FC Schalke 04 – SV Werder Bremen 2:1

Schalke dominierte und war doch unterlegen – bis zum 2:1. Danach änderte sich die gesamte Partie in ihrer Struktur und Bremen musste nun angreifen. Doch die Werderaner liefen in einige Konter, ohne selbst zwingend zu werden. Erst in der letzten Minute kamen sie in die Nähe des Ausgleichs, der partout nicht fallen wollte.

Wechselwirkungen der jeweiligen Formationen

Beide Mannschaften begannen mit einem verkappten 4-1-4-1, welche Abwandlungen verschiedener Systeme waren. Bei Schalke entstand es, besonders im Pressing und im Defensivverhalten, aus dem nominellen 4-2-3-1, in welchem Lewis Holtby als zentraloffensiver Akteur auflief. Vor ihm spielte Klaas-Jan Huntelaar als einziger Stürmer, während Ibrahim Afellay und Jefferson Farfán über die Flügel kamen. Insbesondere Farfán zeigte sich dabei enorm hoch und offensiv ausgerichtet, er sollte wohl das ewige große Fragezeichen der Bremer links in der Viererkette – dieses Mal von Lukas Schmitz dargestellt – unter Druck setzen.

Grundformationen zu Beginn

Hinter dieser Offensivmaschinerie begannen Jermaine Jones und Roman Neustädter als nominelle Doppelsechs, wobei sich Ersterer wie so oft nach vorne orientierte. Er hatte den vertikalen Part inne und dies sowohl in der Offensive, als auch in der Defensive, wo er herausschob und sich mit Holtby vor Neustädter positionierte. In der Abwehrreihe begann Benedikt Höwedes statt Atsudo Uchida als Rechtsverteidiger, links lief Christian Fuchs auf und zentral bildeten Kyriakos Papadopoulos und Joel Matip die Innenverteidigung.

Bei Bremen bestand die Viererkette aus Assani Lukimya und Sokratis Papastathopoulos in der Mitte sowie Lukas Schmitz und Theodor Gebre Selassie auf den defensiven Flügeln. Davor sicherte der nimmermüde Zlatko Junuzovic als alleiniger Sechser die Räume und hielt den Rücken für die offensiveren Aaron Hunt und Kevin De Bruyne frei.

Diese zwei gingen immer wieder vertikal mit nach vorne, besonders natürlich bei Kontern und können situativ Räume überladen. Durch ihre zentrale Positionierung können sie dabei variantenreicher aufrücken als die Außenverteidiger, dank der höheren Grundposition geschieht dies auch schneller und somit effektiver. Das Spiel muss auch nicht zwangsweise über die Außen gehen, wodurch die Feldbegrenzung als gelegentliche situative Hilfe für die gegnerischen Verteidiger entfällt.

Auf den Flügeln begannen Eljero Elia und Marko Arnautovic, während Nils Petersen in der Mitte begann. Die Rollenaufteilung zwischen zwei inversem Winger und einem zentralen Kombinationsstürmer war erkennbar, wobei sich Elia und Arnautovic spätestens nach der Führung wegen der kollektiven Tiefe auch individuell breit positionieren mussten, um das defensive Positionsspiel einzuhalten. Hierbei zeigte sich aber auch der taktische Nutzen von Arnautovic, der gegen Fuchs und Afellay ein wichtiges taktisches Mittel sein sollte.

Marko Arnautovic – defensivstark und tief

Mit Arnautovics defensivem Einsatz und seiner Laufarbeit hatten die Bremer einen wichtigen Schlüssel in der Hand, um die Schalker linke Seite in ihrer offensiven Gefährlichkeit einzugrenzen. Hierbei war auffällig, wie oft sich Arnautovic antizipativ kurz diagonal nach hinten fallen ließ. Dadurch konnte er etwaige Vorstöße Fuchs‘ in den (ohnehin kaum vorhandenen) freien Raum abfangen oder ihn sofort bedrängen.

