Der vertikale oder vorstoßende zentrale Abwehrspieler

Dieser Artikel befasst sich mit einer taktiktheoretisch interessanten Rollenverteilung einer Position, nämlich jener des Innenverteidigers. Oder besser gesagt: Dem vorstoßenden Innen- oder Halbverteidiger.

Obwohl es viele unterschiedliche Aufgaben und Verantwortungen bei eigenem und gegnerischem Ballbesitz gibt, so ist die Position des Innen- und Halbverteidigers nach wie vor im Vergleich zu anderen Positionen eine eher statische.

Anmerkung: Als Innenverteidiger werden die zwei zentralen Verteidiger einer Viererreihe bezeichnet, als Halbverteidiger die zwei äußeren Verteidiger einer Dreierreihe.

Es gibt Innenverteidiger, die im Aufbauspiel fokussiert werden, manche agieren gegen den Ball als Manndecker und andere rücken wiederum im Gegenpressingmoment weiträumig heraus. Trotzdem agieren die Innenverteidiger meist in deutlich engeren und statischeren Zonenverteilungen als ihre Mitspieler.

Die Ursache dafür? (Strategische) Feigheit. Oder?

Absicherungsdogmatik

Die Innenverteidiger gelten bei jeder Mannschaft als letzte Bastion vor der Abwehr, als Fels in der Brandung. Gegentore werden ihnen angekreidet, heroische Grätschen, Befreiungsschläge und auf der Linie abgekratzte Bälle ebenso. Die Frage, wieso es jeweils überhaupt so weit kam, bleibt meist ungeklärt und undiskutiert. Selbst die offensivsten Mannschaften der letzten zwei Dekaden hatten eigentlich in fast jeder Situation zwei bis drei Verteidiger in der letzten Linie.

Die Gründe dafür liegen natürlich auf der Hand. Mit nur zwei Verteidigern ist die Breitenstaffelung schon im Umschaltmoment überaus gering, bei drei Verteidigern ist sie an der Grenze und benötigt eine gute Reststaffelung sowie ein passables Gegenpressing und bei nur einem Verteidiger wäre sie mehr oder weniger das Zeugnis eine nicht mehr zurechnungsfähigen Trainers.

Durch das moderne Torwartspiel, das Kettenspiel, das Gegen-/Konterpressing und die Kompaktheit bzw. das kollektive Verbindungsspiel (heißt: richtige Staffelungen durch korrekte Abstände und Winkel zueinander) wird die Stabilität mit zwei und drei Verteidigern allerdings theoretisch erhöht. Vereinzelt können die Halb- oder Innenverteidiger auch herausrücken, wodurch situativ für kurze Zeit wirklich nur ein bis zwei Spieler in der letzten Linie verbleiben.

Noch ein diesbezüglichinteressantes historisches Team. Wie schon bei der Niederlande und Ajax in den frühen 70ern hieß der Trainer Rinus Michels. Ein Trainerporträt von HW gibt es hier.

Noch ein diesbezüglichinteressantes historisches Team. Wie schon bei der Niederlande und Ajax in den frühen 70ern hieß der Trainer Rinus Michels. Ein Trainerporträt von HW zu ihm gibt es hier.

Bayern unter Heynckes tat dies beispielsweise durch die Mannorientierungen im Gegenpressing in einigen Situationen, was von Lucien Favre genial bespielt wurde. Bei Guardiola und Klopp gehört es durch das Herausrücken in die defensiven Halbräume gar zum Standardrepertoire. Dennoch sind solche Staffelungen nur sehr kurzlebig und situativ; insgesamt sind die Innenverteidiger dazu verdonnert durchgehend abzusichern. Sogar intelligentes und passendes Aufrücken wird häufig nach einigen wenigen Metern abgebrochen.

In eigenem Ballbesitz bieten sich die Innenverteidiger als Ausweichoptionen für einen Neuaufbau nach hinten an, gegen den Ball verharren sie fast immer in der letzten Abwehrlinie und sichern für ihre Mitspieler ab. Insbesondere in eigenem Ballbesitz gibt es abgesehen von einzelnen lockenden Vorstößen einige Meter nach vorne hin zum Mittelfeld kaum aufrückende Bewegungen.

Das Verlassen der Position vom Innenverteidiger bei eigenem Ballbesitz wurde in der Fußballgeschichte meistens nur von wenigen Spielern (wie Frank Rijkaard oder Ronald Koeman) oder Einzelmannschaften (Ajax und die Niederlande ansatzweise in den 70ern) systematisch praktiziert.

Unsystematisch gab es in den chaotischeren Phasen des Fußballs und bei mangelndem gegnerischen Pressing natürlich immer wieder solche Läufe, doch in jenen Situationen waren sie situativ ergeben und nicht ein bewusstes strategisches Mittel. Auch heutzutage schieben die Halbverteidiger bisweilen auf die Flügel und rücken in Endphasen als Quasi-Außenverteidiger nach vorne, wie es zum Beispiel Chiellini bei Juventus häufiger macht, alles in allem liegt hier aber viel Potenzial brach.

Was sind die Vorteile?

Vor über zwei Jahren schrieb ich einen Artikel über die „vertikale Sechs“. Bei diesem eher kurzen Artikel ging es vorrangig darum, welche Vorteile eine vertikale Rolle auf einer ungewohnten und tieferen Position haben kann. Hier standen allerdings besonders die Drehung in den offenen, offensiven Raum hinein und die Folgeeffekte davon im Fokus. Dieser Aspekt trifft auf einen vorstoßenden Innen- oder Halbverteidiger nicht zu. Dafür gibt es Parallelen bei vielen anderen Vorteilen.

