Supercoppa: Juventus Turin – SSC Neapel 4:2 n.V.

Im italienischen Supercup, der in Asien ausgetragen wurde, traf Meister Juventus Turin auf den SSC Neapel. Bei Juventus war Meistertrainer Conte für die nächsten zehn Monate suspendiert und konnte deswegen nicht den Platz auf der Bank besetzen. Dennoch zeigte sich Juventus über den gesamten Spielverlauf hinweg gesehen stark, allerdings wurde ihnen von den Süditalienern taktisch und spielerisch viel abverlangt. Ohne einige strittige Entscheidungen und eigenes überhartes beziehungsweise etwas undiszipliniertes Spiel hätte Napoli womöglich den Sieg davontragen können. In Führung waren sie zumindest zwei Mal, konnten sie jedoch nicht über die Zeit bringen.

Wechselwirkungen der jeweiligen Formationen

Juventus begann mit ihrem erfolgreichen 3-5-2-System. Vorne sollte Matri mit Giovinco das Sturmduo bilden, was eine interessante Aufstellung war. Mit Giovinco hatten sie einen ungemein wendigen und zierlich gebauten Stürmer, der bei Bedarf das Mittelfeld unterstützen konnte. Das Ziel war es wohl, bei gegnerischer tiefer Positionierung einen spielstarken Mann mehr zu haben und bei einer höheren schematischen Ordnung schnell und mit einem dribbelstarken Akteur kontern zu können.

Grundformationen zu Spielbeginn

Zentral gab es das gewohnte Dreieck Pirlo-Vidal-Marchisio. Pirlo besetzte die Position des tiefliegenden Spielmachers, also eines Sechsers hinter den zwei laufstarken Allroundspielern, die sich auf der Acht befanden. Durch die tiefe gegnerische Ausrichtung sowie die beiden roten Karten hatte Pirlo extrem viel Zugriff auf den Raum vor dem dritten Spielfelddrittel, ansonsten zeigte sich der italienische Regisseur auf den Halbpositionen und als Anspielstation für die Flügel präsent.

Weitere Neuzugänge bei Juventus fand man mit Lucio in der Dreierkette und Asamoah auf links. Letzterer zeigte eine hervorragende Partie und dürfte wohl große Chancen auf einen Stammplatz haben. Interessant war die Asymmetrie in den beiden Formationen, die durch Lucio und Pandev entstand. Pandev spielte nominell als halbrechter Stürmer, bewegte sich aber viel in der Horizontale und suchte nach Lücken. Da Cavani eher zentral spielte und Hamsik sich oft ins Mittelfeld bewegte, rückte Lucio einige Male etwas mit nach vorne.

Dadurch verschob sich Juventus‘ Aufstellung etwas, während Pandev auf Räume spekulierte und mit seinen horizontalen Räumen im richtigen Moment weitere Löcher schaffen sollte. Beim zweiten Treffer für Napoli presste er beispielsweise weit auf der linken Seite gegen Bonucci, der spielgestalterisch halbrechts tätig war, anstatt zentral, wie es normalerweise der Fall war. Bonucci beging dann einen Fehler und verlor den Ball, was im zweiten Tor für Napoli mündete.

Napolis Spielphilosophie: Kompaktheit und Umschaltspiel

Beim ersten Treffer der Neapolitaner war es ein Einwurf fast auf Höhe des eigenen Sechzehners, der  hervorragend zu Ende gespielt wurde. Zuerst wurde der eingeworfene Ball per Kopf weitergeleitet, danach kam ein Pass und Cavani war schon alleine auf dem Weg zu Buffon, wo er im zweiten Versuch verwandelte. Dieser Treffer stand symbolisch für die große offensive Stärke der Süditaliener, nämlich das Umschalten nach vorne. Juventus schob drauf und Cavani erkannte seine Chance, startete in das Loch und erhielt einen sofort in die Tiefe gespielten vertikalen Ball.

Sämtliche raumverschiebenden Maßnahmen von Juventus wirkten sich in dem Fall negativ aus, denn die Spieler verschoben zu stark zum Ball und standen in weiterer Folge zu hoch – der Einwurf wurde schlichtweg in seiner Gefährlichkeit unterschätzt. Die Idee war natürlich, Napoli sofort den Ballbesitz zu nehmen und selbst wieder am Drücker zu sein. Es war in dieser Partie ein perfektes Beispiel für das Aufeinandertreffen zweier Philosophien.

Juventus hatte viel mehr vom Ball, aber Napoli spielte beinahe ein Catenaccio mit extremer Tiefe und Kompaktheit. Oft war zu sehen, dass elf Mann bei den Blauen in der eigenen Hälfte und hinter dem Ball positioniert waren. Dadurch konnte Juventus lange Zeit nur den Ball zirkulieren lassen, ohne wirkliche Lücken nach vorne zu finden. Bei Asamoahs Ausgleichtreffer war es ein langer Seitenwechsel, der die Kompaktheit des Underdogs aushebelte: aber hätte Asamoah nicht sofort ausgezogen, hätte das schnelle Verschieben Napolis wohl eine weitere Aktion im Keim erstickt oder zumindest Asamoah unter Bedrängnis gebracht.

