Adventskalender Türchen 17: Kevin De Bruyne

Jaja, Thomas Schaaf und die Raute. Die wird er nie los. Außer halt diese Saison, wo die Bremer ein weiteres Mal ein großes Talent ins Boot holen konnten, nämlich Kevin de Bruyne. Wäre er keine Leihgabe, hätte man wohl von einem Allofs-Transfer sprechen können: jung, talentiert, für Größeres befähigt und würde mit seiner Ablöse in ferner hypothetischer Zukunft potenziell wohl die Kassen des Nordvereins fluten können. Auch, weil er taktisch einen Weg in die Zukunft deutet.

Inverser Flügelstürmer, bewegliche Neun oder moderner Zehner?

In der Zeile oberhalb sieht man drei mögliche Positionen für de Bruyne. Vor einigen Jahren wäre er wohl noch als klassischer Flügelstürmer aufgelaufen. Mit seiner Schnelligkeit kann er lange Schnittstellenpässe in den Raum noch erreichen, mit seiner Dribblingstärke kann er seinen Gegenspieler überspielen und mit seiner spielerischen Stärke kann er von der Seite gefährlich werden.

Heutzutage gibt es andere Positionen, die ihm entsprechen. Der junge Belgier wurde wohl auch für eine solche moderne Variante der Flügelstürmer-Position von Chelsea geholt, doch letztlich scheint ihn Thomas Schaaf für eine andere Rolle vorzubereiten: aktuell spielt er vorrangig als Achter in einer 4-1-4-1-Formation.

Viele Offensivspieler werden nachhaltig von Defensivaufgaben befreit, dürfen „zocken“ oder kommen in eine noch offensivere Position, um ihre herausragenden Fähigkeiten nutzen zu können. Lionel Messi ging von der laufintensiven Außenstürmerposition auf die Position der tiefen spielmachenden Neun, darf sich bei Bedarf fallen lassen, gegenpresst, darf sich aber seine Pausen im normalen Pressing nehmen. Er arbeitet in einigen Partien lediglich mit dem Abdecken von Passwegen und Spekulieren auf Fehlpässe.

Cristiano Ronaldo darf zocken, der Linksverteidiger hinter ihm wird dann vom Mittelfeld unterstützt oder – im Idealfall – traut sich Cristianos Gegenspieler gar nicht nach vorne, um keinen gefährlichen Konter zuzulassen. Auch anderen Akteuren werden taktische Rollen im mannschaftlichen Korsett geschneidert, um ihre Gefährlichkeit in der Offensive zu maximieren.

Ein bisschen Defensive muss sein

De Bruyne hingegen geht aktuell den anderen Weg. Wie auch Aaron Hunt arbeitet er enorm viel vor Zlatko Junuzovic. Das Bremer Mittelfeldtrio ist in der Arbeit gegen den Ball omnipräsent, weicht auf die Flügel aus, sichert weite Räume und hat auch offensiv vielfältige Aufgaben. Überladen von Räumen, situatives Besetzen von verwaisten Außenpositionen und eine Spielweise, die man leicht übertrieben als spielgestalterische box-to-box-Akteure zusammenfassen könnte. Ob das Bremer System auch deswegen phasenweise so anfällig sein könnte, lassen wir dahingestellt.

Ohnehin sind Ergebnisse, Punkte und Titel doch nur für Fans von Vereinen interessant. Neutrale Fans des Fußballs interessiert mehr, ob De Bruyne seinen Weg gehen wird. Das Talent ist unverkennbar, doch aktuell ist es noch überaus roh. Gelegentlich agiert er unkonstant; nicht über mehrere Spiele hinweg, sondern während einzelner Spiele.

Seiner Ausrichtung in den Pässen fehlt die Balance, manchmal scheint er jeden Ball unbedingt tödlich in die Gasse legen zu wollen, in anderen Momenten wirkt er scheu, ängstlich und agiert dadurch übertrieben horizontal. Gegen den VfB Stuttgart war seine Passquote bei knapp über 70%, gegen Borussia Mönchengladbach lag sie bei 90% – in beiden Spielen war er wohl der überzeugendste Akteur auf dem Platz.

