Standard-Sieg für prinzipiell bessere TSG

2:1

Wenn der Dritte beim Vierzehnten zu Gast ist, klingt das zumeist nach einer recht klaren Sache. Nicht dass demjenigen aus der unteren Tabellenhälfte grundsätzlich kein Punktgewinn zuzutrauen wäre. Das passiert schon einmal. Viel erstaunlicher wirkt es da schon, wenn sich beide Mannschaften spielerisch auf Augenhöhe begegnen und konstruktiv das Spiel gestalten wollen – und der Vierzehnte dabei sogar dominiert. Ein solches Aufeinandertreffen bot das Duell zwischen der sich seit Amtsübernahme Julian Nagelsmanns stetig verbessernden TSG 1899 Hoffenheim und dem Überraschungsteam der Saison, Hertha BSC.

Dreierkette it is

Nachdem sich in den letzten Wochen bei den Kraichgauern ein 4-1-4-1 schon fast als Standard herauskristallisierte, überraschte Julian Nagelsmann die meisten ein wenig, indem er sich nominell für ein 3-1-4-2 entschied. Der Bluff ging so weit, dass sich beim Aufwärmen eine Viererkette mit Ochs als Linksverteidiger formierte und den Ball zirkulieren ließ.

Ich könnte jetzt schreiben, dass ich eben doch mit der Dreierkette gerechnet hatte, seitdem beim öffentlichen Training am Mittwoch in einer interessanten Spielform, die einer Simulation von Herthas Charakteristiken glich, ein ähnliches System zu sehen war. Mache ich aber lieber nicht. Sonst fragen die Leute noch, was das denn für eine Spielform war.Hoffenheim Hertha Grundformationen

Ochs jedenfalls lief nicht einmal als Außenspieler auf, sondern bekleidete neben Amiri die linke Achterposition. Auf dem Flügel lief Vollland links als Wingback auf, während Toljan auf die rechte Seite wechselte. In der ersten Verteidigungslinie fand sich wie gewohnt Niklas Süle wieder, rechts unterstützt von Schär, links vom ansonsten oft als Sechser spielenden Strobl. In vorderster Front agierten in der Ausgangsformation der überaus umtriebige Kramaric und Uth.

Wenig verwunderlich zeigte sich wiederum die Ausrichtung der Hauptstädter, die auf ihr übliches 4-2-3-1 zurückgriffen. Das Personal gestaltete sich dabei ebenfalls gewöhnlich, außer dass Stark den Vorzug vor Langkamp bekam und Pekarik für den fehlenden Weiser in die Startelf rückte.

Hoffenheims Mannorientierungen erschweren Herthas Aufbau

Auch die Herangehensweise der Hertha war grundsätzlich so wie üblich. Sie ließen den Ball zwischen den Innenverteidigern und Torhüter Jarstein laufen und suchten dabei immer wieder über einen der Sechser, vor allem Skjelbred, mit den üblichen Mechanismen eine bespielbare Lücke im Verbund der Hoffenheimer aufzureißen. Dies wurde ihnen jedoch zunächst durch eine klar mannorientierte Ausrichtung der Gastgeber deutlich erschwert. Uth und Kramaric orientierten sich lose und mit unterschiedlichem Referenzpunkt an den Innenverteidigern, während Amiri und Ochs die Bewegungen der Sechser klar verfolgten. Dadurch gab es in der Ausgangssituation ein 5-1-2-2 zu sehen, das vorne trichterartig angeordnet war. Die Stürmer standen teils deutlich breiter als die beiden Achter, wobei Kramaric sich oftmals leicht höher und klarer zu Stark hin positionierte, während Uth eher im Passweg zu Plattenhardt stand und diesen in seinem Deckungsschatten behielt. Mit Brooks kam so zwar oftmals ein wichtiger Aufbauspieler an den Ball, dem jedoch gänzlich die Optionen fehlten.

