Türchen 22: Das Mahnmal vom Wildpark

7:0

Zu einem der sensationellsten Siege der deutschen Fußballgeschichte möchten wir gerne einmal keine Spielanalyse schreiben. Denn dieses 7:0 war kein Spiel.


02.11.1993, UEFA-Pokal-Achtelfinale

Man denkt, man könne da nicht viel falsch machen: Zwei Mannschaften, die keiner kennt, bei denen sich der kleine KSC mit sieben Toren dem bestimmt total spielstarken FC Valencia entledigt. Ein Klassiker. Keiner aus grauer Vorzeit, sondern aus dieser Ära, die die größte Altersgruppe unter den Spielverlagerung-Lesern geprägt hat. Die 90er. Die Zeit, in der mein eigenes Fußballinteresse als Knirps geweckt wurde. Bestimmt ein interessantes Spiel.

Wo soll ich anfangen…

Also es ist ja so. Ich bin nicht der allergrößte Fan von historischen Fußballspielen. Eigentlich nicht mal der größte Fan von Fußballspielen generell. Ich finde Fußballspiele meistens mittelmäßig, oft langweilig, häufig mag ich nur eine Handvoll Spieler, die mich mit ihren Ideen und Aktionen begeistern können. Trotzdem schau ich extrem viel Fußball, weil ich das Spiel einfach sehr mag. Und ich schau mir auch immer mal gerne ein Spiel von früher an und oft bin ich positiv überrascht, dass das Spiel damals schon besser und schlauer gespielt wurde als man das vermutet. Man hat ja immer dieses Bild vom völlig trägen Spiel, voller Fehler und Zufälle. Aber einzelne Bewegungen, Entscheidungen, Orientierungen, Pässe, Staffelungen oder Balleroberungen sind eigentlich immer auf hohem Niveau dabei. Ist immer spannend und macht Spaß.

Das Rückspiel zwischen dem Karlsruher SC und dem FC Valencia vom 02. November 1993 ist aber vielleicht das fürchterlichste Spiel, das ich je gesehen hab. Jede Minute davon war mir eine Qual. Das ist keine Übertreibung. Dieses „Spiel“ hat einfach nichts von dem, was Fußball schön macht. Es ist voller Dreck. Voller Unvermögen und Unwissen. Fast alles daran ist schlecht. Ich hatte unzählige verschiedene negative Emotionen beim Sichten dieses Spiels. Ich habe es nicht lange ausgehalten, in Summe vielleicht 20 oder 30 Minuten. Ich bin mir nicht sicher, wie die Formationen waren. Ich bin mir nicht sicher, ob es welche gab. Die 30 Minuten fühlen sich viel länger an als die 120 Minuten zwischen Brasilien und den Niederlanden, die ich mehrfach geschaut habe. Ich übertreibe nicht, ich dramatisiere nicht.

Da ist auf der einen Seite ein Karlsruher SC, der zum einen klassischen 90er-Jahre-Fußball spielt: Libero, Manndeckung über den ganzen Platz. Sehr aggressiv, sehr laufstark. Viele schnelle Spieler, das muss man ihnen lassen. Und einen Manni Bender, der wirklich tolle Standards und Flanken schlägt, fast der einzige Lichtblick in diesem Debakel. Der alte, deutsche Normalo-Manndeckungsfußball kann auch kompakt und organisiert sein – Dortmund 1997 beispielsweise. Die deutschen Nationalmannschaften der 70er auch. Weil die schlau waren und trotz Manndeckungen recht kompakt und kontrolliert gespielt haben. Der KSC bietet in dieser Partie nichts davon. Sie sind ein überdrehter, chaotischer Haufen, dessen Ende manchmal vom einen bis zum anderen Strafraum reicht. Überall ist Raum. Vor der Abwehr ist unglaublich viel Raum. Alle Zonen sind offen. Und trotzdem ist auch immer noch hinter der Abwehr viel Raum. Wo kommt all dieser Raum her?

Dieser Raum soll mit Aggressivität verteidigt werden. Dirk Schuster spielt als linker Manndecker. Er kann die Beinbewegungen seines gegnerischen Stürmers nahezu perfekt synchronisieren, das ist fast ein bisschen beeindruckend. Es ist auch saudumm. Jeden Ball, den Schuster vor die Flinte kriegt, bolzt er ins Nirvana. Schlimmer als in der Kreisliga. Nicht einmal zielgerichtet sind seine Bälle.

Und natürlich funktionieren die Manndeckungen nicht. Die Gegner können sich nach Belieben in die Räume lösen. Aber wenn einer wegläuft, wird er einfach schnellstmöglich umgetreten. Früh im Spiel verliert Schuster seinen Gegenspieler, der Libero schnappt ihn. Er rauscht am Ball vorbei, der Stürmer wird von ihm aufgebockt und macht über seine Schulter und seinen Rücken einen Salto in der Luft. Das ist kein „Zweikampf“ um den Ball. Der macht Kampfsport. Der macht keinen Ballsport, der betreibt keine Spielsportart und keine Mannschaftssportart. Der sucht sich einen Feind und macht Kampfsport. Das sollte so nicht sein. Und als der Schiedsrichter ihm Gelb zeigt, beschwert er sich. Schon davor beschwert er sich, so als wäre es ein  ganz normales Einsteigen, als müsste es so sein oder als sei der Gegner Schuld. Der Gegner, der gerade mit dem Kopf zum Boden gerichtet durch die Luft geflogen ist. Noch einmal, ich übertreibe nicht: Der Mann stand kopfüber in der Luft! Kopfüber!!! Wie, gelbe Karte? Sind wir hier beim Hallen-Halma? Nein, Alter, da fliegen die Spieler nämlich nicht durch die Luft!

Das grauenhafte Gegenteil zu Karlsruhe ist der FC Valencia. Von Guus Hiddink trainiert übrigens, zu diesem Zeitpunkt Tabellenführer in Spanien. Dem Spanien, wo gerade Laudrup, Stoichkov, Romario und Guardiola von Johan Cruyff trainiert werden. Ihr verarscht mich doch. Ich musste das jetzt googeln: Barca wurde am Ende Meister, +49 Tore. Valencia wurde Siebter, +5. Puh.