Der wohl eindeutigste Vorteil ist das Sichtfeld. Als Abwehrspieler in der ersten Linie hat man im Normalfall(!) das Spiel vor sich und kann sich vergleichsweise unbedrängt bewegen. Dieser Vorteil wird aber häufig nicht genutzt. Häufig wird er sogar zu einem Nachteil. Viele Mannschaften ziehen aktuell im Pressing ihre Stürmer etwas tiefer und bilden sehr kompakte Formationen, wo den zentralen Abwehrspielern viel Raum gewährt wird. Im Austausch dafür steht die verteidigende Mannschaft allerdings extrem massiert im Sechserraum.

Sogar sehr starke Mannschaften können dann unter Problemen leiden. Im Buch „Herr Guardiola“ schreibt Martí Perarnau zum Beispiel über Guardiolas interne Kritik, dass im Spielaufbau zu sehr im „U“ gespielt wird – über die Innenverteidiger auf den Außenverteidiger, dann zurück und das Gleiche in die andere Richtung.  Das Sichtfeld der zentralen Abwehrspieler wird hierbei kaum effektiv und selten aktiv ausgenutzt.

Vorstöße der zentralen Aufbauspieler in der ersten Linie sorgen nämlich häufig für unkoordinierte und unstrukturierte Reaktionen des Gegners. Selten sind sie darauf eingestellt, weil es schlichtweg fast nie passiert. Dadurch kann man sich nahe an die gegnerische Formation bewegen, hat weiterhin ein tororientiertes Sichtfeld, kann im Lauf selbst bestimmte Räume und Passwege anvisieren und diese aus kürzerer Distanz erfolgsstabiler bespielen.

Im Verbund dazu verbuchen aufrückende Abwehrspieler Raumgewinn und Veränderung der Passwege – und zwar im Zentrum oder in den Halbräumen, welche strategisch besonders wertvolle Zonen sind. Besonders 4-4-2-Formationen können gut damit bespielt werden.  Das Abkippen eines Sechsers wird darum häufig gerne und effektiv gegen Zwei-Stürmer-Formationen praktiziert. Leider wird hier fälschlicherweise davon gesprochen, dass der Hauptvorteil die Überzahl 3-gegen-2 in der ersten Linie ist. In Wirklichkeit ist es eine Veränderung der Passwege, der Verbindungen und Zonenbesetzung, welche effektiv ist.

Durch die Dreierlinie in erster Linie können nicht nur die Außenverteidiger höher vorschieben, sondern der Passweg durch den breiteren Innenverteidiger auf den höheren Außenverteidiger ist schwieriger zu verteidigen. Der Außenspieler kann sich dynamisch zurückfallen lassen, der Flügelstürmer kann einrücken, der breite Innenverteidiger hat nun eine weiterhin diagonalere, aber dabei steilere und auch vom Winkel her kleinere Passoption auf den Außenverteidiger und dazu eine sehr vertikale Passoption in die Mittelfeldhalbräume. Außerdem entzieht er sich dem gegnerischen Pressing im 4-4-2 und leitet die Gegner auf die Seite bei gleichzeitig höherer Verbindung in der Horizontale und einfacherer Linienbildung beim Umspielen von gegnerischen Pressingversuchen.

Doch was hat das mit dem aufrückenden Innen- oder Halbverteidiger zu tun? Eine positionell freiere und aufrückende Rolle der Innen- und Halbverteidiger ermöglicht genau diese Vorteile und macht sie noch extremer, vielfältiger und variabler. Besonders der Raumgewinn durch Vorstöße und möglicherweise schnelle Kombinationen sowie Durchstöße bis in die Spitze sind ein interessantes taktisches Mittel, um flexibel zu überladen und Räume in der gegnerischen Pressingformation geplant auszuspielen.

Verbesserte Raum- und Optionsnutzung bei mehr Dynamik für den aufrückenden Innenverteidiger.

Verbesserte Raum- und Optionsnutzung bei mehr Dynamik für den aufrückenden Innenverteidiger.

Dazu gibt es einen weiteren Vorteil durch die simple Dynamikerhöhung und Rhythmusveränderung. Aus einer sehr horizontalen und den Torwart miteinbeziehenden Ballzirkulation im ersten Drittel kann beispielsweise der Gegner auf Distanz gehalten werden, bevor ein Innenverteidiger aggressiv vorschiebt, den Überraschungsmoment auf seiner Seite hat und aggressive Schnittstellenpässe spielt.

Solche Bewegungen – Rhythmuswechsel und der Raumgewinn durch weite Vorstöße weg von der ursprünglichen Formation bis in die zentralen oder gar in die Angriffszonen – haben auch eine negative Folgewirkung auf den Gegner.

Jedes Pressingsystem auf höchstem Niveau (und meist auch auf niedrigerem) funktioniert über das Verteilen von bestimmten Aufgaben innerhalb einer Formation, in der wiederum Abläufe und Mechanismen einstudiert wurden oder zufällig vorherrschen. Dadurch entstehen für jeden Spieler bestimmte Wirkungskreise und Bewegungen innerhalb dieser.

Solche Positionswechsel mit hoher Dynamik sorgen dank der neuen Raumaufteilung und Zonenbesetzung für eine Umstrukturierung der Zuordnungen beim Gegner. Jeder Hobbyfußballer weiß: Sogar im Amateurfußball mit Manndeckungen und geringem individuellen Niveau ist das eine extrem unangenehme Situation. Im Spitzenfußball der vorgefertigten Pressingfallen und komplexen gruppentaktischen Abläufe kann dies noch fataler wirken.

In beiden Fällen ist dies extrem wirkungsvoll, weil der aufrückende Spieler sein Sichtfeld bereits nach vorne hat und zu Beginn seines Laufs (normalerweise) nicht unter direktem Druck steht. Das bedeutet potenziell eine sehr hohe Dynamik. Desweiteren wird die Position des Innenverteidigers nicht direkt von einem defensiveren Spieler übernommen – wer soll auch defensiver sein? Und das hat einige interessante Folgewirkungen.

