikampf wirklich hervorragend sind. Was soll denn das heißen, der „gegnerische Stürmer zum Weinen“ treibt. Der soll die nicht zum Weinen bringen sondern vom Toreschießen abhalten. Wenn er sie zum Weinen bringt ist der nächste Schritt oft der Platzverweis, und davon hat nur der Gegner was.

Orban hat finde ich in der Aufzählung nur eingeschränkt was zu suchen, der ist zwar nicht kreativ, aber zumindest meinem Eindruck nach auch unter Druck recht stabil und macht keine schweren Fehler.

tobit 18. Januar 2018 um 15:45

Orban ist finde ich ein ziemlicher Eisenmann – hat halt auch noch andere Qualitäten. International würde mir dazu noch Godin einfallen, der da bei Atletico ein für ihn perfektes Biotop vorgefunden hat. Martinez würde ich z.B. auch als Eisenmann sehen – die anderen (besonders Christensen) nicht.
Aber ja, die wirklichen Eisenmänner sind in den letzten zehn Jahren ziemlich verschwunden. Ein Carsten Ramelow würde sich heute nicrgends mehr langfristig durchsetzen, weil er spätestens am sechsten Spieltag das erste Mal gesperrt wäre.

koom 18. Januar 2018 um 15:48

Ich würde da Verteidiger wie Jaap Stam, Christian Wörns oder Robert Kovac nennen wollen. Also Spieler, die auch und gerade im Tackling und Defensivkopfball sehr sehr stark waren. Da sehe ich die genannten doch auf einer anderen Ebene als heutige Topverteidiger.

Sicherlich auch eine Entwicklung der momentanen Herangehensweisen, wo man eben weniger „auf den Boden“ gehen soll und eher mal linkische Fouls (Trikotzupfen, Rempler) nutzt zum „Klären“ und wo genau diese Strategien auch von den Schiedsrichtern goutiert werden. Und wenn da ein Angreifer nicht willfährig sich zum Schiri umdreht, wenn er ein Zupferchen spürt, sondern trotzdem weitermacht, dann wirds auch gerne mal richtig gefährlich.

Auch so ein Grund, warum sich Fußball aus meiner Sicht etwas vom Fan entfernt. Das hat schon hin und wieder den Anschein eines schlechten Schauspiels.

Daniel 18. Januar 2018 um 16:25

Ok, ich glaub das Problem ist dass ich zu jung für die Diskussion bin 😉 Von Leuten wie Ramelow oder Stam hab ich zwar gehört, aber wirklich gesehen hab ich die nie. Was definiert denn deiner Meinung nach einen „Eisenmann“ und warum ist Martinez und Orban einer, aber Hummels nicht? Find Hummels im Tackling ehrlich gesagt nicht soviel schlechter.

@koom
„Sicherlich auch eine Entwicklung der momentanen Herangehensweisen, wo man eben weniger „auf den Boden“ gehen soll und eher mal linkische Fouls (Trikotzupfen, Rempler) nutzt zum „Klären“ und wo genau diese Strategien auch von den Schiedsrichtern goutiert werden. Und wenn da ein Angreifer nicht willfährig sich zum Schiri umdreht, wenn er ein Zupferchen spürt, sondern trotzdem weitermacht, dann wirds auch gerne mal richtig gefährlich.

Auch so ein Grund, warum sich Fußball aus meiner Sicht etwas vom Fan entfernt. Das hat schon hin und wieder den Anschein eines schlechten Schauspiels.“

Also so ganz versteh ich das nicht. Früher haben die Verteidiger weniger auf Fouls zurückgegriffen, weil die Stürmer weniger leicht gefallen sind? Ist es nicht eher umgekehrt, dass Trikotzupfen eher weniger wird, eben weil die Stürmer schneller fallen? Und meine vage Erinnerung an Wörns ist die eines sehr unfairen Spielers, da war Trikotzupfen doch noch recht harmlos dagegen.

koom 18. Januar 2018 um 16:39

Eisenmann-Diskussion:
So richtig gute Defensivzweikämpfer sind IMO sehr rar geworden. Da müsste ich schon viel rumschauen, um so einen auszumachen. Spontan würde mir nur (Mainz 05-mässig) Nikolce Noveski einfallen, der defensiv schon sehr heftig war. Sokratis finde ich auch nicht total falsch, der leidet aber durch das insgesamt eher mässige Defensivkonstrukt von Dortmund.

