Atlético Madrid unter Diego Simeone | 2013/14

Atlético Madrid ist Europas Überraschungsmannschaft – seit ungefähr zweieinhalb Jahren.

Am 23. Dezember 2011 übernahm nämlich Diego Simeone die kriselnden Rojiblanco, die sich damals sogar fast schon im Abstiegskampf befanden; es dürfte für die Atlético-Fans das Weihnachtsgeschenk der letzten Jahre gewesen sein. 19 Punkte hatte man vor Simeone in 2011/12 aus 16 Partien geholt, 37 Punkte sollten es aus den nächsten 22 Spielen werden.

Dazu holte er noch nebenbei die Europaleague und wurde Fünfter. 2012/13 landete man mit „nur“ 9 Punkten Rückstand auf dem dritten Platz hinter Real Madrid, den Stadtrivalen bezwang man außerdem im Finale der Copa del Rey. Dieses Jahr könnte diese Märchengeschichte mit einem möglichen Double aus Liga und Champions League ihren neuen Höhepunkt erleben. Wir blicken hinter die dafür (mit-)ursächliche Taktik.

Atlético im modernen 4-4-2

Das 4-4-2 ist in den letzten Jahren zwar nicht wirklich aus der Mode gekommen, doch hat es immer wieder Kritik geerntet. Es sei offensiv zu unflexibel, der Zehnerraum sei verwaist, man würde sich zu einfach auf die Flügel isolieren lassen und ein „schönes Spiel“ sei damit ohnehin kaum möglich; für die Engländer gilt das 4-4-2 gar fast schon als Metapher für die vielen Misserfolge der Nationalmannschaft in den letzten Jahren. In der Defensivformation wird das Standard-4-4-2 allerdings weiterhin bei einem Großteil der Mannschaften genutzt.

Atlético im Spiel gegen Malaga mit einem eindeutigen und sehr klassischen 4-4-2, welches sie aber sehr selten nutzen.

Atlético im Spiel gegen Malaga mit einem eindeutigen und sehr klassischen 4-4-2, welches sie aber sehr selten nutzen.

Die Rojiblanco hingegen sind eine von wenigen Mannschaften, welche das 4-4-2 sowohl bei eigenem als auch bei gegnerischem Ballbesitz nutzen – und im Gegensatz zu den Engländern beziehungsweise zu der klassischen Umsetzung funktioniert es. Ursache dafür sind viele kleine aber wichtige Aspekte, durch welche die Nachteile des 4-4-2 bei eigenem Ballbesitz neutralisiert werden.

Der dabei aus strategisch-taktischer Sicht hervorstechende Aspekt ist die grundsätzliche Einflussnahme auf die Mitte, speziell auf den Zehner- und Achterraum, welche meist als die strategisch wichtigsten Zonen beim Fußball gesehen werden. Formativ gesehen sind in der grundsätzlichen 4-4-2-Statik auch bei Atlético diese Räume verwaist; allerdings spielt Atlético eher mit einem 4-2-2-2, in welchem sich die Flügelstürmer verstärkt im Halbraum bewegen und ihre Position an diesem ausrichten.

Dadurch kann Atlético mit Koke und Arda Turan als einrückenden Außenspielern sowie den wechselnd zurückfallenden Mittelstürmer und gelegentlich mit einem aufrückenden Sechser das Loch in der Mitte besetzen. Dabei machen sie das nicht nur mit einem dieser Spieler, sondern bisweilen sogar zu dritt oder zu viert, um kurzzeitig eine Enge für das schnelle Kombinationsspiel mit Durchbruchsversuchen und ausgleichenden Bewegungen auf den Flügeln zu erzeugen.

In gewisser Weise erinnert diese Vorgehensweise an einen theoretischen Streit aus der Schachstrategie. Eigentlich alle Großmeister und Schachtheoretiker teilen die Auffassung, dass im Schach die Mitte die wichtigste Zone und die Kontrolle darüber meist spielentscheidend ist. Über die genaue Art der Kontrolle gibt es allerdings geteilte Ansichten.

Siegbert Tarrasch sprach beispielsweise von der simplen Zentrumsbesetzung als Möglichkeit zur zentralen Dominanz, während Aron Nimzowitsch die Figurenwirkung in den Vordergrund stellte. Diese Ansicht ging später als „hypermoderne Schule“ in die Geschichte ein. Ähnlich könnte man den Vergleich auch zum Fußball ziehen, wobei dieser natürlich ein dynamischer Sport ist und über mehr „natürliche“ Zonen verfügt, wie man beim in ein paar Wochen kommenden Halbraumartikel sehen wird; das macht diese Dominanz durch Figurenwirkung allerdings nur noch interessanter.

Atlético zeigt diese Saison auch, wie gut so etwas funktionieren kann. Über die Flügelstürmer als Halbraumspieler haben sie die Möglichkeit von einem Halbraum in den anderen zu verlagern und den Gegner zu einem komplexeren Verschieben zu zwingen, ohne sich selbst auf die Flügel zu leiten. Arda und Koke können außerdem sehr gut das Spiel machen, in Dribblings gehen, kombinieren oder schlicht versuchen Räume zu öffnen oder sich für Schnittstellenpässe im Zwischenlinienraum zu positionieren.

Der Gegner hat vielfach damit auch Probleme, weil er nur schwer Zugriff aufbauen kann. Viele Teams verteidigen im 4-4-2 oder im 4-1-4-1; bei Ersterem werden durch diese Bewegung entweder die Sechser oder die eingerückten Flügelstürmer frei. Reagiert der Gegner mit einer konsequenter Manndeckung der Flügel, werden wiederum die seitlichen Zonen für den guten Juanfran und den herausragenden Filipe Luis auf den Außenverteidigerpositionen geöffnet. Bei Zweiterem funktioniert das Übergeben natürlich besser und einfacher, doch die hohe Pressingresistenz von Arda und Koke im Verbund mit ihren Fähigkeiten im Kombinationsspiel und Dribbling sorgen ebenfalls für Probleme in den nominell offenen Halbräumen, selbst wenn diese dann dynamisch von zwei bis drei Spielern zugestellt werden können.

