Starke Kroaten verspielen den Sieg in der Schlussphase

2:2

Zwei späte Treffer Tschechiens bringen Kroatien um den verdienten Sieg, nachdem sich die Mannschaft von Trainer Ante Cacic in der ersten Stunde der Partie durch die beiden Tore von Ivan Perisic und Mario Mandzukic ein eigentlich komfortables Polster erspielt hatte. In der Kurzzusammenfassung dieses Spiels lässt sich festhalten:

Startaufstellungen und grundsätzliche Bewegungsmuster zu Spielbeginn.

Startaufstellungen und grundsätzliche Bewegungsmuster zu Spielbeginn.

  • Bei den Kroaten führte der Fokus auf die eigenen Sechser in Kombination mit einigen unpassenden Mustern in Tschechiens Pressing in der ersten Halbzeit zu stabilen Strukturen im Auf- und Übergangsspiel.
  • Über einen hohen Flügel- und Flankenfokus bei recht unterschiedlichen Bewegungsmustern der einzelnen Akteure auf den beiden Seiten erspielten sich die Kroaten eine Vielzahl an Torabschlüssen.
  • Angepasste Mechanismen im Spiel gegen den Ball und eine deutlich höhere Aktivität der tschechischen Außenverteidiger veränderten die Statik des Spiels nach der Pause.
  • Kroatien hatte damit gerade in den Minuten nach dem Seitenwechsel kurzzeitig Probleme, stabilisierte sich aber gegen Ende der Partie wieder.

Kroatiens asymmetrische Offensivmuster

Die Kroaten begannen die Partie mit der gleichen personellen Besetzung wie im ersten Gruppenspiel gegen die Türkei. Dabei gab es mit Srna und Strinic auf den beiden Außenverteidigerpositionen zwei unterschiedlich agierende Akteure: Kapitän Srna rückte schon im Spielaufbau weit mit nach vorne, um sich in späteren Phasen des Angriffsspiels am Kombinationsspiel seiner Mannschaft im zweiten Drittel zu beteiligen oder bis zur Grundlinie durchzulaufen. Strinic hingegen agierte im Aufbauspiel tief und half ansonsten vornehmlich dabei den defensiven Umschaltmoment aus einer tiefen Position heraus abzusichern. In der Folge agierte Perisic auf dem rechten Flügel eher breit und situativ in die Spitze nachstoßend, während Brozovic viel zur Mitte einrückte und so immer wieder Rochaden und Kreiselbewegungen mit Rakitic und Mandzukic anstieß. Mandzukic wich im Rahmen dieser Rochaden viel auf den rechten Flügel aus, während Rakitic dessen Position in der Spitze besetzte. Dazu gab es auch simple Ausweichbewegungen Rakitics auf den rechten Flügel zu sehen, wenn Srna noch nicht ins letzte Drittel aufgerückt war. Rakitic tendierte während des ganzen Spiels leicht nach rechts und hielt sich deshalb oft im rechten Halbraum auf, wo er zwischen den Linien vertikale Zuspiele von Modric erhalten sollte. Um dem 28-Jährigen dort möglichst viele Freiheiten einzuräumen, lies sich Brozovic im Aufbau immer wieder zurückfallen, um den linken tschechischen Sechser Plasil von Rakitic wegzuziehen, während Mandzukic den ballnahen Innenverteidiger Hubnik blockte.

In der ersten Phase der Angriffe waren es die beiden Sechser Badelj und Modric, die sehr tief agierten und die beiden Innenverteidiger weitestgehend von ihren Aufgaben im Spielaufbau befreiten. Zu Beginn der Partie kippte Modric vor allem zentral ab. Nach der Anfangsphase agierte er dann vermehrt aus dem rechten Halbraum sowie dem Raum hinter Srna heraus.

Insgesamt suchten die Kroaten im Anschluss an kurze Phasen der Ballzirkulation im ersten Drittel schnell den Weg auf die Flügel, um dort einfache Raumgewinne zu verbuchen und anschließend zu Torabschlüssen nach Flanken zur Mitte zu kommen. Die angesprochenen Bewegungsmuster führten dazu, dass sich auf dem linken Flügel lineare und direkte Angriffe ergaben, aus denen vielfach auf den aufgerückten Srna auf der anderen Seite verlagert wurde. Dort ergaben sich aus dem geordneten Aufbau im Vergleich zum linken Flügel aufgrund der vielen Positionswechsel gruppentaktisch deutlich anspruchsvollere Bewegungsmuster, mit denen die Tschechen große Probleme hatten.