Rückt beispielsweise der Flügelstürmer im Angriffsdrittel ein, steht meistens der Außenverteidiger sehr breit und übernimmt dort bestimmte Aufgaben. Diese Ablösung wird meistens so praktiziert, dass es ein fließendes und harmonisches Unterfangen ist. Der Außenverteidiger beginnt seine aufrückende Bewegung, der Flügelstürmer schiebt in die Mitte, der Außenverteidiger intensiviert seinen Lauf und besetzt die Position. So etwas ist relativ simpel planbar und kann auch vergleichsweise einfach gekontert werden.

Besonders wichtig ist aber ein weiterer Faktor: Die offensiven Spieler befinden sich bereits in den Wirkungskreisen der verteidigenden Mannschaft, sie verschieben sich innerhalb diesem und der positionsübernehmende Außenverteidiger bewegt sich in den kollektiven Wirkungskreis hinein. Die Veränderung der Struktur ist bei intelligent verteidigenden Mannschaften somit kaum gegeben. Diese offensiven Mechanismen müssen schon sehr präzise, dynamisch, komplex und lokal überladend praktiziert werden, um konstant für Gefahr gegen defensivkompakte Mannschaften zu sorgen.

Bei organisiertem Aufbauspiel befindet sich die verteidigende Mannschaft nämlich fast immer in Überzahl. Kaum eine Mannschaft greift mit mehr als vier oder fünf Spielern in der letzten Linie ein, fast immer sichern zwei Innenverteidiger, ein Außenverteidiger und/oder ein Sechser weit hinten ab. Dafür verteidigen die meisten Mannschaften aber mit elf, zehn oder neun Spielern und haben insgesamt Überzahl. Intelligentes Schaffen von Räumen und durchgehende Bewegung mit Struktur sind nötig, um das zu bespielen.

Beim vertikal aufrückenden Innen- oder Halbverteidiger hat die verteidigende Mannschaft es wiederum etwas schwieriger. Sein Aufrücken gehört nicht zum Plan der verteidigenden Mannschaft. Der Innen- oder Halbverteidiger schiebt als aktiver Akteur von außerhalb des kollektiven Wirkungskreises in diesen hinein und darf sich auch noch den infiltrierenden Raum frei auswählen. Er ist hierbei nicht nur hilfreich bei der Strukturierung des Raumes, sondern auch bei der Raumnutzung als solcher.

Gleichzeitig wird er häufig durch einen Spieler abgesichert, der den gegnerischen Wirkungskreis verlässt und diesen teilweise verzerrt. Das geschieht beispielsweise durch einen zurückfallenden Sechser, der von einem der gegnerischen Stürmer verfolgt wird und dadurch diagonale Passwege für den aufrückenden Abwehrspieler quer durch den Sechserraum öffnet.

In diesem kompakten Block hat der Gegner eine 8-gegen-10-Situation. Durch diese Bewegung entsteht eine dynamischere und für die Verteidigung komplexere Situation mit einem 8-gegen-9.

In diesem kompakten Block hat der Gegner eine 8-gegen-10-Situation. Durch diese Bewegung entsteht eine dynamischere und für die Verteidigung komplexere Situation mit einem 8-gegen-9.

Dies ist auch einer der Gründe, wieso der Libero bei richtiger Anwendung so enorm effektiv sein konnte. Franz Beckenbauer schob zum Beispiel nicht nur häufig mit Ball am Fuß nach vorne, sondern auch sehr weiträumig bei schon weit fortgeschrittenen Angriffen ohne Ball nach und besetzte den Rückraum als Anspielstation. Diese plötzliche und intelligente Raumnutzung wurde von vielen Spielern – besonders als der Libero in Zeiten der Manndeckung – durch die überraschende Infiltration des Wirkungskreises übersehen und Beckenbauers taktische wie technische Genialität regelte den Rest.

Trotzdem birgt ein solches Vorstoßen – insbesondere als Aufrücken mit Ball am Fuß – gewisse Gefahren. Im modernen Pressing- und Umschaltfußball sind Ballverluste des zentralen Abwehrspielers möglicherweise fatal. Wie kann man diese also kompensieren, ohne die Vorteile zu verlieren?

Umsetzungsmöglichkeiten mit weiterhin vorhandener Absicherung

In den vielen 1-3-3-3-Formationen der 70er war es beim Libero meistens der manndeckende Vorstopper, welcher die Vorstöße absicherte. Viele Aufbausituationen in jener Zeit bestanden aus einem Vorstopper, der sich entweder passiv im Sechserraum bewegte und nichts kaputtmachen wollte (diese Aufgabe hatte er nur in der Defensivphase), und einem tieferen spielmachenden Libero. Der Vorstopper würde sich aber häufig auch früh zurückfallen lassen und neben den Libero stellen.

Besonders zu Anfangszeiten der offensivorientierten Außenverteidiger gab es solche Staffelungen mit vier Abwehrspielern in einer Reihe. Flexibel konnten die Außenverteidiger und der Libero vorstoßen, immer bleiben drei der vier Spieler hinten. In einigen wenigen Mannschaften war es sogar der tiefe Spielmacher als Zehner, wobei dies ein deutschlandspezifisches Phänomen sein dürfte; im Spiel gegen England erlangte es mit Netzer und Beckenbauer gar Berühmtheit.

Im modernen Fußball sind aber die Außenverteidiger fast durchgehend offensivorientiert. Bei zentraler Ballposition schieben bei fast jeder Mannschaft Europas die defensiven Flügel nach vorne und stehen nicht auf einer Linie mit den Innenverteidigern. Das Ziel des aufrückenden Innen- oder Halbverteidigerverteidigers ist es, dass er zentral aus dieser Linie ausbricht, den Gegner durch eine veränderte Raumnutzung und Zonenaufteilung vor Probleme stellt, während im Spielfluss sein Herausrücken abgesichert wird.