Vielfach variiert Atlético die Offensivspielweise auch. In einigen Partien gibt es einen größeren Flügelfokus oder die beiden Außenspieler agieren stark asymmetrisch zueinander, wo dann einer breiter bleibt oder sie sich in unterschiedlichen Zonen einrückend bewegen. Koke geht beispielsweise sehr gerne Richtung Achterraum und agiert etwas tiefer, ist dabei auch taktgebender und rhythmusbestimmender, während Arda sich lieber in höheren Zonen und tororientierter ausrichtet.

Die personelle Besetzung von den Rollenverteilungen und den dazugehörigen Spielercharaktern ist hierbei nahezu ideal. Diego Costa und David Villa oder alternativ Raul Garcia erzeugen passende Synergien, können sich für schnelle Kombinationsablagen als Wandspieler zurückfallen lassen oder sind Optionen für lange hohe Bälle, die sie dann verarbeiten und auf die dynamisch einrückenden Flügelstürmer ablegen. Außerdem weichen sie immer wieder ballnah auf die Flügel, bieten sich hier wiederum für lange Bälle an (Diego Costa) oder fungieren als Absicherung und Raumöffner für die Flügelstürmer (David Villa).

Dazu passen natürlich die Außenverteidiger. Juanfran ist ein technisch starker Akteur, der in der Jugend gar als Zehner agierte, allerdings für diese Position etwas zu linear agiert. Er kann auf rechts vertikal durchbrechen, flanken oder auch diagonale Pässe ins Zentrum spielen. Links hingegen spielt mit Filipe Luis einer der vermutlich drei bis fünf besten Linksverteidiger der Welt, der mit ungeheurer Dribbelstärke, Kombinationsgeschick und Athletik sowohl als klassischer als auch als diagonaler Außenverteidiger agieren kann. Er bricht vielfach auch hinter die Schnittstelle zwischen gegnerischem Außen- und Innenverteidiger am Strafraum durch oder agiert schon im zweiten Drittel mithilfe des taktischen Mittels des Vorderlaufens als diagonaler Außenverteidiger im Halbraum, wo dann Arda oder ein anderer Flügelstürmer (oder eben einer der Mittelstürmer) kurzzeitig als Breitengeber fungiert.

Rein nach Aspekten der Positionsbesetzung, Raumaufteilung und Raumfindung bewertet ist Atlético überaus schwer zu verteidigen. Dazu kommt auch eine häufig unerwähnt bleibende individuelle Stärke, für die Spieler wie Koke, Filipe Luis und Arda Turan, aber auch die beiden Sechser, exemplarisch stehen; bei Diego Costa hingegen weiß man bekanntlich, was man an ihm hat: Ein unfassbarer Antritt, der oftmals langsamer wirkt, als er ist, die Fähigkeit den gegnerischen Innenverteidigern spielerisch, körperlich und mental Probleme zu bereiten, eine enorme Bulligkeit und ein hohes Geschick im Bewegungsspiel gepaart mit einem großen Laufpensum.

Diese Zusammensetzung aus polyvalenten und kompletten Akteuren in der offensiven Vier ermöglicht ihnen auch hohe Flexibilität  in der Wahl ihrer Angriffsspielzüge.

Variabilität für Durchschlagskraft

Ein taktisches Mittel – von uns bei Spielverlagerung oft (und zur Recht) verschmäht – sind die Flanken. Dazu sei jedoch gesagt, dass Atlético in sehr vielen Spielen sehr gut und sehr intelligent flankt. Sie haben eine hohe Bewegung in der Mitte, kommen mit Dynamik über die Flügel und können dadurch Probleme beim Übergeben sowohl seitlich als auch im Strafraum selbst erzeugen. Auf den Seiten haben sie gute Flankengeber und mit Raul Garcia und Diego Costa haben sie zwei der kopfballstärksten Stürmer der Welt.

Desweiteren kommen diese Flanken in gute Zonen (diagonal an die Strafraumkante nach hinten, aus tieferen Zonen diagonal hinter die gegnerische Abwehr wie beim Chelsea-Tor, oftmals ballfern oder auch scharfe, nicht-hohe Hereingaben und werden mit situativem und intelligentem Nachstoßen der im Rückraum absichernden Spieler noch garniert.

Hinzu kommt eine nahezu perfekte Absicherung und Rückraumbesetzung, wodurch Konter vermieden und stattdessen Distanzschüsse oder das Gegenpressing als spielmachendes Element genutzt werden. Distanzschüsse, das Gegenpressing und riskante Kombinationen, die durch das Gegenpressing als Absicherung ermöglicht werden, gehören ebenfalls zum Standardrepertoire.

Costa rückt in Erwartung des langen Balles in den rechten Halbraum. Raul Garcia und David Villa starten eine kreuzende Bewegung um dynamisch auf eine Kopfballweiterleitung zu gehen. Gabi rückt für potentielle Ablagen nach.

Costa rückt in Erwartung des langen Balles in den rechten Halbraum. Raul Garcia und David Villa starten eine kreuzende Bewegung um dynamisch auf eine Kopfballweiterleitung zu gehen. Gabi rückt für potentielle Ablagen nach.

Am spektakulärsten sind jedoch (für mich persönlich) die enorm schnellen Kurzpasskombinationen auf engem Raum, von wo aus dann eine Verlagerung mit Flügel- oder Halbraumdurchbruch oder ein Schnittstellenpass angestrebt wird. Interessant ist, wie einstudiert das wirkt. Nicht nur die gruppentaktischen und mannschaftstaktischen Aspekte sind damit gemeint, sondern auch individuelle Aktionen.

Vielfach ist zum Beispiel zu beobachten, dass aus dem Sechserraum ein sehr schneller Pass auf einen der einrückenden Flügelstürmer kommt. Dieser stoppt den Ball jedoch nicht, sondern lässt ihn auf den Mittelstürmer durch, der sich ebenfalls dynamisch in dieser Passlinie zuvor positioniert hat. Daraufhin kann der Mittelstürmer die Dynamik des Passes nutzen, um schnell, einfach, präzise und direkt in die Mitte abzulegen, wohin sich der Flügelstürmer weiterbewegt hat.