Tschechiens unpassender Pressingfokus

Dass Kroatien in der ersten Halbzeit derart dominant auftreten konnte, lag neben deren guten Abläufen auch am unpassenden Fokus der Tschechen in deren eigenen Pressing. In der 4-4-2-Grundordnung, in der Rosicky gegen den Ball neben Lafata aufrückte, orientierte sich die erste Linie nämlich stark an Modric (Lafata) und Badelj (Rosicky). Beide sollten in den Deckungsschatten von Rosicky und Lafata verschwinden und auf diese Art und Weise aus dem Aufbauspiel genommen werden. In den ersten Minuten klappte das gut, weil man diesen Plan in Kombination mit einem insgesamt relativ hohen Pressing ausführte, in dem die gegnerischen Innenverteidiger und Torhüter angelaufen wurden. Nach den Anfangsminuten kippte Modric dann, wie bereits angesprochen, nicht mehr zentral ab, sondern rechtsseitig heraus, während Badelj den tiefsten zentralen Akteur gab. Weil sie den Fokus gegen den Mann aufrechterhielten, nahm die Anpassung Rosicky und Lafata deren Wirkung im Pressing. Beide konnten jetzt nicht mehr vor den gegnerischen Sechsern agieren, sondern mussten sich hinter diese fallen lassen. Vor allem die Tatsache, dass Lafata Modric bis weit auf den Flügel verfolgte, hatte eine sehr destruktive Wirkung auf das eigene Pressing. Lafata ließ so nämlich die Verbindung zwischen ihm und Rosicky offen und blockte ein Aufrücken Krejcis oder Plasils, sodass Tschechien nie Zugriff auf den kroatischen Aufbau bekommen konnte. Auch Verlagerungen aus dem rechten Halbraum zur linken Seite waren teilweise ein Problem für die Tschechen, weil Skalak weit nach vorne in gedachte 4-3-3-Staffelungen rücken musste, um diese prinzipiell zu verhindern, dadurch aber selbst bei Flugbällen in seinen Rücken anfällig wurde.

Tschechiens Rechtsfokus und Kroatiens Pressing

Auch die Kroaten nutzten eine 4-4-2-Grundordnung als Form des Mittelfeldpressings, wobei Rakitic neben Mandzukic in die erste Pressinglinie aufrückte. Die Tschechen reagierten auf diese Spielweise zum einen mit breiten Innenverteidigern, die wenn möglich mit Ball am Fuß aufrücken sollten und dem gut balancierten zentralen Abkippen Plasils oder dem seitlichen Herauskippen Daridas. Zum anderen gab es mit Lafata im Angriffsdrittel einen Zielspieler, der lange Zuspiele aus dem Aufbau erhalten sollte, der aber phasenweise auch weit zurückfiel, um zwischen den Linien anspielbar zu sein. In Situationen, in denen Lafata als Zielspieler mit weiten Bällen gesucht wurde, gab es vornehmlich 1-2-Staffelungen zu beobachten, wenn Rosicky nach vorne aufrückte und Krejci von der linken Seite einrückte, während Skalak als Durchbruchsspieler auf der rechten Seite verblieb. Generell tendierten Darida, Rosicky und Lafata während der gesamten Partie alle zum rechten Flügel, der deshalb auch den Hauptangriffsbereich der Tschechen darstellte. In der Regel versuchten die Tschechen dort den Ball schnell in die Tiefe zu spielen, um sich einfache Flügeldurchbrüche zu erspielen oder anschließend über Rückraumkombinationen mit Rosicky oder Darida zu Torchancen zu kommen. Dass dieser Plan zumindest in der ersten Halbzeit nicht aufging, lag letztlich am guten Pressing der Kroaten, dass in der Anlage stark nachschiebend und leitend war und in dieser Art und Weise gut zum Spiel der Tschechen passte.

