Taktisch interessantes Spitzenspiel ohne Sieger

1:1

Nach einer sehenswerten Partie trennten sich Deutschland und Chile leistungsgerecht mit einem Unentschieden. Die vorangegangenen neunzig Minuten zeichneten sich dabei durch eine taktisch vielversprechende Grundkonstellation aus.Am zweiten Gruppenspieltag trafen mit Chile und Deutschland die beiden favorisierten Mannschaften der Gruppe B aufeinander. Sowohl die Löw-Elf als auch Pizzis Mannschaft waren zuvor jeweils mit einem Sieg in das Turnier gestartet. In dieser Partie sollte allerdings keiner der beiden Mannschaften der vorzeitige Einzug in die K.O.-Phase gelingen. Zu Beginn der Analyse die wichtigsten Punkte im Überblick:

  • Deutschland verteidigte Chile passiv und auf Kompaktheit bedacht, wohingegen Chile Deutschland über weite Strecken früh unter Druck zu setzen versuchte und insgesamt deutlich mannorientierter agierte.
  • Während der ersten Halbzeit führte das Fehlen konstant vorhandener Verbindungen im Übergangsspiel nach vorne bei beiden Mannschaften zu langen Ballbesitzphasen im Aufbau.
  • Erst in der zweiten Halbzeit führten einige kleinere taktische Anpassungen bei der deutschen Nationalmannschaft in Verbindung mit einer verringerten Intensität Chiles im Pressing dazu, dass Deutschland das Spiel unter Kontrolle bekam.

Deutschland mit Ball: Kombinativer Fokus in leicht asymmetrischer 5-4-1- / 3-4-2-1-Grundordnung.

Aufstellungen und Offensivmuster zu Spielbeginn.

Aufstellungen und Offensivmuster zu Spielbeginn.

Im Spiel mit Ball nutzte die deutsche Nationalmannschaft im Wesentlichen eine 3-4-2-1-Grundordnung. Im Hinblick auf die Rollen der einzelnen Spieler wies diese Grundordnung aber leichte Asymmetrien auf. Mit Draxler und Goretzka gab es zwei eingerückt agierende offensive Flügelspieler/Zehner. Dabei spielte Draxler deutlich tiefer als Goretzka und wirkte insgesamt spielmachender bzw. suchte häufig Situationen, in denen er ins Dribbling gehen konnte. Goretzka hingegen rückte schnell nach vorne auf, um die letzte Linie zu belegen bzw. Läufe in die Tiefe anzubieten. Auf diese unterschiedlichen Rollen der beiden Halbspieler waren auch die Rollen der restlichen Akteure abgestimmt. Auf der linken Außenbahn agierte Hector bereits von der Grundposition deutlich höher als der häufig aus der Tiefe nachstoßende Kimmich, der insgesamt auch kombinativer eingebunden wurde. In die durch Kimmich und Hector geöffneten Räume rückten Ginter und Süle teilweise weit vor, um das Offensivspiel von dort aus zu unterstützen. Während Draxler auf der linken Seite dafür zuständig war für Breite im Spiel zu sorgen, wenn Hector noch nicht aufgerückt war, kam diese Aufgabe auf der rechten Seite dem grundsätzlich nach rechts tendierenden Stindl für den Fall zu, dass Kimmich sich in tieferen Räumen bewegte.

Aus dem tiefen Aufbau, den man geduldig auszuspielen versuchte und in den man in der Regel die Spieler der Dreierkette, den ballnahen Außenbahnspieler, einen Sechser und Torwart ter Stegen einband, wollten die Deutschen kontrolliert nach vorne aufrücken. Generell nutzte man dabei längere Phasen der Ballzirkulation, um das Spiel anschließend über Rudy und Can oder die beiden Außenbahnspieler nach vorne zu tragen. Im Anspiel an das Übergangsspiel suchte man dann häufig den Weg zur Grundlinie, um über Flanken oder Zuspiele in den Rückraum zu Torchancen zu kommen.

Chile gegen den Ball: Passende Dynamiken und viele direkte Zuordnungen im Pressing.

Auffällig am Spiel Chiles waren die leicht veränderte Grundordnung im Vergleich zum Spiel mit Ball sowie die vielen direkten Zuordnungen, die die Mannschaft gegen den Ball herzustellen versuchte. Gerade im Angriffspressing, das die chilenische Nationalmannschaft über weite Strecken aufrecht zu halten versuchte, zeigte sich deren positiver Effekt.