Valencia scheint überhaupt keine Vorstellung davon zu haben, was die da machen. Die lassen Karlsruhe in Ruhe aufbauen, ziehen sich mit allen Mann zurück. Dann bolzt Karlsruhe irgendwo vor und da ist trotzdem keiner der Spanier. Die manndecken nicht, die raumdecken nicht, die verschieben nicht, die attackieren oft nicht mal den ballführenden Spieler. Die laufen einfach bisschen nach hinten. Bis sie am Strafraum stehen. Da bleiben sie stehen. Im Zweifelsfall mit sieben Spielern in einer Reihe. Und warten auf die nächste bescheuerte Idee von Karlsruhe, um vor das Tor zu gelangen. Oder sie hauen einen Gegenspieler, der gar nicht dribbeln kann, völlig unnötig und überaggressiv um. Der Torwart ist eine Katastrophe. Die Abwehr agiert im individuellen Defensivverhalten und schlichtweg auch im Engagement dabei punktuell so miserabel, dass man sich unweigerlich fragt, ob die Mannschaft gekauft war. Mir fehlen natürlich die Referenzen, um zu beurteilen, ob die immer so schlecht waren oder ob das ein Ausrutscher war. Zum Glück. Dabei wird es auch bleiben.

Ob der katastrophalen Defensivorganisationen gibt es viele Chancen im ersten Durchgang. Allein was ich gesehen habe, reicht für zwei bis drei Tore von Valencia, doch Oliver Kahn hält den Kasten sauber – gegen miserable Abschlüsse jedoch. Der KSC dominiert das „größte Spiel seiner Vereinsgeschichte“ überhaupt nicht. Die Gastgeber machen dann Tore nach willkürlichen Flanken, nach komischen, abgeblockten Distanzschüssen und nach drei Standardsituationen. Ich check mal kurz den Goal Impact von Manni Bender…okay, der Peak ging über 150, nicht schlecht. Ich hab die Theorie, dass er die Reinkarnation von Hans-Peter Briegel war.

Diese ganzen Chancen entstehen übrigens ohne jeglichen Plan oder Kontrolle im Offensivspiel. Alles besteht nur aus Laufduellen. Nur Laufduelle. Langer Ball oder dumm die Seitenlinie entlang, dann Laufduell. Mehrere Bälle werden dermaßen planlos gebolzt, dass sie einfach dem gegnerischen Torwart in die Arme fliegen. Kein Spieler weit und breit zu sehen. Pässe ohne Gegnerdruck! Warum? Wie kann das sein, dass die so schlecht sind? Dass die so oft, so konstant und mit so einer Überzeugung so unglaublich schlechten Fußball fabrizieren? Was seid ihr nur für Menschen?

Der Schatten einer dunklen Zeit

Das allerschlimmste, das bemitleidenswerte und schockierende an dem Spiel ist aber vielleicht gar nicht die jämmerliche Energieverschwendung der Stümper auf dem Rasen. Das Schlimmste war die Übertragung von RAN Sat1. Es ist erbärmlich. Da sitzen Kommentator, Moderator und einer der KSC-Spieler im Land des amtierenden Weltmeisters (!), im Land von Franz Beckenbauer und Wolfgang Overath, und sie scheinen vollkommen begeistert zu sein von dieser Partie. Beinahe ekstatisch kommentiert Jörg Dahlmann diese Beleidigung am schönen Spiel ab dem 3:0. Da ruft er mehrfach „Hier gelingt alles!“. In einem Moment, wo eine Verlagerung mal ankommt und prompt – immerhin Volley! – dem unbedrängten spanischen Torwart in die Arme geflankt wird. Beim 3:0 ist außer dem Schuss eigentlich gar nichts gelungen. Ein weggedroschener Ball landete bei Valencia, wurde zum Karlsruher Stürmer geköpft und der schoss aus über 20 Metern einfach seinen Gegenspieler an. Der Ball prallte so ab, dass der Rechtsaußen zufällig rankam und ohne Bedrängnis über den Torwart lupfte, der nur so unnötig weit herauskam, weil der Außenverteidiger auf dieser Seite einfach komplett das Spielen einstellte. Ein hässliches Dreckstor mit der Ausnahme des allerletzten Kontaktes. „Hier gelingt alles!“

In einer Szene an der linken Seitenlinie dreht sich der KSC-Spieler einmal überraschend von innen nach außen, ohne nennenswerte Ballaktion. Das Publikum raunt. Der Spieler bekommt dadurch keinen Vorteil, muss ins Laufduell und verliert den Ball. Fanden die das echt gerade gut? Als Sergej Kirjakow kurz nach dem 3:0 im Laufduell plötzlich ein „Roulette“ einstreut – das Ding, was man heute von Zidane kennt – eskaliert Dahlmann komplett. Dabei macht der Stürmer das ohne jeden Effekt. Das Laufduell gerät kurz ins Stocken und geht dann weiter. Völlig sinnlos. Die Szene des Spiels ist das. Es gibt Zeitlupen dieser Szene. In der Halbzeit wird sie extra noch einmal herausgeholt und mehrfach abgespielt! Kerner sitzt da und meint, Kirjakows Gegenspieler kannte diesen Trick wohl noch nicht einmal. Naja, geholfen hat’s nix. Heutzutage kann übrigens jeder zweite Dreizehnjährige diese Bewegung. Was soll das hier? Ist das ein Witz? Ist das inszeniert? Wird hier der Zuschauer verarscht oder wie zum Teufel muss man sich den Fußball vorstellen, den diese Menschen da gewohnt sind? Sie sind wie Kleinkinder, die von allem zu begeistern sind, weil sie nichts kennen. Unbedarfte, die Farbkleckse genial finden, weil sie noch nie ein Gemälde gesehen haben. Ich kann das nur schwer realisieren.

Nie mehr unmoderner Fußball

Bevor ich diese Partie gesehen habe, lief Bayern gegen Leipzig. Die Bayernfans haben das klassische „Gegen den modernen Fußball“-Banner aus dem Keller geholt. Vorhin habe ich einen Witz gemacht, dass sie aber trotzdem jubeln, wenn ein Tor durch Angriffspressing fällt. Im Nachhinein muss ich die scherzhafte Kritik ernster meinen. Die sportliche Entwicklung des Fußballs in den letzten 10 bis 20 Jahren ist brillant. Auf den neuen Kunstrasen überall in Deutschland kann man viel besser, zuverlässiger spielen als auf den Äckern und Ascheplätzen von früher. Die Kinder heute sind technisch gut. Die können alle dribbeln, wenn man sie lässt. Eine mittelmäßige C-Jugend von heute ist viel, viel kompakter als das, was vor 23 Jahren in Karlsruhe internationaler Fußball war. Ein Spieler wie Koo spielt nur bei Augsburg, einer wie Hazard geht neben Messi unter. Es gibt guten Fußball da draußen und es wird mehr und mehr. Weil sich die Kämpfer, Beißer, die grasfressenden Kampfsportler nicht mehr hinter ihrer Unfähigkeit und Unambitioniertheit verstecken können. Weil sie einfach verlieren, absteigen und verschwinden. Mit jedem Jahr ein bisschen mehr, hoffe ich. Es wird immer mehr Fußball, mehr Spiel, mehr Idee. Und das hat nichts mit Klassenkampf und dem Sport des kleinen Mannes zu tun. Auch der kleine Mann kann was mit dem Ball machen, wenn er nicht bei jedem Ballkontakt getreten wird, wenn der Rasen keine Krater hat, wenn er in jungem Alter schon dazu ermutigt wird. Wenn er seine ganze Jugend lang mit dem Ball spielen darf und keine Runden rennen oder Gewichte stemmen muss. Der kleine Mann von heute ist Mesut Özil, nicht Wolfgang Rolff.