„Modernes Verteidigen“:
Anders aufgezogen: Bei einem Wörns etc. ging es tatsächlich primär um den Ballgewinn. Nicht darum, den Angriff nur zu stoppen (auf Kosten eines Freistoßes) oder wegzuleiten. Das (also konkret den Ball zu erobern) ist natürlich auch schwieriger und mit mehr Risiko verbunden. Geht so eine balleroberungsfokussierte Aktion daneben, gibts schneller Karten oder eine sehr gute Torchance. Das dürfte schon mal den Hauptgrund darstellen, warum man „echte Eisenmänner“ selten sieht und vermutlich auch weniger ausbildet. Löw hat ja bspw. seinen Spieler offen untersagt, Tacklings am Boden auszuführen.

In Sachen Attraktivität muss ich aber schon sagen, dass ich lieber ein ehrliches, sauberes Einsteigen um den Ball sehe (und auch geil finde), anstatt dass „Weltklasseverteidiger A“ dem „Superstürmer B“ mal kurz am Trikot zupft, der wahlweise zu Boden fällt, als ob man ihm gerade die Achillessehne rausgerissen hat oder wild gestikulierend sich zum Schiri umdreht. Das ist einfach nur albern, unsportlich, unfair. Und Schiedsrichter sind da auch nicht konsequent genug und bestrafen konkret JEDEN Zupfer einfach mal mit Gelb, dann würde diese Unsitte aufhören. Und Defensivspieler müssten eine Schippe mehr drauf legen, was ihre Defensivoptionen angeht. Ein Xabi Alonso hätte nämlich so die letzten Jahre eher nicht mehr als „Abräumer“ verbringen können (bzw. bei jedem 2. Spiel mit gelb/rot vom Platz gehen müssen).

Jugendtrainer 15. Januar 2018 um 15:17

Das hört sich interessant an, kannst du den Punkt „Bewegungsschulung – wie laufe ich mich richtig frei“ näher erläutern ?

Antworten

Daniel 15. Januar 2018 um 23:34

@tobit
Im Tor würde ich aber auf jeden Fall noch Baumann, Jarstein, Zieler und Pollersbeck mit hinzunehmen, Adler würde ich da auch nicht hinter Casteels sehen. Finde eigentlich die meisten Buli-Spieler am Ball nicht schlecht, das Problem ist eher Gewohnheit, fehlende Automatismen und Angst vor dem Umschalten des Gegners

Antworten

tobit 16. Januar 2018 um 09:54

Ich habe so einige vergessen. Die meisten TW habe ich zu wenig gesehen, um sie einschätzen zu können – und sind bei den meisten Teams für das Spiel mit Ball ohnehin irrelevant (deshalb können Leno und Fährmann auch ohne große Probleme bei zwei der besten Ballbesitzteams der Liga spielen – auch wenn das natürlich keine echten Ballbesitzteams wie Bayern unter Pep sind).
Von der Hertha natürlich Stark, Darida und Duda. Von Freiburg Kapustka, Haberer und Terrazino (und ein paar die da gut mitschwimmen könnten wie Schuster). So könnte man ziemlich lange weiter machen.