Durch das Auffangen der gegnerischen Bewegung von Amiri ergaben sich in der Folge 5-2-1-2 oder 5-2-3-Staffelungen, bei einzelnen Szenen gerade zu Beginn der zweiten Halbzeit auch mal zum 5-2-2-1 hin tendierend. Mit höheren Wingbacks gab es dasselbe vereinzelt auch eher in einem 3-3-2-2.

Als Reaktion auf dieses Vorgehen begann zunächst Darida, wie auch schon in anderen Spielen zu sehen, vermehrt von der Zehnerposition aus vor die Innenverteidiger zu bewegen. Dies brachte jedoch insbesondere nach einer grundsoliden und recht dominanten Anfangsphase kaum einmal den gewünschten Effekt, da die Hoffenheimer Achter sich recht stabil auf ihn umorientierten. Lediglich in einigen Szenen zu Beginn konnten die Mannorientierungen durch Bewegungen so bespielt werden, dass sich ein Passweg in den nominell etwas stärkeren linken Halbraum öffnete. Da das Durchkommen im weiteren Verlauf aber durchaus schwerfiel, kam schließlich sogar Salomon Kalou auf die Idee, sich vom linken Flügel aus weit in die Zentrale zurückzubewegen. In einer Szene stand er so auf einmal zwischen den beiden Innenverteidigern.

Hoffenheim Pressing

Das Hoffenheimer Pressing.

Die Hertha kann man grundsätzlich als ein Team beschreiben, das um klare Abläufe herum in einer klaren Ordnung ausgerichtet ist und Kontrolle erzeugen will. In diesem Fall sorgte dies jedoch gegen Hoffenheim für eine Pattsituation, die einer gewissen Statik nicht entbehrte. Eigentlich waren es auch die etwas wilderen Szenen, die den Gastgebern gegen den Ball Probleme bereiten konnten. Zunächst einmal wären da Aufbausituationen der Hertha zu nennen, bei denen sie noch nicht ganz in die Anordnung zurückgefunden hatten, die angestrebt war beziehungsweise in denen einer der Achter einen Innenverteidiger der Berliner anlaufen musste. Hier entstanden 5-1-3-1-hafte Anordnungen, bei denen der ballferne Sechser frei blieb.

In anderen Beispielen nach etwas längerer Zirkulation ließ die TSG aber wiederum mitunter bestimmte zentrale Akteure bewusst frei, um sie nach einem Zuspiel direkt mit mehreren Spielern unter Druck zu setzen. Dies war aus taktikpsychologischer Sicht im Kontext der Manndeckung nicht zu unterschätzen: Wann war ein Spieler wirklich „frei“?

Insbesondere im linken Halbraum der Hoffenheimer stellten sie Hertha auf diesem Wege häufiger einmal eine Falle. Dies erklärte auch die Asymmetrie der beiden Stürmer: Uth versperrte erst den Weg zum spielmachenden Plattenhardt und lief dann im Bogen nach innen, um das Spiel von Herthas linker Seite entfernt zu halten. Ein Vertikalball wurde provoziert, auf den dann Strobl herausrücken und weitere Spieler in Ballnähe nachschieben konnten, um so den jeweiligen Spieler zu isolieren.

Hoffenheim Pressing Problem

Mögliche Probleme im 5-1-3-1 bei Anlaufen eines Achters.

Weiterhin setzte der Tabellendritte aus Berlin vermehrt auf lange Zuspiele und Präsenz beim Kampf um den zweiten Ball. Hieraus entstand beispielsweise bereits früh eine gute Chance für Ibisevic, die Baumann hervorragend entschärfte. Insgesamt rückten auch die zentralen Mittelfeldspieler hierfür etwas höher, um innerhalb des Zugriffsradius entsprechend präsent sein zu können.

