Die Analyse im Fußball: Einführung und How-To

Die taktische und strategische Analyse nimmt im modernen Fußball einen immer höheren Stellenwert ein. Doch was bringt sie? Und wie funktioniert sie?

Wozu strategische und taktische Analyse?

Beschäftigt man sich mit den Spitzentrainern im modernen Weltfußball, u.a. Josep Guardiola und José Mourinho, so stellt man fest, dass die Taktik und Strategie bei ihnen einen enormen Stellenwert einnimmt. Mourinhos Taktische Periodisierung geht immerhin soweit, dass sie die Taktik als die relevanteste Komponente des Kollektivs und des Individuums identifiziert, Raymond Verheijen setzt sie auch hierarchisch vor die technischen und physischen Eigenschaften. Guardiola analysiert sogar jedes einzelne Training nach, um sich selbst zu überprüfen sowie die taktischen und strategischen Bewegungen der Spieler in den Spielformen noch einmal zu betrachten.

Die strategisch-taktische Analyse wird also prinzipiell für unterschiedliche Aktionen genutzt:

Tabelle1

Man kann also viele Dimensionen des Fußballs auf unterschiedliche Art und Weise covern sowie im Verbund mit den jeweiligen Beratern (Co-Trainer, Fitnesstrainer, medizinische Abteilung, usw.) überlegen, wie die analytisch erhobenen Erkenntnisse nutzbar sind. Bei Cordes (2013) wird auch unterschieden, auf welche Art und Weise analysiert werden kann:

Abbildung1

Im Profibereich gibt es natürlich bei vielen Vereinen für die jeweiligen Kategorien feste Regeln, was beachtet und bewertet werden soll, dazu wird dies mit Videomaterial und Statistiken garniert. Dies entspricht der qualitativen Spielbeobachtung. Ohne die Videofesthaltung und die Validierung der Beobachtung durch Zahlen befindet man sich natürlich im Bereich der systematischen Spielbeobachtung.  Im Halbprofi- und Amateurbereich wechselt man meistens zwischen der ersten und zweiten Säule oder nutzt gar keine Analyse.

Dennoch gibt es in all diesen vier Säulen und auch auf den unterschiedlichen Leistungsniveaus besondere Aspekte, die berücksichtigt werden können. Zwar fallen Dinge wie die Gegneranalyse oder das Spielerscouting weg, aber zumindest die Spielanalyse, die Teamanalyse des eigenen Teams oder die Trainingsanalyse sind nach wie vor möglich. Dafür reicht es aber nicht nur zu wissen, was man analysieren kann, sondern worauf man bei der Analyse achten muss.

Was analysiere ich?

Viele sprechen davon, dass sich das Analysieren am ehesten durch das Lesen von Büchern antrainieren lässt. Wer das nötige theoretische Repertoire besitzt, der wird auch eher die praktische Umsetzung davon erkennen. Natürlich ist hier ein Kern Wahrheit enthalten. Wer zig Bücher zur Viererkette und all ihren Varianten gelesen hat, sollte eher im Stande sein die Umsetzung einer einzelnen Mannschaft zu erkennen und zu bewerten.

Allerdings gibt es nicht zu allem Bücher. Wer im deutschen Sprachraum kompetente Lektüre zum Geben von Verbindungen, zur Auswirkung von Staffelungen, zum offensiven Bewegungsspiel oder auch zum konzeptionellen Positionsspiel findet, der darf mir gerne eine Mail schreiben. Bislang habe ich dies vorrangig auf Spanisch oder gar nicht gefunden. Auch zum Gegenpressing gibt es relativ wenig Theorie, nur einzelne Trainingsübungen und eine basale Erklärung des strategischen Konzepts.

Desweiteren geht vieles verloren, wenn man sich nur mit in der Literatur beschriebenen Varianten beschäftigt. Kreative, unorthodoxe Ideen findet man ebenso selten wie Dinge, die nicht direkt beschrieben werden. Vieles, was sich taktisch auswirkt, ist unbewusst oder ungeplant. Elf Spielern einzelne, einfache Vorgaben zu geben, kann in einem Spiel durch die Wechselwirkung zueinander, die unterschiedlichen Fähigkeiten und den Gegner zu sehr komplexen und oftmals noch schwieriger zu entwirrenden Mustern führen.

Dies ist übrigens auch in der Wissenschaft der Fall. So gab es lange Zeit Probleme bei der Analyse von Geh- oder Flugwegen von Insekten, weil ihre komplexen Muster nicht verstanden wurden. Später fand man heraus, dass die Insekten bloß sehr simple Gedankengänge und „Wenn-Dann“-Formeln hatten, welche aber sowohl zum richtigen Weg als auch zu den sehr komplex wirkenden Mustern führten.

Im Fußball ist es schlicht noch extremer. Zweiundzwanzig Spieler haben sich im Laufe ihres jahrelangen Trainings ebenfalls gewisse Instinkte, kognitive „Wenn-Dann“-Formeln und sonstige, unbewusste Aktionen und Reaktionen angeeignet, welche sich im Spielverlauf konstant äußern. Zwar ist auf geringem und aus taktischer Perspektive ungeplanterem Niveau natürlich die Varianz deutlich höher und die Umsetzung deutlich schwächer, doch sogar im Amateurfußball können taktisch-strategische Analysen von Hilfe sein.

Aber wie analysiert man sowas? Ein interessanter Versuch der Erstellung einer Richtlinie stammt von Elferink-Gemser et al. (2004), welche ein sportartübergreifendes Inventory zur (vorwiegend taktischen) Analyse entwarfen. Dieses bestand aus grundsätzlich vier unterschiedlichen Kategorien, welche eine besondere Beobachtung verdienten und durch die Diskussion mit Sportlern gebildet wurden:

Scale

Positionierung & Entscheidungsfindung, Wissen um die Aktionen des Balles, Wissen um (die Aktionen) der anderen und die Bewegung in sich verändernden Situationen sind also die vier Skalen. Diese Aufteilung ist faktoranalytisch entstanden und wirkt überaus nützlich, auch wenn sie nicht optimal ist.

Eine Beobachtung dieser vier (beziehungsweise fünf) Faktoren, ihrer Interaktionen und der Bewertung nach strategischen Gesichtspunkten ergänzt durch die Weiterbildung mithilfe von fußballspezifischer Fachlektüre sollte einen grundsätzlich akzeptablen Rahmen zur Analyse bilden.

Jedoch beantwortet dies nur, was analysiert und worauf geachtet werden soll. Wie funktioniert die Analyse jedoch?

Analyse ist Wahrnehmung und Heuristik

Ein Großteil der menschlichen Informationsverarbeitung ist heuristisch. Als Heuristik wird meistens die Lösungsfindung bei komplexen Problemen verstanden, mit welcher mithilfe von vereinfachten Regeln eine möglichst sinnvolle und ökonomische Lösung angestrebt wird. Das Gehirn vergleicht meist mit evolutionär festgelegten Richtlinien, persönlichen Erinnerungen und Erfahrungen sowie den implizit daraus abgeleiteten Regeln, um Heuristiken zu bilden. Das ist zwar oft auch fehleranfällig, sorgt aber vielfach für sehr gute Lösungen, insbesondere unter Stress und Zeitdruck.

Im Rahmen der fußballspezifischen Analyse der Taktik und Strategie sind denk- und wahrnehmungspsychologische Heuristiken zu berücksichtigen. Die Gestaltpsychologie unterschied zum Beispiel schon vor über einem halben Jahrhundert mehrere Gesetze, mit denen das Gehirn arbeitet. Diese sind weitestgehend empirisch nachgewiesen worden und taugen zur Verdeutlichung der Wahrnehmungsprozesse:

  • Prägnanz: Objekte werden so wahrgenommen, dass sie eine möglichst einfache, verarbeitbare Struktur darstellen.
  • Nähe: Je geringer die Abstände, umso eher wird es als zusammengehörige Struktur wahrgenommen.
  • Ähnlichkeit: Ähnlichen sich Objekte, werden sie eher als zusammengehörige Struktur wahrgenommen.
  • Symmetrie: Symmetrische Objekte gelten eher als zusammengehörige Struktur.
  • Kontinuität: Objekte, die vorherige und/oder unterbrochener Objekte fortsetzen zu scheinen, gelten eher als zusammengehörige Struktur.
  • Geschlossenheit: Abgeschlossene oder scheinbar abgeschlossene Objekte gelten auch eher als zusammengehörige Struktur.
  • Gemeinsame Bewegung (Common fate): Wenn sich Objekte gemeinsam bewegen, dann wirken sie eher wie eine zusammengehörige Struktur.
  • Gemeinsame Region: Objekte in abgegrenzten Gebieten werden als zusammengehörig empfunden.
  • Verbundene Elemente: Verbundene Objekte werden eher als eine Struktur wahrgenommen.
  • Gleichzeitigkeit: Verändern sich Objekte zum gleichen Zeitpunkt, gelten sie auch eher als eine Struktur.