Um einen möglichst hohen Grad an Mannorientierungen herstellen zu können, rückte Vidal gegen den Ball neben oder sogar vor die beiden Stürmer/Halbstürmer/Flügelspieler Vargas und Sanchez. Chile war es so möglich Süle, Mustafi und Ginter in der ersten deutschen Aufbaulinie direkt zuzustellen. Dahinter orientierten sich Hernandez und Aranguiz direkt an den beiden deutschen Sechsern. Dabei beschränkte sich Chile in der ersten Phase des Pressings dabei lediglich darauf, Zuordnungen zu den jeweiligen Gegenspielern herzustellen. Nachdem man das erste Zuspiel der Deutschen im Aufbau zugelassen hatte, konnte der jeweilige Akteur dann in der zweiten Phase mit dem Zuspiel auf seinen Gegenspieler herausrücken und diesen unter Druck setzen, während der Rest der Mannschaft ballseitig nachschob.

Insgesamt gelang es Chile auf diese Art und Weise den deutschen Aufbau früh zu stören und die Anbindung des Gegners aus dem Aufbau über das Zentrum nach vorne aufgrund der starken eigenen vertikalen Streckung zu unterbinden. Gerade die beiden Halbverteidiger hatten kaum einmal Möglichkeiten vertikale Zuspiele auf Goretzka oder Draxler sowie Stindl anzubringen.

In dieser Szene erkennt man die starke vertikale Staffelung in Chiles Pressing sowie die starke Präsenz im Zentrum kombiniert mit vielen direkten Zuordnungen. Mit dem Zuspiel von Mustafi auf ter Stegen geht Vidal dazu über ter Stegen direkt anzulaufen und das Spiel weg von seinem Gegenspieler zu lenken.

In dieser Szene erkennt man die starke vertikale Staffelung in Chiles Pressing sowie die starke Präsenz im Zentrum kombiniert mit vielen direkten Zuordnungen. Mit dem Zuspiel von Mustafi auf ter Stegen geht Vidal dazu über ter Stegen direkt anzulaufen und das Spiel weg von seinem Gegenspieler zu lenken.

Im Hinblick auf die Konsequenz der chilenischen Mannorientiertheit bemerkenswert: Rückte Stindl weit in den rechten Halbraum oder ließ sich zurückfallen, wurde er von Jara teilweise extrem weit verfolgt. Entstehende Lücken in der letzten Linie füllte dann Diaz auf.

Chile mit Ball: Tiefer Aufbau und Durchbrüche über die Flügel aus interessanter 4-3-3- / 4-3-1-2-Grundordnung heraus.

Chile nutzte in dieser Partie grundsätzlich eine 4-3-3-Grundordnung. Das zentrale Merkmal dabei: Die Rolle von Bayern-Spieler Vidal, der zwar als zentraler Stürmer auflief seine Rolle allerdings sehr vertikal interpretierte. Im Aufbau fiel er nach hinten und sollte in der Regel dabei helfen die Anbindung nach vorne herzustellen, holte sich den Ball aber auch teilweise von den Innenverteidigern, bevor er wieder nach vorne aufrückte.

Gegen die Deutschen agierte Chile im Aufbauspiel in erster Linie auf Stabilität bedacht. Die beiden Außenverteidiger agierten zunächst tiefer und Bindung zur restlichen Kette haltend. Unterstützt wurde der Aufbau zumindest vom alleinigen Sechser Diaz, der hin und wieder auch zwischen die beiden Innenverteidiger abkippte und einem bzw. teilweise beiden Achtern oder dem zurückfallenden Vidal. Dabei war das Bewegungsspiel von Hernandez eher vertikal ausgerichtet, Aranguiz rückte viel auf den rechten Flügel. Während Sanchez grundsätzlich erst einmal breit agierte und die Linie besetzte (teilweise tauschte er im Aufbau auch Positionen mit Beausejour, der dann nach vorne rückte und eine Position im Halbraum einnahm), rückte Vargas früher ein, um eine tiefe Anspielstation im rechten Halbraum zu bieten.

Im Laufe des Übergangsspiels bzw. später im Angriffsspiel waren die vielen nachstoßenden und aufrückenden Läufe der beiden chilenischen Außenverteidiger besonders auffällig. Isla und Beausejour unterstützten mit ihrem dynamischen Aufrücken Sanchez und Vargas, die so einfacher in die Mitte rücken oder Dribblings ansetzen konnten. Oftmals waren es die Außenverteidiger, über die die Chilenen versuchten am Flügel durchzubrechen.

Deutschland gegen den Ball: Passives Mittelfeldpressing über weite Strecken der Partie.