Eine Möglichkeit wäre natürlich das Torwartspiel. Wieso sollte der Torwart nicht zwischen den zentralen Abwehrspielern agieren? Und wieso sollte er bei Vorstößen des Innen- oder Halbverteidigers nicht auf deren Positionen rücken? Und wieso sollte er sich nicht einfach am Gegenpressing beteiligen? Oder situativ den Gegner bei Steilpässen ins Abseits stellen? Natürlich weil das nicht funktionieren würde.

Was allerdings funktionieren würde, ist das Nutzen des Torwarts als Ausweichoption im Passspiel. Eine Rautenbildung mit dem Sechser und dem zweiten Innenverteidiger bietet viele Anspielstationen, der vorstoßende Innenverteidiger kann sich entweder rechtzeitig drehen und über den tiefen Torwart das Spiel drehen oder zur Not einen langen Ball diagonal spielen. Weil kein Sechser abkippen muss, ist die Staffelung für zweite Bälle passender.

Eine weitere Alternative stellt das soeben angedeutete Abkippen des Sechsers dar. Indem sich der Sechser zurückfallen lässt oder gar direkt in Richtung der Position des ballführenden Innenverteidigers geht, kann dieser abgesichert nach vorne schieben. Wie erwähnt kann der Sechser bei Mannorientierung des Gegners sogar strategisch interessante Räume öffnen. Auch das Zurückfallen des Flügelverteidigers – meist ballnah, potenziell aber auch ballfern – kann die Vorstöße kompensieren und absichern. Bei extremer Mannorientierung auf dem Flügel wären hier ebenfalls interessante Möglichkeiten zur Raumöffnung und Strukturveränderung möglich.

Die simpelste Möglichkeit ist natürlich das Spiel mit einer Dreierkette. So praktizieren es die Bayern aktuell, gar im Verbund mit einem zurückfallend absichernden Sechser. Die Halbverteidiger können dadurch flexibel nach vorne schieben, was strategisch enormes Potenzial birgt. Sie werden von den verbleibenden zwei zentralen Verteidigern und/oder von einem diagonal zurückfallenden Sechser abgesichert.

Die vier großen Absicherungsvarianten bei einer Dreierkette sind hier in unterschiedlichen Farben dargestellt.

Die vier großen Absicherungsvarianten bei einer Dreierkette sind hier in unterschiedlichen Farben dargestellt.

Bei einer Spielweise mit Dreierkette kann auch der zentrale Verteidiger problemlos nach vorne schieben und auch eine Raute mit dem Torwart und den beiden Halbverteidigern erzeugen. Ein weiterer Vorteil: Durch die fülligere Zonenbesetzung ist dies viel schneller und flexibler möglich als bei nur zwei Verteidigern.

Möchte man aber sehr offensiv und strategisch präsent mit aufrückenden Innenverteidigern bei einer nominellen Viererkette spielen, ist die Suche nach defensiver Stabilität und Absicherung ohne zurückfallende zentrale Mittelfeldspieler wichtig.

Interessant wäre das geplante, bogenartige Nachschieben der ballfernen Akteure. Bei einem aufrückenden linken Innenverteidiger würden sich schrittweise der ballferne Innenverteidiger, der ballferne Außenverteidiger und der ballferne Achter oder Flügelstürmer sich in einer Kette zum entstandenen Loch bewegen. Sie würden – zumindest bei gegnerischen Mannorientierungen – sogar noch zusätzlich Räume im Zentrum öffnen.

Weiters könnten bestimmte Mechanismen eingebaut werden, welche dies ergänzen. Ein diagonal zurückfallender Neuner, ein horizontal einrückender ballnaher Flügelstürmer oder ein ballferner Flügelstürmer, der sich bei seinem absichernden Zurückfallen in Richtung Sechserraum orientiert, wodurch er sowohl absichern als auch potenziell spielgestaltend und vorstoßend agieren kann, ein bockspringender Achter, der … man sieht, die Möglichkeiten sind unendlich.

Insgesamt geht es aber darum, dass man die wichtigen strategischen Punkte – Gegenpressing, Verbindungsspiel, Kompaktheit, Intensität, Zonenbesetzung – erfüllt und die kollektiven Bewegungen dabei harmonisiert. Das Kollektiv muss es lösen, dann ist alles möglich.

Zur speziellen Anwendung dieser Spielweise bei den Bayern mit David Alaba gibt es in den nächsten Tagen einen eigenen, kleinen Artikel. 

rodeoclown 22. Januar 2015 um 16:57

Wer könnte diese Rolle noch auf interessante Weise spielen? Ich fang mal an:
– Enzo Perez
– Radja Nainggolan
– Joel Veltman
– Weils sich gerade anbietet: Emre Can
– Der bereits genannte Arturo Vidal

Wer macht mit beim Namedropping?

Antworten

RM 23. Januar 2015 um 13:20

– Angel di Maria
– Alexis Sanchez
– Daniel Baier
– Kaan Ayhan
– Philipp Lahm
– Martin Ødegaard
– Marcelo
– Dani Alves
– Filipe Luis
– Paul Pogba
– Joo-Ho Park
– Juan Bernat

Antworten

blub 23. Januar 2015 um 15:01

-Daley blind?

Antworten

CE 23. Januar 2015 um 20:06

Auf alle Fälle.