Diese vielen durchgelassenen Bälle sorgen für Verwirrung beim Gegner, können zu schlechterem Verschieben und Übergeben führen (durch das jedem bekannte „Abschalten“ in kurz nicht eindeutigen Spielsituationen) und wird zum Beispiel auch oft für die Einbindung der Läufe der Außenverteidiger angewendet. Ob der Schnittstellenpass dann unterbrochen wird und ein Rückpass oder individueller Durchbruchsversuch versucht wird, ist auch ebenen- und situationsabhängig – was wiederum Variabilität bedeutet.

Mit solchen Kombinationen wirkt Atlético Madrid auch in Ballbesitz  – selbst in aufgezwungenem Ballbesitz bei sehr tiefem und passivem Gegner – wie eine „Kontermannschaft“. Sie greifen schnell an, sie erzeugen Chaos und Desorganisation beim Gegner, wo dann ein schneller Durchbruch gesucht wird. Gegen sehr defensivkompakte Mannschaften werden zur Not auch schlicht die Chancenquantität und der schnelle Abschluss aus vielerlei Situationen gesucht, um zumindest konstant und simpel Torgefahr zu erzeugen.

Das ist nicht nur psychologisch und taktikpsychologisch keine schlechte Idee (wenn es flexibel angewendet wird), sondern auch strategisch durchaus durchdacht. Atlético lässt sich schwer auskontern, weil sie einerseits wirklich hervorragend im defensiven Umschaltspiel wie auch in der absichernden Staffelung in Ballbesitz sind und andererseits kaum Kontermöglichkeiten zulassen.

Ein interessanter Nebeneffekt: Durch die hohe Anzahl an Abschlussversuchen hat der Gegner häufig Abstöße und muss gegen die formierte Atlético-Abwehr aufbauen. So gerät er in deren Pressingstrudel oder kann zumindest gegen ihr Verschieben wie aus dem Lehrbuch – Frank Wormuth dürfte wohl bei ihrem Doppeln auf den Seiten in Ekstase geraten – kaum eine Chance herausspielen, während Atlético ihr gefährliches Konterspiel nach Balleroberungen einsetzen kann. Und man darf sich sicher sein, dass diese Balleroberungen jederzeit und überall auf dem Platz kommen können. Diego Simeone kümmert sich schon darum.

Der Mann, der mit den Staffelungen spielt

Kaum eine Mannschaft lebt so sehr davon, dass sie sich an den Gegner durch die Veränderung der Abstände innerhalb der Formation und der gruppentaktischen Abläufe anpasst. Dennoch gibt es eine Standardausrichtung, welche meist als Basis für diese Anpassungen dient.

Sehr häufig spielt Atlético Madrid in einem tiefen Mittelfeldpressing und einem 4-4-2, in welchem die beiden Stürmer bis vor das zentrale Mittelfeld arbeiten und die Mittelfeldkette enger steht als die Abwehrkette. Die Flügelstürmer des Mittelfelds stehen also in dieser Ausrichtung auch bei gegnerischem Ballbesitz eher im Halbraum als auf den Flügeln und sorgen für eine enorme horizontale Kompaktheit. Dadurch und durch die Bewegung der beiden Stürmer wird der Gegner zuerst auf die Flügel gelockt, wohin dann sehr aggressiv und kompakt verschoben wird.

Das 4-4-2 Atleticos

Das 4-4-2 Atleticos

Die Außenverteidiger der breiteren Viererkette verfolgen wiederum die gegnerischen Flügelstürmer mannorientiert, bedrängen diese bei Ballannahme und stellen sie direkt zu. Wegen der engen Mittelfeldkette und dem enorm dynamischen Verschieben des restlichen Kollektives bei den erzwungenen Pässen des Gegners auf die Seite ist diese Ausrichtung sehr schwer zu bespielen und Atlético hat nahezu durchgehend die Kontrolle über das Spielfeldzentrum.

Chelsea hat versucht dies mit den breiten Außenstürmern (Azpilicueta auf rechts) und einem sehr beweglichen Zehner zu bespielen, doch hatte auch nur in einer Situation wirklich Erfolg damit. Barcelona hingegen lief gegen die dichte Zentrale an, konnte aber nie durchbrechen, den Ball nie im Zwischenlinienraum halten und wurde immer wieder nach hinten oder auf die Flügel geschoben, wo man sie letztlich isolierte.

Aus taktischer Sicht ist für mich besonders interessant, wie der ballferne und ballnahe Sechser sich beim Verschieben bei tieferer gegnerischer Ballzirkulation bewegen. Der ballnahe Sechser rückt nämlich etwas nach vorne und zur Seite, um lokal zu unterstützen. Er kann dann situativ herausweichen und auf den gegnerischen Sechser pressen oder auf dem Flügel absichern und die Passwege in der Horizontale versperren. Der ballferne Sechser hingegen lässt sich etwas zurückfallen und spielt näher an den Innenverteidigern, wodurch eine asymmetrische Staffelung entsteht.

Mittelfeldlibero

Mittelfeldlibero

Die Logik dahinter ist eine simple, aber nahezu brillante: Der ballferne Sechser spielt als situativer Mittelfeldlibero. Schon in meiner Analyse zum FC Barcelona schrieb ich darüber, wo diese Spielweise sehr effektiv genutzt wurde.