Wenn sich die Hertha einmal etwas weiter in die Hälfte des Gegners vorgespielt hatte oder auf anderem Wege dorthin gelangte, wusste sie auch stets für gefährliche Situationen zu sorgen. In der Strafraum- und Flügelverteidigung sowie allgemein beim Verteidigen aus einem tieferen Block heraus hat Hoffenheim gewisse Probleme, die des Öfteren einmal auch offengelegt werden konnten. Gewisse Lücken entstanden etwa durch die zum Teil ebenfalls mannorientierte Spielweise der Halbverteidiger. Größerer Faktor blieb hierbei aber eher die Unfähigkeit, den Rhythmus des Gegners auszubremsen. Vielmehr reagierten die Kraichgauer auf das, was auf sie zukam: zum Teil wurden ihre Bewegungen wild und hektisch, ohne dabei Zugriff entfalten zu können.

Von Halbraum zu Halbraum: Nagelsmanns Prinzipien auf der Spur

Die wohl interessanteste Facette des Spiels war allerdings weder das bereits weitestgehend bekannte Aufbauspiel von Hertha BSC noch das Hoffenheimer Pressing. Vielmehr wussten die Gastgeber mit abermals verbessertem und nun deutlich harmonischerem Verhalten beim Ausspielen der eigenen Angriffe zu überzeugen. Hier waren die unter der Woche bei der Pressekonferenz abermals vom Trainer hervorgehobenen „Prinzipien“ dieses Mal deutlich zu erahnen.

Hoffenheims Spiel drehte sich praktisch in allem, was sie taten, um die Halbräume beziehungsweise immer wieder auch mal ums Zentrum. Selbst, wenn sie sich einmal am Flügel befanden, befassten sich die Spieler mit der Frage: Wie öffnen wir den Halbraum wieder so, dass wir ihn bespielen können? Hierbei wurden mehrere Muster deutlich, nach denen dieses Freispielen eines bestimmten Bereiches vonstattengehen konnte. Diese waren weniger von den ursprünglichen Positionen der Spielern abhängig: eher ging es um den Bezug zum Ball und zum Raum, in welchem dieser sowie die einzelnen Spieler sich befanden.

Und: Sie waren sehr gut auf den Gegner abgestimmt, dessen Pressing schnell erklärt ist. Hertha formierte sich in den Anfangsminuten noch in einem recht klaren 4-2-3-1, bei dem die Außenspieler Hoffenheims Halbverteidiger anliefen. Im Anschluss daran gab es jedoch hauptsächlich ein tiefes 4-4-2/4-4-1-1-Mittelfeldpressing zu sehen. Lediglich Abstöße wurden häufiger klar manndeckend zugestellt, woraufhin Hoffenheims Halbverteidiger sich seitlich neben den Strafraum fallen ließen, um den Gegner entsprechend auseinanderzuziehen.
Die Berliner waren in ihrem tiefen Block grundsätzlich schon kompakt und nicht allzu angenehm zu bespielen, agierten jedoch durchgehend mannorientiert, worauf die Mannschaft von Julian Nagelsmann hervorragend eingestellt war.

Das Hoffenheimer Offensivspiel war maßgeblich durch viele Bewegungen und eine grundsätzliche Fluidität gekennzeichnet. Zunächst ließen sie den Ball in der breit aufgefächerten Dreierkette ruhig zirkulieren, während Polanski und einer der Achter vor ihnen unterstützten. Hierbei war klar zu erkennen, wie Amiri jeweils auf die Bewegungen von Ochs einging und umgekehrt: Stand einer von beiden in dieser Phase des Aufbauspiels tiefer, rückte der andere etwas hoch: vielfach bildeten die beiden mit Polanski zusammen eine angedeutet diagonale Linie zueinander. Gleichzeitig ließ sich dazu oft einer der Stürmer aus der Ausgangsposition zwischen Außen- und Innenverteidger etwas zurückfallen und es konnte eine Art 3-2-4-1 entstehen, bei dem die beiden vorderen Linien sich oftmals weit vorne befanden. Dadurch konnte der bespielbare Raum in den Halbräumen vergrößert werden, ohne dabei an Verbindungen zu verlieren.