Ich weiß natürlich, dass sich einige jetzt auf den Schlips getreten und vielleicht beleidigt fühlen. Ich kratze ungern die Vereinshistorie des KSC an, von dem ein paar meiner Freunde glühende Fans sind. Ich kratze ungern an der Nostalgie derer, denen der Fußball der 90er viel gegeben hat. Ich hoffe, dass Oliver Kahn, der unseren Blog gut kennt, diesen Artikel nicht liest. Aber ich bin gerade schockiert und muss dem Ausdruck verleihen. Vielleicht nützt es ja was. Vielleicht realisiert dadurch irgendwo, irgendeiner, dass es nicht gut ist, Kampf und Wille und dieses ganze Zeug einzufordern, wenn man nicht mindestens genau so viel zu Kreativität und Können und Ideen ermutigt.

Das große 7:0 des KSC ist schlichtweg kein Spiel. Das ist keine Aneinanderreihung von geschickten Handlungen mit einer Idee dahinter. Das ist ein anarchischer Überlebenskampf. Von Männern, die zum Großteil nicht wissen, wo sie sind, was sie tun sollen und wie man mit ihrer Waffe umgeht. Vielleicht findet das jemand ästhetisch. Ich nicht.

AB 17. August 2023 um 20:11

Ich persönlich denke, dass dieses „Nach-Vorne-Gebolze“ durchaus einen Sinn hatte. Schließlich wird immer auf die Außen gespielt – von dort reingeflankt + Stürmer steht wie zufällig frei und vollstreckt. M. E. kann das nicht alles Zufälle sein. Es ist Glück und Unvermögen des Gegners mit dabei, aber immerhin wie einige Vorredner ja schon sagten hat der KSC auch viel für diesen Erfolg investiert.

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Jan 9. März 2017 um 02:07

Erstaunlich, was vom Fußball bleibt, wenn die verbliebenen, großartigen Erinnerungen an großartigen Spiele aus taktischer Sicht als Chimären entlarvt werden, wie es hier schonungslos geschieht. So gut der Fußball heute auch heute unbestritten ist, ihm mangelt es an Verbindlichkeit, aber das kann einem Tatikportal ja glücklicherweise egal sein.

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MagicMichael 9. März 2017 um 00:39

Dieses lange und weite Herumgerumple mit ständigen (bestenfalls) 1zu1-Situationen auf dem ganzen Platz und einem einzigen ballorientierten Spieler (dem Libero, bestenfalls zwei, wenn einer der Mittelstürmer zwischen den aufbauenden Abwehrspielern pendelte) geht mir so was von auf den Wecker: Dieser 80ziger und 90ziger-Kraftfußball ist schlicht schrecklich und völlig hirnlos. Allein schon dieses Positionsspiel, völlig unmotiviert und unsystematisch – ein in den freien Raum trabender Libero, neben ihm und direkt dahinter stehen 28 potentielle Anspielstationen, manchmal macht sich einer auf und nimmt einen viel zu steilen Lauf nach vorne (wenigstens kriegt er bei dem Deckungsschatten keinen Sonnenbrand) – siehe etwa das „Jahrhundertspiel“ zwischen Deutschland und Italien während der WM 1970. Schlicht furchtbar. Ich bin so froh, dass diese Zeit vorbei ist – auch wenn es manche Ausnahmen geben mag (etwa Niederlande 1988, allerdings kriegt man vor dem Jahrhundert-Tor van Bastens angesichts eines mißerablen – weil nicht tiefengestaffelt verteidigenden – russischen Zentrums die Krise, dass es einem dieses Tor schon wieder vergällen kann. Aber wenigstens war Holland in einem raum-gegnerorientieren 3:6:1 kurz und eng und somit fast schon wohltuend intelligent organisiert). Wie pflegt Hitzfeld zu sagen: „Der KSC gegen Valencia – das war kein Pressing, das war Krieg.“

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Mathy15 24. Januar 2017 um 08:34

Nun, man darf nicht vergessen, dass der KSC damals unter dem Druck stand, hoch gewinnen zu müssen. Insofern hatte Winnie es geschafft, die Spieler bis in die Haarspitzen zu motivieren und von der Leine zu lassen. Quasi im Zweifelsfall nach vorne. Taktisch war das Hinspiel und das ging bekanntlicherweise eindeutig verloren. Im Nachhinein die Haare in der Suppe zu suchen halte ich für Verfehlt. Damals wäre jeder auch mit einem knappen und glücklichen bzw. dreckigen Weiterkommen zufrieden gewesen (zumindest ich als damals 15 jähriger wäre es gewesen).

Persönlich schaue ich mir lieber ein offenes Spiel mit Hurra-Offensive an als ein taktisch-technisches 0:0.

PS: Der Niedergang des KSC begann mit Winnies Entlassung

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MR 26. Januar 2017 um 11:53

Das war aber schlichtweg keine Hurra-Offensive, das war blindes Gebolze mit extrem viel Glück. Ein nach vorne geschlagener Ball, ist kein offensives Stilmittel. Das macht man, um Risiko zu vermeiden. Das ist defensiv.

Ich bezweifel auch, dass das Hinspiel taktisch gut gewesen sein soll. Es war vielleicht vorsichtiger, defensiver geführt. Das wird oft mit „taktisch“ gleich gesetzt, das ist aber Unsinn und wird auf Spielverlagerung nicht getan. Offensivspiel ist auch Taktik.

Die Kritik bezieht sich hier nicht auf fehlende Taktik, sondern darauf, dass das schlichtweg grottenschlechter Fußball war.

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Koom 26. Januar 2017 um 13:21

Naja, frei nach dem Motto: Mit Plan hats nicht geklappt, also machen wirs ohne Plan. Selbst heute kannst du ein Spiel gewinnen, indem du einfach nur auf das Chaos und die eigene Intensität setzt, quasi ein juego de YOLO. 😉

Im Kleinen empfand ich bspw. Dortmund vs. Malaga oder zuletzt Dortmund vs. Liverpool als Spiele mit so einer Herangehensweise, allerdings nur phasenweise. Jeweils Jürgen Klopp warf da auch ein gutes Stück weit die üblichen Herangehensweisen über Bord und spielte hop oder top.