Antworten

woody10 15. Januar 2015 um 15:36

Sehr schöner Artikel über ein Mittel, das noch viel häufiger und konsequenter genutzt werden sollte.

schön auch die Erwähnung der Vorteile des Liberos und den diesbezüglichen Vergleich!

bzgl. „alle Mannschaften haben fast dauerhaft mindestens 2 Spieler in der hintersten Linie“: wer würde mir zustimmen, dass Sampaolis La U diejenige Mannschaft der letzten Jahre war, in der am häufigsten und über bestimmte Spielphasen gar dauerhaftesten nur ein Spieler die letzte „Reihe“ bildete?

und bzgl der Absicherung des vorrückenden IVs/HVs: klar sollten die Kollegen etwas in die verlassene Position nachschieben, doch mMn wird die Positionsübernahme durch den abkippenden 6er viel zu dogmatisch genutzt. Auch bei Barca zB: Busquets wird da teilweise richtig verschwendet. Gerade in der Saisonvorbereitung nutzte man hierbei viel zu häufig klare 3-4-3/3-2-5-Anordnungen, die halt ziemlich strikt, statisch und relativ schlecht waren (wobei es bei Barca natürlich eine Vielzahl anderer Probleme gibt, das ist klar). Dennoch sollten gerade Ballbesitzmannschaften und insbesondere natürlich Barca mit den vielen ballsicheren Spielern auf die strikte Positionsübernahme verzichten (zu den ganzen Dynamik-/Zuodnungsgeschichten und so weiter kann man auch wirkliche, noch größere Überzahlen erzeugen und mit einfachen Horizontalpässen oder kurzen Ablagen für den vor der Abwehr verbliebenen 6er bessere Sichtfelder und neu bespielbare Räume schaffen). Ein Ballverlust wäre bei noch größerer Überzahl noch unwahrscheinlicher und gar wenn man den Ball verliert, gibt´s immer noch die Möglichkeit des Gegenpressings und wenn auch dieses nicht klappt bzw. vielleicht gar nicht möglich ist, dann hat man hinten halt eine 1vs.1 Situation plus einen mitspielenden Keeper. und so viele gut dribbelnde und Räume überbrückende Mittelstürmer gibt´s auch wieder nicht.

Antworten

Lobanowskyj 22. Januar 2015 um 12:08

Tatsächlich hat Bayern in der Hinrunde hin und wieder gezeigt, dass es auch ohne Absicherung durch den 6er geht: Alonso hielt öfter seine Position, während die Verteidiger unterstützend aufrückten (manchmal beide IVs/HVs gleichzeitig!). Dadurch entstand im Raum um Xabi herum so eine enorme zonale Überlegenheit, dass die Absicherung gar nicht mehr nötig war und Alonso jede Menge Zeit+Platz für seine feinen Vertikalpässe bekam. Zwar haben sich auch viele Gegner enorm weit zurückgezogen, aber die nochmal gesteigerte Dominanz hat auch damit zu tun, dass die passstarken/pressingresistenten Verteidiger in der Ballbehauptung immer helfen konnten, ohne tief stehen zu müssen.
Und als Absicherung gibt’s ja auch noch Neuer. Der nächste logische Schritt Peps (wenn auch extrem) wäre eine noch stärkere Einbindung Neuers ins Passspiel – gerade, wenn in der CL mal ein angriffspressender Gegner kommt, sollte die Torwartkette eine Option sein

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woody10 22. Januar 2015 um 15:00

Hallo,

stimme dir da zu, dass die Bayern das zumindest situativ gemacht haben.
Jedoch nicht sehr häufig und oftmals waren die aufgerückten Spieler (Alaba hier öfters als Ausnahme natürlich) dann trotzdem noch VOR dem gegnerischen Zehnerblock aufgestellt. Man hat somit einfach den Gegner nach hinten gedrängt.

Bzgl. der Torwartkette und den restlichen Ausführungen stimme ich dir natürlich voll zu!

LG

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Dr. Acula 14. Januar 2015 um 20:30

geiler artikel, sehr interessant

Antworten

BigK 14. Januar 2015 um 16:47

Für mich liegt der Vorteil in vertikal agierenden Halbverteidigern vor allem darin die gegnerische Defensive „kollabieren“ zu lassen. So nennt man das zumindest beim Basketball, wenn einer mit Dribblings zum Korb zieht und entweder selber abschließt oder wieder nach aussen zu dann freistehenden Mitspielern passt. Die Abwehr zieht sich mindestens immer zusammen, um den möglichen Rebound zu holen. Beim Fussball kann dadurch auch Raum gewonnen werden wenn die Angreifer sich zurück orientieren und die Verteidiger nachrücken und/oder das Verteidigungsgebilde wird aufgeborchen und neue Passoptionen ergeben sich. Ich würde gerne mal Xabi Alonso dauerhaft als linken Halbverteidiger sehen, der mit diagonalen Bällen die Lücken auf der ballfernen Seite sofort ausnutzt nachdem einer seiner Verteidiger durchbricht.
Allgemein wäre es mal interessant wenn ihr euch mit Taktiken anderer Sportarten auseinandersetzt, die im Fussball adaptiert wurden. Habe öfter gelesen, dass vor allem „modernes“ Pressing vom Basketball, im Besonderen der Full-Court-Press inspiriert ist. Auch aus dem Feldhockey sollen manche Dinge entliehen worden sein. Siehe auch Bernhard Peters Umstieg auf den Fussball. Der wäre dazu vielleicht ein guter Interviewpartner!?

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fluxkompensator 14. Januar 2015 um 17:24

ein interview mit bernhard peters gibt’s schon: https://spielverlagerung.de/2012/08/11/interview-mit-bernhard-peters/

lesenswert!

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BigK 14. Januar 2015 um 17:54

noch ein kleiner Nachtrag: Wenn man die aggressive Verteidigung schon ins erste Drittel vorverlagert, kann man dem doch auch mit Angriffsoptionen aus dem ersten Drittel begegnen – also Dribblings. Das muss natürlich dosierter Erfolgen aber vor allem bei Modric, Gündogan und Thiago sehe ich solche Tendenzen sehr stark. Mit Alaba als Halbverteidiger könnte man damit noch früher beginnen.

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HK 14. Januar 2015 um 16:43

Das hat bei Augenthaler 1980 genial funktioniert. Vor allem ab der zweiten Saisonhälfte stürmte Augenthaler als Vorstopper ständig mit nach vorne. Das war offensichtlich, dass das eine taktische Maßnahme von Csernai gewesen sein musste.

Verblüffend war dass es den Gegnern in der Saison nicht gelang effektiv darauf zu reagieren. Man konnte mit dem ständig attackierenden Stopper nichts Rechtes anfangen. Auch wohl ein Überraschungseffekt und einer der wesentlichen Schachzüge für die damalige Meisterschaft.
So intensiv war das später auch bei ihm nicht mehr zu beobachten.

