Lazio – AC Milan 2:0

Zum Glück wurde diese absolute Spitzenpartie in Rom ausgetragen und konnte stattfinden – denn in Norditalien waren drei andere Spiele abgesagt worden, während Inter im San Siro auf vereistem Geläuf samt heftigem Schneefall auflaufen musste.

Grundformationen

Milan trat im Olympiastadion mit dem typischen 4-3-1-2 an. Nach dem Sieg über Cagliari kehrte Thiago Silva wieder für Mexes in die Innenverteidigung zurück und Ambrosini und El-Sharawy kamen für Emanuelson und Seedorf in die Mannschaft. Wie gewohnt spielte damit Mark van Bommel von Beginn an, während auf links wieder der junge Mesbah agierte und Robinho eine etwas unorthodoxe Zehner-Rolle ausfüllte.

Lazio musste dann doch auf Miroslav Klose verzichten, der sich am Wochenende am Oberschenkel verletzt hatte und zunächst hätte auflaufen sollen, was man sich dann aber noch einmal anders überlegte. Dies war die einzige Änderung bei den Römern, welche für den Nationalspieler von Beginn an Matuzalem brachten und auf ein 4-2-3-1 umstellten.

Damit reagierte Trainer Edy Reja auf die Pokal-Niederlage vor einer Woche gegen denselben Gegner. Das 4-2-3-1 wurde bewusst recht defensiv ausgelegt, um sicher zu stehen und die Klasse von Milan durch gute Raum- und Mannaufteilung  ersticken zu können. Die Rossonieri dominierten mit letztlich 63 % Ballbesitz das Geschehen und verlagerten das Spiel teilweise komplett in die gegnerische Hälfte, konnten gegen die tiefstehenden und kompakten Römer aber kaum zu guten Tormöglichkeiten kommen, welche Lazio über Konter zu kreieren versuchte.

Lazios Defensivorganisation

Am Anfang hatte man noch einige Zuordnungsschwierigkeiten und Probleme bei Rochaden oder Positionsverschiebungen seitens Milan. So ließ sich Ibrahimovic fallen, während Nocerino aufrückte, und die drei Offensivspieler waren keinesfalls klar als 1-2-Offensive erkennbar, sondern versuchten auch gerne auf dem Flügel wie im Zentrum zu überladen (später schien es teilweise auch ein 4-3-3 zu sein). Auch mit den weit aufrückenden Außenverteidigern der Gäste kam man zu Beginn nicht ganz klar, wenn Alvaro und Lulic von den Mittelfeldspielern nach innen gezogen wurden und die Außenverteidiger Konko und Radu nicht so früh aus der Kette „ausbrechen“ wollten.

Nach einigen Minuten – und einer guten Chance für Milan (Nocerino, 6.) – fand der Gastgeber aber immer besser ins Spiel, stand sicherer und ließ trotz der gegnerischen Spielkontrolle kaum noch etwas zu. Hernanes deckte konsequent Mark van Bommel ab und ließ ihm kaum Zeit am Ball bzw. Zeit für einen geregelten vertikalen Aufbau, was den Rhythmus der oftmals eher träge wirkenden Mannschaft  störte.

Generell orientierten sich die äußeren Mittelfeldspieler an den Halbspielern der Milan-Raute, doch rückten deren Außenverteidiger auf, übernahmen Alvaro und Lulic diese, während die zentralen Mittelfeldspieler auf ihre Pendants aufpassten – Hernanes rückte dafür zurück, während Rocchi sich zu van Bommel fallen ließ. Je nach Situation wurden diese Prozesse des Reichens von Gegenspielern auch verändert und modifiziert, so dass beispielsweise Matuzalem bei einem Rückstoß Ibrahimovic´ diesen abdeckte und die Außenverteidiger dafür einen Spieler übernahmen, oder Alvaro und Konko zwischen der Verantwortlichkeit für Nocerino und Mesbah tauschten.

Auf diese Weise hatte man immer Spieler zur Sicherheit in der Tiefe, hielt größtenteils die eigene Defensiv-Ordnung und betraute jeden Gegner auch noch mit einem mehr oder weniger direkten Gegenspieler. Zugegebenermaßen war dies keine offenbarende oder revolutionäre Taktik – das Besondere war vielmehr, wie präzise, fehlerlos und konzentriert die Milan-Spieler innerhalb der Raumdeckung  übergeben wurden. Nach der Nocerino-Chance gab es im ersten Durchgang nur noch zwei weitere Abschlüsse von Milan – eine gute Möglichkeit für El-Sharawy, als man beim Umschalten einmal etwas Platz hatte, und ein geblockter Ibrahimovic-Freistoß aus etwa 40 Metern.

Milan und das Aufrücken

Bereits oftmals wurden an dieser Stelle in den Berichten zum Titelverteidiger die mangelnde Dynamik und das fehlende kombinierende Zusammenspiel der Mannschaft angemerkt. Gerade letzterer Punkt hängt auch wesentlich mit einem weiteren Problem zusammen, das auch Lazio schon das ein oder andere Mal ärgerte – zu geringes Aufrücken der Mannschaft.

Durch die Tatsache, dass Ambrosini sich hauptsächlich neben van Bommel breit machte und auch Nocerino oftmals in diesem Bereich helfen wollte, fehlte vorne die Präsenz. Die drei Offensivspieler, aufrückende Außenverteidiger und die gelegentlichen Ausflüge Nocerinos waren trotz der hohen schematischen Teamstellung und der asymmetrischen Ausrichtung nicht genug.