Den Großteil der Spieldauer beschränkten sich die Deutschen im Spiel gegen den Ball auf ein passives Mittelfeldpressing aus einer 5-4-1-Formation heraus. Stindl lief als alleiniger Stürmer die beiden chilenischen Innenverteidiger nicht aktiv an, sondern beschränkte sich auf ein bloßes Versperren des gegnerischen Sechserraums. Die Mittelfeldreihe dahinter orientierte sich horizontal kompakt und agierte deutlich enger als die Fünferkette dahinter.

Beispielhafte Defensivstaffelung im Mittelfeldpressing der Deutschen.

Beispielhafte Defensivstaffelung im Mittelfeldpressing der Deutschen.

Durch die Kompaktheit im Zentrum und die generell passive Spielweise steuerten die Deutschen Chile in Richtung der Halbräume und der Außen. Dort lenkten Draxler und Goretzka das Spiel nicht wieder in die Mitte zurück (z.B. auf einen der eigenen Sechser), sondern weiter zur Seitenauslinie, wo man versuchte die Chilenen zu isolieren und anschließend zu Ballgewinnen zu kommen oder den Gegner nach zuspielen in die eigene Formation presste.

In dieser Szene versucht Chile vertikal aus dem hohen Aufbau zwischen die Linien zu kommen. Aufgrund der hohen Zentrumskompaktheit der Deutschen bekommt der angespielte Hernandez aber schnell Druck. Mit Draxler, Rudy, Stindl sowie dem herausgerückten Ginter hat Deutschland eine starke Überzahl in Ballnähe.

In dieser Szene versucht Chile vertikal aus dem hohen Aufbau zwischen die Linien zu kommen. Aufgrund der hohen Zentrumskompaktheit der Deutschen bekommt der angespielte Hernandez aber schnell Druck. Mit Draxler, Rudy, Stindl sowie dem herausgerückten Ginter hat Deutschland eine starke Überzahl in Ballnähe.

Spielverlauf: Starker Beginn von Chile, Deutschland verbessert sich im Laufe der Partie.

Bereits in der sechsten Minute geriet die deutsche Nationalmannschaft durch ein Tor von Sanchez in Rückstand. Dabei setzte Chile den deutschen Aufbau wie oben beschrieben früh unter Druck und konnte nach einem abgefangenen Vertikalball durch das Zentrum von Mustafi einen hohen Ballgewinn erzielen, aus dem anschließend der Treffer fiel.

In der Folge entwickelte sich ein Spiel, das Chile durch die aggressive Arbeit gegen den Ball und den Stabilitätsfokus im Aufbau zu kontrollieren versuchte. Weil Chile fast nie über den ersten Vertikalball den Weg zwischen die Linien fand, bereiteten die Südamerikaner ihre Angriffe teilweise sehr lange vor. Und auch die Deutschen kamen zu langen Ballbesitzphasen im Aufbau: Trotz des teilweise hohen Drucks versuchte man flach nach vorne zu kommen, hatte dabei aber Probleme effektive Mittel gegen Chiles Spiel in der Defensive zu finden. Auffällig: Gerade in der ersten Halbzeit fand die deutsche Nationalmannschaft keine wirkliche Antwort auf die strategische Unterlegenheit, in der sie sich in den Phasen des Aufbauspiels befand. Trotzdem kam man im Laufe des Spiels immer besser in die Partie, was allerdings auch daran lag, das die Chilenen die Intensität im Pressing reduzierten. Kurz vor der Pause sollte schließlich der Ausgleich für Deutschland durch Stindl fallen.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit nahm Löw dann ein paar kleinere taktische Veränderungen vor, die der deutschen Mannschaft gut taten: Um die Mannorientierungen der Chilenen aufzulösen bzw. deren Aufrechterhaltung zu erschweren, nutzte man nach der Pause Überladungen der rechten Seite. Draxler rückte häufig zur Mitte ein und Stindl ließ sich im Aufbauspiel bewusst nach hinten in den rechten Halbraum fallen, um im Zwischenlinienraum anspielbar zu sein, während Goretzka gegengleich agierte und so Jara blockte. Deutschland schaffte es auf diese Weise auch Ginter im Aufbau besser einzubeziehen und Chile jetzt konsequenter nach hinten zu drängen. Im Angriffsspiel fehlte es allerdings an gut abgestimmten Bewegungsmustern, sodass viele Flanken die Folge waren. Im Laufe der Partie gab es dann noch einige kleinere Anpassungen, die allerdings keine besonderen Auswirkungen mehr hatten.