Arnautovics Defensivspielweise – er passt immer auf, dass kein Laufpass auf Fuchs möglich ist und verschiebt dynamisch und antizipativ nach hinten, wodurch er den Deckungsschatten bis nahe der Auslinie bringen kann. Fuchs erhielt zwar die Bälle, weil er relativ frei stand, aber konnte wenig Gefährliches daraus machen

Mit nur einer Flanke in neunzig Minuten bei 76 Ballkontakten (die meisten bei S04) blieb sein österreichischer Nationalmannschaftskollege in seiner Paradedisziplin relativ blass, gleichzeitig gewann Arnautovic beeindruckende zwölf Zweikämpfe, die meisten aller offensiven Bremer-Akteure.

Dadurch hatte Gebre Selassie eine starke defensive Hilfe und Unterstützung, wodurch er sich besser auf die freie Spielweise Afellays konzentrieren konnte. Dieser brachte zwei Flanken, welche aber deswegen gespielt wurden, weil er schlicht keine andere bessere Option hatte. Ihm fehlte die Bindung zu seinen Farfán und Holtby, auf die beiden spielte er nur je einen Pass. Die kompakte Mitte von Bremen verhinderte gefährliche Pässe und die meisten gingen nach hinten.

Schalke ideenlos – und dann kam Draxler

Dies führte zu mangelnder Kreativität und Torgefahr bei Schalke. Diese hatten in der ersten Halbzeit nur einen Torschuss, der in der Anfangsphase von Huntelaar kam. Dennoch kamen sie phasenweise auf annährend 70% Ballbesitz, welcher sich zur ersten Hälfte bei circa 61% einpendelte. Bestes Beispiel der schon erwähnte Afellay – 14 seiner 19 Pässe gingen zu einem Spieler aus der Viererkette, nur vier zu einem anderen Offensivspieler, weswegen der Niederländer letztlich in der Halbzeit ausgewechselt wurde.

Doch auch Holtby und Huntelaar konnten kaum überzeugen. Farfan war zwar auffälliger, doch auch nur, weil über die linke Seite wegen Arnautovic wenig ging und Farfan sich mit dem absichernden Höwedes relativ frei positionieren konnte. Bis auf einige Kombinationen mit Holtby und Höwedes konnte aber auch Farfan wenig Gefahr oder Raum schaffen, weswegen Stevens in der Halbzeit reagierte.

Statt Ibrahim Afellay kam Julian Draxler – ein relativ positionsgetreuer Wechsel, doch bringt Draxler gewisse Eigenheiten ins Spiel, welche den Unterschied ausmachen können. Unter anderem eine Geradlinigkeit und Unbekümmertheit, welche sich in seinen Offensivläufen äußert. Ein solcher Lauf führte letztlich auch zum Führungstreffer.

Das Spiel kippt

Spätestens nach der Führung gab es umgekehrte Verhältnisse. Die tiefspielenden und konternden Bremer waren zur Halbzeit noch klar besser aufgestellt gewesen; plötzlich fanden sie sich trotz eines Übergewichts im Chancenverhältnis im Rückstand. Daraufhin mussten sie ihre tiefe Stellung aufgeben und nach vorne spielen, was nur unzureichend gelang. Ohne den ausgewechselten Elia und mit einer neuen Spielweise mussten sie erst neue Passmuster finden, doch Schalke zerlegte sie in dieser Phase mit einem guten Mittelfeldpressing und passender Kompaktheit.

Außerdem wurden Räume für Konter geöffnet, Schalke hätte am Ende gut und gerne deutlich gewinnen können, doch sie scheiterten an ihrer Chancenverwertung. Wichtig ist hierbei zu sehen, wie sehr das Momentum ausschlagen kann. Macht Neustädter nicht per Kopf den Ausgleich mit dem zweiten Schalker Torschuss in der Partie, ist es gut möglich, dass die Bremer am Ende des Tages als verdienter und defensiv stabiler Sieger gegen unzureichende Hausherren vom Platz gehen.

