Enttäuschende Ukrainer scheiden vorzeitig aus

0:2

Geringe Unterstützung der Flügeldribbler und passive Offensivanlage führen zu einer mittellosen Vorstellung der Ukraine gegen Nordirlands gut gewähltes 4-3-3. Ein Standardtor bringt den ebenfalls harmlosen Außenseiter auf die Siegerstraße.

  • Nordirlands 4-3-3 passte gut gegen die Ukrainer: Im Mittelfeld nutzten sie Mannorientierungen zum Zustellen, übergaben diese aber gut. Die Achter rückten wechselweise leitend heraus, um die Ukraine nach außen zu drängen. Konoplyankas frühes Einrücken wurde oft von Ward aufgenommen.
  • Das ukrainische Team zeigte sein schwaches Gesicht: passive Mittelfeldausrichtung und zu wenig Unterstützung bei den Flügeldribblings. Oft standen Yarmolenko und Konoplyanka nur eine nahe Anspielstation zur Verfügung, es fehlte an Bewegungen in die Formation hinein. So konnte Nordirland bei zurückfallenden Bewegungen die Mannorientierungen aufgeben und sich simpel auf Kompaktheit fokussieren.
  • Nach vorne blieben aber auch die Nordiren oft harmlos. Sie setzten oft auf lange Bälle, die links einige Male vom Ausweichen Washingtons gesichert wurden. Zudem gab es Spiel auf Abpraller mit improvisierten Flügelaktionen in der Folge. Die hohen Achterpositionen hatten Potential, waren aber nicht ohne Risiko. Das 0:1 nach einer Standardsituation stellte für Nordirland die Weichen auf Sieg.

Neues 4-3-3 mit wegleitender Wirkung

Nach der fast rein zurückhaltenden Auftaktniederlage gegen Polen reagierte Nordirlands Trainer Michael O´Neill mit fünf personellen Wechseln und einer Umstellung auf 4-3-3. Die Viererkette wurde defensivstark besetzt, im Mittelfeld gab es grundsätzlich lose Mannorientierungen, aber etwa das sehr weiträumige Ausweichen Kovalenkos wurde gut übergeben. Zudem streuten die beiden Achter flexible Herausrückbewegungen nach vorne in 4-4-2-Ansätze ein, wobei sie meistens nur leitend kurz herausschoben. Dieses diagonale Aufrücken führten sie insgesamt ausgewogen und balanciert aus, auch individualtaktisch im Anlaufen nicht ungeschickt.

ukr-nirAuf den Flügeln agierten Dallas und Ward etwas unterschiedlich. Ersterer nahm auf links eine tiefere Position ein, fiel schon etwas früher zurück und verfolgte vereinzelt in Fünferketten. Dagegen achtete Ward – vermutlich im Laufe der Partie so entstanden bzw. angepasst, nicht unbedingt im Vorhinein genau so geplant – verstärkt auf das Einrücken Konoplyankas, der viel häufiger und konstanter in Halbraum bzw. Zentrum zu finden war als sonst. Durch die enge Positionierung Wards waren die Passwege aber nicht so leicht zugänglich, so dass Konoplyanka tief zurückfiel, um gestaltend oder ankurbelnd zu dribbeln. Diese enge Position Wards und das in der Folge weiträumige Herausrücken Hughes´ gegen Shevchuk verstärkte die leitende Wirkung.

Insgesamt hatten die Nordiren damit eine passende und stabile Grundausrichtung gegen das Spiel der Ukrainer, die ihre Flügelangriffe und Superstars kaum effektiv ins Spiel brachten. Ließen sich die Sechser zurückfallen und bauten aus dem Halbraum auf, blieb das nordirische Mittelfeld tief, suchte die Kompaktheit und ließ Gegner außerhalb der Formation gewähren. Das war ein konstantes Problem der Ukraine auch bei zentralem Ballbesitz der Flügelspieler: Es gab wenig gegenläufige Bewegungen, um Mannorientierungen zu bespielen oder Lücken zu öffnen, so dass man immer diesen gegnerischen Block noch vor sich hatte und ihn kaum gezielt aufbrechen konnte.

Kaum Gefahr auf beiden Seiten

Gerade bei ankurbelnden Aktionen der Flügelspieler aus seitlichen oder tieferen Bereichen fehlte es an Bewegungen in die gegnerische Formation hinein, die daher an den entscheidenden Stellen in Überzahl auftreten konnte. Das frühe Aufrücken der Außenverteidiger wusste Nordirland zwischen den eigenen vier Außenspielern flexibel aufzufangen, Kovalenko agierte auf der Zehn phasenweise etwas zu hoch. Auf außen hatten Dribblingaktionen Yarmolenkos oder Konoplyankas oft nur einen der Mittelfeldspieler als Unterstützung, die anderen wurden zu passiv. Damit zeigte sich die problematische Seite des ukrainischen Spiels:

Zwar stellten sie prinzipiell vielseitige und im Grundsatz auch ausgewogene Staffelungen im zweiten Drittel her, aus den aufgebauten Anordnungen fehlte es aber an entscheidender Aktivität und diesmal damit Läufen nach vorne. Mochten die Staffelungen für sich mitunter sehr ordentlich aussehen, passten sie zu oft nicht zur Situation und konnten kaum mit attackierendem oder kreativem Zug gefüllt werden. Im Angesicht dieser Problematik tauchten erneut die vielen langen Bälle auf, mit denen sich der ukrainische Aufbau vermehrt behalf. Weder auf die Flügeldribbler, aufrückenden Außenverteidiger noch den ausweichenden Mittelstürmer brachte das aber viel ein.