Fazit

Schlussendlich zog die Partie ihren taktischen Reiz aus der flexiblen und intensiven Spielweise der Chilenen, die sich gut an Deutschland anpassten sowie der Tatsache, dass Deutschland selbst mit einer grundsätzlich sehr interessanten Grundordnung auflief. Leistungsmäßig dürfte das Unentschieden wohl insgesamt in Ordnung gehen.

Mi-KhaEl- 30. Juni 2017 um 07:29

Lieber @RT: Ich habe mal eine allgemeinere Frage zu Can beim Confed Cup. Nachdem er mir beim ersten Auftritt negativ aufgefallen ist, wollte ich mal nachfragen, ob ich völlig amateurhaft falsch liege.
Meine Beobachtungen waren:
– wirkte häufiger wie ein Fremdkörper, der sich gestisch zeigen muss
– teilweise fasrige Pässe oder Pässe ohne Raumgewinn (einige wenige gute)
– merkwürdiges Stellungsspiel, das weder Passwege noch Gegner zustellt
– wenig Lust in der Arbeit nach hinten (oder lange Saison in den Knochen)

Der gute Herr Can wird ja sicher nicht umsonst bei Liverpool ein gutes Standing haben. Aber deine ConfedCup-Bewertung würde mich sehr interessieren.

Antworten

RT 2. Juli 2017 um 11:57

Du beziehst dich auf Chile? Ich hab jetzt nochmal ein bisschen in die erste Halbzeit reingeschaut und fand ihn eig. sehr solide. Ich muss sagen ich finde Can insgesamt, was individuelle Qualitäten in allen Bereichen angeht, schon ziemlich gut. Man feiert ja eher mal so Hipster-Typen, als Spieler wie Can oder Ginter. Aber insgesamt sind das schon Maschinen, wie ich finde. Zu deinen Eindrücken: Can und Rudy hatten ja in vielen Phasen direkte Gegenspieler und haben außerdem aus einem Raum gespielt, den Chile stark verdichtet hat. In diesem Kontext finde ich es nicht schlimm, dass er den Ball oft mal aktiv fordern musste (weil er direkten Gegnerdruck hatte), sondern eher schon positiv. Pässe waren teilweise tatsächlich bisschen unsauber, dass er wenig Raumgewinn hatte, lag auch am Gegner und der Tatsache, dass Deutschland ja eher versucht hat über die Halbverteidiger aufzurücken. Rudy und Can kam dann eher die Aufgabe zu, als Verlagerungsoption und Durchspielstation zu dienen. Arbeit nach hinten: Fand ich eigentlich auch nicht unbedingt. Hat halt stark im Raum verteidigt. Wirkt vllt. tatsächlich wenig „lustvoll“. Also tut mir Leid, dass ich deine Eindrücke nicht unbedingt bestätigen kann. Als kleiner Trost: Ich schau kaum Liverpool und Deutschland eigentlich auch wenig – von daher ist meine Antwort sicher auch mit Vorsicht zu genießen. 😉

Antworten

Daniel 2. Juli 2017 um 12:45

Can und Ginter find ich insofern vergleichbar, als dass sie sehr flexibel und vielseitig sowohl in ihrem Fähigkeitenprofil als auch in ihrer Positionswahl sind. Es gibt keine Fähigkeit und keine Position, auf der ich einen der beiden in der Nähe der Weltklasse ansiedeln würde. Aber dafür sind alle relevanten Fähigkeiten auf einem soliden Niveau abgedeckt und können in unterschiedlichen Umgebungen stabil abgerufen werden (Can: beide AV-Positionen, Halbverteidiger und sämtliche Mittelfeldrollen, Ginter: AV, IV und Halbverteidiger). Außerdem neigen sie deutlich weniger zu Verletzungen als manche ihrer Konkurrenten. Insofern find ich es schon nachvollziehbar, dass Löw auf diese Spieler setzt. Wenn im WM Halbfinale aus irgendeinem Grund personell Not am Mann ist, dann kann man die beiden einfach reinschmeissen und bekommt eine stabile Leistung. Umgekehrt werden sie kaum mit einer tollen Performance das Zünglein an der Waage sein…diese Rolle ist eher Leuten wie Kroos, Gündogan, Hummels oder Boateng vorbehalten.

Antworten

tobit 25. Juni 2017 um 11:08

Hat jemand eine Idee, warum Süle als linker Halbverteidiger spielte? Bei Hoffenheim hat er immer rechts gespielt und wirkte zu Spielbeginn auch nicht so sicher, wie er sich genau verhalten sollte (besonders mit Ball). Da Ginter auf beiden Seiten der 3er-Kette spielen kann, muss es ja einen taktischen Grund gegeben haben. Wollte man Süle vllt nicht ins direkte Duell gegen Sanchez stellen?