Napolis Besonderheiten: Mannorientierung und flexibles Kettenspiel

Ein wichtiger Punkt bei Napoli war auch, wie aktiv sich ihre Defensivspieler selbst in Nähe des eigenen Tores zeigten. Immer wieder rückte einer aus der gependelten Kette heraus, die gelegentlich aus vier oder gar fünf Mann bestand, um einen Gegner zu stellen. Eine klassische Manndeckung gab es nicht. In der Zone, in welcher sich das Kollektiv befinden sollte, wurde eine mannorientierte Raumdeckung praktiziert. War nur ein Mann in dem zuständigen Raum und der ging in die Tiefe, wurde er attackiert.

Kein Bild der Seltenheit: Napolis extreme Kompaktheit. Sie öffnet Räume hinter der gegnerischen Abwehr, die nach Ballgewinn möglichst schnell attackiert werden sollen

Das Ziel war es, dass sich Spieler wie Giovinco nicht drehen konnten. Zwar resultierte dies selten in einem Ballgewinn, aber die Juventus-Akteure waren in ihrer offensiven Effektivität stark eingeschnitten. Sie konnten weder Fahrt aufnehmen noch strategische Aktionen planen oder Lochpässe in die (kaum vorhandenen) Räume spielen. Wichtig war natürlich das Timing beim Herausgehen – zu spät bedeutete, dass sich der gegnerische Spieler um einen drehen konnte; zu früh, dass die hinter einem entstehenden Räume bespielt werden konnten. Meistens gab es dafür jedoch nur einen sehr geringen Augenblick, denn die verbliebene Kette schob zu und kleisterte mit Körpern den Raum zu.

Letztendlich entstand daraus eine Patt-Stellung: Napoli stand tief, hatte kaum Zugriff auf die Räume nach vorne und kontrollierte weder Raum noch Ball; allerdings konnte sich Juve nur bis zum letzten Drittel vorspielen, setzte sich aber im Umkreis dieser Zone fest und es mangelte an zündenden Ideen für Aktionen in den Strafraum. Erst nachdem die Anzahl an gegnerischen Spielern abnahm, wurde Juventus auch im letzten Drittel so stark.

Fazit

Ohne individuelle Fehler in der Defensive und mit mehr Kreativität im letzten Spielfelddrittel wäre das Spiel wohl nicht so spannend geworden. Allerdings tat sich das überlegene Juventus nicht nur mit der gegnerischen Taktik und taktischen Disziplin schwer, sondern dem körperlich robusten Einsteigen und der Aggressivität, die Napoli an den Tag legte. Diese sollte sich im Spielverlauf jedoch rächen, als Zuniga die rote Karte sah und Pandev wegen einer (nicht-taktischen) Undiszipliniertheit die rote Karte erhielt. Gegen neun Mann in der Verlängerung war es dann nur eine Frage der Zeit, bis Juventus den erlösenden Treffer erzielte – derer waren es am Ende gar zwei.

ode 12. August 2012 um 09:43

Hi,

vielen Dank für den lesenswerten Artikel. In den letzten Jahren hatte man ja durchaus den Eindruck, als hätte die italienische Liga etwas an Klasse verloren. Seitdem dort auf modernem Niveau alte Abwehrsysteme gespielt werden und man erkennen kann, wie stark italienische Mannschaften immer noch im taktischen Bereich sind, geht da wieder einiges. Napoli hat sich durchaus international positionieren können.

Bei einigen Artikeln zu Spielen fehlt mir etwas die Übersicht über den Spielverlauf. Bei solchen Artikeln, wenn ich die Spiele auch nicht gesehen habe, würde ich mir durchaus wünschen die wichtigsten Statistiken am Anfang des Artikels sehen zu können. Tore wann, Tore wer? Karten? Auswechslungen, gehaltene Elfmeter, halt so Zeuch. Was halt für den Spielverlauf und die taktischen Änderungen im Spiel wichtig sein könnte…

ode.

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Magic_Mo 12. August 2012 um 15:14

Halte ich für eine gute Idee… ein kleines Spielverlaufspanel wäre wirklich sehr nett. Viele Leser hier haben die Spiele nicht gesehen (oder nicht einmal gewusst dass sie ausgetragen werden^^), viele lesen auch eher aus taktiktheoretischem Interesse… Eine ganz kurze Übersicht über die Spielereignisse würde mM das Verständnis für die Zusammenhänge fördern.

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geco87 13. August 2012 um 00:49

Nichts für ungut, aber die Seite hier ist doch zum Glück nicht auf Spielereignisse ausgerichtet, sondern auf taktische Aspekte. Ich vermute mal, ihr werdet kein Problem damit haben, mal eben die Seite der Gazzetta dello Sport o.ä. zu öffnen und da die Spielereignisse zu konsultieren 😉

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ode 16. August 2012 um 01:24

Klar… Das ist kein Problem… Aber warum nicht ganzheitlich arbeiten? Ich mein, dass man auch als Autor eines Textes daran interessiert ist, dass die Leser dem Ganzen bestmöglich folgen können. Und warum soll man, wenn man schon auf solche Ereignisse im Text eingeht und sie offenbar für relevant hält, diese nicht kurz zusammengefasst für die Leser bereitstellen? Das macht die Seite hier nicht gleich zur SportBild…

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