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Martin01 14. Januar 2015 um 16:30

Wie bewertet ihr dann die jahrelang praktizierte Dreierkette von Juventus Turin? Habt ja selbst aufgeführt, dass Chiellini teilweise als aufückender Verteidiger gespielt hat. Ist es nicht konsequent genug gespielt wurden oder aber zu berechenbar, da er der einzige war der diese Vorstösse machte – Barzagli und Bonucci zu limitiert?
In der CL oder der Serie A haben die Vereine dagegen ja mehr oder weniger gut verteidigt!?

Antworten

Schimanski 14. Januar 2015 um 15:01

Danke für den Bericht. Ich sehe auch sehr viel Potential in der Jugendausbildung.

Viele Jugendliche, die zur Ab- und Ergebnissicherung über Jahre hinten „abgestellt“ werden, können sich dort kreativ kaum weiterentwickeln und etwaiges Talent versickert so. Nicht umsonst habe viele Verteidiger im Profifussball in der Jugend auf offensiven Positionen gespielt und sind erst später auf höchstem Niveau zu Verteidigern umgeschult worden. Der umgekehrte Weg ist mir nicht bekannt.

Das liegt auch daran, dass man als Offensivspieler einfach mehr lernt. Gerade ein junger Fussballer, der sich noch in der Ausbildung befindet, soll auch dribbeln und dynamisch vorstoßen dürfen und nicht nur absichern.

Wenn man die Jugendlichen dann noch dazu bekommt, dass solche Vorstöße vom Verbund abgesichert werden, lernen die anderen Spieler quasi „frei Haus“ noch gruppen- und mannschaftstaktisch intelligentes Verhalten. Die möglichen dynamischen Potentiale wurden von Rene ja schön herausgearbeitet. Daran könnten auch die anderen Spieler wachsen, speziell in Bezug auf das Blickfeld, Umschaltverhalten und dem defensiven Verantwortungsbewusstsein.

Grundsätzlich sind mit viele Jugendspiele – auch auf hohem Niveau – noch viel zu statisch, positionsgebunden und schematisch. Viele Potentiale bleiben wegen der Ergebnis- und Positionsfixierung im Verborgenem. Ein Schuss Straßenfussball, Kreativität und Wahnsinn würde vielen Jugendlichen in der Ausbildung und auch dem Spiel allgemein helfen…zumindest perspektivisch…man muss natürlich bereit sein, Rückschläge und Niederlagen hinzunehmen und auch dem Unmut des ergebnisfixierten Umfeld stand zu halten.

Gruß, Christoph

Antworten

HW 14. Januar 2015 um 15:18

Die Krux mit der zu frühen positionsgebundenen Ausbildung.

Antworten

Schimanski 14. Januar 2015 um 15:30

Das sowieso.

Ab der der C-Jugend soll ja positionsgebunden ausgebildet werden. Aber genau dann darf man nicht aufhören, den Jugendlichen eine gewisse Weiträumigkeit zu gestatten.

Ich mag weiträumige Spieler/Freigeister. Wenn mir solche Spieler auffallen, google ich oft ihren Werdegang. Interessanterweise haben sie meist lange auf der Straße oder in einem „Dorfverein“ gespielt und sind erst spät in den Leistungsbereich gewechselt.

Antworten

HW 14. Januar 2015 um 15:40

Wenn man die Positionen nicht tauscht, dann hilft vielleicht ein flexibles System mit viel Bewegung. Man darf es aber auch nicht zu kompliziert machen.
MMn sollte ein AV aber auch mal DM, IV oder Flügelstürmer spielen und auch andere Positionen sollten ihre „Nachbarpositionen“ kennenlernen. Natürlich auch passend zum Talent des Spielers.

Antworten

Lobanowskyj 22. Januar 2015 um 11:31

Grundsätzlich gab und gibt es ja immer wieder Bestrebungen in die Richtung: es besteht ja eine direkte (auch personelle) Entwicklungslinie von Rinus Michels‘ Totaalfoetball über Barca bis zu den jetzigen Bayern. Wenn Guardiola könnte, würde er wahrscheinlich am Liebsten lauter Thiagos ausbilden lassen, die du eigentlich auf jeder „Position“ einsetzen kannst. Dazu braucht man aber halt auch die richtigen Talente.
Aber ich gebe dir recht, wenn man die Jugendausbildung stärker auf diese Flexibilität/Fluidität ausrichten würde, würden vielleicht auch auf den IV-Positionen mehr Techniktalente auftauchen. Passiert aber auch schon: IVs wie Hummels, Boateng etc. durften zwar in ihrer Entwicklung auch so gut wie nie eine Offensivposition spielen, aber noch vor 15-20 Jahren hätte die jeder Jugendtrainer wegen ihrer herausragenden technischen Fähigkeiten als Offensivspieler gebracht, weil es kaum was besseres gegeben hätte. Das zeigt eigentlich, wie stärk das technische Niveau insgesamt heutzutage ist. Die Ausbildungsprogramme des DFB haben sich ja auch der technik-/ballorientiert geprägten holländischen Schule angenähert. Aber du hast natürlich recht: da ist immer noch mehr möglich, wenn man bedenkt, als wie „exotisch“ die Spielweise von Hummels und Boateng immer noch gesehen wird. Wenn die Ergebnisse nicht stimmen, werden solche „Vorstöße“ immer noch als individuelle Fehler gewertet, obwohl sie gezielte taktische Mittel sind (siehe Neuer-Diskussion der vergangenen Jahre). Und dann kommt schnell die Forderung, der Abwehrspieler solle sich doch auf sein „Kerngeschäft“ konzentrieren.

Antworten

Rasengrün 14. Januar 2015 um 13:46

Wird zwangsläufig häufiger zu sehen sein in Zukunft, die verbesserte technische Ausbildung kommt auch bei den IVs an und eröffnet diese Möglichkeit zunehmend mehr Mannschaften.