Das das keine Basis für eine erfolgreiche Saison oder gar Spiel ist, ist klar. Im Falle des KSC war es eine pure Verzweiflungstat. Entweder grandios ausscheiden oder grandios weiterkommen. Einen Mittelweg gab es da einfach nicht und er war auch egal. Die Berichterstattung damals war nicht so hartnäckig und ätzend wie heute, es war einfach auch eine andere Zeit. Heldenfußball halt.

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Ein Zuschauer 27. Januar 2017 um 13:28

Hä? Aber Liverpool gegen Dortmund und Dortmund gegen Malaga war doch taktisch geil von Klopp? Wo ist denn da die Gemeinsamkeit?

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Koom 27. Januar 2017 um 17:51

Im wesentlichen war beides durchaus ziemliches hop-oder-top Gebolze. Grandios scheitern oder grandios gewinnen. Hätte der Gegner jeweils cooler/cleverer reagiert, dann wäre das verheerend geworden. Aber da man heutzutage praktisch gar nicht mehr so spielt, kann man damit _mal_ einen Gegner überraschen.

Geiles Mittel, hat jeweils geklappt, aber das war einfach nur Brechstange und 90er Fußball im Wildparkstil.

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Ein Zuschauer 28. Januar 2017 um 02:43

Gegenpressing, Defensivstaffelung, Offensivstaffelung – das war doch bei Dortmund und Liverpool auch in den Spielen auf einem völlig anderen Niveau und machte die Taktik überhaupt erst effektiv.


Hummelsinho 24. Januar 2017 um 00:25

,,Was seid ihr nur für Menschen?“ 😀

Der wahrscheinlich lustigste und traurigste Artikel auf Spielverlagerung zugleich.

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AlexS 31. Dezember 2016 um 11:58

Das «Roulette» war kein Trick von Sergej Kiriakow, sondern von Valerij Shmarov. Der Autor kennt wohl nur Kiki und Kahn, dann müssen die halt für alles herhalten. Und dass den Trick heutzutage, 23 Jahre später jeder kennt, ist ja nun auch nicht gerade verwunderlich, damals war er neu und zwar vor Zidane.

Und das Spiel war geil, gerade weil es pure Anarchie war. Darum lieben wir ja den Fussball, weil es eben auch mal allein der Willen das Konzept schlagen kann.

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ES 27. Dezember 2016 um 10:15

Eine ganz wichtige Figur in diesem Spiel ist auch der Schiedsrichter: Da hat gerade ein Spieler versucht, seinem Gegenspieler beide Beine abzuhacken, und der Schiedsrichter kommt an mit einer Mimik und Gestik: „Ja, Jungs, war ein Foul, es gibt einen Freistoß, aber kein Grund, das Spiel außer Kontrolle geraten zu lassen. Jetzt nur keine unnötigen Streitigkeiten.“ Wenn er richtig durchgreift, dann macht er ein böses Gesicht, zeigt die gelbe Karte, man ist auch schon gespannt auf die Zeitlupe, weil garantiert ein Foul zu sehen sein wird, das heutzutage mit Rot und drei Spielen Sperre geahndet würde. Zu den gelbwürdigen Fouls zählt aber nicht der mehrmals gekonnt vorgeführte ballferne beidfüßig gestreckte Sprung auf die gegnerischen Knöchel. Da kommt nur der Schiri, um die Gemüter zu beruhigen.

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Gh 22. Dezember 2016 um 21:21

an alle oldies wie mich: war doch n geiles spiel damals, die ganze euro eddie nummer, winnie und kiriakov überhaupt die einzigen die stimmung gemacht haben. ohne das live feeling natürlich fade wie ger:bra. werd mir das spiel nicht noch mal anschaun. so schön wie damals kanns heute nicht mehr sein.

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Schorsch 22. Dezember 2016 um 23:08

Als ‚Oldie‘ kann ich dazu nur sagen, dass man sich bei der retrospektiven Betrachtung von Fußballspielen prinzipell immer in einer latenten Gefahr befindet. Die gleiche Gefahr existiert auch bei der Beschäftigung mit historischen Ereignissen, Sachverhalten und Persönlichkeiten. Oftmals legt man die gerade aktuellen Maßstäbe an, um zu einer Beurteilung und Bewertung zu kommen. Dies ist aber zutiefst unhistorisch. Denn man muss grundsätzlich die Dinge mit den Maßstäben der damaligen Zeit betrachten und im historischen Kontext sehen.

Ich habe das damalige Spiel nicht gesehen, ich war zu dieser Zeit gar nicht in Deutschland. Winnie Schäfer gehört(e) auch nicht zu meinen favorisierten Trainern, wenngleich man ihm nicht absprechen kann, junge Nachwuchstalente zu guten Fußballern entwickelt zu haben. Aber wahrscheinlich wurde so gespielt, wie man damals eben zumeist in Deutschland gespielt hat. Ich persönlich habe mich nach meiner aktiven Zeit zunächst eher ein wenig vom deutschen Fußball distanziert (mit Ausnahmen), weil mir die Treterei (auch in den oberen Amateurligen) doch überhand genommen hatte. Möglicherweise war dieses Spiel aus damaliger Sicht ein attraktives Spiel. Aus heutiger Sicht lässt sich wahrscheinlich zurecht diese Art des Fußballs negativ kritisieren.

Ich bin fußballerisch eher ein Kind der 60er und 70er Jahre. Und mir hat dieser Fußball in Deutschland auch um Klassen besser gefallen als derjenige so ab Anfang / Mitte der 80er (von Ausnahmen abgesehen (z.B. der HSV unter Zebec und Happel) bis in die 00er-Jahre hinein. Dennoch gab es in dieser Zeit auch Phasen und Spiele, von denen ich begeistert war. Oftmals war es aber eher die Emotionalität, die da die Hauptrolle gespielt hat. So z.B. die Meisterschaft des FCK unter Rehhagel, die ‚Wunder von der Weser‘ oder der CL-Triumpf des BVB. Das waren geile Geschichten damals (auch für mich als schon ‚gesetzten‘ Familienvater), aber wenn ich diese Dinge mit dem Fokus auf Taktik aus heutiger Sicht mit den Maßstäben von heute betrachte, dann ist das eine andere Sache. Der Fußball der Frankfurter Eibtracht Anfang der 90er allerdings hat mich damals begeistert und tut dies im nachhinein auch heute noch.

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Gh 23. Dezember 2016 um 08:29

winnie schäfer ist letzlich der urvater der hoffenheims, augsburgs etc. der erste provinztrainer, der es wagte, den großkopferten ans bein zu pinkeln, und den auch das weggekaufe durch die bayern nicht aus der bahn warf. buli damals war teilweise grausam, der ksc der frische wind mit wenigen anderen.

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MR 24. Dezember 2016 um 01:06

Winnie Schäfer ist übrigens, glaube ich, soweit ich weiß, der einzige Mensch, der jemals Sergio Busquets offiziell zum Weltfußballer gewählt hat. Insofern ist der eigentlich ein totaler SV-Liebling. Mehr kann ich zu ihm aber auch nicht sagen.