Die oberen sechs Gesetze stammen übrigens von Max Wertheimer, die unteren drei wurden von Stephen Palmer ergänzt. Ergänzend mit diesem Modell zur Informationsverarbeitung von Treisman…

Abbildung2

…liegt es nahe, dass die Wahrnehmung und ihre Gesetze durch die eigene Erfahrung ergänzt werden. Analysiert man zahlreiche Spieler und findet bestimmte grundlegende Muster in den Spielen, so können die jeweiligen taktisch-strategischen Schemen von Spielern und Teams sowie die Entwicklungsverläufe und Ursachen mit der Zeit besser eingeschätzt und beobachtet werden. Hermann von Helmholtz sprach schon Mitte des 20. Jahrhunderts davon, dass wir aus unbewusst aufgestellten Theorien über das Wahrgenommene Rückschlüsse erstellen.

Desweiteren spricht die Wissenschaft von Schemakongruenz. Weicht etwas  von den bisher damit verbundenen Erinnerungen und Erfahrungen ab, so fällt es verstärkt auf und wird auch besser memoriert. Bei vorhandener Schemakongruenz werden Mannschafften eher miteinander verwechselt, was allerdings kein wirkliches Problem in der Analyse selbst darstellt, weil man sich auf spezielle Mannschaften und ihre Abweichung vom Standardspiel der jeweiligen Strategie ansieht.

Darum fällt auch Laien bereits auf, dass beispielsweise Bayer 04 Leverkusen deutlich kompakter und ballorientierter spielt als die 08/15-Mannschaften. Gibt es kein vergleichbares Schema, so fällt das besonders auf, diese schemairrelevanten Bilder sind am schwierigsten zu memorieren, aber werden häufiger mit verstärktem Interesse und aktiver Analyse erschlossen. Im Fußball wäre dies eine komplett andere Spielweise gegen oder mit dem Ball, was es jedoch heutzutage kaum / nicht gibt.

In einem gewohnten Umfeld – also bei häufiger und vielfacher Analyse – erlaubt uns diese „unbewusste Schlussfolgerung“ (sh. von Helmholtz) bei wenigen Hinweisreizen bereits eine ökonomischere Verarbeitung.

Wer sich für das Thema interessiert, hier gibt es eine simple und schöne Übersicht über unterschiedliche Aspekte der Wahrnehmung.

Um eine gute taktisch-strategische Analyse vornehmen zu können, ist somit empfehlenswert eine Vielzahl von Spielen zu analysieren, damit auch bei der Wahrnehmung von Fußballaspekten Erfahrungs- und somit Vergleichswerte bestehen. Darum ist Übung wichtig, ansonsten verfällt man Problemen, dass man zum Beispiel lang andauernde Situationen im Vergleich zu kürzeren Situationen unpassend gewichtet (sowie andere Denkfehler, die noch genauer besprochen werden).

Doch wie trainiert man diese Fähigkeiten gezielt?

Wie trainiere ich meine Analysefähigkeiten?

Seit Mitte 2011 bis zum heutigen Tag habe ich ungefähr 3000 Analysen unterschiedlicher Art erstellt. Das reicht von Spieler- über Team- und Spielanalysen bis zu Trainingsanalysen meiner Jugendmannschaft. Im Schnitt also über zwei Analysen pro Tag. Natürlich ist nur ein Bruchteil davon veröffentlicht worden, manches war für Vereine aus dem Profisport, vieles einfach für mich selbst als Hobby und einiges auch eben schlichtweg zur Übung.

In dieser Zeit hat sich meine Analysefähigkeit nach meinem subjektiven Empfinden gesteigert. Zwar gibt es nach wie vor Fehler, die besonders bei schnellen Spielanalysen oder bei emotionaler Beeinflussung entstehen, doch diese wird es immer geben. Der Fokus sollte eher auf erhöhter Geschwindigkeit bei erhöhter Treffsicherheit gelten.

Hierbei ist natürlich auch zu berücksichtigen, dass die Retrospektive deutlich einfacher ist als die Planung und Umsetzung. Einen besonderen Aspekt zu beobachten und eine Analyse dazu zu verfassen ist simpel, die Probleme vorherzusehen oder sie später zu korrigieren ist deutlich schwieriger und keiner der SV-Autoren maßt sich an, er könnte das auf hohem Niveau unter Druck.

Das ist übrigens in allem so. Professor Gerd Gigerenzer  führt in seinen Werken, besonders in „Gut Feelings“, sehr gut und nachvollziehbar aus, dass in fast allen statistischen und mathematischen Modellen weniger Faktoren in der Prädiktion effektiver sind, mehr Faktoren in der Rückschau die gesehene Entwicklung jedoch besser erklären. Das ist bei der taktisch-strategischen Analyse ebenfalls der Fall und sollte beim Verfassen wie auch bei der Bewertung beachtet werden.

Grundsätzlich unterscheide ich bei den Analysen mehrere Möglichkeiten die Fähigkeit zu trainieren:

–          Erhöhung des taktisch-strategischen Repertoires durch Fachlektüre: Die Beschäftigung mit der passenden Literatur kann natürlich dafür sorgen, dass man oft übersehene Aspekte realisiert oder generell einfach ein größeres Spektrum aufbaut, was denn überhaupt analysiert werden kann.

–          Zwang zum Output: Eine schriftliche Analyse mit einer festen Wortvorgabe (ohne redundant und repetitiv zu werden oder Sachen zu erfinden) sorgt dafür, dass man sich näher und detaillierter mit dem Spiel oder mit einzelnen Details auseinandersetzt. Die verbale Feststellung einzelner Punkte oder das Beschreiben von Szenen ist etwas ganz anderes als eine eher detaillierte und schriftliche Auseinandersetzung, die man auch später kontrollieren kann.

–          Erhöhung der Geschwindigkeit der Informationswahrnehmung: Damit ist gemeint, dass durch das schnellere Abspulen des Spiels gezielt die Geschwindigkeit der Analyse gesteigert werden soll. Doppelte, dreifache und vierfache Geschwindigkeit werden auch von Profitrainern genutzt, Favre soll angeblich nur die vierfache Geschwindigkeit bei der Gegneranalyse nutzen. Das  Gehirn kann im Normalfall bis zu 60-64 Bilder pro Sekunde ohne Informationsverlust auswerten. Darüber hinaus würden Farben bspw. als Mischfarben aufgenommen werden, 80 bis 120 Bildern nicht mehr vom Gehirn auswertbar. Studien an Kampfpiloten zeigten aber höhere Zahlen, 100 bis 150 Bilder, durch mehr Übung und Fokus auf besondere Aspekte und die damit verbundene Erleichterung wahrnehmungsgebundener Strukturen. Das sollte hiermit ebenfalls möglich sein. Mein persönliches oberes Maximum an sehr guten Tagen liegt aktuell zum Beispiel bei sechsfacher Geschwindigkeit, aber oberhalb von dreifacher Geschwindigkeit finde ich es etwas unsauber bei der Kategorisierung und Bewertung taktischer Einzelaspekte. Hierbei ist natürlich die Frage, inwiefern diese Analysen weiterhin präzise genug sind. Ich hatte das Glück mithilfe eines professionellen Analysten eines Vereins meine auf vierfacher Geschwindigkeit (und sonstigen Hindernissen) basierenden Analysen extern kontrollieren und feedbacken zu lassen. Ein Beispiel zur sechsfachen Geschwindigkeit findet sich unter diesem Link.