Aber wir sprechen trotzdem immer noch von Verteidigern. In meinen Augen ist auch gegen den Ball ein aus der Dreierkette herausrückender IV eine interessante Möglichkeit um dem Gegner mit wechselnden Pressingstrukturen die Anpassung zu erschweren.

Antworten

KK 14. Januar 2015 um 11:27

mir wird in den kommentaren hier joel matip vergessen, welcher so teilweise ohne probleme bis zum gegnerischen strafrau kommt

Antworten

Peda 14. Januar 2015 um 11:02

Meine Gedanken dazu:
Um eine gegnerische Defensivformation effektiv zu stören, muss ich salopp gesagt selbst im Angriffsvortrag meine Formation verlassen und verzerren, damit sich Räume und Löcher auftun.
Zu diesem Zwecke hat sich ja in den letzten Jahr(-zehnt?)en eine Kreiselbewegung im Spielaufbau etabliert, bei welcher ein Sechser abkippt, die Innenverteidiger nach außen schieben, die Außenverteidiger nach vor schieben und eventuell noch die Flügelspieler einrücken und der Neuner zurückfällt. Diese Abläufe sind gerade am Flügel ja mittlerweile allseits bekannt, ein hinterlaufender Außenverteidiger reißt keinen mehr vom Hocker.

Mit den „falschen“ – also einrückenden – Außenverteidigern, wie sie bei Barcelona und Bayern schon zu sehen waren, kehrt sich diese Kreiselbewegung um: AV nach innen, Flügel bleibt breiter und tiefer, die Achter können aufrücken. Mit einer strategischen Nutzung des aufrückenden Abwehrspielers wird diese Kreiselbewegung einfach auf mehr Spieler ausgeweitet.

Effektiv ist das ja auch vor allem deshalb, weil es selten vorkommt und daher noch keine etablierten Gegenstrategien existieren.

Ja?

Antworten

felixander 14. Januar 2015 um 10:17

Und wie muss so ein vorstoßender IV gestrickt sein? Wäre das z. B. eine Option für den weniger passstarken Subotic, der ja häufig weniger gepresst wird als Hummels neben ihm? So könnte der mit Ball am Fuß doch relativ einfach Raum gewinnen.

Antworten

HW 14. Januar 2015 um 11:04

Der IV muss, wenn er nach vorne geht, nicht alleine den kurzen Pass spielen können. Er muss vor allem erkennen wann es sinnvoll ist sich vom Ball zu trennen. Irgendwann wird er angegriffen, irgendwann ergeben sich gute Passoptionen (weil Mitspieler frei werden oder weil die Passwinkel gut sind). Man kann zwar versuchen wie einst Lucio immer so weit zu kommen wie möglich, aber besser ist es irgendwann den Pass zu spielen. Die wichtigste Idee ist ja, dass Dynamik erzeugt und der Gegner zum Handeln, zum Übergeben von gedeckten Spielern gezwungen wird.

Wenn das Mittel des aufrückenden IV systematisch genutzt wird, dann wird es interessant wie die Gegner reagieren. Fängt man an zu pressen? Oder deckt man passiv den Raum in den ein IV stoßen kann? Positiv für das aufbauende/angreifende Team wäre dann, dass der Gegner nicht so kompakt verteidigen kann.
Vor ein paar Jahren war es wichtig, dass ein IV das Spiel auch mit einem langen Pass eröffnen kann. Steht der Gegner aber kompakt, fliegt der Ball oft in Zonen mit Unterzahl. Diese langen Bälle nutzen dann keine Dynamik. Besteht aber die Gefahr, dass der IV auch dribbeln könnte, kann sich der Gegner nicht immer kompakt in allen Zonen aufstellen. Wie RM schreib, meist wird mit 9 oder 10 Spielern verteidigt. Zieht man einen Spieler da heraus, können sich Räume öffnen.

Ein System mit zwei IVs muss natürlich immer Mechanismen haben um einen vorrückenden IV abzusichern. Den Raum hinter den Verteidigern kann noch der Torwart absichern. Aber wenn der IV zum freien Mittelfeldspieler wird, dann entsteht eine Situation in der eine Absicherung erfolgen muss, wie sie im Mittelfeld üblich ist. Die Verteidiger können das nicht übernehmen, weil schon ein IV aus dem Verbund abgewandert ist. Es entsteht also immer eine relativ komplexe Bewegung über mehrere Linien/Mannschaftsteile. Das sorgt immer für Verwirrung beim Gegner, ähnlich einem Umschaltmoment. Ich nenne es mal „Anpassungsmoment“, der muss genutzt werden und das muss der IV erkennen können. (Lange Rede, aber nochmal die Kurve zum Anfang gekriegt.)

Antworten

HW 14. Januar 2015 um 11:59

PS

Felixander, du hattest Subotic genannt. Eigentlich nicht der ideale Spielertyp für diese Rolle, wohl auch weil er in einer 4er-Kette mit hohen AVs selten die Gelegenheit bekommen wird. Wenn, dann wird man versuchen Hummels vor zu schieben und Subotic sichert ab.

Typische Spielertypen in den letzten Jahren waren Abidal und auch Pique bei Barca und jetzt Alaba bei den Bayern. Gerade Abidal ist dafür ein gutes Beispiel. Der Vorteil, wenn man einen Spieler har der sowohl IV als auch AV spielen kann (oder bei Alaba AV und ZM) ist, dass diese Spieler es gewohnt sind sich in höheren Positionen zu bewegen. Nachdem sie das Dribbling gemacht haben, können sie weiter nach vorne gehen und Überzahlsituationen erzeugen. Ein Spieler wie Subotic wird sich wahrscheinlich eher schnell wieder in die Verteidigung begeben und nicht den Angriff mit zu Ende spielen. Dadurch verpufft dann aber auch die Funktion als offensiver Libero im Angriffsdrittel.

