Intensität reicht Hamburg zum Unentschieden in Wolfsburg

Nach den letztjährigen Dauerabstiegssorgen befindet sich der HSV mit Bruno Labbadia im Aufwind.  Trotz einer Niederlage am vergangenen Spieltag fand man sich in der oberen Tabellenhälfte wieder und hat sogar noch Möglichkeiten in Schlagweite eines internationalen Platzes zu bleiben. Wolfsburg wiederum braucht die Punkte, um sich Mannschaften wie Bayer Leverkusen oder den HSV vom Leibe zu halten sowie sich wieder vor Hertha und Gladbach bringen zu können.

Wolfsburgs 4-1-4-1

In dieser Saison variierte Hecking viel zwischen 4-4-1-1 und 4-1-4-1 in der Arbeit gegen den Ball. Ohne De Bruyne haben die Wölfe nicht den einen Zehner, der gegen den Ball im Pressing enorme Wege macht, sich auch weit nach hinten bewegt, das Mittelfeld situativ unterstützt und trotzdem im Konterspiel effektiv agieren kann. Arnold kommt vermutlich diesem Spielertypus am nächsten, ist jedoch etwas anders, nicht ganz so weiträumig und erfolgsstabil in seinen Pässen und Dribblings.

Grundformationen

Grundformationen

Insofern macht es Sinn, dass Hecking diese Saison mit 4-1-4-1-Formationen experimentierte; ob mit zwei Achtern oder auch zwei hängenden Spitzen (Kruse und Draxler). Gegen den HSV entschied sich der amtierende Trainer des Jahres für Arnold und Draxler hinter Kruse, während Vieirinha und Schürrle die Außenbahnen besetzten.

Grundsätzlich verfolgte man damit mehrere Ziele; die Möglichkeit flexibel den Mittelstürmer im Pressing zu unterstützen, Überzahl im zentralen Mittelfeld zu haben und die Flügel im Aufbau- und Konterspiel konstant nach vorne bringen zu können. Auch die individuelle Qualität in dieser Aufstellung mit Akteuren wie Draxler, Arnold, Vieirinha und Schürrle in einer Reihe hinter Kruse ist natürlich nicht zu verachten.

Allerdings schafften die Hamburger es über weite Strecken zu neutralisieren.

Labbadia-Pressing

Der HSV begann mit einem recht hohen Pressing und einem 4-4-2 in der Arbeit gegen den Ball. Lasogga und Gregortisch traten dabei als Sturmduo auf. Sie versuchten zu Beginn des Wolfsburger Aufbauspiels den Sechserraum zu versperren. Aus dieser Staffelung schoben sie dann aggressiv auf die Innenverteidiger der Wölfe. Beachtlich war die Defensivarbeit der beiden Hamburger Stürmer. Immer wieder gingen sie aus den Räumen nahe des Mittelkreises mit langen Sprints bis an den gegnerischen Strafraum, liefen bogenartig die Innenverteidiger an und wollten sie nach außen treiben.

Zwar konnte Wolfsburg einige Male dennoch herausspielen oder bei guter Orientierung das Pressing der Stürmer einfach umspielen, doch viele Male führte es zu langen Bällen an der Seitenlinie oder eben Ballverlusten. Beim Tor zum 0:1 der Gäste aus Hamburg war es ein langer Sprint Lasoggas auf den sich drehenden Dante, dem daraufhin die Optionen fehlten und wegen der unsauberen Ballannahme Lasogga den Ball erobern konnte. Im Nachschuss verwandelte dann Nicolai Müller zum Treffer.

Insofern funktionierte das Pressing des HSV also gut und effektiv, desweiteren konnten sie bei weiträumigeren Staffelungen der Wölfe – insbesondere in der Phase vor der Halbzeitpause der Fall – die Verbindungen kappen und mit der hohen Intensität enormen Druck erzeugen.

Nichtsdestotrotz war das Pressing der Hamburger nicht immer optimal. Gelegentlich war das Nachschieben der Mittelfeldspieler unharmonisch und unsauber; sie kamen verspätet und rückten ein paar Mal heraus, wenn Wolfsburg das Pressing bereits gelöst hatte oder aber, wenn das Herausrücken keinen zusätzlichen Druck erzeugte.

Die Ursache dafür war allerdings durchaus logisch. Man wollte gegen das Mittelfeld des VfL keine Räume vor der Abwehr im Zwischenlinienraum verschenken. Verschwendete Läufe der eigenen Stürmer oder eine zu tiefe Positionierung der restlichen Spieler wurden dafür dankbar in Kauf genommen. Das funktionierte insgesamt eigentlich ganz gut.

Holtby schob ein paar Mal höher, doch er half wie Jung sehr oft eng vor der Viererkette. Dadurch war man selbst bei überspieltem Pressing kompakt in den ersten zwei Linien und öffnete den Zwischenlinienraum kaum. Vielfach spielte sich Wolfsburg vor dem Block fest oder isolierte sich auf dem Flügel, woraufhin Flanken folgten, obwohl der Strafraum des HSV gut besetzt war. Jungs Spielweise war dabei wichtig, er bewegte sich gut in puncto Absicherung und Unterstützung der Zonen vor den Abwehrspielern.