Antworten

Daniel 25. Juni 2017 um 11:51

Hab ich mich auch gefragt. Ich hätte Süle als zentralen Verteidiger aufgeboten und Mustafi und Ginter als HV. Ein Halbverteidiger muss ja regelmäßig auf die Flügel ausweichen und dort verteidigen und dafür ist Süle nicht so der richtige Mann (auch wenn er es durch seine schiere Klasse trotzdem oft gut lösen kann). Mustafi finde ich umgekehrt als HV fast ideal aufgehoben, in der Mitte finde ich ihn zu schwach in der Endverteidigung und zu riskant im Spielaufbau (was man in diesem Spiel dann auch beides gesehen hat).

Antworten

tobit 25. Juni 2017 um 12:21

Mustafi häte ich in diesem Spiel gar nicht gebracht. Der hat einfach ein zu großes Problem mit gegnerischem Pressing, weshalb ich ihn auch nicht als Halbverteidiger sehe, sondern nur als Ausputzer (ähnlich wie Sokratis, der aber viel krasser in der Endverteidigung ist, einer der Besten weltweit) – den er wohl auch geben sollte, dazu passten dann aber oft die Bewegungen der Sechser nicht (zu hoch und zu statisch). Rüdiger ist zwar auch kein brillianter Eröffner, aber deutlich stabiler in dem Bereich als Mustafi (der dafür wesentlich beweglicher ist als die anderen).
Meine Abwehrreihe (+Sechser) hätte wahrscheinlich so ausgesehen:
__Hector____________Can_________Rudy__________Kimmich__
__________Rüdiger_________Ginter____________Süle__________
_________________________ter Stegen_________________________
Da könnte man aber jederzeit auch Süle und Ginter tauschen, je nach persönlicher Präferenz. Ich würde halt Süles Vertikalläufe ungern aufgeben, da er da der Beste im Kader ist.

Antworten

Daniel 25. Juni 2017 um 14:38

Hab Mustafi noch nicht besonders oft gesehen, hab jetzt gedacht, dass er vielleicht einfach nen schlechten Tag hatte. Falls du Recht hast und er tatsächlich prinzipiell so anfällig für Pressing ist, wie es vorgestern aussah, dann wird seine Nationalelf-Karriere wohl in absehbarer Zeit enden. Als Ausputzer in Sokratis-Manier ist er nun wirklich nicht besonders stark, da er in der Endverteidigung-wie du ja bereits richtig angemerkt hast-für einen IV nicht spektakulär gut ist. Bereits jetzt sehe ich Hummels, Boateng, Höwedes, Süle und (wenn fit) Sven Bender klar vor ihm, Ginter und Rüdiger auf Augenhöhe, mit Tah, Kempf und Kehrer sind auch in jüngeren Jahrgängen Spieler mit mindestens gleich guten Anlagen.

Da Mustafi recht beweglich ist kann ich ihn mir als Halbverteidiger schon gut vorstellen…dafür wäre aber ein stabiles Aufbauspiel von Nöten. Ob er das hat kann ich nicht recht beurteilen. Jedenfalls ist das die einzige Position, auf der ich gewisse Chancen für ihn sehe, sich in der Löw-Elf festzuspielen.

Antworten

tobit 27. Juni 2017 um 14:25

Mustafi sah gegen Chiles Agriffspressing schlecht aus – das ist einfach so gut, dass da jeder Mal Fehler machen kann. Sobald das Pressing passiver und/oder tiefer angelegt ist, wird er deutlich besser, da seine teilweise riskanten Entscheidungen dann selten Konsequenzen haben.

Endverteidigung am Strafraum ist nicht wirklich seine Stärke, aber generell ist er ein guter Verteidiger und hat einen sehr guten Instinkt für die Absicherung seiner herausrückenden Kollegen. Das kommt halt hauptsächlich bei höherer Kette zum Tragen. Er ähnelt da etwas dem Subotic aus den Dortmunder Meisterjahren – nur schneller und beweglicher (und schwächer in der Luft) – der war (zusammen mit den AV) auch Weltklasse im Zusammenziehen hinter Hummels vorpreschenden Tackles.