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felixander 14. Januar 2015 um 15:09

Mein Gedanke bei Subotic war auch gar nicht, dass der das können muss, weil er so geil ist. Ganz im Gegenteil. Er wird ja vom Gegner oft als der spielschwächere gesehen und entsprechend eher als Hummels offen gelassen. Wenn er jetzt aber mit vertikalen Läufen die Lücken im Pressing ausnutzt, sollte doch auch Hummels wieder mehr Luft bekommen. Win-win sozusagen, weil ich dadurch ja gleich 2 positive Aspekte für die Offensive bekomme.

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HW 14. Januar 2015 um 15:20

Grundsätzlich richtig. Dafür muss Subotic aber unangefochtener Stammspieler sein. Der andere Punkt ist natürlich, dass der Gegner sich auch sagen kann: Lass ihn erstmal laufen, der wird sich isolieren.

Ideal wäre es natürlich wenn von allen Verteidigern Dribblings oder Pässe zu erwarten sind.

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felixander 14. Januar 2015 um 15:41

Namen einfach vergessen. Es gibt ja noch genug andere IV-Pärchen, wo der eine über ein deutlich besseres Passspiel verfügt als der andere.

So könnte man halt den vermeintlich Schwächeren auch zur Waffe werden lassen und gleichzeitig profitiert auch der spieleröffnende IV davon.

HW 14. Januar 2015 um 16:00

Als Gegner kann man sich natürlich immer noch zurückziehen und die IVs frei lassen. Den langen Pass kann man versuchen durch die Überzahl, gute Positionierung und Kopfballspiel zu entschärfen und wenn die IVs aufrücken, dann treffen sie auf einen kompakten Verbund. Das ist natürlich kein hohes Pressing mehr sondern eher passives Verteidigen. Aber man zwingt den vermeintlich schwächsten Spielern den Spielaufbau auf.
Wenn man presst, dann (wie gegen andere Spieler auch) hat das nur Sinn, wenn die Passoptionen und Anspielstationen abgedeckt sind. Und man muss natürlich den Weg in bessere Räume versperren und Spieler abdrängen.


getuerkt 14. Januar 2015 um 09:45

Sehr interessanter Artikel!
Ich hab mich auch schon sehr oft gefragt, warum dieses Mittel so selten bzw. fast nie genutzt wird. Beispielsweise hätte Barcelona mit Mascherano doch einen idealen Spieler, um die Möglichkeit in die Tat umzusetzen, denn durch seine vorherige Position auf der 6 bringt er ja alle benötigten Eigenschaften mit, um aufrücken und einen diagonalen Pass in die Lücken spielen zu können.
Ich hab zwar nicht so viele Spiele von Wolfsburg diese Saison sehen können, aber ich meine, dass sie zum Teil den vorstoßenden Innenverteidiger, in Person von Knoche und Naldo, auch desöfteren verwenden. Insbesondere Knoche ist mir dabei beim Spiel gegen den BVB aufgefallen, denn sein Aufrücken mündete nicht in einem Ballverlust, sondern zum Umspielen der ersten Pressingwelle vom BVB.
Aber gerade im Fußball wird man den Eindruck nicht los, dass Dogmen sich bis zum St. Nimmerleinstag halten, ob gerechtfertigt oder nicht. An sich sehr schade, da ich ebenfalls denke, dass die taktische Entwicklung noch lange nicht zu Ende ist.

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Wasserkocher 14. Januar 2015 um 01:10

1. Satz nach Absicherungsdogmatik -Tippfehler: Felder sind in der Brandung ziemlich schnell fortgespült … bitte in Fels ändern.

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Magic_Mo 14. Januar 2015 um 00:42

Interessant! Ich frag mich ja schon länger, wann das mal einer (außer Guardiola natürlich, ich fand da gab es 2011/12 schon Ansätze) endlich auspacken wird.
Solche Vorstöße bis tlw. in die Sturmspitze und ihre potenzielle Wirkung sieht man, wenn auch vereinzelt und nur sporadisch eingebunden, von Marc Bartra.
Da scheinen mir aber manchmal die Mitspieler genauso überrascht und kurzfristig orientierungslos wie der Gegner 😀

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Michael Thomas 14. Januar 2015 um 10:40

Sehr interessanter Artikel. Ich würde gerne wissen, welche aktuellen Innenverteidiger ihr als Paradebeispiel für diese Art von IV seht. Auch im Bezug zur Nationalmannschaft müssten doch Hummels und Boateng ideal hierfür sein. Wie würdet ihr in der NM mit Dreierkette spielen im Hinblick auf vorstoßende Innenverteidiger?
Und interpretiere ich das richtig, der zentrale IV in einer Dreierkette wäre ein absichernder IV (er hat ja z.B. beim Außenverteidiger keinen so vertikalen Passweg)?

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RM 14. Januar 2015 um 14:12

Der zentrale Innenverteidiger kann ebenfalls vorstoßen, der hat dann andere Passwege, die er damit bespielen kann.

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Vyazmin 15. Januar 2015 um 15:50

Hallo RM, könntest Du das genauer ausführen?

Ich frage mich, ob es Vorteile bringt, wenn man zB aus einem 5-3-2 im (Abwehr-) Pressing den ZIV aufrücken lässt (ohne Ball) um im Aufbauspiel und Gegenpressing durch das entstehende 4-1-3-2 eine bessere Staffelung zu erhalten…?

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RM 15. Januar 2015 um 16:41

Andere Zone wird anvisiert, man kann eine Raute mit Torwart und Halbverteidigern bilden, diese können einrücken (oder breit bleiben, je nach Situation), die Sechser (in einem 4-2-3-1 z.B.) fächern raumöffnend auf, etc.

Wenn man das Aufrücken sauber vorbereitet und die dazugehörigen Bewegungen passen, dann ja, denke ich.

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Vyazmin 16. Januar 2015 um 00:12

Super! Danke

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