Aus dieser grundsätzlichen Anordnung heraus gab es immer wieder Positionswechsel. Insbesondere die beiden Achter agierten, passend zu ihrem jeweiligen Spielertyp, sehr weiträumig, stießen häufiger in die letzte Linie vor oder wichen auf den Flügel aus, während vor allem Kramaric sich verschiedenartig in alle möglichen Räume zurückfallen ließ und auch Uth entweder mit entsprechenden horizontalen oder zurückfallenden Bewegungen reagierte. In diese Wechselspielchen wurden auch die Wingbacks entsprechend eingebunden, sodass sich eine für Hertha kaum zu berechnende Struktur ergab, aus der es verschiedenartige Möglichkeiten gab, die nachfolgend grafisch veranschaulicht werden sollen:

1.: Andribbeln und Freiziehen von Passwegen durch die Achter: Schär geht mit Ball in den freien Raum, Darida achtet zunächst mehr auf Polanski als auf ihn, sodass sich der Passweg öffnet, den wiederum Ochs durch einen diagonalen Lauf auf die anderen Seite aufmacht. Kramaric lässt sich im richtigen Moment fallen, um den Pass zu empfangen.

1.: Andribbeln und Freiziehen von Passwegen durch die Achter: Schär geht mit Ball in den freien Raum, Darida achtet zunächst mehr auf Polanski als auf ihn, sodass sich der Passweg öffnet, den wiederum Ochs durch einen diagonalen Lauf auf die anderen Seite aufmacht. Kramaric lässt sich im richtigen Moment fallen, um den Pass zu empfangen.

 

2. Balance aus ballnaher Präsenz und ballferner Gefahr: Strobl kann hier sowohl über den als horizontale Passoption bereitstehenden Polanski auflösen, der in Amiri und Ochs zwei durchaus aussichtsreiche Anschlussoptionen hätte. Gleichzeitig ist eben aber auch die Spielverlagerung möglich, die mit Uth und Toljan ebenso gefährlich werden kann. Worauf soll sich der Gegner konzentrieren?

2. Balance aus ballnaher Präsenz und ballferner Gefahr: Strobl kann hier sowohl über den als horizontale Passoption bereitstehenden Polanski auflösen, der in Amiri und Ochs zwei durchaus aussichtsreiche Anschlussoptionen hätte. Gleichzeitig ist eben aber auch die Spielverlagerung möglich, die mit Uth und Toljan ebenso gefährlich werden kann. Worauf soll sich der Gegner konzentrieren?

 

3. Raum schaffen für Dribblings (oder Pässe) von außen in den Halbraum: Ochs und Uth ziehen ihre jeweiligen Gegenspieler mit und den Weg für Toljan frei. Amiri reagiert darauf, indem er dynamisch die Schnittstelle besetzt, Kramaric wiederum zeigt eine Reaktion darauf.

3. Raum schaffen für Dribblings (oder Pässe) von außen in den Halbraum: Ochs und Uth ziehen ihre jeweiligen Gegenspieler mit und den Weg für Toljan frei. Amiri reagiert darauf, indem er dynamisch die Schnittstelle besetzt, Kramaric wiederum zeigt eine Reaktion darauf.

 

4. Laserpässe (im Halbraum): Amiri und Polanski binden Spieler von Hertha, Schär dribbelt zunächst leicht an und spielt dann auf den zurückfallenden Uth, Kramaric läuft in Richtung Spitze.

4. Laserpässe (im Halbraum): Amiri und Polanski binden Spieler von Hertha, Schär dribbelt zunächst leicht an und spielt dann auf den zurückfallenden Uth, Kramaric läuft in Richtung Spitze.