–          Erhöhung des Volumens der Informationswahrnehmung: Marcelo Bielsa soll angeblich bis zu vier Spiele gleichzeitig schauen und analysieren. Damit dürfte vermutlich die Speicherkapazität und Informationsaufnahme trainiert werden, obgleich ich persönlich alles über zwei Spiele anstrengend und schwierig zu analysieren finde. Mein oberes Maximum als persönlicher Vergleichswert liegt bei drei, ich würde mir aber hier keine öffentlichen oder detaillierten privaten Analysen mit hoher Trefferquote zutrauen, weil ich bisher noch nicht die Möglichkeit zu Validierung hatte.

–          Reflexion & Kontrolle: Die Reflexion der Analysen durch Übereinstimmung mit anderen, eine abermalige spätere Betrachtung und Kontrolle des Inhalts sowie das Nachdenken über die Augenscheinvalidität der Analyse sind ebenso hilfreich, um die Präzision der Analysen zu schulen.

–          Diskussion: Ein selten genannter und oft unterschätzter Punkt ist die Diskussion mit anderen, Trainern, Scouts, Analysten, Bloggern, Fans, usw. In der gemeinsamen Besprechung von Spielern, Aspekten, Teams, Strategien oder besonderen Abläufen kann man durch die andere Meinung oder die Diskussion zwischen den zwei Meinungen oftmals neue Eindrücke finden.

–          Teilspielanalysen: Eine sehr interessante Methode ist das Betrachten von einzelnen Szenen aus dem Spiel ohne Kenntnis des Ergebnisses oder dem Spielverlauf. Nach einer festgelegten zeitlichen Sequenz sollen Aussagen über a) den bisherigen Spielverlauf (Ergebnis, Ballbesitz, etc.) und b) den künftigen Spielverlauf getroffen und später mithilfe statistischer Zahlen und taktischer Komplettanalyse kontrolliert werden.

–          Simulationen und Rollenspiele: Hier werden besondere Konstrukte geschaffen und sollen dann analysiert werden. Dies ist eine Methode aus dem Coaching im Wirtschaftsbereich für Eliteführungskräfte und kann auch in der Analyse genutzt werden. Martin und ich hatten beispielsweise einige Monate lang Spiele herausgepickt, mit den Wettquoten verglichen und bei besonderen Spielen die Verläufe prognostiziert, um quasi gegen die Wettbüros zu wetten. Dieses Experiment war ziemlich erfolgreich und half auch bei der Prognose von spezifischen Situationen. Innerhalb der Redaktion haben wir beispielsweise einige Male Screenshots aus besonderen Situationen in Spielen gemacht. Redaktionsintern wurde dann jeweils unter Einbezug der Situation, Staffelung, Mannschaftsausrichtung und Spielercharakters gefragt, wie diese Situation sich in den nächsten Momenten weiterentwickelt. Auch das Erzeugen von hypothetischen Mannschaften und wie diese funktionieren können ist eine interessante Methode, allerdings im Gegensatz dazu nicht mehr nachprüfbar.

–          Tactical & Social Gaming: Damit sind keine Spiele wie FIFA oder Football Manager gemeint, sondern spezielle elektronische Simulationen, die auch eine mehr oder weniger realistische taktische und spielerische Komponente erlauben. Auf dem freien Markt ist einzig Pro Evolution Soccer für die Nintendo Wii dafür tauglich, alle anderen Konsolen und Spielen sind dafür zu unrealistisch. Durch die gleichzeitige Steuerung von allen elf Spielern müssen taktische und strategische Aspekte berücksichtigt werden, dazu ist der Denkprozess dabei bewusster und die Konsequenzen direkter nachzuvollziehen. Studien zeigten, dass sich solche Übungen sowohl motorisch, kognitiv als auch sozial positiv auswirken können.

–          Entwurf eines Analysebogens: Das Verschriftlichen von Punkten zur Analyse dient nicht nur bei der späteren Analyse zur Berücksichtigung von Aspekten, sondern auch zum Brainstorming der taktisch-strategischen Möglichkeiten. Einen Spielverlagerungsanalysebogen aus unserer Anfangszeit vor vier Jahren habe ich als PDF angehängt. Als Einstieg ist es ganz passabel, sollte aber nicht so rigide und strikt angesehen werden, wie es vielleicht den Eindruck macht.

Dies sind sehr rudimentäre Konzepte und können natürlich verfeinert werden, doch zu speziellen Übungen und Methoden dieser Konzepte gibt es vielleicht ein anderes Mal mehr.

Das generelle Ziel des Analysierens ist es, dass der Prozess selbst durch die Übung und Wiederholung automatisiert wird und durch eine Fülle an differentiellen Lernmethoden sowie diese Vorgehensweise implizit gelernt wird. Es bringt wenig, dass man einzelne Punkte auf einer Liste abhakt (diese sollte nur zu Beginn als Orientierung dienen), weil sonst die Wechselwirkungen übersehen werden.  Vielmehr geht es darum, dass man den Analyseprozess intuitiv macht und daraufhin die beobachteten Aspekte bewusst macht. Diese sollen dann abstrahiert werden, ergo die Ursachen dafür gefunden und die grundlegende Funktionsweise klargemacht werden.

Dabei muss man sich aber auch immer bewusst sein, dass die Taktik und Strategie nur einen Teilaspekt des Fußballspiels widerspiegeln sowie die Analyse selbst ebenfalls auch bei viel Übung (enorm) fehleranfällig sein kann.

Die Reflektion der Analysen ist darum womöglich am wichtigsten und spielt bei allen Varianten eine Rolle. Bei der Reflektion und der Analyse selbst muss man sich aber auch bestimmter möglicher Denkfehler oder generell Heuristiken der Denkpsychologie im Klaren sein, um die Bewertung möglichst objektiv und richtig vornehmen zu können.

Wichtige Denkheuristiken

Die Heuristiken des menschlichen Gehirns beim Denken sind zwar nützlich, können aber auch zu Fehlern führen. Ich habe in dieser Liste kurz zusammengefasst, welche Denkfehler es gibt, was sie bedeuten und wie sie sich bei der Analyse auswirken können.

Tabelle2

 

Es gibt noch mehr „cognitive biases“, welche sich fußballspezifisch umformen könnten. Auf Wikipedia gibt es eine interessante Auflistung. Die Bücher von Kahneman und Gigerenzer sind ebenso sehr empfehlenswert. Wer wie ich in Salzburg studiert, dem dürfte auch der tolle Professor Anton Kühberger ein Begriff sein. Einen Artikel, welcher argumentiert, wieso Analysen durch das Auge eben deswegen unmöglich sind (am Beispiel Hockey vorrangig), findet sich hier (verfasst von Kent Wilson).

Außerdem sollte bei der Auswahl der Analysten nicht auf statische Dinge und die Konsequenz des Analyseprozesses geachtet werden, sondern auf die Fähigkeiten der Analyse selbst. Semantisches Faktenwissen, gutes Gedächtnis und eine angenehme Präsentation werden meist als die wichtigsten drei Eigenschaften bei der Betrachtung der Kompetenz genannt, dabei sollten Denkstrukturen, Denkausrichtung und Denkzustand im Fokus liegen. Soll heißen: Lieber habe ich jemanden, der obigen Denkfehler meidet, als jemand, der mir unreflektiert Ergebnisse aus den letzten 798 Spielen vorbeten kann.

Nachdem wir den Prozess der Analyse und ihre möglichen Nutzungsbereiche betrachtet haben, so stellt sich eigentlich die Frage: Bringen die Analysen überhaupt etwas?

Validierung der Analyse

In Südamerika und auch in Europa bei Trainern wie Guardiola gibt es bei den Co-Trainern den Beruf des „Trainer/Analyst“. Sie sind auf dem Trainingsplatz aktiv, analysieren Training, Spieler und Gegner, wodurch sie Einblick in alles haben. Dadurch sollen die Analysen ganzheitlicher und praktikabler werden, was sich auch in den Erfolgen Guardiolas und Sampaolis z.B. niederschlägt.