So aber wurden die Mängel der Bremer aufgezeigt, welche später an ähnlichen Problemen scheiterten, wie die Schalker in der ersten Hälfte. Trotz sieben mehr gelaufenen Kilometern und sonstigen für sie sprechenden Statistikern waren sie nur geringfügig besser als die Schalker in der gleichen Situation, was zeigt, wie schwer es gegen tiefstehende und gut organisierte Mannschaften sein kann. Aus den ehemals 62+% Ballbesitz für Schalke wurden es am Ende „nur“ 55%.

Fazit

Es war keine hervorragende Partie und taktisch gab es auf beiden Seiten wenige nennenswerte Anpassungen oder Veränderungen. In diesem Spiel beeindruckte noch am ehesten die Spielweise von Marko Arnautovic in der ersten Hälfte, die unterschiedlichen Herkunften der 4-1-4-1 bzw. 4-1-4-1-ähnlichen Systeme (Schalke) sowie die Spiegelung des Spielgeschehens der Phasen von der 75.-90. Minute und der 30.-45., wo die beiden Teams ihre Rollen getauscht hatten.

Schalke zeigte außerdem, dass ihnen trotz Holtby die Kreativität gegen gut organisierte tief stehende Mannschaften bisweilen abgeht, sie aber durch Konter enorm gefährlich werden können.

Ian 11. November 2012 um 14:13

Mal wieder ein solides und in weiten Teilen kontrolliertes Spiel vom SVW, welches nicht gewonnen wurde.

Für Werders Verhältnisse war das Team sehr organisiert und ließ de facto keine wirkliche Torchance aus dem Spiel zu – das Schalke nach Standards gefährlich ist, ist bekannt. Der Schiedsrichter tat leider aber auch sein Übriges, wobei das wieder ein anderes Thema ist (jede Berührung zu pfeifen nervt schon seit geraumer Zeit gewaltig und kann ein egsamtes Spiel zerstören, auf Schauspieleinlagen fallen viele Schiedsrichter auch konsequent rein).

Taktisch war Werders Leistung aus meiner Sicht dieses Mal schwer in Ordnung. Man stand etwas tiefer als gewöhnlich und demzufolge auch kompakter. Einzig und alleine Farfan kam oftmals ins 1 gegen 1, woraus aber auch keine zwingenden Chancen entstanden.
Die Mitte wurde komplett zugestellt und beherrscht und auf der rechten Seite sehr gut verteidigt (wie schön im Artikel beschrieben).

Leider fiel dann der Ausgleich nach einer Standardsituation und der Siegtreffer nach einem Konter und eigener Ecke (seit Jahren ein Problem von Bremen), was eigentlich bei einem 1-1 auf Schalke nicht passieren darf.
Das man dann öffnen musste und Konterchancen zuließ ist nur verständlich – Schalke gewinnt dann halt in dieser Saison diese Spiele, weshalb sie oben stehen und Werder im Mittelmaß versinkt. Mit mehr Cleverness hätte Bremen auch 5-8 Punkte mehr auf dem Konto.

Antworten

Felix 11. November 2012 um 23:21

Bremen hat auf jeden Fall gut gespielt und hätte frühzeitig das Spiel entscheiden müssen. Das haben sie aber verpasst und so zum wiederholten Male in dieser Saison die Belohnung für eine gute Leistung nicht bekommen.
Der Schiedsrichter hatte einige schwierige Situationen zu entscheiden und aus Bremer Sicht ergibt sich dadurch ein sehr unglückliches Bild.
Man muss allerdings auch sagen, dass Uchida fehlte, der bisher gute Leistungen bringt und mit Farfan zusammen auf der rechten Seite viel Druck macht. Normaler Weise ist das Schalker Spiel auch rechtslastig, was mit Uchidas Fehlen weniger ausgeprägt war. Auf links machte es die beschriebene Spielweise von Arnautovic sehr schwer. Holtby und Hunterlaar sind derzeit nicht in Form, weswegen es offensiv kein gutes Spiel war. Defensiv lässt Schalke eigentlich wenig zu, kassiert aus den wenigen zugelassen Chancen aber viele Tore.