Antworten

Issdochegal 28. Juni 2017 um 02:38

Ich war nicht im Stadion.
Doch aus meiner begrenzten Sicht im TV sah es so aus, als hätten die Chilenen bewußt die Anspielstationen, außer Mustafi, zugestellt und diesen dann bewußt aggressiv gepresst.
Dessen mangelnde Pressingresistenz. war wohl Teil des Planes der chilenischen Mannschaft

Koko 28. Juni 2017 um 15:25

Ich finde es etwas ungerecht, dass vor allem Mustafi so stark kritisiert wird. Persönlich fand ich gerade Rudy erschreckend anfällig für konsequentes Pressing, auch schon gegen Australien.

tobit 28. Juni 2017 um 15:57

Rudy spielt beim DFB deutlich unter seinem Niveau aus Hoffenheim. Nicht nur was die Pressingresistenz angeht, sondern insbesondere seine Präsenz (bzw. Nicht-Präsenz) vor der Abwehr finde ich da sehr problematisch. Dazu bewegt er sich kaum, hält eigentlich konsequent seine (meist) zugestellte Position an der Grenze zwischen Sechser- und Achterraum und überlässt den Ballvortrag den Verteidigern, Can und den häufig zurückfallenden Offensivspielern (insbesondere Draxler, aber auch Stindl).

Koom 29. Juni 2017 um 09:36

Das kann aber auch gut was mit der anderen Umgebung zu tun haben. In Hoffenheim hat er noch einen „Ausputzer“ Vogt hinter sich, das entspannt dann schon. Generell dürfte ihm der Confed Cup aber als Vorbereitung zu den Bayern gut helfen.

tobit 29. Juni 2017 um 13:28

Klar ist die Umgebung in der Nationalmannschaft anders. Da würde ich aber eher auf seine Mittelfeldkollegen schauen als auf die „Ausputzer“ hinter ihm (So überragend sind die in Hoffenheim dann auch wieder nicht). Es macht einfach einen himmelweiten Unterschied, ob man mit Can und Goretzka oder mit Demirbay und Amiri in unmittelbarer Nähe (oder bei Goretzka eben nicht in der Nähe) spielt. Dazu kommt dann noch das häufigere Ausweichen vieler Spieler nach außen (bzw. in die Spitze), wo die Hoffenheimer noch konsequenter die Mitte besetzten (auch durch besser koordiniertes Aufrücken der Halbverteidiger).
Ich wollte zu den unterschiedlichen Umgebungen auch vorher schon was geschrieben haben, aber hab es schlicht vergessen.

Daniel 29. Juni 2017 um 22:11

Ich mag Amiri und Demirbay auch, aber da jetzt einen himmelweiten Unterschied zu Can und Goretzka zu sehen wird denen nun wirklich nicht gerecht. Zumal Löw ja die Möglichkeit hätte, Amiri und Demirbay aufzustellen…sind schließlich beides Deutsche.

tobit 30. Juni 2017 um 07:39

Ich finde schon, dass es sehr verschiedene Spielertypen sind. Can fehlen die Ballkontrolle und Übersicht von Amiri (dafür ist er physisch und läuferisch sehr gut). Goretzka und Demirbay unterscheiden sich schon subtiler – ich finde Demirbay bewegt sich passender, da er öfter die Mittelfeldräume hält anstatt sie zu verlassen. Die beiden Hoffenheimer sehe ich auch stärker in sehr engen Räumen und im Dribbling.
Insgesamt würde ich Can und Goretzka beide als Box-to-Box-Achter (Can eher aus der Tiefe und Goretzka eher früh vorstoßend) beschreiben, während Amiri (10er/Nadelspieler) und Demirbay (tlw Box-to-Box, tlw Aufbau-Achter) da deutlich weniger extrem agieren.

Daniel 30. Juni 2017 um 08:48

Verschiedene Spielertypen definitiv. Ich hatte deinen obigen Kommentar allerdings mehr als ein qualitatives Urteil verstanden (die Hoffenheimer sind besser). Wenn dem nicht so war geb ich dir Recht.

tobit 30. Juni 2017 um 14:39

Besser als Can finde ich Demirbay und Amiri schon, da sie insgesamt kompletter sind. Goretzka gefällt mir als Mittelfeldspieler einfach nicht, ist aber aktuell einen Schritt weiter als die anderen drei.
Ich finde, er ist sehr schwer wirklich gut einzubinden. Er fordert viele Bälle, verteilt die aber ziemlich unstrategisch und gerne Mal unsauber und/oder zu attackierend. Sein Bewegungsspiel ist ebenso vertikal und sehr stark auf die letzte Linie und die Wege hinter diese fokussiert (wo er dann ziemlich durchschlagskräftig und vielfältig agiert). Das kann mit einem stark ausweichenden Kombinationsstürmer wie Stindl sehr gut passen, reißt aber auch immer Lücken in den Verbindungsräumen. Bei der Nationalmannschaft finde ich das aktuell besonders problematisch, da die Mittelfeldräume ohnehin nur unkonstant bespielt werden (da wird Potential verschenkt).