Auch die wissenschaftliche Forschung zeigte, dass bestimmte Analyseformen funktionieren.  Vaquera et al. konnten zum Beispiel nachweisen, dass sich sehr hohe Objektivität und Beobachterübereinstimmung bei bestimmten Analysenformen des Pick and Roll im Basketball erreichen lassen. Lemminck & Frencken sprechen in ihrem Vortrag Tactical Match Analyseis in Soccer: New Perspectives?  über ähnliche Eindrücke. Bei Sarmento et al findet sich in einer Studie zur Analyse mit mehreren Coaches aus der ersten portugiesischen Liga wiederum folgendes Modell:

Abbildung3

Sie fokussieren sich in ihrer Studie eher auf die Anwendungsweise und diesen Zyklus der Analyse. Die Möglichkeit und Wichtigkeit der Analyse selbst wird wie bei anderen Forschungen als gegeben genommen. Auch Albin Tengas Forschung orientiert sich in diese Richtung, er beschäftigt auch verstärkt mit der Analyse von Analysemöglichkeiten. Tenga konnte zum Beispiel nachweisen, dass bei schlechter Raumdeckung im Vergleich zu taktisch guter Raumdeckung ein deutlich höheres Risiko auf ein Gegentor besteht.

Insofern scheint es durchaus zu erwarten, dass der Nutzen der taktisch-strategischen Analyse und ihrer Konsequenzen für die Intervention auf die Mannschaft sowie den Zusammenhang mit der Leistung als bewiesen gesehen darf, auch wenn es an expliziter Forschung dahingehend auf Spitzenniveau mangelt. Auch die Erforschung von Trainingsanalysen oder taktisch-strategischen Spieleranalysen und ihrer Effizienz wäre interessant.

Neben der gut untermauerten Vermutung, dass sich Analysen was bringen, stellt sich natürlich auch die Frage, ob es besondere Strategien und Taktiken gibt, welche nützlich sind.

Statistische Validierung von Strategie & Taktik

Vorab: Im Internet findet sich eine schier unendliche Anzahl von Artikeln und Studien, meistens basierend auf Opta-Pro-Daten, die sich mit dieser Thematik beschäftigen. Manche Taktiken und Strategien führen häufiger zum (Tor-)Erfolg, obgleich sich bei bestimmten Gegnern oder einem durchgehenden Fokus darauf natürlich die Voraussetzungen etwas ändern können (sh. Spieltheorie).

Dennoch dachte ich, es wäre interessant hier auch einen kleinen Überblick über interessante Ergebnisse der statistischen Fußballtaktik&-strategieforschung darzulegen. Daniel Altman von North Yard Analytics beispielsweise besticht mit herausragender Forschung.

So hat er ein Fünf-Zonen-System  definiert, in welchem die „Expected Goals“-Erwartung zu sehen ist.

Abbildung4

Dies passt auch sehr gut zur Aufteilung Guardiolas oder auch meinem Artikel zu den Halbräumen. Man sieht: In den Flügelräumen liegt die Obergrenze bei 0.063 in den tornächsten Zonen. Eine höhere Erwartung scheint von der Seite aus also nicht möglich sein. In der Mitte und den Halbräumen ist dies höher. Die Halbräume und die Mitte unterschieden sich allerdings auch, wie ebenfalls gut zu erkennen ist. Desweiteren sind diese Zonen elliptisch gebeugt und zeigen quasi diagonal zum Tor hin, was im Artikel zu den Halbräumen ebenfalls behandelt wurde. Die Flügelräume sind also auch in Tornähe maximal so wertvoll wie der Zehnerraum und die tornahen Halbräume.

Daniel Altman bewies außerdem, dass besondere Situationen eher zu Toren führen; u.a.  solche Verbindungen im „Pentagon“, bevor der Schnittstellenpass gespielt wird. Die Qualität und Effizienz des Schnittstellenpasses wird also direkt durch die Staffelung und Verbindungen zuvor beeinflusst.

Abbildung5

Dieses Bild stammt beispielsweise aus seiner OPTA-Pro-Forum-Präsentation von letztem Jahr. Andere Präsentationen behandelten u.a. die Überschätzung der langen Seitenwechsel oder wann Distanzschüsse effektiv sind, usw. usf.

Untersuchungen zu Flanken von Marek Kwiatkowski zeigen außerdem, dass diese relativ ineffizient sind. Nur 1,76% der Flanken werden verwertet, wobei es immerhin 5% der Flanken nahe am oder von innerhalb des Strafraums sind. Dazu gibt es Hinweise, dass flache Flanken etwas effizienter sind. Andere Forschungen wie diese von Michael Caley z.B. zeigen eine enorme Qualität von Effizienz von Cutbacks (Rücklagen in den Rückraum des Strafraums von der Seite) und Schnittstellenpässen.

Michael Caley wiederum konnte nachweisen, dass eine höhere Geschwindigkeit der Angriffe die Effizienz erhöht, diese Effizienzkurve allerdings bei extremer Schnelligkeit einbricht. Caley verfasste auch einen Artikel über den Wert des hohen Pressings aus defensiver und besonders offensiver Perspektive.

Desweiteren untersuchte Caley auch die Effekte von fokussiertem Ballbesitzfußball (in persona des FC Barcelona) auf die Chancenverwertung und exkludierte sogar Messi aus  der Analyse, fand aber dennoch weiterhin überaus positive Effekte vor.

Will Gurpinar-Morgan schrieb wiederum über Raumbesitz, wie Ballbesitz und Raumbesitz zusammenhängen können und dass Topmannschaften meistens beides miteinander vereinigen. Defensiver Druck (und somit Kompaktheit!) hingegen verhindert die Qualität von Abschlüssen drastisch, sh. hier:

Abbildung6

Der Auszug stammt von Lucey et al (2015), die mithilfe von Trackingdaten und damit gemessenen taktisch-strategischen Aspekten die variierende Wahrscheinlichkeit für Torerfolge messen konnten.

Sander IJtsma von 11tegen11 fand auch eine hochprädiktive und reliable statistische Methode namens Composite Team Rating, um die zukünftige Punktausbeute sehr früh und sehr präzise vorherzusagen. Sein Expected Goals Model (Gewichtung des Abschlusses nach Dingen wie der Schussposition, der Schussart, der Art der Vorbereitung, etc.) wurde hierbei mit einigen taktisch-strategischen Punkten kombiniert (z.B. Pässen nach Zonen, usw.). Dies deutet darauf hin, dass besondere taktisch-strategische Punkte eben doch eher zum Erfolg führen und Spielerqualität nicht alles ist, obgleich sie auch einen großen Faktor dieser taktisch-strategischen Punkte ausmacht.

Will Gurpinar-Morgan hat sogar auf meinen persönlichen Wunsch hin eine Analyse zum Thema Ballbesitz, Raumbesitz und Erfolgsquote unter „Help me, Rondo“ verfasst. Die „Territorial-Possession Dominance“ (TPD) zeigte in Deutschland sogar eine höhere Korrelation mit der Tordifferenz als Expected-Goals-Ratio oder Total-Shots-Ratio. In England ist das fast gleich hoch wie diese zwei Metriken, in Spanien wiederum deutlich geringer. Diese werden aber u.a. enorm von Rayo Vallecano heruntergezogen, die sich aber eben dank ihres Positionsspiel-Ballbesitz-Pressingfußballs trotz des mitunter geringsten Budgets seit drei Jahren in der oberen Tabellenhälfte der Liga halten können.

Auch viele Netzwerkanalysen finden sich sowohl bei Vereinen als auch im Mainstream vermehrt wieder. Eine besonders interessante von Gyarmati und Co. (2014) zeigte, dass mithilfe einer simplen Kodierung der Passempfänger besondere Passmuster ausfindig gemacht werden können, wo sich europaweit nur sehr wenige Mannschaften signifikant differenzieren. Eine davon: Der FC Barcelona, der einen eigenen Cluster bildet und sich somit von allen anderen Mannschaften unterscheidet.

Die Zukunft wird aber die Erfassung von Trackingdaten bilden. Dann wird es auch möglich sein, dass taktisch-strategische Sachen wie Kompaktheit, aber sogar die Effektivität des Gebens von Anspielstationen und ihre Korrelation mit dem Erfolg des Teams mithilfe von Algorithmen gemessen werden. Eine tolle Präsentation zu „Fußball als dynamisches System analysieren“ gibt es von Paul Power (nicht zu verwechseln mit Max Power) hier.