@Jugendtrainer: Viele Spieler (gerade im zentralen Mittelfeld) laufen sich entweder gar nicht oder nur sehr weiträumig frei. Ein weiteres Problem ist, dass sich viele zwar freilaufen, dabei aber andere Verbindungen unterbrechen (Xabi z.B., der den IV oft auf den Füßen stand) oder in strategisch wertlose Räume laufen.
Gladbach hatte letzte Saison z.B. viele Momente mit relativ hohen Sechsern (bzw. eher Achtern) Kramer und Dahoud, die hinter den Stürmern nicht anspielbar waren. Wenn die sich mal freiliefen, landeten sie oft direkt auf der Auslinie (besonders Kramer) – von da ist der Spielvortrag natürlich ziemlich eingeschränkt.
Ein Problem ist dabei natürlich auch, dass viele BL- und Nachwuchs-Trainer wenig Wert auf verbundene Strukturen zwischen Abwehr und Mittelfeld legen, weil sie da sowieso nicht durchspielen wollen. Es wird ein bisschen zwischen den IV (und evtl. einem ins 3vs1 abgekipptem Sechser) hin und her gespielt, sobald der Gegner ein bisschen Druck ausübt, kommt der lange Ball und die Sechser werden im Gegenpressing weiter vorne gebraucht.
Fazit:
1. Viele (Jugend)Spieler haben großes Potential im Bewegungsspiel, das wird aber nicht (passend) geschult.
2. Viele Teams setzen nicht auf Strukturen, in denen man das schulen könnte (oder müsste).
Beides bedingt sich natürlich gegenseitig, man müsste beides also auch parallel angehen. Wie man das schult, weiß ich nicht, weil ich kein Trainer bin. Entscheidende Punkte wären aber wohl mehr strategische Nutzung und Manipulation des gegnerischen Deckungsschattens (darin ist Weigl unfassbar gut) und ein Fokus auf eher antrittsstarke Spieler (Weigl, Meyer, Bargfrede, früher auch Baier) statt der „üblichen“ Dauerläufer, die eben von sich aus weniger weiträumig agieren – zumindest für eine der Sechserpositionen.

CHR4 16. Januar 2018 um 10:59

ohne das jetzt zu werten: läuft das nicht genau auf das raus, was Scholl meinte?
(und natürlich sehr unglücklich formuliert hat, so dass man mehr über die abwertende Formulierung, als über den Inhalt der Nachricht gesprochen hat)
denn zu einem guten Ballbesitzspiel, das man mannschaftstaktisch einüben kann, brauche ich am Ende in der Offensive eben AUCH die technisch guten Nadelspieler, die auch im 1:1 mal durchkommen und genau diese Individualkönner hat Scholl doch gefordert (im Gegensatz zu Spielern, die eben mannschaftstaktisch top geschult sind)
– oder hatte ich da eben grad die falsche Assoziation?

ist natürlich kein entweder-oder – ich brauch im Team beide Charktere und wenn ich vorne eben keine kreativen Individualisten habe, die in engen Räume agieren können, setze ich halt lieber auf stabile Defensive und Umschalten als Spielmacher

rb 16. Januar 2018 um 11:10

@CHR4: Ja, Scholl hat damit schon nicht unrecht. Aber er scheint nicht so ganz zu verstehen, dass es AUCH die mannschaftstaktisch top geschulten Spieler braucht: Die Spieler, die durch ihr Verhalten mit und gegen den Ball überhaupt erst die Situationen kreieren, in denen die technisch guten Nadelspieler erfolgsstabil den Unterschied machen können.
In den unterklassigen Ligen, in denen ich gespielt habe, reicht der Topdribbler oftmals schon aus: Der lässt unabhängig von den Strukturen einfach mal ein paar Leute stehen und schafft damit Gefahr. Aber im Top-Fußball mit disziplinierten Defensiven tun sich selbst absolute Top-Offensive schwer, Gefahr so aus dem Nichts zu generieren: Auch Messi oder Robben (oder Dembele, dem ja immer zugeschrieben wird, einfach so Gefahr produzieren zu können) brauchen die Vorbereitungen im Spielzug, damit sie das kleine bisschen mehr Raum haben, um ihre gefährlichen Aktionen zu starten. Ansonsten verhaspeln sich solche Spieler ja auch oder werden geblockt (Messi vielleicht weniger, weil er so ultrarational ist und dann lieber den Neuaufbau sucht).

tobit 16. Januar 2018 um 11:23

Nein, finde ich nicht. Scholls Kritik war ja (zumindest habe ich sie so verstanden/interpretiert) eher darauf bezogen, dass man die tollen Individual-Talente durch zu viel defensive Schulung und Beteiligung „versaut“. Offensive Schulung kennt der wahrscheinlich gar nicht – da regelt schon das Talent (bzw. die „individuelle Klasse“).