Diagonalpässe von einem defensiven Halbraum in den gegenüberliegenden offensiven Halbraum waren nicht möglich. Vertikale Pässe in den Zwischenlinienraum konnten sofort mehrfach bedrängt werden; der ballferne tiefere Sechser rückte von der Seite drauf, der höhere Sechser orientierte sich nach hinten und presste rückwärts, der ballnahe Flügelstürmer presste von der anderen Seite und situativ orientierte sich einer der Innenverteidiger nach vorne. Stünde der zweite, ballferne Sechser höher, so wären direkte Ablagen nach solchen Vertikalpässen – Barcelonas bekanntes Spiel über den dritten Mann – zur Seite in den offenen Zwischenlinienraum möglich gewesen. So aber entstanden 4-3-2-1-Staffelungen und 4-1-3-2-Staffelungen, welche wegen der enormen Kompaktheit meist aber eben wie ein 4-4-2 wirkten, in welchem lediglich ein Sechser und ein Stürmer leicht tiefer zu ihrem Nebenmann versetzt standen.

Im Abwehrpressing wurde dies nicht mehr gespielt, da der Zwischenlinienraum ohnehin praktisch nicht mehr vorhanden war. Atlético zog sich so eng zusammen, dass kein Pass in den Zwischenlinienraum möglich war. Hier war es ein klares 4-4-2, die horizontalen Linien in den Bändern schienen wie am Reißbrett gezogen.

Die Kompaktheit bei Atlético

Die Kompaktheit bei Atlético im 4-4-2.

Dies zeigt, dass diese leichten positionellen Anpassungen in bestimmten Zonen für eine höhere Komplexität beim Gegner sorgen und es für bestimmte Situationen eben spezifische Staffelungen gibt, welche überaus effektiv sind – so sagt es zumindest die Gegentorstatistik. Bei diesem pendelnden Mittelfeldlibero ist es zum Beispiel das seitliche Verschieben nach riskanten Diagonalpässen des Gegners, wo der Sechser der Rojiblanco mit seinem Deckungsschatten die gesamte andere Spielhälfte versperrt und somit auch die horizontale Kompaktheit der ballfernen Spieler und ein extremeres Einrücken noch unterstützt.

In anderen Partien spielen die beiden Ketten aber ähnlich breit oder die beiden Sechser und die beiden Stürmer erzeugen keine asymmetrischen oder gänzlich andere Staffelungen. Gegen Chelsea wurde später sogar formativ auf ein 4-1-4-1 umgestellt, um die Führung zu verwalten und auch die Pressinghöhe sowie die genauen Abläufe variieren. Nicht immer lockt Atlético den Gegner auf die Flügel und isoliert sie dort, sondern dreht manchmal den Spieß – äh, das Spiel – gänzlich um und drückt den Gegner in den vermeintlich offenen eigenen Zehnerraum, um ihn dort auseinanderzunehmen.

Dazu nutzen sie zwei breite Mittelstürmer, die sich zwischen Außen- und Innenverteidigern des Gegners beziehungsweise hinter den Innenverteidigern positionieren, aber dann bogenartig anlaufen und die Anspielstationen auf den Seiten versperren. Durch dieses Anlaufen muss der Gegner nach vorne ins defensive Zentrum passen, wo die Stürmer nach hinten arbeiten, die Flügelstürmer von der Seite pressen und die Sechser nach vorne attackieren; sechs gegen zwei ist auch auf Profiniveau eine doch etwas unangenehme Situation, möchte man meinen.

Pressingfalle am hypothetischen Beispiel gegen Chelsea

Pressingfalle am hypothetischen Beispiel gegen Chelsea

Und in gewisser Weise entspricht auch dies der „hypermodernen Schule“ des Schachs, wo diese mangelnde Zentrumsbesetzung als Köder für die Pressingfalle genutzt wird. Normalerweise erlauben sie auch keine Sichtfelddrehung, wodurch häufig nicht einmal eine destruktive Befreiung mit langen Bällen in die Spitze möglich ist. Manchmal stehen die Stürmer aber auch weiter vorne und stellen die Innenverteidiger sofort mannorientiert zu, um eben solche lange Bälle vom Torwart zu provozieren.

Somit kann Atlético im 4-4-2, 4-2-2-2, 4-4-2-0, 4-4-1-1 und extrem kompakten 4-1-3-2 pressen, wobei die Abstände, die Pressinghöhe und die Abläufe jeweils variieren. Von einem tiefen Abwehrpressing mit viel Passivität und Leiten auf die Flügel bis zu einem hohen Angriffspressing mit enormer Aggressivität und Leiten in die Mitte ist eigentlich alles möglich und wurde schon genutzt. Generell lässt sich aber sagen, dass sie über viel einzelnes Herausrücken mit viel Athletik und Aggressivität arbeiten, welches dann durch kollektive Balancebewegungen abgesichert wird, was eine große Dynamik erzeugt.

5 vs 2 im gegnerischen Strafraum - Atléticos Pressing macht's möglich.

5 vs 2 im gegnerischen Strafraum – Atléticos Pressing macht’s möglich.

Diese Veränderungen in den gruppentaktischen Abläufen und Adjustierungen in den situationsspezifischen Staffelungen gibt es allerdings nicht nur in der Arbeit gegen den Ball, sondern auch beim Aufbau der eigenen Angriffe.

Staffelungsveränderungen auch im Aufbauspiel genutzt

Wie schon erwähnt gibt es im zweiten und letzten Spielfelddrittel immer variable Möglichkeiten der genauen Umsetzung des Einrückens der Außenspieler, welche die Mitte fluten. Dies wird allerdings im ersten Drittel ebenfalls gemacht und hier ist die Asymmetrie deutlich klarer. Vereinzelt ging immer der ballnahe Flügelstürmer diagonal nach hinten und öffnete Räume für den Außenverteidiger, der wiederum für ihn Räume öffnete, während der ballferne Flügelstürmer in den Zehnerraum ging. Meistens wird es jedoch anders gespielt.

Im Normalfall ist es nämlich Linksaußen Koke, der konstant in den linken defensiven Halbraum geht und mit Mario Suarez oder Tiago und natürlich Kapitän Gabi eine Art 4-3-3 herstellt, welches die beiden defensiven Halbräume und die Mitte besetzt. Daraus entsteht in Extremfällen ein 2-3-3-2 mit sehr hohen Außenverteidigern, das an Southamptons Spielweise erinnert, allerdings aus anderen Spielertypen und Bewegungsmustern. Sehr oft gibt es aber auch hier eine Asymmetrie; Koke rückt im Mittelfeld ein, Arda Turan hinter dem gegnerischen Mittelfeld, einer der Sechser geht in einen Halbraum und der andere bleibt zentral.