In ein paar Gesprächen mit Spielverlagerung hat Power auch erzählt, dass sich ProZone nur auf Fußballvereine als Klienten konzentriert und auch viele taktisch-strategische Richtlinien für das Training und die Spielphilosophie weitergibt, unter anderem auch nach wie vielen Sekunden nach einer Balleroberung die Zone gewechselt werden muss, um die Erfolgswahrscheinlichkeit des Konters möglichst positiv zu beeinflussen.

Zum weiteren Zusammenhang steht dazu die Verbindung von Taktik und Statistik beziehungsweise von taktischer und statistischer Analyse. Bei Abseits.at habe ich hierzu zwei kleine Teile verfasst, wo ich mich im ersten Teil auf den Zusammenhang konzentriere und im zweiten Teil über die Zukunft der Analyse schreibe.

Eine kurze Zusammenfassung davon möchte ich dennoch hier inkludieren.

Exkurs: Taktik, Strategie und Statistik

Statistiken müssen mit der Taktik in Zusammenhang stehen, weil sie letztlich nur objektiv messen können, was konstant auf dem Platz passiert. Sobald es mehr oder weniger konstant geschieht, ist es Taktik, auch wenn es vielleicht unbewusst und ungeplant gemacht wird. Verheijen setzt beispielsweise Taktik mit „Kommunikation“ gleich, was eine durchaus passende Betrachtungsweise ist.

Ob zum Beispiel jemand weiß, dass er immer unter Druck bolzt oder ob er bei Rückwärtspressing immer auf den Ball steigt und die Seite wechselt, obwohl diese unbesetzt ist, ist für die Gegneranalyse relativ unerheblich. Solange er es einigermaßen häufig macht und sich einzelne Muster wegen der „Kommunikation“ mit der Situation, den Mitspielern und den Gegnern erkennen lassen, ist es taktisch-strategisch analysierbar.

Der taktische Analyst – oder wie in Südamerika und bei vielen spanischen und portugiesischen Trainern der „Trainer/Analyst“ – dient dem Statistiker als Hilfe, was analysiert und wie Analysiertes genutzt werden soll. Der Statistiker wiederum kann den Eindruck des taktischen Analysten unterstützen oder auch widersprechen, um den Analyseprozess effektiver zu gestalten.

Somit ergeben sich drei Grundregeln:

–          Die Statistik misst, was taktisch beeinflusst ist

–          Die Taktik definiert, was gemessen werden muss

–          Die Strategie bestimmt, was wie gewichtet wird

Darum wird in Zukunft der Taktikanalyst nicht nur für Videoanalysen, sondern auch für statistische Analysen taugen müssen. Der statistische Analyst wiederum wird mehr taktische Kompetenz besitzen müssen, wobei sich in den oben verlinkten Analysen auch zeigt, dass dies bereits der Fall ist. Ein Beispiel dafür ist Paul Power von ProZone, der sich selbst als „Trainer“ sieht und in diesem Video sehr interessant über das Konzept der Spielintelligenz redet.

Exkurs: Wie bereite ich eine Analyse auf?

Damit die Analyse auch nützlich ist, sollten bestimmte Richtlinien beobachtet werden.

  • Fokus auf relevante Informationen. Zu viele Informationen bringen ist nicht effizient.
  • Die Analyse sollte dem Empfänger entsprechen. Ein Spieler erhält eine inhaltlich und sprachlich anders aufgebaute Analyse als der Trainer/Co-Trainer, als jemand vom Vorstand oder ein Leser im Internet / in der Presse, etc.
  • Logisch konsistentes Design und Schema.
  • Zur einfacheren Kategorisierung und zugunsten einer übersichtlichen Struktur nutzen die meisten eine Aufteilung in grundlegende Eigenheiten (Aufstellung bspw.), die vier Spielphasen und zum Abschluss die Standardsituationen sowie mögliche Gegenmaßnahmen.
  • Innerhalb der Kategorien sollten die Informationen nach der Wichtigkeit sortiert werden.
  • Wichtige Informationen sollten hervorgehoben werden.
  • Unterstützung durch Bild-, Video- und Zahlenmaterial ist immer hilfreich, sollte aber nur bei sinnvoller Ergänzung des Informationsgehalts oder zum verbesserten Verständnis dienen.

Fazit

Letztlich lässt sich wohl konstatieren: Die Fußballanalyse ist sehr weitreichend, sehr komplex und vielfältig. Dennoch ist es interessant, die dank Spielverlagerung erhaltenen Einblicke in die unterschiedlichsten Analysearten erhalten zu haben und mit diesen die eigene Arbeitsweise reflektieren zu können. Opta und ProZone analysieren ganz anders als die Statistikblogger, welche hingegen natürlich anders als Taktikanalysten vorgehen, die sich wiederum voneinander oftmals enorm unterscheiden.

Schlussendlich ist aus dem „Wie analysiere ich“ eigentlich ein Mischmasch geworden, wie man analysieren könnte, doch jeder Weg ist individuell und muss selbst gegangen werden. Ansonsten verliert man die eigenen Denkstrukturen und die ganz individuelle Art ein Spiel zu sehen. Deswegen war dieser kleine Guide auch kein „So mache ich das und ich gebe euch Beispiele, wie ich es mache“, sondern eher eine Orientierung, welche Dinge schlichtweg wichtig sind und oft vorkommen, der Prozess selbst ist aber eigentlich frei geblieben. Ich würde mich freuen, wenn Spielverlagerungsleser Feedback dazu geben würden, wie sich das bei ihnen so entwickelt hat.

 

Wouter Frencken (2012). Soccer tactics. Dynamics of small-sided games and full-sized matches. (promotor Chris Visscher, co-promotor Koen Lemmink).

Elferink-Gemser MT, Visscher C, Richart H, Lemmink KAPM (2004). Development of the Tactical Skills Inventory for Sports. Perceptual and Motor Skills, 99, 883-895.

Cordes, O. (2013). Strategieentwicklung im Fußball. Konzept, praktische Umsetzung und empirische Überprüfung. Dissertation in Sport- und Gesundheitswissenschaft an der TU München. S. 20.

Cordes, O. (2013). Strategieentwicklung im Fußball. Konzept, praktische Umsetzung und empirische Überprüfung. Dissertation in Sport- und Gesundheitswissenschaft an der TU München. S. 45

Gyarmati, L., Kwak, H. & Rodriguez, P. (2014). Searching for a Unique Style in Soccer. http://arxiv.org/pdf/1409.0308.pdf

Lucey, P., Bialkowski, A., Monfort, M., Carr, P. & Matthews, I. (2015). “Quality vs Quantity”: Improved Shot Prediction in Soccer using Strategic Features from Spatiotemporal Data. MIT Sloan Sports Analytics Conference.

Vaquera, A., Cubillo, R., Garcia-tormo, J.V. & Morante, J.C. (2013). Validation of a tactical analysis methodology for the study of pick and roll in basketball. Revista de Psicologia del Deporte, 22(1), pp. 277-281.

Sarmento, H., Pereira, A., Campanico, J., Anguera, M.T., & Leitao, J. (2013). Soccer Match Analysis – Qualitative Study with first Portuguese League coaches. In D. Peters & P. O’Donoghue (Eds.), Performance Analysis of Sport IX. Pp. 10-16. London: Routledge.

Gerd Gigerenzer (2008): Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. C. Bertelsmann Verlag: New York. (Originaltitel: Gut Feelings), ISBN 978-3-5700-0937-6.

Daniel Kahneman (2012). Schnelles Denken, langsames Denken. Siedler. ISBN 978-3-88680-886-1.

Goldstein, E. B. (1997). Wahrnehmungspsychologie. Spektrum Akademischer Verlag, Kap. 5.

Domschke, W. & Scholl, A. (2006). Heuristische Verfahren. Arbeits- und Diskussionspapiere der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Neumann, P. (2013). Handbuch der Markt- und Werbepsychologie. Hans Huber Verlag: Bern.