Darüber hinaus gab es noch weitere, kleinteiligere Mechanismen zu sehen, bei denen jedoch insgesamt klar wurde, wie sehr die jeweiligen Aktionen miteinander in Verbindung standen. Die Ausführung war dabei größtenteils auffallend sauber. Nicht umsonst bezeichnete der Trainer die Vorstellung danach als „eines unserer besten Spiele, seit ich hier bin.“.
Einzelne Probleme bereiteten lediglich Gegenpressingaktionen, bei denen manchmal der Zugriff etwas fehlte.

Dies war zum einen mit der wohl größten Stärke der Herthaner an diesem Tag, dem mitunter hervorragend vorbereiteten Umschaltspiel, zu erklären. Zum anderen mit einer nach wie vor ab und zu fehlenden Ruhe bei einzelnen Aktionen, die statt über einen Rückpass mit einem Zuspiel in das kollektive Anlaufen der Gäste hinein gelöst wurden. Auch in höheren Zonen stimmten zwar Intensität und Bereitschaft im defensiven Umschaltmoment. Der Zugriff fehlte jedoch manchmal oder gestaltete sich zu unkontrolliert. Beides fiel jedoch grundsätzlich nicht weiter ins Gewicht.

Schärs Verletzung sorgt für Umstellung auf 4-1-4-1, mehr Kontrolle mit Schwegler

Nach dem verletzungsbedingten Ausscheiden von Schär in der Anfangsphase der zweiten Halbzeit, kam bei der TSG Kaderabek hinein und bekleidete fortan die Position des rechten Außenverteidigers, während Toljan auf die gegenüberliegende Seite eines nun entstandenen 4-1-4-1 rückte. Die offensive Rollenbesetzung aus der zuvor angewandten Systematik wirkte sich auf die neue Grundformation zunächst etwas destabilisierend aus und resultierte in einer stärkeren Phase der Gäste beziehungsweise einem generell offenerem, unkontrollierteren Spielrhythmus. Hierauf wurde kurze Zeit später mit der Hereinnahme Schweglers für Ochs auf die linke Achterposition reagiert, was sowohl mit als auch gegen den Ball durchaus für Beruhigung und zunehmende Dominanz von 1899 sorgte.

Die Spielanlage mit Ball blieb ähnlich, wenngleich durch die Umstellung ein Spieler aus tieferen Zonen gegen einen höher agierenden Akteur getauscht wurde. Polanski agierte etwas vor den beiden Innenverteidigern, manchmal auch zwischen ihnen. Volland, nun nicht mehr als Wingback eingesetzt, driftete noch viel häufiger in den Halbraum sowie ins Zentrum und nahm eine immer wieder antreibende Rolle ein, die dem Spiel grundsätzlich gut tat.

Einmal gab es darüber hinaus eine interessante Aufbauvariante zu sehen, bei der Süle zentral vor dem Sechszehner blieb, während Strobl links tief daneben blieb. Kaderabek ließ sich aus höherer Ausgangsposition fallen, um eine weiträumige Art der Aufbaudreierkette zu erzeugen.

Im Pressing wurden die Gastgeber trotz einzelner Szenen, die an das vorherige mannorientierte Muster erinnerten, insgesamt raumorientierter und zogen sich etwas zurück. Hohes Anlaufen gab es trotzdem immer wieder mal zu sehen. Volland und Uth richteten sich hier etwas asymmetrisch aus. Letzterer blieb etwas höher und mit grundsätzlicher gleicher Aufgabe wie zuvor, während der deutsche Nationalspieler eher dynamisch nachstoßend agierte.

Mark Uth war es auch, der insbesondere im Zusammenspiel mit Kaderabek für gruppentaktisch und individuell feine Momente sorgte, in denen er seine Dribbelstärke kombinativ einbinden konnte. Er erzielte schließlich auch den Siegtreffer, wenn auch nicht aus dem offenen Spiel heraus.

Dass die beiden Hoffenheimer Tore nach Standardsituationen fielen, ist letztlich vielleicht noch das einzig typische Merkmal eines Tabellen-14., das übrig blieb. 54% Ballbesitz und 17:10 Torschüsse sprechen trotz nach wie vor vorhandener Probleme in der tieferen Verteidigung sowie einzelnen anderen Aspekten eine deutlich andere Sprache.