Koom 30. Juni 2017 um 15:26

@tobit: Klingt fast nach einer Beschreibung von Michael Ballack.

tobit 1. Juli 2017 um 13:59

Ja er hat einiges von Ballack, gerade in tieferen Zonen. In höheren Zonen passt der Vergleich eher weniger, da Goretzka viel öfter selbst hinter die Abwehr geschickt wird (wie z.B. beim 2:0 gegen Mexico) als Ballack, der (Physis- und Zeitgeistbedingt) viel mehr als Flankenabnehmer im Strafraum oder Distanzschütze aus dem Rückraum agierte.

tobit 29. Juni 2017 um 13:58

Gestern gab es bei den Portugiesen auch so einige Probleme mit Chiles Angriffspressing. Das ist also nicht allein ein Problem Mustafis, sondern beruht ganz klar auf der Qualität der Chilenen in diesem Bereich. Für Mustafi war das ganze noch unangenehmer, da es eine noch leichtere direkte Zuordnung Vargas-Süle, Vidal-Mustafi und Sanchez-Ginter gab, als bei der portugiesischen 4er-Kette (die aber auch nur selten versuchte konstruktiv aufzubauen).

Sowohl die Deutschen, als auch die Portugiesen hatten ihre erfolgreichsten Angriffe gegen Chile nach tieferen Anspielen auf die AV mit anschließender Kombination in den gegenüberliegenden Halbraum.
Das hat für mich zwei Gründe:
1. Die Chilenen neigen mit ihrem engen 433 bzw. der Raute (je nach Positionierung Vidals) zu einer zu kompakten Spielweise im Mittelfeld, bei der beide Halbspieler weit auf die Ballseite schieben und der ballferne Halbraum nur durch das potentielle Herausrücken des AV gesichert bleibt. Dieses Loch kann man relativ „leicht“ durch tiefe Ballzirkulation mit Fokus auf eine Seite erzeugen – es muss dann nur noch angespielt werden können. Gerade der rechte Halbraum steht bei Chile oft weit offen, da Vargas sich eher höher und zentraler orientiert als Sanchez, der sich ballfern oft etwas nach außen fallen lässt und dabei Anbindung ans Mittelfeld sucht. Diese Asymmetrie liegt auch in den Spielweisen der Mittelfeldspieler begründet. Vidal tendiert etwas nach rechts und Hernandez agiert auch gegen den Ball vertikaler als Aranguiz, was dann auch mal zu situativen 424-Staffelungen mit Sanchez (LA), Hernandez (ST), Vidal (ST/RA) und Vargas (RA/ST) vor Aranguiz und Diaz führte.
2. Die Aussenverteidiger werden bei tiefer Position von Vargas und Sanchez in den Deckungsschatten genommen, bei weitem Aufrücken werden sie durch herausrückende Läufe von Isla und Beausejour übernommen. Es gibt also einen kleinen Bereich (räumlich und zeitlich ein sehr kleines Fenster), in dem sie frei sind und nach einem Anspiel ohne direkten Mann im Rücken aufdrehen können. Aus dieser Bewegung haben sie ein quasi perfektes Blickfeld in den offenen ballfernen Halbraum. Besonders Kimmich war für diese Rolle perfekt, da er auch unter Druck sehr kombinationsstabil ist und mit Can und Draxler der linke Halbraum sehr oft besetzt wurde (wie beim 1:1 parademäßig gezeigt). Auch Guerreiro wäre dafür sehr gut gewesen – und hat sehr ähnlich auch beim BVB (ich meine gegen Leipzig) schon agiert – da er in diesen Momenten zusätzlich noch eine sehr hohe Dribbling-Dynamik zur Mitte einbringen kann, was seinen Kollegen mehr Zeit gibt, die richtigen Räume zu besetzen.

Antworten

Daniel 24. Juni 2017 um 15:03

Das Beste am Confed-Cup ist für mich, dass ich meine Lieblings-Nationalmannschaft Chile mal wieder sehe (und Berichte auf sv über sie lese) 🙂 Und auch in diesem Turnier gefällt mir das wieder sehr gut.

Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber ich finde Vidal in der chilenischen Elf deutlich besser eingebunden als bei Bayern. Mit Vidal als Achter/offensiver Sechser werde ich nicht so recht warm, da er in meinen Augen zu sehr dazu neigt, sich aus dem Mittelfeld herausziehen zu lassen und dann ein Loch zu hinterlassen und ihm dafür außerdem doch ein Tick Ballsicherheit, Pressingresistenz und Kreativität fehlt. Im chilenischen System werden Vidals Durchschlagskraft und Physis vor dem Tor perfekt genutzt und durch seine Weiträumigkeit überlädt er bei Bedarf das Mittelfeld, anstatt es (wie bei Bayern) zu verlassen und damit im wichtigsten Spielbereich eine Unterzahl hervorzurufen. Gerade gegen Real Madrid war das problematisch: Während Casemiro, Modric und Kroos die Mitte besetzt und dominiert haben, ist Alonso oft nach hinten abgekippt und Vidal irgendwohin rausrochiert, so dass Thiago allein zurückblieb und gegenüber den drei Spaniern in Unterzahl war.

Zudem wäre die Rolle als ‚Stürmer/Halbstürmer/Flügelspieler‘-wie hier Sanchez und Vargas-in meinen Augen für Müller absolut perfekt, auch Lewandowski, Robben, Coman und Gnabry sollten das sehr gut ausfüllen können. Lewandowski ist als 9 halt absolute Weltklasse, aber zumindest wenn er fehlt (wie gegen Madrid) würde ich ein ähnliches System mit Vidal als 10/9 Hybrid und Müller und Robben als Halbstürmer ideal finden.

Antworten

Svenner80 29. Juni 2017 um 14:13

Ich glaube, Vidal sieht bei Chile einfach deshalb besser aus, weil er unumstrittener Führungsspieler ist und sich seine Nebenleute sowohl von den taktischen Vorgaben als auch von ihren spontanten Bewegungen her nach ihm richten.

Das soll jetzt nicht billiges „El capitano“ Gequatsche sein, aber bei Chile ist Vidal wirklich präsent-präsent-präsent.

Ansonsten zur Spielweise, ich gehe da nämlich nicht ganz konform. Das ist interessant, was Chile da macht, ohne Zweifel, aber es erinnert mich an Juve gegen Real. 1. Halbzeit alles prima, schön gepresst, 2. Halbzeit wurde der Tank leerer und leerer.

Wenn es in dem Spiel einen Sieger hätte geben müssen, hätte Deutschland die deutlich besseren Chancen hinten raus gehabt.

Antworten

tobit 29. Juni 2017 um 17:12

Vidal ist halt niemand, der eine Struktur balancieren kann oder gleichförmig eine Rolle ausfüllt. Er ist einer, der die eigene und die gegnerische Struktur durch seine Präsenz, Physis und Weiträumigkeit an die Grenze (oder darüber) der Belastbarkeit bringt (wenn man ihn lässt).
Du hast als Team jetzt 2 Möglichkeiten, damit umzugehen. Entweder du perfektionierst das Chaos (das hat Bielsa gemacht), wodurch dir die fehlende Struktur nichts mehr ausmacht (dem Gegner aber schon) – oder du umgibst Vidal mit einem Netz aus Balance- und Strukturspielern (das hat Sampaioli begonnen und Pizzi macht da weiter), wodurch nur noch die gegnerische Struktur zerstört (bzw eher zerdrückt) wird.

Der Unterschied bei Chile ist, dass sie allgemein „nur“ gegen Nationalmannschaften spielen, die ohnehin weniger dominant, eingespielt und balanciert sind als Zidanes Real, und speziell Portugal schlicht nicht das Personal hat, einen müden Gegner hinten festzudrücken. Außerdem sind die Chilenen auch bei sehr leerem Tank noch zu sehr guten Leistungen mit wenigen Fehlern, (verhältnismäßig) starker Kompaktheit und beeindruckenden Intensitätsspitzen fähig – was Juve in dem Spiel (gegen einen deutlich stärkeren Gegner) nicht mehr konnte.
Dass Deutschland dir Chilenen vor andere Probleme gestellt hätte (bei gleichem Spielverlauf, also lange 0:0), sehe ich genauso. Sie können offensiv einfach viel mehr Kontrolle und damit Druck entwickeln als die Portugiesen, auch wenn es da ein paar starke Ansätze um die beiden Mittelfeld-Silvas gab.

Antworten

Daniel 2. Juli 2017 um 12:47

Jo…und bei Bayern findet keine der Möglichkeiten statt. Das mein ich mit schlecht eingebunden ^^

Antworten

Schreibe einen Kommentar zu tobit Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*