CR4 1. November 2015 um 05:03

Danke für diesen ausführlichen Artikel! Viele Dinge sind ja auch sportartübergreifend anwendbar. 🙂

Für mich gehört zu einer Analyse immer auch der Aspekt: Psyche/Kopf/Konzentrationsfähigkeit eine Rolle: Ist der Spieler / die Mannschaft fähig die Konzentration konstant oben zu halten? Wie reagiert er auf Stress/Druck? Bleibt er da locker, fokussiert und kreativ (absolutes Positivbeispiel: Müller)? oder neigt er dazu zu verkrampfen oder hektisch/fehleranfällig zu werden (Brasilien im WM-HF: immens hoher Erwartungsdruck, Fehlen von wichtigen Führungsspielern; VfL Wolfsburg letzte zwei Spiele gegen FCB: hoher Druck des Gegners)
ich gestehe allerdings, dass das von außen teilweise noch schwerer zu analysieren ist, je näher man da an den Spielern dran ist, umso einfacher dürfte dies natrülich möglich sein – trotzdem lässt sich aus Mimik, Körpersprache, der Art von Interviews usw. viele Rückschlüsse gezogen werden; eine gute Übung hierzu finde ich bei Elfmeterschießen aus der Beobachtung des Spielers (wie fokussiert bleibt er auf die Ausführung), die Qualität des Schusses vorherzusagen – natürlich kann hat der Torwart selbst dann noch ne kleine Chance, wenn er richtig auf die Variante der Ausführung „gepokert“ hat (Beispiel: Blick von Andi Brehme beim Elfmeter im WM-Finale => hohe Ausführungsqualität, präzise und hart geschossen, trotzdem ist Goycochea fast dran, weil er die Ecke richtig antizipiert)
auch der Schiedsrichter muss bei allen Versuchen der Neutralität mit in diesen Aspekt einbezogen werden, einige sind bekannt, viel laufen zu lassen andere zücken gerne schnell Karten usw. (Beispiel Pokal: die Wolfsburger Spieler wollten wohl aggresiver am Anfang spielen, der Schiedsrichter hat aber sehr schnell und viel abgepfiffen, nach Hecking (kann ich auch nachvollziehen) mit ein Grund, warum die Spieler sich dann zu sehr zurückgehalten haben (Psyche), obwohl dies wohl so nicht geplant und gewollt war

und: Gibt es irgendwelche Specials? hier halte ich es auch für gefährlich aus Statistiken allgemein zu empfehlende Handlungsmuster abzuleiten, denn es kann immer sein, dass eine Taktik für den Großteil nicht funktioniert oder schlechte Erwartungswerte liefert – für einen Spieler (oder eine Mannschaft), der diese Spezialfähigkeit besitzt und sich hier signifikant in der Qualität von der Masse abhebt, kann eine spezielle Taktik Gold wert sein … und es ist möglich, dass sich dadurch sogar der Sport allgemein taktisch weiterentwickelt, weil andere es evt. kopieren (können)

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Thomas Huck 15. Juli 2015 um 10:20

@RM wie schreibst du deine Notizen während eines Fußballspiels. Eher stichpunktartig oder in Sätzen.

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CR4 1. November 2015 um 05:10

nicht RM, trotzdem erlaube ich mir mal ne Antwort 😉
ich empfehle während des Spiels möglichst kurz zu notieren, das Gehirn kann dann nach dem Spiel mit den Stichpunkten assoziativ wieder die Gedanken dazu zurückholen – nach dem Spiel die Stichpunkte durchgehen, und wenn für nötig erachtet (nach Gefühl) etwas mehr ausformulieren

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HW 2. Juli 2015 um 21:51

Die Grafik zu Sarmento et al hat mich an etwas aus dem Bereich Informationssicherheitsmanagementsysteme (ISMS / ISO 27001) erinnert.
Dort gibt es einen Zyklus der sich in die Phaden: Plan, Do, Check und Act (PDCA) unterteilt. Kurz Planen einer Maßnahme, Durchführen der selbigen, Prüfen der Wirkung und (Re)Aktion zur Pflege oder Verbesserung. Und dann alles von vorne.

Das kann man im großen und im kleinen durchführen. Man kann es auch von einer globalen/strategischen Betrachtung auf tiefere Ebenen runter brechen und damit zumindest theoretisch Maßnahmen von der Strategie auf Taktik, notwendige Spielerprofile und Trainingsziele ableiten. Durch den Kreislauf wird der Erfolg der Maßnahmen und die Fähigkeit des Teams ständig überprüft und die Entwicklung vorangetrieben.
Und es deckt (ohne die Details betrachtet zu haben) sich zumindest Teilweise mit Preparation (Planung der Analyse), Observation (Durchführung), Evaluation (Ergebnisprüfung), Intervention (Erarbeitung möglicher Reaktionen/Lösungen).
Wenn sich dies auch rein auf den Aspekt der Analyse bezieht und nicht auf einen Regelkreislauf.

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KT 2. Juli 2015 um 21:14

Ich hab selber etwas Ahnung von Data-Mining durch meine Bachelorarbeit. Wo kann man sich Fußballdaten runter laden und in welchen Dateiformaten werden diese für gewöhnlich angeboten?

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RM 3. Juli 2015 um 00:15

Bei WhoScored und Co. kann man sich diese selber abtippen.

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KT 3. Juli 2015 um 13:09

Ihr tippt die Daten per Hand in Matlab und co ein ? Krass, da brauch ich ja länger zum eintippen als für die eigentliche Analyse 😀

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KT 3. Juli 2015 um 13:19

Nachtrag

Hat sich erledigt. Hab grad gesehen, dass man die Seiten als pdf oder xml speichern kann um es sich daraus per Textmining etc. raus zu holen.

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LX 3. Juli 2015 um 16:30

Wo genau? Ich finde keine Exportmöglichkeit bei WhoScored…

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RM 3. Juli 2015 um 18:12

Bei WhoScored schon, ja. Bei InStat kann man einige Daten einfach als Excel exportieren lassen, aber das ist nicht öffentlich zugänglich.

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SC 2. Juli 2015 um 19:52

Viele Jahre lang habe ich mich darüber geärgert, dass die Berichterstattung und vor allem die öffentliche Meinung über Fußball von den Stammtischen und den Bildzeitungen dieser Welt bestimmt wurde. Dann habe ich Zonalmarking und etwas später diese Seite entdeckt. Seitdem stehe ich vor einem neuen Dilemma: Auf der einen Seite habe ich endlich fundierte Analysen und Berichte darüber, was wirklich auf dem Platz passiert ist, auf der anderen Seite kann ich Live-Kommentare und die meisten Fußballsendungen nicht mehr ertragen, und es ist fast unmöglich für mich geworden, mich mit Freunden und Kollegen über Fußball zu unterhalten. Danke dafür 🙂

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jujuan 3. Juli 2015 um 22:48

Sokrates hat es schon gewusst: Wissen kann ein Fluch sein.

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CR4 1. November 2015 um 04:08

kann mich dem nur voll und ganz anschließen

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Peda 2. Juli 2015 um 13:13

De vegetiert man in der Sommerpause so vor sich hin und dann schleicht sich zwischen die raren Analysen der fernen Turniere diese Monstrosität von einem Artikel! 😀

Ich bin absolut begeistert vom Umfang dieser Zusammenfassung und auch den dahinter liegenden euch zugänglichen Quellen.

Eine Frage hat sich für mich bei der Auflistung der Denkfehler aufgeworfen (für die ich mich leicht schäme, da diese Begriffe bei euch ja Gang und Gäbe sind und ich ja kein Gelegenheitsleser mehr bin):
„Conjuncation Fallacy: bei der Analyse besonders interessant. Teilweise werden nämlich taktische Nachlässigkeiten höher bewertet als strategische, obwohl die strategischen Probleme häufig spielentscheidender sind.“
Wie definierst du den Unterschied zwischen Taktik und Strategie in diesem Fall bzw. allgemein?
Bezeichnet Strategie die vorgegebenen Verhaltensweisen und Taktik die tatsächlich beobachtbaren oder was ist mit diesem Satz gemeint?