Fazit: „Prinzipienfußball – Die Fußballphilosophie des Julian Nagelsmann“

In Anlehnung an den Titel des bald erscheinenden Buches von Kollege MR (Durfte ich bereits lesen. Ist geil. Kauft das!) habe ich mal ein bisschen rumgesponnen und darüber nachgedacht, wie ein Buch heißen würde, das ich selbst in einigen Jahren schreiben könnte. Natürlich ist das nicht ganz ernst zu nehmen, wenngleich der Begriff der „Prinzipien“ momentan die wohl klarste Tendenz bei Julian Nagelsmann charakterisiert.

Doch im Fußball geht es um stetige, im Voraus kaum planbare Weiterentwicklung. Das weiß auch der Trainer der TSG 1899 Hoffenheim: „Ich habe mich da von Perfektion gelöst (…) Da müssen die Spieler sich entwickeln. Da muss der Trainer sich entwickeln“. Da wären wir auch an dem Punkt, den ich wohl gedanklich mit Klopp verband: Pressekonferenzen mit Nagelsmann sind gleichzeitig unterhaltsam wie informativ. Wenn man dem grinsenden jungen Mann zuhört, lernt man immer ein bisschen was dazu.

Siege wie jener gegen Hertha BSC sind zunächst einmal eine Momentaufnahme. Das ist jetzt auch das Fazit. Man wird sicherlich noch einige Spiele verlieren, aber mit der Sichtweise, die Julian Nagelsmann öffentlich zeigt, wird man alles dafür tun, um infolgedessen besser zu werden und an allem, was man tut, zu wachsen. Und: Man wird nicht absteigen.

RoyalBlue 20. April 2016 um 11:54

wirklich überragende Analyse. Sowohl die grundlegenden Dinge beschrieben, aber auch viele Feinheiten sehr gut miteingebaut. Dazu sprachlich auch top wie ich finde. Und das dann noch zu solch einem interessanten Team. Da bleiben keine Wünsche offen 🙂

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FAB 20. April 2016 um 10:43

Die Rückrundentabelle wird immer interessanter und stellt ja teilweise die Hinrunde auf den Kopf:
5. Hoffenheim (Hin 18.)
6. Ingolstadt (Hin 11.)
7. Stuttgart (Hin 15.)

10. Hertha (Hin 3.)
11. Gladbach (Hin 4.)
14. Wolfsburg (Hin 7.)

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pb 21. April 2016 um 10:22

Bei vielen Hertha-Spielern ist einfach der Akku komplett leer, das sieht man inzwischen sehr deutlich. Auch wegen mangelnden echten Alternativen im Kader hat Dardai wenig rotiert und das rächt sich nun. Die Leistungen in der Hinrunde waren von allen Beteiligten fast durchgängig am Anschlag, das ist nicht dauerhaft zu halten.

Bei allem Respekt für die gute Analyse von ES war das auch in diesem Spiel ein wesentlicher Faktor, den man durchaus erwähnen sollte.

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ES 21. April 2016 um 11:17

Selbstverständlich ist das ein Faktor. Letztlich zeigen sich die Auswirkungen davon auch im taktischen und technischen Bereich, da man den Fußball ganzheitlich und nicht in diese gedanklichen Konstrukte zerteilt sehen muss. Aufgrund der abnehmenden körperlichen Attrbute wird es beispielsweise schwieriger den mannorientierten Stil im Pressing aufrechtzuerhalten, ohne dass bespielbare Lücken entstehen.