Die Bewegungsmuster der Außenstürmer waren ebenfalls interessant. Sie schoben gelegentlich diagonal nach vorne. Hierbei gab es zwei unterschiedliche Aspekte dieser Bewegungen; einerseits schoben sie ein paar Mal einfach aggressiv auf die gegnerischen Innenverteidiger zur Unterstützung des Mittelstürmers, andererseits standen sie gelegentlich einfach etwas zentraler und versuchten den diagonalen Passweg aus dem gegnerischen Sechserraum in Richtung Flügel zu versperren. Wolfsburg musste dann nach hinten spielen, woraufhin Lasogga und Gregoritsch wieder ihr Pressing starteten, während die Außenstürmer sich wieder auf die Seite bewegten und die flache Vier im Mittelfeld herstellten. s

Auch die horizontale Kompaktheit des HSV war adäquat. Sie waren nicht extrem kompakt wie z.B. die Bayern oder Roger Schmidts Leverkusener häufig, doch die Abstände stimmten gegen den VfL. Die Wolfsburger konnten die Schnittstellen nicht konstant bespielen oder sich in den kleinen Räumen zurechtfinden, gleichzeitig stand der HSV weit genug auseinander, um Seitenwechsel und Diagonalbälle gut verteidigen zu können.

In gewisser Weise schaffte der HSV also die großen Waffen der Wolfsburger aus dem Spiel zu nehmen oder mit ähnlichem Niveau dagegen zu halten: Zwischenlinienraumbesetzung, Konterstärke, Pressingintensität, lange und diagonale Bälle. Doch daraus entstand kein langweiliges, sondern ein sehr interessantes Spiel.

Angenehmer Rhythmus

Der Sky-Kommentator sprach mehrmals vor Ende der ersten Halbzeit davon, wie zufrieden er it dem Spiel bisher sei. Es sei unterhaltsam, spannend und habe viel Tempo. Das lag daran, dass es sehr viele Pressingaktionen gab, die in vielen vertikalen Aktionen mündeten. Beide Teams versuchten die generischen Pressingbewegungen aggressiv zu umspielen, nach Ballgewinnen wollten sowohl Heim- als auch Auswärtsmannschaft schnell kontern.

In diesen Kontern gingen wiederum einige Bälle verloren, woraufhin es Konter in die andere Richtung und Gegenpressingversuche gab. Wegen der Zerissenheit durch die vorherigen Konter gab es genug Raum, um das Gegenpressing zu umspielen und weil beide Mannschaften Spieler vor der Abwehr absichern ließen – insbesondere der HSV – konnte dann schnell wieder nach vorne gespielt werden.

Der HSV zog seine Spielweise außerdem bis zur Halbzeitpause durch und zog sich erst danach etwas tiefer zurück; was womöglich auch an der Umstellung der Wölfe lag. Zur zweiten Halbzeit spielte Träsch nicht mehr, sondern anstatt seiner Bas Dost – natürlich nicht als Rechtsverteidiger, sondern ganz vorne. Kruse ging daraufhin eine Ebene tiefer neben Arnold, Draxler spielte nun als Flügelstürmer.

Vieirinha spielte positionell freier als Träsch und kreativer im Passspiel. Draxler wiederum spielte in einer ungewohnten Rolle als rechter Flügelstürmer und suchte nach Durchbrüchen, außerdem öffnete er damit Räume in der Mitte. Der Angriffsvortrag und die Ballzirkulation der Hausherren verbesserten sich, der HSV hatte jetzt weniger vom Spiel, weniger Zugriff und auch nur wenige Konterchancen.

Die Rothosen wirkten außerdem etwas erschöpft. Sie wurden etwas unsauber im Verschieben, öffneten immer wieder Räume und das höhere Pressing gab es kaum noch zu sehen. Im weiteren Verlauf der Partie waren es auch die pendelnden Läufe Kruses aus der Mitte auf die Flügel, welche für Gefahr sorgten. Hamburgs Abwehr wurde beim 1:1 dadurch überspielt, weil Kruse sich auf dem linken Flügel befand, von Draxler unterstützt wurde, der mit einem diagonalen Lupfer hinter die Abwehr den weit vorgeschobenen Vieirinha fand. Seinen Querpass verwertete der vorgestoßene Arnold zum Ausgleich.

Die Veränderungen in den Schlussminuten sollten auf beiden Seiten nichts mehr am Ergebnis verändern können.

Fazit

In der ersten Halbzeit konnte der HSV mit seiner Mischung aus hohem Pressing und Stabilitätsfokus in den ersten zwei Linien sehr gut mithalten, doch nach den Umstellungen Heckings dominierten die Wölfe das Spiel in der zweiten Halbzeit. Besonders Vieirinha als Rechtsverteidiger war hierbei mitentscheidend. Der Ausgleich war nur eine Frage der Zeit und absolut verdient. Nach dem Seitenwechsel hatte der HSV kaum noch Chancen.

Schanzi 12. Dezember 2015 um 22:46

Liebe SV-Autoren,

bringt ihr auch etwas zu Bayern-Ingolstadt? Würde mich als FCI-Fan schon sehr interessieren, war meiner Meinung nach eine überragende erste Hälfte von Ingolstadt. Selbst Pep sagt, der FCI sei die beste Mannschaft gewesen gegen die er in dieser Saison gespielt hat.

Eine Analyse wäre überragend. Aber bin guter Dinge, Bayern macht ihr ja fast immer 🙂

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