Zu deiner Frage im Fazit: ich sehe im Vergleich zu euren anderen Lesern und vor allem euch Autoren selbst nur sehr wenige Spiele live und/oder in voller Länge (kein eigener Fernseher), dazu beschränkt sich mein Erfahrungsschatz an trainergeführtem Fußballspiel auf ein gutes halbes Jahr (mit 19 nach der Matura). Deshalb war und bin ich mit eigenen Analysen sehr zurückhaltend, versuche viel zu lesen und verschiedene Herangehensweisen aufzusaugen. Außerdem bin ich bei vielen Live-Spielen einfach zu emotional aufgeladen, um mich da auf eine Analyse des Spielgeschehens zu konzentrieren. Da hadere ich dann doch lieber mit strittigen Pfiffen oder vergebenen Chancen. 😉
Wenn ich dann aber einmal eine Analyse mache, dann sieht das in meinem Kopf so aus, dass ich von einer mit dem Lineal gezogenen Grundformation und schemenhaften Abläufen in den vier Spielphasen ausgehe und ich alle auffälligen Abweichungen davon filtere. Meine Analysen bestehen also quasi aus allem, was nicht meiner Erwartungshaltung entspricht, wodurch ich wohl von vorne herein durch viele Heuristiken beeinflusst bin.

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SuperMario33 2. Juli 2015 um 15:41

Taktik und Strategie sind Begriffe aus dem Militärwesen. Für mich immer noch die griffigste Definition ist nach Carl von Clausewitz. Strategie = Lehre vom Gebrauch der Gefechte zum Zwecke des Krieges. Taktik = Lehre vom Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht bezeichnet. Also z.B. Strategie ist lange die Null halten, Gegner ermüden und Mitte der zweiten Hälfte die Offensive verstärken. Taktik hierzu z.B. Pressing in Zonen XY, Kompaktheit im Zwischenlinienraum etc. pp. Im tatsächlichen Geschehen beeinflussen sich dann Taktiken und Strategien oft gegenseitig, so dass eine allzu scharfe Trennung nicht mehr möglich und auch nicht sinnvoll ist. Am besten kann man so was im Schach sehen.

Verwendet man die Definition nach v. Clausewitz, so ist die Taktik die lokale Planung, während die Strategie eine globale Planung darstellt. Auf den Wettkampf angewendet, würde Taktik die Planung der momentanen Technik bedeuten (z.B. oben faken-unten treten). Während die Strategie die Planung des Kampfverlaufes bedeutet (z.B. bis zur 7. Runde den Gegner ermüden und dann seine Schwäche im Infight ausnutzen).

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Lenn 2. Juli 2015 um 21:15

Diese Unterscheidung finde ich soweit klar und sehe es genau so. Was mir allerdings etwas unklar scheint, ist, was mit strategischem Verhalten einzelner Spieler konkret gemeint ist(Freilaufverhalten und grundsätzlichliche Entscheidungsfindungsrichtung bspw?).

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SuperMario33 3. Juli 2015 um 08:32

Anders als beim Schach kann der einzelne Spieler auch recht weitreichende Entscheidungen treffen und ist damit auch potentiell Stratege. Je nachdem wie man den Zoom einstellt halt. Eine ganz strenge Trennung der Begriffe ist mE nicht so sinnvoll. Für die Praxis könnte man z.B. sagen, dass die Strategie das ist, was man in einer Mannschaftsbesprechung mit dem Team bespricht (beim Schach: was vor dem ersten Zug überlegt wurde), aber wie gesagt, die Begriffe sind im laufenden Spiel sehr vernetzt. Hier wird ja auch oft von „Philosophie“ geredet, wo jemand anders vielleicht eher „Strategie“ sagen würde.

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Peda 6. Juli 2015 um 10:42

Wenn deine Definition mit jener der Autoren übereinstimmt, dann erklärt das aber leider immer noch nicht wie das mit der Conjunction Fallacy zusammenpasst. Die beschreibt nämlich, dass zusätzliche (nicht unbedingt spezielle) Konditionen fälschlicherweise wahrscheinlicher eingeschätzt werden als eine generelle Kondition allein. Zum Beispiel wurde 1980 in einem Experiment die Aussage „Björn Borg wird im Wimbledon-Finale den ersten Satz verlieren, aber das Match gewinnen“ fälschlicherweise als wahrscheinlicher eingestuft als die Aussage „Björn Borg wird im Wimbledon-Finale den ersten Satz verlieren“. Ein Beispiel, wo bei der Analyse eines Fußballmatches der selbe Denkfehler passiert, will mir aber partout nicht einfallen (vor allem da es ja um Voraussagen geht und nicht um nachträgliche Beobachtungen).

Beim zweiten Durchlesen sind noch zwei weitere Kritikpunkte* aufgetaucht:
1) das Fünf-Zonen-System der „Expected Goals“-Werte:
Ich halte sowohl Altmans Einteilung in fünf Zonen sowie RMs Interpretation der Wichtigkeit der Halbräume für übertrieben. Der ExpG-Wert sinkt ganz einfach mit der Entfernung und in geringerem Maße mit dem Winkel (deswegen elliptisch) zum Tor. Das ist ein no-brainer.
2) „Please stop applauding diagonal cross-field passes“:
Ich halte die Schlussfolgerung aufgrund der Daten für unzulässig und die Analyse McMullans für schlecht durchdacht (diagonal cross-field passes als lange Seitenwechsel zu übersetzen finde ich auch nicht richtig). Die Grafik mit Gerrards Diagonalbällen zeigt auch lange Bälle in den Strafraum (ein angekommener geht an das Fünfer-Eck), die ich eigentlich nicht mit Bällen auf den Flügel, 25 Meter vom Tor entfernt in einen Topf werfen würde. Zudem kommt McMullan in der Präsentation auf 15% positive Folgeaktionen (0,2% Tore + 4,7% Schüsse aufs Tor…) nach langen Diagonalbällen und schlussfolgert anhand dieser Zahl, dass Diagonalbälle überschätzt sind. Ob Diagonalbälle überschätzt sind, ließe sich aber nur beweisen, wenn man das Endergebnis mit den Folgeaktionen nach einer Verlagerung (von und in die selben Zonen) mittels Flachpässen vergleicht (und man dabei über die Passquote auch noch den Anteil der misslungenen Verlagerungen miteinbezieht). Mit der Quote von 15% alleine lässt sich darüber aber kein Aussage treffen.

*ich verstehe meine Kommentare als konstruktive Kritik und hoffe, dass sie auch so ankommen.

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jujuan 1. Juli 2015 um 15:44

Ein mehr als gelungener Artikel, dem nichts hinzufügen ist.

Kleine Bemerkung:

Relativ zu Beginn wird Cordes (2013) zitiert mit „… für die jeweiligen Kategorien feste Regeln, was beachtet und bewertet werden soll, dazu wird dies mit Videomaterial und Statistiken garniert. Dies entspricht der qualitativen Spielbeobachtung. Ohne die Videofesthaltung und die Validierung der Beobachtung durch Zahlen befindet man sich natürlich im Bereich der systematischen Spielbeobachtung.“

Das ist begrifflich nicht korrekt. Zahlenbasierte Analysen und Auswertungen (deduktiv) mit festem Muster sind per Definition Quantitative Spielbeobachtungen („Harte“ und replizierbare Daten), beobachtende Analysen und Auswertungen (induktiv) ohne festes Muster sind per Definition Qualitative Spielbeobachtungen („Weiche“ und realitätsnahe Daten“). Beide sind systematische Analysemethoden. Und natürlich ist nur die Natur, sonst nichts.

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JuegoDeCurrywurst 1. Juli 2015 um 13:06

Ich finde den Artikel sehr interessant. Auch meine Übung der Analysefähigkeit beruht hauptsächlich auf „selber analysieren und vergleichen“.

Einen Verbesserungsvorschlag hätte ich noch:
Unter dem Punkt „Statistische Validierung von Strategie & Taktik“ schreibst du, dass Altman und Clay statistische Zusammenhänge bewiesen hätten. Allerdings stör ich mich hier daran, dass diese „Beweise“ wahrscheinlich auf Induktion beruhen und nicht logisch/mathematisch sind, und somit wären es keine wissenschaftlichen Beweise…
Wenn dem doch so ist, ziehe ich diesen Punkt natürlich zurück.