Man darf da nicht einfach so voraussetzen, dass wenig Rotation automatisch zu Müdigkeit am Saisonende führt. Das ist eine Frage der Belastungssteuerung, die wir in Bezug auf Hertha ja durchaus kritisch sehen und sahen. Obwohl ich sagen muss, dass die Spieler über einen Großteil der Saison den Spielstil recht gut und langanhaltend umsetzen konnten, rächt sich das jetzt ein wenig. Von einem „Einbruch“ zu reden wäre dennoch wohl zu viel. Im Rahmen der gewählten Methodik wurde schon zweifelsohne gute Arbeit geleistet von qualifizierten Leuten.

Jedoch zeigt sich hier, was der Unterschied zwischen einem „langsamen Aufbau“ nach Verheijen ist, bei dem man zu Saisonbeginn nicht direkt mit voller Belastung einsteigt, sondern diese behutsam im Laufe der Zeit aufbaut und der üblichen, abrupten Variante, die auch Hertha praktizierte. Bei 3 Einheiten am Tag in der Vorbereitung baut man zwar schnell (Fußball-)Fitness auf, diese ist jedoch kaum nachhaltig und geht dann oftmals zum Ende der Saison, wenn es wirklich darauf ankommt, verloren. Nachzulesen hier: https://webshop.worldfootballacademy.com/shop/books/the-original-guide-to-football-periodisation-part-1/

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pb 22. April 2016 um 21:51

Jau, ihr habt das ja schon zum Anfang der Saison am Beispiel Hertha angesprochen iirc. Meinte das nur als Ergänzung und nicht als Angriff auf deinen Artikel. Mit fehlenden körperlichen und mentalen Reserven können auch eigentlich gute taktische Vorstellungen dann nicht mehr richtig umgesetzt werden. Von heutigen Trainingsmethoden verstehe ich viel weniger als ihr, vielleicht trotzdem meine Lesart dazu:

Bei Hertha lastet vieles auf einer Handvoll von Schlüsselspielern. In eurer Analyse von Dardais Erfolg vor ein paar Wochen kam das gut raus – Brooks ist durch seine Dribblings im Spielaufbau extrem wichtig, weil er so eine andere Option als das Passpiel hintenrum bietet. Durch die meist sehr tiefe letzte Linie ist das Überspielen der ersten gegnerischen Pressing-Linie sehr anspruchsvoll. Hat man gegen Ingolstadt in der Rückrunde vielleicht am besten gesehen. Die haben das lange wirklich vorbildlich gemacht und das IV-TW Trio fast vollständig von den Anspielstationen im ZM und den AVs isoliert. Besagtes ZM ist das Herz des Spiels, dort ist Lustenberger, der ja schon immer ein großes Problem mit der Belastungssteuerung hatte, nur noch zweite Wahl und Cigerci zurück. Skjelbred und Darida müssen aber in fast jedem Spiel Übermenschliches leisten. Vorne geht ohne Geniestreiche von Kalou oft nicht viel.

Das verlangt diesen Spielern bestimmt besonders viel ab. Vergleichen wir mal mit einem Weltklassekader wie den Bayern. Die müssen sicherlich in manchen Partien nochmal deutlich höhere Spitzenbelastungen aushalten, aber Thomas Müller oder Jerome Boateng können sich zwischendurch auch mal ein Spiel auf 90% leisten. Brooks und Kalou nicht. Denn sonst muss Haraguchi das Offensivspiel gestalten und Langkamp den Aufbau von hinten übernehmen, was beide Spieler bei allem Respekt vor ihren insgesamt natürlich guten Leistungen in dieser Saison doch ziemlich überfordern würde.

In Ingolstadt hat es Herthas Trainerteam dann richtig gemacht und mit Plattenhardts klassischen Flügelläufen in der zweiten Hz ein zusätzliches Mittel eingeführt, dass die Pressing-Maschine des FCI am Ende ausgehebelt hat. Solch ein Einbinden zusätzlicher Varianten ist aber nicht oft gelungen und damit lag die Last eben fast immer auf den wenigen Schlüsselspielern.