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DrKlenk 24. Dezember 2016 um 03:34

Weißt du, in welchem Jahr?

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MR 24. Dezember 2016 um 06:52

Ist schon was her. 2012 würde ich tippen. Auf jeden Fall zwischen 11 und 14. Wenn du suchen willst: Schäfer muss Nationaltrainer gewesen sein und Busquets auf der Shortlist bei der Wahl. 😉

Gh 24. Dezember 2016 um 10:39

ich hab die spiele vom ksc auch nur damals gesehen, also kann ich jetzt auch keine konkrete taktische aussage machen. jedenfalls hatte winnie die fähigkeit aus verkannten talenten und schrägen vögeln was zu machen und viele in bundesliga und europacup waren irgendwie überrascht von dem was der ksc auf dem platz machte. ob das gegen valencia nun exemplarisch war weiß ich nicht. jedenfalls hatte man sich immer auf ksc gefreut, egal ob man fan war oder nicht. gewählt hat winnie den busi 2012, by the way.


Stefan G 22. Dezember 2016 um 18:59

🙂 sehr lustiger Artikel. Habe ich mit Vergnügen gelesen.

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Hobby-fussballer 22. Dezember 2016 um 17:13

Ich finde spielverlagerung.de gut und lese es gern. Als Jahrgang 1978 war meine Jugend aber von solchen ksc-Spielen geprägt….und es war schön. WM 90, die wahrscheinlich beste Nationalmannschaft Deutschlands aller Zeiten, es waren super Spiele. Daher meine Kritik hier: warum werden die 90er immer schlecht geredet?!?! Auch das Buch von Escher stempelt die 90er als Tiefpunkt des deutschen Fußball ab. Ich versteh es nicht… Wieviele spiele bei der EM 2016 waren den wirklich gut? Die deutsche Nationalmannschaft von 90 würde die jetzige doch aus der Arena schießen. Und die Tendenz zu manndeckung, Libero und 3-5-2 Taktik kommt wieder. In den neunzigern war das modern. Das Deutschland sich damals auf den Lorbeeren des WM Titels ausgeruht hat und nachwuchsarbeit sträflich vernachlässigt hat ist unbestritten. Ab 96 bis 2006 fehlte es an nachwuchstalenten aber die Taktik war weder unmodern noch überholt.

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MR 22. Dezember 2016 um 19:57

In den Neunzigern war das bereits 20 Jahre alt. Das war nicht modern, das war eine Gewohnheit.

Und es wird auch nie mehr erfolgreich zurückkommen. Das 3-5-2 der Moderne hat damit nix zu tun. Es ist auch keine Formationsfrage, es haben auch welche im 4-3-3 Manndeckung mit Libero gespielt. Es geht um die Spielweise. Überall offene Räume, keine Möglichkeit zu doppeln, Tiefensicherung nur auf einer Position – das ist defensiv einfach schlecht und leicht zu knacken.

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FAB 22. Dezember 2016 um 16:28

Köstlich …
Schlimm war, dass die Bundesliga mit diesem Rumpelfussball Anfang der 90er international sogar noch recht gut mithalten konnte.
Es war die Zeit in der ich mir als kleiner Junge die Afrikameisterschaft reingezogen habe, weil dort die Athletik wenigstens cool aussah. Ansonsten habe ich Spieler wie Yeboah, Okocha und auch George Weah bewundert. Überhaupt hat man damals gedacht, dass demnächst eine afrikanische Mannschaft Weltmeister werden könnte. Die Bundesliga wurde ja noch geprägt von Granaten wie Borowka, Knut Reinhard und Thorsten Legat. Bestand Barca (trotz Cruyff und Gurdiola) nicht auch eher aus Ronald Koeman? Die Weltstars spielten alle in Italien, wobei das Standardergebnis dort 0:0 war.
Taktik gab es damals in der Bundesliga (gefühlt) keine, man hat wohl das erste mal davon erfahren, als Ajax Amsterdam mit van Gaal 1995 die Bayern vorgeführt hat.

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Tocovsky 22. Dezember 2016 um 15:40

Edit vom Moderator: Da diese Links zu Spielen auf YouTube nicht wirklich legal sind, müssen wir sie leider löschen. Sorry.

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Izi 22. Dezember 2016 um 15:26

Die Einschätzung des Autors, hier sei Un-Fußball gespielt worden, teile ich durchaus; insbesondere nachdem ich das Video noch einmal geguckt habe… Und ich ärgere mich auch immer über die Stammtischparolen, die Mentalität stimme nicht und die Spieler müssten „mehr Gras fressen“.
Aber so angetan ich eigentlich von dem Artikel bin, irgendwie finde ich ihn im Adventskalender fehl am Platz. Das ist nicht böse gemeint, aber sonst waren immer Lobeshymnen auf große Spiele drin und jetzt ein Verriss… Sprachlich und stilistisch auf höchstem Niveau und sachlich absolut angebracht, aber eben ein Verriss. Für ein Pladoyer — danach sieht es am Ende aus — finde ich die Kritik zu lang und das Ende zu kurz…

Fazit: Ein genialer Artikel, den ich aber lieber außerhalb des Kalenders gelesen hätte. Nicht böse sein!

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blub 22. Dezember 2016 um 14:15

Martin, ich liebe dich. Man kann deine Fassungslosigkeit durch den Bildschirm spüren.
Angefangen bei der Marcel Reif hommage ein beschissenes spiel einfach in Grund und Boden zu beleidigen über ein plädoyer für den guten Fußball, kulminierend in einem entschuldigenden „Einige meiner besten Freunde sind KSC-Fans.“
Das war das schönste Adventskalendertürchen des Jahres.

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tobit 22. Dezember 2016 um 13:26

Unglaublich geil!!!
Und da sind ausnahmsweise auch mal mehrere Ausrufezeichen erlaubt!
Hat in seiner Absurdität gegenüber euren sonstigen Analysen irgendwie etwas von RMs „Klaudio Bizarro“, den ich damals sehr gefeiert habe (und gerade direkt nochmal lesen musste).

Ich habe dieses Spiel nicht gesehen (bin viel zu jung 😉 ) und werde es nach deiner Beschreibung wohl auch nicht schauen, da mich sogar der brilliant entwickelte Fußball von heute in seiner Dummheit so oft ankotzt (z.B. Leipzig gestern – wieso müssen die ausgerechnet gegen Thiago und Lahm völlig unkompakt werden?), dass ich die Glotze ausmache.