Atlético im Spiel gegen Malagas situatives 6-3-1 - Koke und die beiden Sechser decken viel Raum ab, die anderen Spieler rücken weit nach vorne auf.

Atlético im Spiel gegen Malagas situatives 6-3-1 – Koke und die beiden Sechser decken viel Raum ab, die anderen Spieler rücken weit nach vorne auf.

Wichtig ist auch hier die gruppentaktische Sauberkeit, was sich z.B. in den präzisen Positionierungen in den gegnerischen Schnittstellen des Mittelfelds zeigt. Erhält einer der eingerückten Flügelstürmer den Ball, steht er häufig exakt zwischen zwei Mittelfeldspielern des Gegners auf einer Linie mit diesen oder knapp dahinter. Er kann sich dann sofort drehen und weiß, dass er zumindest ein paar Meter bis zum nächsten Gegenspieler hat, was wiederum die Passkommunikation erleichtert. Arda und Koke tauschen auch oft die Seiten oder agieren grundsätzlich auf dem anderen Flügel, um dann bestimmte Zonen des Gegners spezifisch zu bespielen oder andere Synergien zu erzeugen.

Phasenweise spielen sogar die beiden Mittelstürmer neben den gegnerischen Innenverteidigern, um diese zu binden, aber jederzeit auf den Flügel und in den Halbräumen unterstützen und in die Tiefe starten zu können. Die eigenen Innenverteidiger fächern intelligent auf, Courtois kann sie spielstark unterstützen und die Außenverteidiger bewegen sich ebenfalls flexibel; sie spielen extrem hoch oder nur leicht versetzt vor den Innenverteidigern, je nach Situation.

Beim Absatz „Atléticos Dominanz“ hat Kollege TW in der Analyse zur Partie Atlético gegen Sevilla ebenfalls etwas über die Angriffsmöglichkeiten der Madrilenen geschrieben, wo man die gegnerischen Bewegungen ebenfalls gut bespielte, unter anderem durch das Zurückfallen Diego Costas und das Aufrücken Diego Godins.

Godin bespielt die Mannorientierungen des FC Sevilla durch ein aggressives Aufrücken in den durch die breite Stellung von Koke und Gabi geöffneten Raum. So lockt er Rakitic weg von seinem Gegenspieler Gabi ins Zentrum. Alberto Moreno rückt nicht ein, um Gabi zu übernehmen, sondern orientiert sich an Juanfran. Dieser nimmer bereits Fahrt auf, um den durch Raul Garcia freigezogenen Raum zu attackieren. Auffällig ist auch die enge Stellung Navarros im Zentrum gegen die beiden Spitzen Atléticos.

Godin bespielt die Mannorientierungen des FC Sevilla durch ein aggressives Aufrücken in den durch die breite Stellung von Koke und Gabi geöffneten Raum. So lockt er Rakitic weg von seinem Gegenspieler Gabi ins Zentrum. Alberto Moreno rückt nicht ein, um Gabi zu übernehmen, sondern orientiert sich an Juanfran. Dieser nimmer bereits Fahrt auf, um den durch Raul Garcia freigezogenen Raum zu attackieren. Auffällig ist auch die enge Stellung Navarros im Zentrum gegen die beiden Spitzen Atléticos.

Außerdem ist diese Partie ein gutes Beispiel für jene Spiele, wo Koke auf der Sechs agierte und Raul Garcia über den rechten Flügel sowie Arda Turan über den linken Flügel kam. Somit ist mit einfachen Umstellungen (Koke ins Zentrum, neuer Flügelstürmer, ob Garcia für mehr Kopfballstärke und Präsenz, Diego für Kreativität und José Sosa als Rollenspieler) noch mehr Pressingresistenz im Zentrum und eine andere Unwucht im Aufbauspiel möglich.

Dadurch ist Atlético schon im ersten Drittel schwierig zu pressen und ist keineswegs eine reine Umschaltmannschaft, sondern auch bei gegnerischem und eigenem Ballbesitz ebenso oder zumindest fast so gut wie in den Umschaltsituationen. Beispielsweise wechselt Atlético auch hervorragend den Spiel- und Passrhythmus, kann aus den schnellen Kurzpasskombinationen auf engstem Raum intelligent verlagern und hat teilweise ein sehr raumgreifendes Spiel in die Spitze, wo sie mit wenigen Pässen extrem viel Raum überbrücken, ohne ins Destruktive oder Gebolze überzugehen.

Desweiteren hilft ihnen ihre Dynamik in den Kurzpasskombinationen nicht nur im Angriffsspiel, sondern auch beim Befreien aus dem gegnerischen Gegenpressing nach Balleroberungen und dem dadurch nicht nur besseren, sondern auch häufigeren Kontermöglichkeiten. Was gibt es ansonsten noch zu sagen? Ach ja.

Standards

Spätestens seit dem Real-Sieg gegen die Bayern in München muss man immer anmerken, dass es Mannschaften gibt, die manchmal durchaus gefährlich sind nach Ecken. Und ja – ich bin ebenso wenig ein Freund von Standardsituationen wie von Flanken, aber auch hier ist Atlético eine positive Überraschung, welche dieses taktische Mittel sehens- wie lobenswert einsetzt.

Sehr viele Ecken kommen beispielsweise scharf an den kurzen Pfosten, wohin man sich sehr gut bewegt und gleichzeitig die weitere Flugbahn des Balles ebenfalls noch besetzt und somit im Rückraum oder auch bei bewussten Weiterleitungen Gefahr erzeugen kann. Hinzu kommen auch interessante Standardtricks, wie zum Beispiel gegen Porto, als sie zu neunt vorne standen und ein Spieler alleine hinten absicherte. Der Gegner musste mit zehn Mann in einer Linie auf einer horizontalen Linie von wenigen Metern agieren, was letztlich mitverantwortlich für das Tor war.