Zu den besten Chancen kam Milan, als die angesprochenen Punkte verbessert wurden. Ausgangspunkt der beiden großen Chancen des ersten Durchgangs waren jeweils die Außenverteidiger, die den Ball dann in die Mitte legten, wo sich Ibrahimovic hatte fallen lassen, damit den Raum öffnete und als Initiator und Spielmacher fungieren konnte – zunächst war es ein vertikaler Lauf Nocerinos, dann ein Doppelpass mit El-Sharawy sowie das vorherige Überladen mit Nocerino und Robinho. Dieser Robinho war auch an der besten Milan-Chance bis zum 1:0 für Lazio beteiligt, welche genau dem gleichen Muster folgte.

In der zweiten Halbzeit wurde dieses Aufrücken der Mittelfeldspieler zunächst deutlich klarer, was sich in einer guten Chance für Ambrosini (48.) zeigte, doch Milan verfiel mehr und mehr in den alten Trott anstatt über längere Distanzen konstanten Druck gegen die gut stehende Defensive aufbauen zu können.

Dominanz der linken Seiten und Lazios spielentscheidender Vorteil

Mit der tief und konservativ interpretierten Rolle Ambrosinis büßte Milan aber  nicht nur Power im letzten Drittel ein, sondern sorgte auch für ein Ungleichgewicht der Seiten. So verwaiste die rechte Flanke durch sein Einrücken sehr stark, was allerdings auch durch die Kollegen bedingt war, denn besonders Robinho und El-Sharawy tendierten immer wieder in diesen Bereich (24 % der Angriffe über rechts, dafür 39 % über links.

Weil allerdings das kombinierende Element nur selten aufblitzte, wurde man dadurch ausrechenbar und schnürte sich auch zu einem gewissen Grad selbst ein. Hinzu kam, dass Edy Reja auf diesen Umstand reagierte, indem er den polyvalenten Alvaro sehr tief spielen ließ, um für zusätzliche Defensivstärke auf dieser Seite und eine feste Absicherung für die oftmals zügellosen Ausflüge Konkos zu sorgen.

Der eigentliche Vorteil dieser Unterstützungsaufgabe Alvaros war aber, dass man den offensiven Außenverteidiger Mesbah vom Zentrum isolieren konnte und das Spiel damit auf die Außen abdrängte – Mesbah konnte sich oftmals nur mit einer nicht sehr effektiven Flanke in den 16er helfen, vor allem, weil Ibrahimovic als einziger potentieller Abnehmer sich oftmals tiefer anbot.

Bedingt durch die Ungleichheit bei Milan entwickelte sich auch bei Lazio eine solche (28 % der Angriffe über links, 43 % über rechts), denn logischerweise war man auf rechts gerade in Person von Alvaro defensiver ausgerichtet, während auf links weniger Defensivarbeit zu tun war und man die  verwaisten Räume im Halbfeld hervorragend für Konter nutzen konnte. Lulic startete einige seiner typischen Solo-Läufe, blieb aber meistens ineffektiv, und so war Matuzalem neben den Distanzschüssen von Hernanes lange die größte Gefahr Lazios. Auch er hatte viel Raum vor sich und wurde von keinem Gegenspieler wirklich direkt beachtet und verfolgt – seine Chance in der 13. Minute war bis zum Treffer die Beste für Lazio.

Meistens wurde der Spielzug von Hernanes auf Außen gestartet und zog dann zur Mitte hin, doch oftmals war man nur zu zweit (Hernanes und Alvaro/Lulic) und konnte sich nur besagte Distanzschüsse erarbeiten, da es – ein bisschen wie bei Manchester United am Wochenende – zu durchsichtig und zu wenig kollektiv war. Als sich aber – bei gleichbleibendem Prinzip – ein dritter Spieler direkt einschaltete, fielen sofort die Tore: Zunächst war es Rocchi, der per Hacke für Hernanes vorbereitete, dann Matuzalem, der Lulic freispielte.

Fazit

In einem eher zähen Spiel, durchaus typisch für die Serie A, schien alles auf ein 0:0 herauszulaufen, doch dann brachte einige Modifikation den Sieg für Lazio durch zwei schnelle und sehr schöne Spielzüge. Trotz der Überlegenheit Milans war der Sieg verdient, denn die Ungleichheit der Flanken war zu gravierend bei den Gästen – er schwächte sie selbst und stärkte den Gegner.

Mit zwei Siegen in Folge ist Lazio somit wieder im Rennen um gute Plätze und hat sich Rang vier von Inter zurückerobert. Milan dagegen liegt mit einem Spiel mehr einen Punkt hinter Juventus zurück und muss feststellen, dass ihnen gerade in den Topspielen die mannschaftstaktischen Mittel fehlen, um zum Erfolg zu kommen. Schwache Gegner werden vom Ballbesitz und der Klasse Ibrahimovic´ und Co. erdrückt, doch gegen die besten Teams funktioniert dies nicht – man ist noch ohne Sieg gegen ein Team der Top-Fünf, noch ohne Niederlage gegen alle anderen Mannschaften.


lefthog 3. Februar 2012 um 20:17

In Zukunft kann man für Lazio hoffen, dass Reja auf das 4-2-3-1 . Dieses System würde besser zu Klose und Hernanes passen. Außerdem ist Lulic sehr dynamisch über links.
Mit der Raute stehen die Laziali sonst für zu eng und die Außenverteidiger machen nicht genug dampf um dieses System zu rechtfertigen.

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