Unterm Strich ist das natürlich unabhängig von den noch ausstehenden Spielen eine tolle Saison für die Hertha. Im Sommer hatten fast alle von uns Fans mit knallhartem Abstiegskampf gerechnet…Das recht starre System mit wenig Rotation hat ja überwiegend sehr gut funktioniert. Allerdings braucht es im Sommer einen weiteren Sprung, der taktisch insb. das Problem der Anbindung zwischen der ersten und zweiten Aufbaulinie überwindet und mehrere echte personelle Alternativen für die erste Elf bringt. Mit dieser Kaderbreite kann man eine Saison mit EL-Gruppenphase auf gar keinen Fall durchstehen.

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Alexander 17. April 2016 um 22:45

Die Sache mit der Spielform im Training würde mich schon noch interssieren… 🙂

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blub 17. April 2016 um 23:00

Ach mist. zu spät 😉

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Dr. Acula 18. April 2016 um 07:57

Ja würd ich auch gern wissen

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domi 18. April 2016 um 14:58

bitte bitte Spielform 😉

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Mike the Knight 18. April 2016 um 15:24

Ja, dito. 🙂

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ES 18. April 2016 um 16:54

Na gut, na gut. Damit habe ich ja doch gerechnet 🙂
Ging von Strafraum zu Strafraum 6v6 auf 10v10 (Torhüter nicht eingerechnet). In der Hälfte vom mit Ball beginnenden Torwart eben erst mal 6v6. Verteidiger bzw. Mittelfeldreihe des Defensivteams musste über einer gestrichelten Linie knapp vor der Mitte stehen, Ballbesitzteam per Pass über die Mittellinie kommen. Wenn das erfolgreich war, mussten alle nachschieben und den Angriff unterstützen bzw. schon Vorkehrungen für eventuelles Gegenpressing treffen. Verteidigungsteam durfte auf 4 Stangentore kontern, die auf der Mittellinie platziert waren. Verteidigungsteam klar im mannorientierten 4-4-2 während der ganzen Zeit.
Aufbauteam erst mit Viererkette und zurückfallendem Sechser. Später dann Anpassung der Spielform auf 8v6, bei dem auch über die Mittellinie gedribbelt werden durfte und Umstellung auf Dreierkette mit Strobl als linkem Halbverteidiger.
Dasselbe gab es dann auch im Abschlussspiel (Strafraum zu Strafraum, Strafraumbreite) zu sehen.

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iTouch Sulu 17. April 2016 um 21:14

„Ich könnte jetzt schreiben, dass ich eben doch mit der Dreierkette gerechnet hatte, seitdem beim öffentlichen Training am Mittwoch in einer interessanten Spielform, die einer Simulation von Herthas Charakteristiken glich, ein ähnliches System zu sehen war. Mache ich aber lieber nicht. Sonst fragen die Leute noch, was das denn für eine Spielform war.“

Was war das denn für eine Spielform?

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Dr. Acula 17. April 2016 um 21:13

danke für die analyse, habe etwas gehofft, dass dazu etwas kommt.
lese einer deiner analysen glaub zum ersten mal, was mir direkt auffällt, sind deine grafiken: sehr gute spielsituationen genutzt, verständlich und sinnvoll! top!

PS: erbarmt sich keiner der autoren, ne analyse zum spiel atletico-barca zu machen? 🙁 wenn eine mannschaft es schafft barca (!) so gut zu verteidigen, ist das doch ne analyse wert. ich kaufe auch das MR-buch, versprochen 😉

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Tim 18. April 2016 um 14:30

Ich hoffe auch noch auf CL-Analysen 🙁
Der Atletico-Auftritt ist denke ich auf jeden Fall eine Analyse wert. Zudem würde mich interessieren, warum es bei Real vs Wolfsburg nun doch mit Casemiro funktioniert hat. Das sah im Hinspiel ja noch ganz anders aus.

Ich vermute ja, dass das SV-Team schon an Artikeln zur EM werkelt und da mit 24 Mannschaften gut beschäftigt ist 😀

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