Und gegen Porto erzielten sie gleich noch ein Tor durch einen Standardtrick: Ein Spieler von Atlético befand sich hinter der gegnerischen Mauer, einer stand daneben, drei standen ballfern und öffneten Raum, während einer ballnah sehr breit stand, um die Schnittstellen zu öffnen. Drei Mann standen im Rückraum. Der Freistoß wurde nicht wie von Porto erwartet nach innen oder direkt aufs Tor gespielt, sondern es gab einen Schnittstellenpass ins Loch und dieser führte zum Tor.

Bei ihren Standards gibt es eben nicht nur gute Flankengeber und Stiere in der Luft (Innenverteidiger, Garcia, Costa), sondern eben auch einen intelligenten Kopf dahinter, der sich um kreuzende Bewegungen, das richtige Timing, strategisch gute Zonen, Spielzüge und Blocker kümmert. Ein spielentscheidender Standard im CL-Finale scheint also durchaus eine Möglichkeit zu sein…

Fazit: Brillante Erfüllung von Grundkonzepten und Feinjustierungen

Diego Simeones Werk bei Atlético Madrid ist ein wahrlich herausragendes – kaum eine Mannschaft ist so komplett in der Erfüllung aller wichtigen strategischen Konzepte auf allerhöchstem Niveau, am ehesten vielleicht noch die Dortmunder unter Jürgen Klopp. Das Umschaltspiel ist in beide Richtungen nahezu perfekt, sie praktizieren ein intensives Gegenpressing, welches teilweise sogar etwas abwartend und leitend ist, dazu kommen die hervorragenden Strukturen in Ballbesitz (ohne ihn lange zu halten) und die wunderbare Arbeit gegen den Ball mit perfektem Verschieben wie herausragender Kompaktheit. In der grundlegenden strategischen Ausrichtung sind sie sogar kreativ, verbinden Veraltetes mit Modernem und nutzen ihre Spieler nahezu hervorragend. Das Bilden von schnellen Engen aus eigentlich breiten Positionen in den Halbräumen, die schnellen Kombinationen und die Flexibilität ihres Pressings im 4-4-2 sind ein Highlight für jeden Taktikgourmet.

Atléticos 4-4-2 und Busquets im Würgefang der Stürmer, ähnlich dem 4-4-2(-0) Bayerns in der CL-Saison unter Heynckes.

Atléticos 4-4-2 und Busquets im Würgefang der Stürmer, ähnlich dem 4-4-2(-0) Bayerns in der CL-Saison unter Heynckes.

Allerdings ist nicht nur Simeone verantwortlich für diesen Erfolg. Dem Athletiktrainer beispielsweise gehört ein Lob sondergleichen, dass eine Mannschaft, die mit dieser Intensität spielt und somit auch so ähnlich trainieren muss, mit einem so kleinen Kader auf so konstantem Niveau zwei Jahre ohne größere Verletzungen, Ausfälle und Leerlaufphasen agiert.  Ein weiteres Lob gebührt natürlich den Spielern, die teilweise im Erfolg und Jubel um Simeone beinahe untergehen.

Filipe Luis ist wie Diego Costa absolute Weltklasse, Thibaut Courtois im Tor ist auf allerbestem Wege dorthin (wenn er es nicht bereits ist), ebenso wie Koke und auch Arda Turan. Mit Godin, Miranda und Gabi gibt es hervorragende Systemspieler auf höchstem Niveau, zusätzlich sind Raul Garcia, der alternde David Villa, Diego, Tiago und Mario Suarez an guten Tagen sowie Juanfran ebenfalls internationale Klasse. Ihr Vorteil ist natürlich, dass sie weitestgehend nahe am Optimum eingebunden sind und dadurch ihr Potenzial auch abrufen können.

Gleichzeitig ist auch auffällig, wie individualtaktisch stark die Spieler alle sind, wie intelligent sie foulen oder sich foulen lassen, einander gedankenschnell unterstützen und wie präzise sie in der Positionsfindung sind, ebenso wie bei der Umsetzung von grundlegenden spielerischen Aspekten. Das reicht von einer sauberen Passtechnik über die richtige Zweikampfführung bis zum Behaupten des Balles im direkten Zweikampf mit Zuhilfenahme der Hände. Das dürfte ebenfalls ein Verdienst von Diego Simeone sein.

Inwiefern Simeones aktuelle Blaupause auf andere Vereine anzuwenden ist und ob sie sich in den Folgejahren mit diesem Kader weiter so konstant durchziehen lässt, scheint natürlich eine berechtigte Frage. Dennoch dürfte eines sicher sein: In Madrid haben die Rojiblanco in den letzten zweieinhalb Jahren sehr vieles richtig gemacht. Zufall dürfte es wohl nicht sein.

Danke an laola1.tv für das Bildmaterial!


WerderFan 16. Mai 2014 um 00:32

Da ihr schon Schach-Analogien bringt: Ein Artikel zum Thema: Vergleich von Schach und Fußball wäre cool. Ich habe mir da bereits öfter Gedanken zu gemacht, da ich mal ein regelmäßiger Turnierspieler war und mich so ein Vergleich immer sehr interessiert hat. By the way, der Vergleich im Text ist sehr passend.

Antworten

blub 16. Mai 2014 um 01:47

Da bin ich heute zufällig drüber gestopert:http://troubleandsqueak.wordpress.com/2014/01/08/how-the-analysis-of-chess-highlights-key-concepts-within-football-part-one/

noch nicht gelesen.

Antworten

RM 16. Mai 2014 um 15:51

Ist auch schon geplant und habe da schon einiges.

Antworten

Radolfinho 15. Mai 2014 um 16:07

Sehr schön zu lesende Analyse!
Wie weiter unten schon erwähnt – man sollte wirklich den Taktik-Grimme-Preis einführen 🙂

Antworten

Koom 15. Mai 2014 um 14:38

Sehr interessant. Klingt irgendwie auch nach der Spielweise, die ich bei PES lange meinen Teams verordnet habe. Kernmerkmale wären dabei das klare DM/ZM-Gespann auf der Doppelsechs, sowie der MS/HS in der Sturmspitze, sowie auf den Flügeln keine klassischen Flügelspieler, sondern eher dribbelstarke Spielmacher (der neueren Schule).