Du brauchst in den engen Räumen genau die mannschaftlich am besten geschulten (die müssen das natürlich auch technisch umsetzen können, das können aber mittlerweile relativ viele) Leute, wenn du das Spiel kontrollieren willst. Deswegen konnte der BVB (neben anderen Faktoren) 15/16 mit Mkhi (und Gündogan) in Ballbesitz so brutal gut sein, 16/17 mit Dembélé (und Castro/Götze) aber nicht mehr. Dembélé – den würde ich nicht als Nadelspieler bezeichnen (auch wenn er das irgendwann mal sein könnte und auch jetzt schon manchmal kann), Nadelspieler sind für mich Iniesta, Mkhi, Messi oder Kagawa – sorgt zwar für Durchschlagskraft, durchbricht aber nicht nur die gegnerischen Strukturen, sondern auch die eigenen.
Wenn du das Spiel nicht kontrollieren willst (oder selbst mit Iniesta nicht kontrollieren könntest – deswegen war Rosenthal bei Darmstadt nicht der Fokusspieler), kannst du auch Dembélé aus dem ZM nach vorne marschieren lassen (oder das altbekannte Langholz auspacken) – ist riskanter, kann aber auch erfolgreich sein. Das größte Problem der meisten Teams sehe ich darin, dass sie Leute hätten, das Spiel (und die Strukturen) zu kontrollieren, aber keinen Dembélé und trotzdem nicht kontrollieren wollen. Stattdessen wird dann jemand in die „Dembélé-Rolle“ gedrängt, der da nicht voll reinpasst.

Daniel 16. Januar 2018 um 12:22

Scholls Kritik habe ich nicht so verstanden, als hätte sie mit dem hier beschriebenen etwas zu tun. Das merkt man schon daran, dass er in seiner Kritik explizit den Namen Nagelsmann erwähnte…dabei ist dessen Hoffenheim finde ich neben Bayern die Mannschaft, die momentan das ausgereifteste Ballbesitzspiel der Buli hat. Das Problem, dass er mit diesen Leuten hat ist nicht die Spielweise, sondern dass sie es ohne Profierfahrung wagen, Trainerpositionen zu besetzen, die auch Scholl gern hätte. Die Spielertypen, die er forderte, waren keine Aufbauspieler, sondern durschlagskräftige Offensivspieler wie Ribéry und Robben oder „Typen“ wie Effenberg. Diese Leute würden angeblich frühzeitig aussortiert. Allerdings hat der deutsche Fußball noch nie wahnsinnig viele Offensivdribbler hervorgebracht (nicht umsonst sind Rib und Rob beide Ausländer), in den letzten Jahren wird das in Gestalt von Sané, Draxler, Reus oder Brandt eher sogar besser. Das Wort Nadelspieler ist meines Wissens jedenfalls noch nie über Scholls Lippen gekommen. Regelrecht witzig fand ich an Scholls Ergüssen, oben werde nur noch „eine weichgespülte Masse ankommen, die erfolgreich sein wird, aber niemals das Große gewinnen wird“. Ich bin zu jung, um Scholls Karriere wirklich beurteilen zu können (habe als kleines Kind die Endphase seiner Laufbahn erlebt), aber als den eisenharten Charakterkopf hab ich ihn irgendwie nicht in Erinnerung. Und es ist ja jetzt auch nicht so, als habe der gute Mehmet en Masse Weltmeister- und CL-Titel abgeräumt. Abgesehen von 2001 war da nicht viel…

koom 16. Januar 2018 um 13:48

Scholls Aussagen sehe ich auch eher unter der Rubrik „auch ein blindes Huhn findet ein Korn“. Natürlich hat es irgendwo einen wahren Kern (insbesondere die recht gleichförmige Spielerproduktion der Jugendarbeit, gerade im Offensivbereich gibt es viele diffuse Offensivspieler), aber irgendwie fehlt mir da der Glaube, dass er das wirklich meint.