Zu deinem letzten Absatz muss ich sagen, dass Schalke bisher auch viele unglückliche Ergebnisse hatte. Gegen Hannover, Düsseldorf und Montepellier unverdiente Unentschieden, gegen Hoffenheim ein Spiel verloren das man nicht verlieren durfte. Dafür gegen Bayern verdient verloren und jetzt gegen Bremen und davor schon gegen Mainz mit glücklichen Siegen.
Bremen fehlt noch die Konstanz und Konsequenz über 90Min. Welche Gründe das hat wäre vllt interessant zu analysieren. Spielerisch und auch taktisch ist das glaube ich nicht schlecht was dort gespielt wird.

Antworten

Rasengrün 11. November 2012 um 03:49

Das scheint mir aber auch mindestens teilweise ein Fall von kalkuliertem Risiko zu sein, dass Junuzovic da manchmal allein auf weiter Flur bleibt. Das Loch ist bei Ballgewinn dann eben auch auf der anderen Seite, wenn der vertikale Spieler in der gegnerischen Zentrale aufrückt um Junuzovic zu überladen, dann lässt er eben zwangsläufig seinen DM-Partner gegen Hunt und Bruyne allein. Das mag nicht optimal sein, ich sehe andererseits aber auch keinen so guten Partner für eine Doppel-Sechs im Bremer Kader als dass es gerechtfertigt wäre dafür einen der beiden OM zu opfern.

Antworten

tactic_addicted 11. November 2012 um 07:39

Mag stimmen, aber dann muss er situativ besser unterstützt werden, durch vertikale Läufe von Hunt zum Beispiel. Oder man muss die beiden Viererketten enger stellen, oder die beiden OM etwas tiefer gegenüber den Flügelstürmern.

Antworten

tactic_addicted 11. November 2012 um 00:58

Hallo,

möchte anmerken, dass mir, neben euren Beobachtungen, aufgefallen ist, dass in der zweiten Halbzeit unmittelbar vor dem Ausgleich bei Bremen vor der Viererkette ein riesiges Loch klaffte. Da schien einfach ein weitere 6er zu fehlen. Junuzuovic schien teilweise überfordert, und bei Schalker Kontern war es häufig nur die Viererkette gegen den Rest.
Nach dem Ausgleich ließ sich Hunt häufiger unmittelbar vor die Viererkette fallen, um das Aufbauspiel zu gestalten. Kam aber zu spät zu diesem Zeitpunkt.
Mich hat teilweise die Laufbereitschaft der Bremer Offensive gegen Ende geärgert, wo man die Schalker hat einfach alleine auf die Abwehr zurennen lassen. Auch der von euch gelobte Arnautovic hat die unschöne Angewohnheit, nach einen Pass nicht einen weiteren Laufweg zu suchen, sondern im schön auf den Außen stehen zu bleiben, was ihn dann ausrechenbar macht.
Man sollte aber den Schalker Ausgleich etwas beleuchten. Das war sehr sehenswert gemacht und schien einstudiert. Unnerstal faustet den Ball gerade nach vorne, wo ein Schalker (ich glaube Matip?) schon bereitsteht, um ihn aufzunehmen, und gleich weiterzuleiten. Die darauffolgenden Laufwege und Pässe (erst diagonal, Viererkette sieht nach rechts außen, dann horizontal nach links) scheinen einstudiert.
Das Bremer Paßspiel nach dem Rückstand schien etwas unpräzise und unabgestimmt, obwohl technisch teilweise schon hochveranlagt.
Kommt Bremen mit dieser Mannschaft zu einer größeren Eingespieltheit, dann kann sie an einem solchen Tag Schalke auch schlagen. Dies läßt für die Zukunft hoffen.

Antworten

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*