Ein Nachteil der Spielweise sehe ich in der Abhängigkeit von den Flügelspielmachern: Stellt man diese kalt (oder haben einen mässigen Tag), dann geht nicht extrem viel zusammen, weil deren Bewegungen und Auflösungen von Unterzahlsituationen in der Offensive emminent wichtig sind.

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Fat Spanish Waiter 15. Mai 2014 um 13:46

grandioses Teamporträt, auf das ich schon lange gewartet habe. Mit das Beste was in den letzten 2 Jahren hier zu lesen war. Ohne jetzt inhaltlich einzusteigen, das macht richtig Lust sich einige Spiele Atleticos nochmal anzuschauen.
Nur soviel: das klassische 4-4-2 ist nicht aus der Mode, wird m.M nach oft genutzt um ein verunsichertes Team durch ein „einfaches“ System zunächst mal zu stabilisieren, gerne auch nach einem Trainerwechsel. Über kurz oder lang steht man aber immer vor der Frage, wie man offensiv den 10er Raum und die Halbräume bespielt. Findet man da keine Lösungen stösst das System an seine Grenzen. Unter diesem Aspekt und mit dem Artikel im Hinterkopf werde ich mir Atletico noch mal genauer anschauen.

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mk 14. Mai 2014 um 14:33

Unfassbar guter Artikel. Großartig.
Gerade das von dir sehr gut beschriebene Quasi-Kontern aus Phasen des längeren Ballbesitzes, wenn ich es damit nicht vollständig falsch benenne, finde ich so unheimlich ästhetisch und einfach bewundernswert. Das ist für mich ziemlich nah an diesem subjektiven Label „schöner Fußball“. Und die gruppentaktische Sauberkeit sowieso. Wenn mir nur Simeone seit seinem Auftritt damals in Hannover nicht so unfassbar unsympathisch wäre… Verdammte emotionale Fußballsozialisation!
Zwei Fragen hab ich noch:
1.: man liest es hier ja sehr oft und auch schon seit langem, aber ich trau mich erst heute zu fragen: wie nimmt man diese Synergien wahr? Sehen tu ich sie vielleicht auch, ich weiß auch was theoretisch damit gemeint ist, aber ich hatte noch nie das Gefühl bei nem Spiel was zu sehen und zu denken: „oh, schöne Synergie“. Gibt’s da irgendein plastisches Beispiel, das mir helfen könnte?
2.: „in ein paar Wochen kommendem Halbraumartikel“ => Taktiktheorie? Jawoll! Findet meine überschwängliche Zustimmung.

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Erkinho 14. Mai 2014 um 04:08

Nettes Mannschaftsporträt.
Mittelfeldlibero, enges Mittelfeld – weite Abwehrlinie, konsequente Halbraumfokussierung,… was der Diego aus nem 4-4-2 so alles rausholt..Teufelskerl.
Bei all den aufgezählten Spielern würde ich aber die Zwiebel nicht vergessen…extrem dribbelstark und ein Meister des 1gg1, ach was sag‘ ich 1gg3…daher der perfekte Spieler um zu entlasten, Tempo zu verschleppen und einen knappen Vorsprung über die Zeit zu bringen oder sogar auszubauen.

Luis hat sich seit Deportivo mächtig gemacht, extrem schade, dass er nicht nominiert wurde..Naja CL ist ja auch was.

Die Schach – Analogie ist doch treffend formuliert und als Kenner der hypermodernen Schachschule sehe ich die im Rahmen gefundenen Parallelen nicht kritisch..Vllt könnte man sogar soweit gehen und sagen, dass die modernen Pressingfallen im Spitzenfussball auch (bedingte) Vergleiche zu gewissen Schacheröffnungen ermöglichen…Is aber alles nur Theorie versteht sich.

Antworten

wombat 14. Mai 2014 um 10:11

also ich als engagierter hobby-schachspieler hab mit den analogien so meine probleme.
es gibt so viele aspekte im schachspiel, die partieentscheidend sein können und meistens auch sind ( tempo, gambit, entwicklungsvorsprung, abtausch u.a.) für die es schwer fällt, analogien im fußball zu finden.
welcher spielabschnitt im schach wird denn eigentlich verglichen?
die eröffnung, bei der es um schnelle figurenentwicklung geht, das mittelspiel oder das endspiel?
die phasen gehen ineinander über, jedoch sind schon unterschiedliche fähigkeiten gefragt.
welche analogie gibt es für ein technisches enspiel k+s+l vs. k?
ein spiel, bei dem meistens eine figur nach der anderen vom brett verschwindet, lässt sich m. mn. nach schlecht mit einem spiel vergleichen, bei dem normalerweise die anzahl der figuren gleich bleibt.
das ist ein grundlegender unterschied, der einen sinnvollen vergleich der beiden spiele eigentlich ausschließt.

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Fabian 15. Mai 2014 um 11:52

Es geht hier ja nicht darum einen umfassenden Vergleich zwischen den beiden Sportarten heranzuziehen (ups, neuerdings ist Schach in Deutschland ja gar kein Sport mehr). Einzig die Idee, dass man einen Raum auch kontrollieren kann ohne ihn zu besetzen wird hier verglichen.

Metaphern und Analogien haben immer ihre Grenzen, und wer sie nicht verstehen will findet immer (mehr oder weniger gute) Gegenbeispiele. Wenn man als Leser allerdings mitdenkt und sich darauf einlässt, kann so etwas durchaus zum Verständnis beitragen.