Generell scheint Scholl primär immer einer gewesen zu sein, der unfassbar viel Talent in die Wiege gelegt bekommen hat und das für ausreichend hielt. Ein fitter Scholl konnte man mal mit Luis Figo in einem Atemzug nennen, aber der machte einiges mehr in Punkte Fitness und konnte dadurch insgesamt „mehr“ in der Fußballgeschichte hinterlassen als Scholl, der meistens fehlte, wenn es um die großen Titel ging.

Auch als Trainer macht er nicht so den Eindruck, als ob er das fachlich wirklich unterfüttert und leitet nur nach Instinkt. Wenn man ihm einen detaillierten Fachmann zur Seite stellt, dann kann das eine gute Kombination sein, aber auch da fürchte ich eher, dass Scholl keinen Gleichberechtigten neben sich dulden kann und vor allem keinen „Laptoptrainer“.

HK 16. Januar 2018 um 14:58

Wenn er auch leider viel Unsinn erzählt, sollte man ihm in Bezug auf seine sportliche Laufbahn doch die verdiente Ehre zuteil werden lassen.
CL 2001, EM 1996, UEFA-Cup 1996, ein dutzend deutscher Titel, meinetwegen noch Weltpokalsieger. Tatsächlich hat Scholl außer der WM jeden Titel gewonnen den es überhaupt gab.
Die WM konnte er auch nicht gewinnen, da er in seiner besten Zeit 1998 und 2002 jeweils verletzungsbedingt fehlte. Ob man das unter mangelnder Fitness abtun sollte?
Aber zumindest kann man sagen, dass ihn sein Körper diverse Male im Stich ließ. Allerdings dies auch oft genug unter der „freundlichen“ Mithilfe diverser Gegenspieler.

Dass er selber kein „eisenharter Charakterkopf“ war hat er selbst, damals wie auch heute, nie verhehlt. Was ich im übrigen für einen seiner sympathischen Charakterzüge halte.
Im Gegenteil war Scholl als Sportler eher der sensible Typ, der sich gerade durch Verletzungen oder private Umstände oft sehr nachhaltig aus dem Gleichgewicht bringen ließ.

Vielleicht passt das aber auch zusammen. Wie man ja oft gerade das begehrt oder bewundert was man nicht hat oder kann, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass der kleine, sensible Mehmet früher eben gerade diese „harten Jungs“ wie Effenberg oder Jeremies bewundert oder beneidet hat und deshalb diesen Typus auch jetzt immer wieder so hervorhebt.

Daniel 16. Januar 2018 um 15:53

„Generell scheint Scholl primär immer einer gewesen zu sein, der unfassbar viel Talent in die Wiege gelegt bekommen hat und das für ausreichend hielt. Ein fitter Scholl konnte man mal mit Luis Figo in einem Atemzug nennen, aber der machte einiges mehr in Punkte Fitness und konnte dadurch insgesamt „mehr“ in der Fußballgeschichte hinterlassen als Scholl, der meistens fehlte, wenn es um die großen Titel ging.“

Interessante Aussage von dir. Meiner vagen Erinnerung nach war bei Scholl mehr die Verletzungsanfälligkeit das Problem als der Arbeitsaufwand. Hab den in der Hinsicht als ne Art Vorgänger von Arjen Robben in Erinnerung. Aber wie gesagt, ich hab den Spieler Scholl nur als kleines Kind erlebt-insofern hast du da wahrscheinlich einen besseren Blick drauf.

Zu den Aussagen der letzten Monate bin ich bei dir, da sollte man nicht zu viel hineininterpretieren. Natürlich kann man am Nachwuchssystem und an den Trainern manches mit Recht kritisieren, insofern kann man mit gutem Willen Scholls Aussagen so drehen, dass sie einen wahren Kern beinhalten. Aber dann kann man auch sagen, dass irgendwelche Randalierer einen wahren Kern benennen, die „Merkel muss weg“ brüllen-schließlich gibt es auch an unserer Regierung tatsächlich viel zu kritisieren. In beiden Fällen ist die Art der Kritik aber nur substanzloses Getrolle und von echter konstruktiver Kritik zu trennen (sorry für das politische Beispiel, ist mir nur grad in den Sinn gekommen).