Zum Fazit: Man kann schon manchmal mehr Kampf fordern, aber bitte nicht bei den Kampfsportmannschaften der heutigen Zeit, sondern bei denen die dazu neigen in Schönheit zu sterben (Thomas Tuchel I’m looking at you) – genauso muss man dann aber umgekehrt die Kampfmaschinen (…hier beliebige Premier League Mannschaft einfügen…) zu mehr Fussball auffordern dürfen.

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CHR4 22. Dezember 2016 um 23:34

Der Fußball ist heute höchst professionell und wer da nicht mitzieht, sich in allen relevanten Lebensbereichen (Ernährung, Schlaf usw.) so professionell zu verhalten wie z.B. ein Arjen Robben oder CR7, hat keine Chance mit den Top-Spielern mitzuhalten. Kreativität und Können haben leider ohne die heutzutage unabdingbare Athletik/Fitness keine Chance. So genial ich einen Mario Basler mit seiner Kreativität auch damals fand. Sich Kreativität und Können auf Top-Niveau anzueignen (ich vermeide hier bewußt das Wort „erarbeiten“) setzt eine enorm hohe Leitungsbereitschaft voraus (einfach weil man den nötigen Trainingsumfang auch durchstehen muss). Und um lange Ausfallzeiten durch Verletzungen zu minimieren, ist ein begleitendes Athletiktraining (heißt nicht automatisch Gewichte stemmen und sinnlos Runden rennen) absolut notwenig.
Insofern kann ich da auch nur teilweise zustimmen, heute ist – und da bin ganz bei euch – ein kompletter Profi gefragt: es gehört halt beides zusammen: das spielerische/kreative und das sich reinhängen könnnen. Denke so war das auch gemeint. Finde aber es muss ebenso nochmal deutlich gesagt werden, dass nur Kreativität und Können und in der Jugend nur mit Ball spielen auch zu einseitig sind.
Bis ca. U15 (Anfang der Pubertät) könnte ich dem „grötenteils“ zustimmen. Danach werden langsam die, die mehr Biss haben auf- und überholen (zumindest die „faulen Kreativen“) – und zur absolten Spitze braucht es eben dann beides bzw. alles …
PS: Im Tennis ging es ohne Top-Atheltik bis in die 80er (letzter begnadeter Bewegungskünstler mit schwächerer Athletik an der Spitze wohl John Mcenroe), dann kamen Lendl, Navratilova, Graf. Auch in der Formel 1 sind die Zeiten seitdem von Atheltik geprägt (Prost + Senna, der anfangs auch noch Deifzite in der Athletik hatte). Im Fußball hat man da wohl teilweise dann zu sehr umgeschwenkt und hat heute eine fast perfekte Balance gefunden. Insofern halte ich Aussagen von oben wie „Die WM-Mannschaft von 1990 würde die von 2014 zusammenschießen.“ allenfalls auf der Konsole für gültig 😉 Einem Matthäus würde man heute vom System her kaum den Raum geben, um seine Athletik gewinnbringend einzusetzen – und mal ehrlich Augenthaler und Kroos auf der 6 … da fang ich nicht erst an zu diskutieren! Ich mag das Team von 1990, aber taktisch ud vor allem technisch haben wir heute zur Freude vieler ein ganz anderes Niveau erreicht – und von der Athletik ist das einfach mittlerweile so optimiert, dass man sich da vor niemand verstecken müßte.
Auch wenn in den 90er noch vieles erlaubt war bzw. nicht getestet wurde …

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Koom 23. Dezember 2016 um 08:06

Mit Magnus Carlsen zog ja sogar im Schach die Athletik ein.

Du musst halt einerseits auch lange im Spiel die Konzentration und Kraft haben, deine Ideen umzusetzen. Und du musst die technischen Fähigkeiten haben, deine Ideen umsetzen zu können.

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CHR4 23. Dezember 2016 um 21:45

Danke für den Hinweis, seit dem Deep Blue gegen Kasparov gewonnen hat verfolge ich Schach kaum noch und seitdem Kasparov aufgehört hat gar nicht mehr.

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tobit 23. Dezember 2016 um 10:43

Ich glaube, wir haben etwas aneinander vorbei geredet oder dein Kommentar ging an jemand anderen. Mir ging es ausschließlich um das Verhalten im Spiel.
Dass sich mittlerweile nur noch die auf höchstem Niveau durchsetzen, die perfekt trainieren und alles danach ausrichten, sehe ich genauso. Aber wem das grundlegende Talent (wie mir) abgeht, der wird es auch mit dem Trainingspensum von Cristiano nicht in die Bundesliga schaffen.
Zum Vergleich der 1990er Weltmeister mit den 2014er kann ich nichts sagen, da ich die 1990er nie gesehen habe.

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CHR4 23. Dezember 2016 um 22:48

@ tobit: habe das unter deinen Kommentar geschrieben, weil ich deinem letzten Abschnitt voll zustimme!
bezogen hat sich mein Text darauf und auf das Fazit im Artikel – der angesprochene Vergleich 1990 / 2014 findet sich weiter oben im Kommentar von „Hobby-fussballer“

Da sich die drei Sachen ergänzen und zusammenpassen, hab ich nur einen Kommentar geschrieben und das nicht aufgeteilt – insofern hast du völlig recht, dass das dann zu 2/3 an deinem Kommentar vorbeigeht 😉

zwei Anmerkungen:
Auch wenn es dir nur ums Verhalten im Spiel geht, ist dieses ja nur ein Speigelbild dessen, was man vorher auf und abseits des Trainingsplatzes gelebt hat.

Früher bedeutete Talent für mich: eine Fähigkeit, die ich relativ schnell max. 1-2 Trainingseinheit abchecken kann und mit „kann technisch/taktisch für sein Alter viel bzw. mehr als der Durschschnitt“ und vielleicht noch „lernt Bewegungen/Taktiken relativ schnell bzw. schneller als der Durchschnitt“. Ganz zu Anfang habe ich das vielleicht sogar nur auf „Bewegungstalent“ bezogen.
Heute ist der Begriff für mich viel weiter gefasst: er umfasst Dinge wie Vorerfahrung, Disziplin, Ehrgeiz, Eigenmotivation, „sich quälen können“, soziales und familiäres Umfeld und weiteres.
Beispiel: schmeiß zwei 6-jährigen einen Ball hin und schau, was sie damit anfangen können
A hat seit er laufen kann mit seinen Eltern, die selber Fußball spielen, im Garten gekickt und wohnt neben einem Bolzplatz, an dem er sich oft mit Kindern aus der Nachbarschaft trifft
B ist durch sein soziales Umfeld noch ein Stubenhocker und grade erst aus ner Großstadt, wo es wenig Platz zum kicken in der Nähe gab, in die Nähe von A gezogen …
Wenn A der Biss fehlt, wird B den trotzdem überflügeln, wenn er ein ähnliches Umfeld bekommt.
grundlegendes Talent kommt zum Großteil daher, was man „zu Grunde legt“ also welche Vorhererfahrung man hat und derzeitiges Potential ist für mich immer die Summe der Trainingsstunden, die man im Leben hatte (* Intensität * Trainingsqualität)
Natürlich ist der Zug irgenwann abgefahren, weil es dann einfach sauschwer wird in die entsprechenden Fördermaßnahmen zu kommen, aber wenn man etwas wirklich will und in jungen Jahren dann auch von den Eltern unterstützt wird, kann man verdammt viel erreichen.
Man sollte nicht vergessen, dass die meisten Bundesliga-Spieler noch „sehr junge“ Menschen sind, die eben auch nicht immer professionelles und vorbildliches Verhalten an den Tag legen. Und ich kenne da noch ein paar mehr Geschichten, als das was in der Boulevradpress zu lesen ist. Insofern stelle ich die These auf, dass man mit dem Trainingspensum eines CR7 mindestens 2. Liga spielen wird, wenn das Umfeld einigermaßen stimmt und man sich professionell verhält.
Übrigens hab ich deshalb vor CR7 (und anderen) Respekt, auch wenn ich sie nicht meine Lieblingsspieler sind und ich ihn charakterlich nicht mag. (moralische bewertung von Offshore-Investments mal außen vorgelassen …)