Ein Blick in die Zukunft

Bekommt er das in den Griff, kann er noch eine große Rolle spielen. Auf Vereinsebene spielt er bei Werder Bremen, der als herausragender Ausbildungsverein gilt. Unter Vertrag steht er bei Chelsea, die einige junge Neuzugänge gekauft haben. Die Konkurrenz mag zwar groß sein, doch für de Bruyne sollte es langfristig Platz geben, wenn er sein Potenzial nutzt.

Womöglich wird ihm sogar seine Nationalmannschaft dabei helfen. De Bruyne ist dabei, sich einen Stammplatz bei den Belgiern zu erobern. In den letzten beiden Partien der WM-Qualifikation durfte er von Beginn an, erzielte ein Tor und beide Spiele wurden gewonnen. Kongenialer Partner in der goldenen Generation der Belgier: Eden Hazard, aktuell bei Chelsea angestellt.

Interessant wird es, wie De Bruyne in Zukunft eingesetzt wird. Chelsea fehlt ein Verbindungsspieler in der Mitte oder auch ein durchgehend überzeugender Außenstürmer. Unter Umständen könnten sie sich sogar einen beweglichen Mittelstürmer wünschen, was de Bruyne ebenfalls im Stande wäre zu spielen. Sollte er seine Defensivqualitäten ausbauen, seine Offensivstärken konstant nutzen und mit seiner herausragenden Technik, Dynamik und Ballbehandlung seine Pressingresistenz ausbauen, steht ihm nichts im Wege.

Als bewegliche Neun in unterschiedlichsten Varianten könnte er seine Dynamik und Beidfüßigkeit nutzen. Letzteres ist laut einer Aussage De Bruynes in der SportBild daraus entstanden, dass seine Mutter ihm als Kleinkind verbot, mit rechts zu schießen – er schoss zu fest, die Blumentöpfe wurden kaputt. Sachen gibt’s.

Aber es gibt auch andere Sachen, bspw. De Bruyne als Verbindungsspieler in der Mitte. Hier wären seine wunderbare Laufarbeit, seine ausbaufähigen, aber bereits relativ hochwertige Defensivfähigkeiten und seine Stärken im Passspiel gut aufgehoben. Er kann lange Bälle spielen, mit mehr Erfahrung eventuell auch strategischer operieren, seine Pressingresistenz nutzen und im Kombinationsspiel viel Raum überbrücken, um eventuell auch selbst gefährlich vor das Tor zu kommen.

Als Flügelstürmer würde wohl seine Dribbelstärke stärker zu Tragen kommen. Eventuell wäre der Jungstar in einer ähnlichen Positionsinterpretation wie Franck Ribéry als kreativer Flügelstürmer bei den Bayern fast schon ideal aufgehoben.

Wie man sieht sind die Möglichkeiten unbegrenzt – die Frage lautet, wie so oft bei jungen Riesentalenten, was De Bruyne aus seinen Anlagen macht.

laterookie58 18. Dezember 2012 um 20:55

@ RM : Herzlichen Dank für ein sehr präzises Bild des Spielers de Bruyne! Tolle Recherche von Dir; danke für Zeit und Mühe.
Da ich Spieler wie ihn ja nur in Ausschnitten (Sportschau o. ä.) sehe, fiel mir u. a. die von Dir erwähnte fehlende Konstanz auf. Mit Deinem Gesamt- Bild des Spielers kann ich seine „Auftritte“ natürlich ganz anders einordnen.
Auch ich vermute stark, daß er nicht mehr allzu lange bei Bremen bleiben wird.
Mal sehen, wie er und Bremen die Rückrunde stemmen… laterookie58

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phy 18. Dezember 2012 um 07:04

Seine Laufstärke sollte auch nicht unterschlagen werden – de Bruyne hat die letzten paar Spiele konstant seine 12 – 12,5 km abgeliefert…

Oh Mann, ich würde diese Werder Mannschaft wirklich gerne in einem perfekten Spiel sehen. Ne IV welche konstant zockt, 3 zentrale box-to-box Mittelfeldspieler und 2 spielstarke Aussen… passt halt alles (noch) nicht ganz zusammen.

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blub 17. Dezember 2012 um 14:37

Sagt mal hat Bremen den versuch mit de Bruyne als mittelstürmer nicht bereits versucht im auftaktspiel gegen dortmund? das sah nicht so überzeugend aus damals.