Um nur mal ein Beispiel zu nennen: laut Scholl ist das schlechte Europapokalabschneiden diese Saison unter anderem auf die jungen Laptoptrainer ohne Profierfahrung zurückzuführen, die angeblich bei der Trainerausbildung einer Gehirnwäsche unterzogen wurden. Das ist schon deshalb Quatsch, weil die betreffenden Teams zu diesem Zeitpunkt von Ancelotti, Bosz, Hasenhüttl, Nagelsmann, Stöger, Dardai und Streich trainiert wurden-mit Ausnahme von Nagelsmann und Streich sind das zum einen Ausländer (also nicht vom DFB gehirngewaschen) und haben zum anderen (mehr oder weniger viel) Profierfahrung als Spieler.

koom 16. Januar 2018 um 17:52

Scholl wirkte nie auf mich wie jemand, der wirklich voll austrainiert war. Andererseits war das auch eine andere Zeit, wo das Körperliche noch nicht auf dem Niveau war wie heute und viel in Eigenregie erledigt werden musste. Mit dem Wissen von heute muss man sagen, dass Scholl ein bisserl Krafttraining sicherlich gut getan hätte und man ihn heute zurecht mit den ganz Großen nennen müsste. Fußballerisch, wenn fit, war er sehr grandios und schon was wie Figo oder Messi, wenn auch natürlich anders. Mit einem fitten, gesunden Scholl wäre in der Nationalelf und bei den Bayern mehr möglich gewesen.

@Daniel: Ja, genau so sehe ich das. Ich glaube nicht an den Fachhintergrund von Scholl, sondern eben nur die Polemikbreitseite, für die er eben bekannt ist. Ich hab bislang noch nirgendwo etwas zu ihm gelesen, dass rechtfertigen würde, dass er jetzt mit seiner Aussage so hintergründig ist.

tobit 16. Januar 2018 um 19:52

Was mich an Scholls Kritik am meisten stört: die geht doch am eigentlichen Thema völlig vorbei.
Die meisten dieser „Laptop-Trainer“ sind formativ gar nicht so flexibel. Nagelmann hat (wenn mich nicht alles täuscht) diese Saison nur 5-3-2, 5-2-3 und 4-3-1-2 mit abkippendem Sechser gespielt – Systeme, die sich strukturell und von den Spielerrollen her sehr ähnlich sind. Die suchen sich ein, zwei Basisformationen aus und passen die dann je nach Gegner und gerade verfügbaren Spielern (es macht was aus, ob im Sturm Uth und Gnabry oder Wagner und Kramaric stehen) minimal an. Da geht es eben nicht drum 18 Systeme (was sind in dem Zusammenhang überhaupt Systeme?) „rückwärts furzen zu können“, sondern als Spieler eine (oder ein paar) Rolle(n) mit unterschiedlich viel individueller Freiheit (Schmelzer ist in einer offensiven Freirolle verschenkt, Dembélé blüht darin auf) in diesem gegebenen Rahmen mit möglichst wenig direktem Coaching im Spiel umsetzen zu können.
Dass die Laptop-Trainer ihren Spielern das dribbeln verbieten oder das Passspiel nicht richtig coachen, halte ich für ein Gerücht. Ich erinnere mich noch gut an Bundesliga-Zeiten, in denen es quasi keine echten Dribbler (nur Sprinter, die ihren als IV ausgebildeten AV einfach überrannten) gab, weil die den damaligen Trainern (was ist eigentlich das Gegenteil von Laptop-Traier?) zu riskant waren. Oder als gegen Klopp keiner mehr einen geraden Pass zustande brachte, weil man im Training nie unter Gegnerdruck gepasst hat und früher auch im Spiel sehr selten welchen hatte.
Dass man als Nicht-Ex-Profi seine Spieler nicht wirklich versteht, dürfte auch Quatsch sein. Ein Tedesco scheint seine Leute bestens zu verstehen, wenn man sich ein paar Interviews durchliest.

@Daniel: War mir gar nicht aufgefallen, dass in Europa nur ein echter Laptop-Trainer (+Streich, der Scholl wohl zu alt für die Kategorisierung wäre) dabei war.

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