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HansAlaba 22. Dezember 2016 um 13:23

Einer der unterhaltsamsten Artikel überhaupt. Herrlich! Man darf auch mal einfach sagen wenn etwas Scheiße ist!

PS: ich muss mich Earl anschließen und sagen, dass ich die Adventskalnder mit einzelnen Spielern interessanter fande. Gerade über die Spieler die ich schon live gesehen habe (ab circa 2000) fande ich super. Vielleicht könnt ihr euch durchringen das wiederzubeleben 😉

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MR 23. Dezember 2016 um 00:13

Der Wechsel auf Spiele war keine strategische Entscheidung, sondern war einfach – nach knapper Abstimmung – das Thema, was wir dieses Jahr mal machen wollten. Generell bleibt das bestimmt bei Spielern.

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studdi 22. Dezember 2016 um 13:11

Klasse Artikel! Besonders schmunzeln musste ich bei der Ausführung des Roulettes… Das war glaub ich ne zeit lang richtig in Mode 😀
Ich weis noch als Mario Basler es mal vollkommen ohne Gegnerdruck in der nähe einer Eckfahne gemacht hat und danach von den Kommentatoren als feiner techniker Hochgejubelt wurde. In unserem Dorfverein haben dann teilweise sogar Jugendtrainer dieses Roulett in ihr Warmmach Program aus Technik Übungen eingebaut… Ich als kleiner Bub war dann auch ganz stolz das ich das konnte wo doch die Spieler im TV dafür so Hochgejubelt wurden. Nur mein großer Bruder hat mich dann wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt in dem er meine Vorführung nur kurz kommentierte “ das bringt dir gar nix wenn du es ohne Gegenspieler machst…“

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Ancelottis Augenbraue 22. Dezember 2016 um 13:11

Du hast jedenfalls die Balance aus Taktik- und Berichterstattungs-Verriss gefunden. Starker Text!

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HK 22. Dezember 2016 um 12:11

Und wer hat den Fußball gerettet?
Wenn es für manchen auch schwer zu verkraften sein wird, die FIFA.
Ohne die Einführung der Rückpassregel und das drakonische Unterbinden der ewigen Tretorgien (ab den 90-ern) wäre das heute ein völlig anderer Sport. Und die Entwicklung zu diesem Massenphänomen, wie wir es heute kennen wäre zumindest imo so nicht möglich gewesen.
Eines meiner Lieblingsgedankenexperimente dazu, die den Unterschied verdeutlichen. Man stelle sich vor Maradona würde heutzutage Fußball spielen. Wäre so spektakulär wie Jurassic Park.

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JN 22. Dezember 2016 um 13:58

Wäre Maradonna nicht eher ein durchaus begabter Spieler, der aber in der Vielzahl solcher Spieler („ein Hazard geht neben Messi (in der Wahrnehmung) unter“) deutlich an Glanz verlöre?

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HK 22. Dezember 2016 um 18:02

Durchaus begabt? Klingt wie „hat sich stets bemüht“.
Kannst ja mal die Gegenprobe machen und dir Messi in dieser Zeit vorstellen.

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DrKlenk 22. Dezember 2016 um 19:29

Messi ist ja sehr robust und zweikampfstark, glaube nicht, dass er deshalb Probleme bekommen hätte.

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HK 22. Dezember 2016 um 22:31

Probleme?
Na ja, er wäre die meiste Zeit Parterre gelegen. Ich glaube schon, dass das ein kleines Problem für ihn gewesen wäre.

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DrKlenk 23. Dezember 2016 um 00:08

Er wäre mehr gefoult worden als Maradona? Oder er wäre damit schlechter klar gekommen?
Bin mir grade echt nicht sicher, was du meinst.

Koom 23. Dezember 2016 um 09:37

Maradona wirkt auf mich schon ein wenig robuster als Messi.

Messi hätte vor allem das Problem gehabt, überhaupt in eine Profi-Mannschaft zu kommen. Reine Ballfertigkeit hatte er früh, körperlich war er aber sehr lange auf dem Niveau eines A-Jugendlichen. In Barca hat man dann ja auch viel gepäppelt und mit Wachstumshormonen angeblich gearbeitet (und wer weiss mit was noch).

HK 27. Dezember 2016 um 15:09

@DrKlenk:
Ich hatte eigentlich eine etwas ausführlichere Antwort verfasst, die vom Server oder wem auch immer gefressen wurde.
Deshalb noch mal in Kürze: Ich würde davon ausgehen, dass Messi und Maradona in die jeweiligen Zeiten projiziert vergleichbar behandelt würden. Das heißt wir würden einen merklich reduzierteren Messi und einen deutlich präsenteren Maradona erleben.
Letzteres wäre das was ich als positive Vision bezeichnen würde. Was würde ein Maradona daraus machen, wenn man ihn fast das ganze Spiel über laufen lassen müsste?


Koom 22. Dezember 2016 um 12:03

Ein toller Artikel. Sehr unterhaltsam. 😀

Erinnert mich stilistisch an diese Perle über Sven Demandt, der Kühlschrank:
http://archive.is/sTjeg

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Earl 22. Dezember 2016 um 12:02

Bisher habe ich mir jeden Artikel des Adventskalenders begonnen zu lesen und nach spätestens der Hälfte nur noch überflogen, weil ich momentan der Analysen etwas überdrüssig bin. Dieser Text jedoch hatte mich nach 5 Zeilen in seinen Bann gezogen, weil er mir so sehr aus der Seele spricht, dass ich völlig vergessen habe meiner Rolle als stiller und heimlicher Mitleser treu zu bleiben. Ich habe das besprochene Spiel nicht gesehen, kann mir aber vorstellen wie es (und die dazu gehörende Berichterstattung) ausgesehen haben muss.