Lange Bälle waren erneut auch ein prägendes Mittel bei den Nordiren. Der Außenseiter fokussierte sich auf die linke Seite, wo Mittelstürmer Washington in die Schnittstellen hinter Fedetskyi startete und die Bälle festmachen sollte. Das gelang einige Male ganz gut, so dass im Anschluss einzelne Flügelszenen und Einwurfwellen entstanden, die zumindest stabil abgesicherte Präsenz vorne brachten. Bei Abprallern konnten zudem die insgesamt recht hoch agierenden Achter zusätzlich helfen. Vereinzelt hatten diese auch einige Momente im flachen Aufbau, indem sie sich ausweichend neben den ukrainischen Sechsern und hinter deren Flügelstürmern für Vertikalpässe freiliefen.

Die Abläufe spulten die Nordiren insgesamt sauber ab, durch die Dynamik und die noch geringe Unterstützung vorne mussten auch diese Szenen aber stets nach außen weiterlaufen, so dass die Rückzugsbewegung der Ukraine sie dort isolieren konnte. Die Seltenheit der Szenen war auch durch das Risiko der eher großen Sechser/Achter-Abstände bedingt. Bei den seltenen spielerischen Aufbauaktionen wurden sichere Verbindungen erschwert, was den Ukrainern zwei oder drei gute Ballgewinne über Sydorchuks Pressing-Herausrücken in den Raum brachte. In der Folge gingen die Nordiren weniger Risiko durch das Mittelfeld und wählten konstanter den langen Ball. Alles in allem versprühten damit beide Teams im ersten Durchgang kaum Gefahr.

Unerwarteter Ausgang in Halbzeit zwei

Die zweite Halbzeit startete mit der überraschenden Führung Nordirlands, die sich durch diesen Treffer per Standardsituation eine günstige Ausgangsposition schufen. Die Ukraine war noch mehr in die Initiative gedrängt, zeigte aber eines ihrer schwächsten Gesichter. Weiterhin fehlte es aus dem soliden Ballbesitz- und ihrem flügellastigen Offensivspiel an Besonderheiten, Abläufen und Unterstützung. Immer häufiger sah man nun, wie einer der Außenspieler stumpf außen andribbelte, vorwärtslief und gelegentlich ein Mittelfeldmann den ballnahen Zwischenlinienraum besetzte.

Selbst bei Doppelpassansätzen konnte sich Nordirland aber immer in Überzahl zusammen ziehen und die Optionen dichtmachen. Bei den Ukrainern wurde die Raumwahl der Flügelspieler zunehmend unflexibler und bei den Dribblings tendierten sie immer häufiger dazu, den Ball einfach nur noch in den Strafraum zu flanken. Mitte der ersten Halbzeit versuchte Kovalenko mit vermehrten Rückstößen anzutreiben, was minimale, aber keine entscheidenden Verbesserungen brachte. Für vielverspechende Annäherungen sorgten dann zumindest die ersten beiden Auswechslungen: Zozulya konnte sich – mit einzelnen Ablagen – etwas vielseitiger einbinden als der oft nur solide lauernde Seleznyov.

Kurz danach kam mit Denys Garmash anstelle von Sydorchuk eine weitere interessante Alternative. Der neue Mann interpretierte die offensivere Sechserposition aufrückender und konnte die Präsenz in die vorderen Zonen verbessern. Zudem betätigte er sich – zwar etwas wirr und ungerichtet – engagierter als Unterstützungskraft für die Flügelspieler, konnte kleine überraschende Balanceaufgaben übernehmen oder hier und da mal etwas Raum schaffen. Insgesamt führte das dazu, dass die Ukrainer in der finalen Phase möglichen Durchbrüchen zumindest halbwegs nahe wirkten. Auch wenn sie punktuell Gefahr verströmten, war die Spielanalage aber noch nicht wirklich überzeugend und so überraschte es am Ende auch nicht mehr, dass ihnen kein Tor gelang.

Fazit

Nun hat man die seltsame, fast surreale Konstellation, dass die Ukraine nach zwei Partien schon ausgeschieden ist. Eigentlich hatte man sie stärker einschätzen können. Zwar wurden sie von einem unglücklichen Verlauf gebeutelt, aber auch für die zu passive Mittelfeldausrichtung – insbesondere in diesem Spiel – bestraft. Mykhailo Fomenko griff hier mit seiner Personalwahl daneben (nichts zu sehen etwa von der Variante Rotan-Garmash), am Ende fehlte es in der vorsichtigeren Interpretation der Doppel-Sechs an Freilaufverhalten, Flügelunterstützung und Offensivpräsenz. Letztlich konnte das Mittelfeld die Superstars nicht entlasten. Nordirland fand mit dem 4-3-3 dagegen ein passendes Konzept und wurde mit Aussichten auf das Weiterkommen belohnt.

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