Ansonsten kann ich nur gratulieren zu diesem gelungenen Artikel und anschließen, dass ich mich schon sehr auf kommende Trainings- und Taktiktheorie freue.
Vielen Dank

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Martin01 30. Juni 2015 um 17:59

RM du schreibst, es gibt keine Lektüre bezüglich des Gegenpressings, vielleicht solltest du oder besser gesagt ihr euch mal an diese Sache wagen?!
Die analytisch-strategischen Fähigkeiten besitzt ihr und den Zugang zu zahlreichen Statistik- und Analysetools. In den vergangenen Jahren gab es bzw. gibt es unzählige Mannschaften und Spiele die ihr verfolgt habt (Barcelona, BVB, B04, Salzburg, Leipzig, Bayern, etc), die das Gegenpressing im hohem Masse umgesetzt haben (Gegenpressing ist Bestandteil eines jeden Spieles, jedoch gibt es Mannschaften, welche es besser und oder öfter und intensiver umsetzen bzw. erfolgreicher).

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RM 30. Juni 2015 um 18:37

RM du schreibst, es gibt keine Lektüre bezüglich des Gegenpressings, vielleicht solltest du oder besser gesagt ihr euch mal an diese Sache wagen?!

Ist schon gemacht. Taktiktheoretischer Artikel mit 7500 Wörtern und 25 Grafiken liegt im Speicher und wird in den nächsten 3 bis 18 Tagen erscheinen.

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HK 30. Juni 2015 um 17:19

Mit solchen Beiträgen kann man das Sommerloch doch schön füllen.
Ergänzend: Nicht nur die Verschriftlichung hilft, sondern auch das Reden im Sinne „der allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden“

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Dr. Acula 30. Juni 2015 um 16:53

„Natürlich ist nur ein Bruchteil davon veröffentlicht worden, manches war für Vereine aus dem Profisport“

Willst du aus privaten bzw vertraglichen oder sonstigen Gründen dazu schweigen, was für Analysen das waren und für welche Teams oder dürften wir daran teilhaben? Würde mich interessieren.

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mk 30. Juni 2015 um 15:34

Lässiger Artikel, schickes Thema. Kahneman und Gigerenzer sollte man sowieso mal lesen, finde ich. Auch unabhängig vom Fußball.
Ich würde mich freuen, wenn Spielverlagerungsleser Feedback dazu geben würden, wie sich das bei ihnen so entwickelt hat.
Ich denke mal in dem Zusammenhang ist der Punkt „Zwang zum Output“ hervorzuheben. Wenn man nichts selber schreibt und sich beim Lesen der Analyse hinterher nur denkt „Joa, das hab ich auch so ähnlich gesehen“ bringt einen das selber nicht wirklich weiter. Das ist natürlich auch nicht verwerflich, aber wenn man besser werden möchte (also… besser als man selbst, besser als ihr wird wohl eher schwierig) muss man sich meiner sehr bescheidenen Erfahrung nach auf jeden Fall auch zum Schreiben/Aufzeichnen zwingen. Viele Aspekte fallen manchen Menschen vielleicht auch erst beim Schreiben so richtig ein bzw. passen sich in das eher undifferenziert Verstandene erst mit dem Aufschreiben ein und ergeben dann den vollen Sinn (falls es den gibt).
Und bei mir persönlich (analysiere/schreibe wenig selber, aber wenn du schon fragst… 😉 ) war neben dem Zwang zum Output der Punkt „Reflexion und Kontrolle“ sehr wichtig (Vorwissen schön und gut, aber am coolsten ist es doch immer, wenn man etwas, was eigentlich allgemein bekannt sein müsste, selbst beobachtet und sich total freut das verstanden zu haben, um dann festzustellen, dass man es vorher irgendwie schon hätte wissen können/sollen). Ne EM oder WM zum Beispiel bieten sich dafür immer sehr an (es gibt recht verschiedene Arten von Fußball, es gibt sehr viele Möglichkeiten ein Spiel zu sehen, eure Abdeckungsquote ist da in der Regel sehr hoch): Spiel schauen, sich selber am Analysieren versuchen, eure Analyse lesen und mit seiner eigenen abgleichen, sich in den Schlaf Weinen. Scheitern ist ein sehr wichtiger Bestandteil zumindest meines Lernprozesses. Und Selbstkasteiung. Denn man muss es wieder und wieder tun. Dann sind denke ich auch solche Sachen wie eure alte Liste oder bestimmte Kernaspekte, auf die man immer achten will, gar nicht sooo wichtig (würde ich zumindest behaupten). Wenn man nur oft genug scheitert und erkennt woran und warum, entwickelt man vielleicht irgendwann ein Gefühl dafür, Wichtiges zu erkennen und den Rest eher unterbewusst rauszufiltern.
Und diese Teilaspekt-Analyse-Sache finde ich noch ganz cool. Aber nicht unbedingt so wie von dir dargestellt, sondern einfach sich meinetwegen eine Viertelstunde aus einem Spiel vornehmen, mit Unterbrechungen schauen um verschiedene Aspekte „gesondert“ zu beachten und dann am Ende noch einmal am Stück schauen (vielleicht dann auch in mehrfacher Geschwindigkeit). Aber vielleicht ist das pädagogisch nicht so sinnvoll.
Aber Vielen Dank für den Artikel, einige Sachen werde ich bestimmt mal demnächst ausprobieren.

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JLSBRND 30. Juni 2015 um 15:23

Ich beschäftige mich in meiner Diss mit Kahneman und Gigerenzer, allerdings in einem ganz anderen Bereich.
Innerhalb meines Themas mache ich bei ihren jeweiligen Ansätze unterschiedliche implizite Annahmen aus. Bei Kahneman steht häufig ein bestimmtes Modell rationaler Entscheidungsfindung im Hintergrund. Die Heuristiken definieren sich dementsprechend auch in vielen Fällen als Abweichung dieser Norm. Bei Gigerenzer sind die Annahmen weniger normativ aufgeladen. Unsicherheit und Komplexität werden stärker berücksichtigt und damit weniger die Idee einer optimalen Lösung, die sich bereits ex ante finden lässt. Gibt es diese Unterscheidung auch in der Sportwissenschaften? Der Exkurs Taktik, Strategie und Statistik geht schon in die Richtung. Inwiefern sind also bestimmte Verhaltensabweichung typisch für die implizierte Taktik/Strategie/Spielidee oder einfach der Komplexität des Spiels geschuldet?
Und habt ihr euch mal mit Nassim Taleb und der Idee der Antifragilität in Bezug auf Fussball auseinandergesetzt? Nimmt man die Komplexität des Fussballs als Grundlage müsste man ihm folgend eigentlich Gegenpressing als antifragile Strategie auf ein komplexes System verstehen und damit langfristig als sehr erfolgsrelevant?!

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vanGaalsNase 30. Juni 2015 um 23:39

Die Arbeiten von Gigerenzer (und Markus Raab) haben eine große Relevanz im Entscheidungsler-nen; also spielnahes Taktiktraining. Vor allem die „Take-the-first-Heuristik“ (die erste Lösung, ist die beste) ist da sehr interessant. Raab hat bspw. nachgewiesen, dass Experten weniger Lösungen generieren als Novizen. Dabei sind die Lösungen der Experten auch besser. Im Prinzip denken Ex-perten gar nicht mehr nach, sondern machen einfach, was funktioniert (intuitives Erfahrungswissen).

Um ein solches Niveau zu erreichen, müssen Spieler Wissen und Erfahrungen sammeln. Dafür wer-den sie im Training mit vielen verschiedenen Situationen konfrontiert, wobei die Komplexität der Lernumgebung zunehmend erhöht wird. In den zunächst geringkomplexen Situationen haben die Spieler ausreichend Gelegenheit, ihre getroffenen Entscheidungen zu bewerten. Sie sehen, welche Lösung funktioniert und welche nicht. Die erfolgreichen Lösungen werden behalten und auf andere (ähnliche) Situationen übertragen. Für die erfolglosen Lösungen werden Alternativen gesucht. Auf diese Weise eignen sich die Spieler einen Erfahrungsschatz an, auf den in komplexeren Situationen zurückgegriffen werden kann.

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