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Hhut 17. Dezember 2012 um 14:53

Hat man… bzw. als false9 und würde ich trotzdem gern mal wieder sehen.

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GH 17. Dezember 2012 um 17:43

würde ich nicht sagen, besonders in dem spiel fand ích war bremen den dortmundern überlegen, was auch an der falschen 9, de bruyne, lag. doch in dem spiel war auch wieder die abschlussschwäche der bremer erkennbar und ergebniserzeugend

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Rasengrün 18. Dezember 2012 um 14:34

Allerdings. Das Spiel hätte Bremen auch gewinnen können, eigentlich sogar müssen.

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MarcL 17. Dezember 2012 um 12:30

De Bruyne ist ohne Zweifel ein überragendes Talent. Ich bin gespannt wo er letzendlich bei Chelsea landen wird. Ich würde aber viel drauf verwetten das er letzendlich LAmpard in den Ruhestand schickt. Körperlich kann er ihn nicht ersetzen, aber als Dynamischer „Verbindungsspieler“ von der Acht oder der Sechs kann er Chelsea denke ich weiterhelfen.

Ihr hattet Lucas mal als Achter/Zehner angedacht. Glaubt ihr das eine Doppelacht De Bruyne-Lucas in ähnlicher Form wie in Bremen für Chelsea lohnenswert wäre?

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MarcL 17. Dezember 2012 um 12:35

Ihr braucht dringend eine Editiermöglichkeit für die Kommentare, damit man Tipfehler beheben kann bzw Sinnfehler. 😀

De Bruyne kann Lampard nicht körperlich ersetzen, aber aufgrund seiner Technik und Dynamik eine ähnliche Rolle im Team spielen wie er es zu guten Zeiten gemacht hat. So geht mein Gedanke zu Ende-

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MarcL 17. Dezember 2012 um 12:39

Und ich meine Oscar…alter ich brauch nen Kaffee…

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RM 17. Dezember 2012 um 13:02

Wenn es je ein Spielverlagerungs-Usertreffen gibt, dann gebe ich gerne einen aus! 😀

Zu deiner Frage: schwierig, weil sowohl Oscar als auch de Bruyne noch sehr jung und sehr offensiv sind. Auf lange Sicht mit besserem Pressing und einer passenden Absicherung möglich, aber ich würde eher mein Geld auf was anderes verwetten, bspw. dass diese beiden mit Hazard, Mata und eventuell noch Moses, Marin oder weiß Gott, wer da noch kommt, in der offensiven Dreierreihe rochieren.

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TW 17. Dezember 2012 um 16:02

Oh ja, ein Spielverlagerungs-Usertreffen. Das wäre ja der Gegenentwurf zum klassichen Fußballstammtisch. Plötzlich wird fundiert diskutiert, anstatt Phrasen zu dreschen…

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RM 17. Dezember 2012 um 16:14

Bei uns gibt es doch auch Phrasen:
„Die Engländer können doch kein Pressing!“
„Der nutzt seinen Deckungsschatten doch nicht ordentlich!“
„Die Schnittstellen sind nicht eng genug!“
„Da fehlt doch die Kompaktheit!“
etc. 😀

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MarcL 17. Dezember 2012 um 21:03

Alles klar, ich erinner dich dann daran 😉

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TW 17. Dezember 2012 um 23:25

Bring mal den mit dem Deckungsschatten in der nächsten Fan-Kneipe. Auf die Reaktionen bin ich gespannt :D.

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Rasengrün 18. Dezember 2012 um 14:34

Da muss man nicht gespannt sein. Spinner, Schwätzer, freundlich wäre noch Theoretiker. Und wenn du dir richtig Freunde machen willst, dann kombinierst du das noch mit Vereinspolitik… Den Versuch empfehle ich aber nur bei ausgeprägter real-life-Pressingresistenz.

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SR 17. Dezember 2012 um 12:05

Danke für den Artikel.

De Bruyne ist in der Tat ein interessanter Spieler für die Zukunft. Eine Schwäche von ihm hast du allerdings unterschlagen: seine Abschlussschwäche. Er vergibt sehr oft, wie auch gestern, klare Torchancen, da er den Ball anscheinend immer perfekt ins Eck unterbringen will. Vielleicht würde ihm hier eine etwas pragmatischere Grundhaltung („Egal wie, hauptsache rein!“) sehr weiterbringen.

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