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Dr. Acula 13. Mai 2014 um 22:51

Lässiger Artikel.. Nochmal kurz vorm Pennen was interessantes lesen, sehr geil. Ich muss mich einem Vorredner anschließen, eine kurze Erwähnung was Schwächen sind fehlt auch mir, insbesondere kurzer Ausblick wie Real das versuchen könnte oder welche Mannschaften dazu passende Stärken haben.
PS: Die parallelen zwischen Schach und Fußball finde ich als Hobby Schachspieler durchaus angebracht

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Jo 13. Mai 2014 um 09:24

Zunächst: super Artikel!
Jedoch zwei Anmerkungen:
1. Fussball-Schach-Analogien werden immer wieder gerne angeführt, sind aber doch sehr begrenzt anwendbar.
2. Was mir etwas fehlt in der Analyse sind Probleme bzw. Schwachstellen: Klar wird Atletico gewissermaßen derzeit zurecht gehypt, aber sie spielen ja nun auch nicht perfekt. Das erste Spiel gegen Chelsea beispielsweise hatte Atletico keine Mittel um die Blues hinten zu brechen.

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TW 13. Mai 2014 um 10:13

Zu 1. In diesem Fall finde ich die Analogie sehr gelungen. Habe da lange mit René diskutiert und es ist schon interessant wie gut diese Analogie (mit den im Artikel genannten Einschränkungen) übertragbar ist.
Zu 2. Gegen so tief und diszipliniert verteidigende Mannschaften haben ja sogar die weltbesten Ballbesitzmannschaften Probleme. Das als Schwäche auszulegen, finde ich dann schon gewagt. Vor allem da Atlético im Rückspiel gezeigt hat, dass sie selbst dagegen Mittel finden können. Wenn es überhaupt eine Schwäche gibt, dann eventuell die individuelle Qualität von Juanfran, Godin und Miranda im frontalen 1 vs 1. Da diese Situationen aber aus den beschriebenen Staffelungen so gut wie nie auftreten, wäre es wohl übertrieben gewesen, darauf speziell einzugehen.

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Der_Bob 13. Mai 2014 um 13:35

Wäre es nicht dennoch interessant auf Schwächen und mögliche Gegenmaßnahmen einzugehen? Deine Antwort klingt beinahe so als gebe es selbige nicht und wir hätten es mit perfektesten Mannschaft der Welt zu tun!

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RM 13. Mai 2014 um 13:48

Auf dem Niveau haben ja die meisten Teams keine wirklichen Schwächen mehr, sondern nur geringere Stärken. Bei ihnen ist es dann auch wirklich so, dass sie einfach in der Offensive und individuell nicht ganz so stark sind wie die Bayern oder Real z.B., dazu kleinere Anfälligkeiten, die man aber nicht wirklich als Schwäche bezeichnen kann. Und wenn ich zu jedem Team Gegenmaßnahmen mache, dann sind die Mannschaftsanalysen 100 Seiten lang 🙂 Ich habe aber bei Abseits.at schon mal etwas Ähnliches gemacht.

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TW 13. Mai 2014 um 15:18

Gruppentaktisch ist Atlético vielleicht sogar tatsächlich die perfekteste Mannschaft der Welt ;-).

Neben dem Artikel von RM, in dem er mögliche Gegenmaßnahmen beschreibt, würde ich die teilweise etwas zu tiefe Stellung und die Zone hinter den vorgerückten AV und den engen Mittelfeldaußen als mögliche Schwachstellen identifizieren. Barcelona hat im CL-Hinspiel den Ausgleich durch eine Positionierung von Iniesta an der Schnittstelle dieser beiden Spieler und einen direkten Pass in die Lücke dahinter vorbereitet. Auch Real hat in der Copa diese Zonen mit schnellen Seitenwechseln und Dribblings attackiert. Du brauchst aber schon die Dribbling- und Nadelspielerskills von Iniesta, di Maria und Modric, um Dich in diesen Engen behaupten zu können, bzw. die Möglichkeit zu so krass angesschnittenen Bällen wie Modric und di Maria sie mit dem Außenriss spielen können, um die Seitenwechsel auch in hohen Zonen erfolgreich zu gestalten. Die Gründe für die Schwierigkeit dieser Seitenwechsel hat RM ja im Artikel ausführlich vorgestellt.

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LM 13. Mai 2014 um 09:23

Absolut großartige Analyse, vielen Dank dafür! Das macht doch richtig Appetit auf‘s Finale 😉
Schon beeindruckend, was da bei Atlético aufgebaut worden ist. Aber auch wenn es mit zum strategischen Konzept gehört, diese häufigen Unsportlichkeiten und Schauspieleinlagen einiger Spieler gehen für mich gar nicht. Genauso wie die Tatsache das ein Fanclub wie Frente, auf die man als Düsseldorfer ja zuletzt aufmerksam wurde, da ne halbe Stehtribüne besetzt. Ansonsten finde ich den Laden da nämlich eigentlich sehr sympathisch 😉

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Michael 13. Mai 2014 um 02:04

Vielen Dank für diesen ausführlichen Artikel über Atletico!
Endlich auch einmal eine sinnvolle und passende Fußball-Schach-Analogie (wobei ich aber nur vom Schach ein bisschen was versteh‘).
Als Wehmutstropfen nach der der Lektüre bleibt nur, dass es jetzt doppelt schade ist, dass es nicht zu Atletico gg. Dortmund und/oder Bayern im (Halb-)finale gekommen ist. Beides hätte mich, gerade im Hinblick auf Zentrumsbesetzung bzw. -kontrolle, sehr interessiert.

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Willibert 13. Mai 2014 um 12:08

Du meinst wohl Wermutstropfen !

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wombat 14. Mai 2014 um 09:49

also ich finde diese wortneuschöpfung recht gelungen.

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Willibert 14. Mai 2014 um 09:46

Mit deinen profunden Sprachkenntnissen solltest du dich bei Sport1 bewerben, du erfüllst deren Anforderungsprofil voll und ganz.

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buchling 13. Mai 2014 um 01:46

Wenn es einen Grimme-Preis für Mannschaftsanalysen gäbe – diese Analyse von Athletico durch RM wäre ein Kandidat. Ganz, ganz großartig!

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hegel 13. Mai 2014 um 00:26

<3

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