Ich möchte dir dafür danken, das du dem unterschwellig aggressiv diskutierenden Fußball-Fanatiker in mir eine Stimme verleihst. Besonders der letzte Abschnitt befriedigt meinen Durst nach Konfrontation mit Vertretern festgetretener Denkmuster so sehr, dass ich kurz vergessen habe wie sehr ich Weihnachten und den dazugehörigen Hype eigentlich hasse.

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Hannes 22. Dezember 2016 um 10:57

Es ist nicht leicht, einen Veriss zu schreiben und dabei immer noch (einigermaßen) sachlich zu bleiben. Dir ist es mit diesem Artikel aber gelungen, Hut ab! 🙂
Ich habe das Spiel nie gesehen, werde aber wohl doch mal youtube bemühen müssen. Mal sehen, ob ich das länger als 30 Minuten aushalte. Ich meine, ich gucke regelmäßig SchleFaZ auf tele5, mich kann so schnell nichts mehr schocken… 😉

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Dr. Acula 22. Dezember 2016 um 10:34

„Vielleicht realisiert dadurch irgendwo, irgendeiner, dass es nicht gut ist, Kampf und Wille und dieses ganze Zeug einzufordern, wenn man nicht mindestens genau so viel zu Kreativität und Können und Ideen ermutigt.“

Nimm dir diesen Satz zu Herzen, Oli!

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DrKlenk 22. Dezember 2016 um 13:09

Kahn geht doch im Vergleich zu seinem Kollegen echt häufig auf spielerische Dinge ein und versucht, möglichst wenig Floskeln zu verwenden. Erwartet man vielleicht nicht grade von ihm, ist aber in meinen Augen echt in Ordnung!

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tobit 22. Dezember 2016 um 14:02

Kahn ist aktuell der beste Experte (eigentlich sogar der einzige, der diese Berufsbeschreibung verdient) im deutschen Fernsehen seit Jürgen Klopp. Den ganzen Rest (Scholl, Matthäus und Co.) kann doch echt niemand ernst nehmen, das ist weitestgehend völlig zusammenhangloses Mentalitätsgebrabbel oder einfach nur das letzte Glied der Fehlerkette als Sau durchs Dorf treiben.

Bei den Moderatoren gibt es mittlerweile schon mehr Auswahl. Voss, Bommes und Welke sind alle auf gutem bis sehr gutem Niveau. Bommes bräuchte eigentlich auch gar keinen Experten an seiner Seite, der Scholl steht da doch nur wegen dem „Bayerngen“ (das anscheinend aktuell Vorraussetzung für eine Expertenstelle bei den ÖR ist).

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Izi 22. Dezember 2016 um 21:12

Komplette Zustimmung! Ich persönlich finde darüber hinaus Stanislawski nicht verkehrt…

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tobit 22. Dezember 2016 um 23:45

Stanislawski ist irgendwie der Außenverteidiger in der Berichterstattermannschaft – viel zu simpel eingebunden, soll in 90 Sekunden alles erklären und wird dann als schwächstes Glied angesehen. Da wäre so einiges möglich, wenn man ihm mehr Zeit gibt und sich nicht nur auf die Torszenen beschränkt. Aber wahrscheinlich will „der Fußballfan“ das laut „repräsentativen Studien“ gar nicht sehen

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Izi 23. Dezember 2016 um 08:11

Wenn ich mir anhöre, was mein Umfeld (teilweise selbst Fußballer) für Fachkompetenz hält, :-s glaube ich tatsächlich, dass ihn zu wenige Zuschauer hören wollen. Ich glaube aber auch, dass ihn zu wenige verstehen könnten. Es ist wie mit Spielverlagerung: Diese analytische Art, an ein Fußballspiel heranzugehen, findet immer mehr Zuspruch, bedient aber dennoch nur eine Nische. Welcher Prozentsatz der Bevölkerung geht ins Theater / in die Oper? Und welcher Prozentsatz der Besucher liest dann noch eine Kritik zu der Aufführung?
Schade ist nur, dass man Stani nicht Stani sein lässt und der Nische auch etwas im Fernsehen bietet. Wen’s nicht interessiert, kann ja in der Zeit auf’s Klo oder sich noch ein Bier aufmachen… 😉

Izi 23. Dezember 2016 um 08:12

Den Vergleich mit dem Außenverteidiger finde ich sehr passend! 🙂

tobit 23. Dezember 2016 um 11:04

Bei mir im Umfeld will zumindest keiner mehr die Viererrunde von Sky (Matthäus und Co.) oder Scholl sehen, weil deren Inkompetenz mittlerweile jedem ins Auge springt. Zu Kehl, Jansen und den anderen Sky-Experten kann ich nichts sagen, die hab ich zu wenig gesehen.
Man könnte ja mal einen Versuch starten, mehr Taktik zu erklären und die tatsächlichen Reaktionen des Publikums einfangen, statt sich auf irgendwelche Studien mit <1000 Probanden zu verlassen. Oder man bringt mal eine Sendung auf einem der Spartensender (sei es bei Sky oder den ÖR), die sich explizit mit Taktiken z.B. des letzten BL-Spieltags beschäftigt. Sowas wie den Bundesligacheck fürs Fernsehen. Wenn das nur annähernd die Quoten von Zeigler (als aktuell "hipsterigstem" BL-Magazin im TV) erreicht, dürfte der Sendeplatz eigentlich kaum in Gefahr geraten.
Apropos Oper (mit Steuergeld querfinanziertes Nischen-Kulturprodukt): Warum können die ÖR eigentlich ständig Heimatfilme, die (fast) niemand sehen will, oder Nischensportarten mittels Zwangsabgabe querfinanzieren, aber nicht andere Nischen, wie Fußballtaktik?

CHR4 23. Dezember 2016 um 00:29

aber auch anders herum wird (k)ein Schuh draus (siehe mein Kommentar weter oben):

„Vielleicht realisiert dadurch irgendwo, irgendeiner, dass es nicht gut ist, Kreativität und Können und Ideen und dieses ganze Zeug einzufordern, wenn man nicht mindestens genau so viel zu Kampf und Wille ermutigt.“

… wäre ebenso richtig – es braucht beides zu Top-Leistungen!

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MR 24. Dezember 2016 um 06:59

Naja. Ohne Kampf und Wille gewinnt man vielleicht bisschen weniger, aber der Zuschauer kann sich’s wenigstens anschauen und Spaß hat man auch.

Aber gut, wir leben in einer Gesellschaft, in der das Ergebnis das wichtigste oder manchmal auch das einzige ist, was zählt. Kann man wohl nix machen.

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