Hohe Außenverteidiger und ein veränderter Fokus im Pressing verändern die Spieldynamik

Sowohl bei den Tschechen als auch bei den Kroaten gab es zur Pause noch keine Wechsel. Dafür passten die Tschechen aber wesentliche Details ihrer Spielweise an, was dazu führte, dass sich die Spieldynamik stark änderte. Limbersky und Kaderabek auf den beiden Außenverteidigerpositionen agierten von nun an deutlich offensiver, was schlussendlich mehr Präsenz in letzter Linie bedeutete und die Kroaten im Verbund insgesamt zurückdrängte. So bekamen die tschechischen Aufbauspieler mehr Freiheiten und die Überladungen der rechten Seite mehr Gewicht. Vor allem Darida und Rosicky kamen so zu mehr Aktionen, was in einem stark verbesserten Übergangsspiel und einem besseren Zugang zum letzten Drittel resultierte. Außerdem orientierten sich Lafata und Rosicky im Pressing nun deutlicher an Vida und Corluka, sodass nun häufiger 4-2-2-2-Staffelungen zu sehen waren, die man dazu nutze, Modric und Badelj zugriffsorientiert zu verteidigen. Vida und Corluka hatten so prinzipiell mehr Aktionen im Aufbau und wurden dabei stärker unter Druck gesetzt als noch in der ersten Halbzeit.

Bei den Kroaten gab es in der ersten Stunde der Partie wenige Anpassungen zu sehen. Einzig und alleine Brozovic und Perisic tauschten des Öfteren die Seite. Nach etwa 55 Minuten reagierte man jedoch auf die veränderte Spielweise der Tschechen, indem Modric und Badelj nun konsequent höher spielten und die Außenverteidiger in den Aufbau mit eingebunden wurden. Die Tschechen sollten mit dieser Spielweise (bei gleichzeitiger defensiver Stabilität) zunächst gelockt werden, um anschließend Modrics Stärken im Engenspiel bewusst zu nutzen.

In der Defensive wählten die Kroaten für den Rest der Partie eine passive Mischung aus Mittelfeld- und Abwehrpressing. Als in der 60. Minute nach einem Fehler im Aufbau von Hubnik der Treffer zum 2:0 durch Mandzukic fiel, war das Spiel eigentlich entschieden. Die Kroaten verlegten sich aufs Kontern und zeigten sich defensiv soweit auch stabil. Auch wenn sich an den grundsätzlichen taktischen Mustern und der grundsätzlichen Spieldynamik bis zum Ende nicht mehr viel änderte, kamen die Tschechen in der 76. Minute nach einer guten Aktion von Rosicky durch den eingewechselten Skoda zunächst zum Anschlusstreffer, Necid erzielte kurz vor Spielende per Elfmeter sogar noch den Ausgleich.

Fazit

Die Kroaten konnten mit dem Unentschieden gegen Tschechien auch ihr zweites Spiel bei diesem Turnier erfolgreich bestreiten (zumindest was die Folgen des Ergebnisses angeht) und stehen bereits zu diesem frühen Zeitpunkt im Achtelfinale. Bis auf die kurze Phase nach der Halbzeit und weitere wenige Einzelsituationen gelang es der Mannschaft die Partie zu kontrollieren. Die Tschechen hingegen zeigten sich vor allem in der ersten Hälfte in der Offensive harmlos und im Pressing unpassend und wurden erst in der zweiten Hälfte mutiger.

Nutmeg messi 19. Juni 2016 um 10:59

Vielen Dank für den Bericht. Bin ein großer Fan von Kroatien und ich hoffe das ich kovacic, rakitic und modric nochmal zusammen auf dem Platz sehe.

2 Fragen die offtopic sind. Zum ersten: Gestern habe ich mal Copa America eingeschaltet und War begeistert. Argentinien ist auf Venezuela getroffen und ich wurde allgemein sehr gut unterhalten. Der Fußball ist doch noch ein anderer als in Europa, so ist mir besonders die Risikobereitschaft aufgefallen. Mehr Zug zum Tor, mehr Dribblings. Bei der EM hab ich das Gefühl das Stabilität und Kompaktheit das Wichtigste ist. Wie wurde der copa America bisher von euch aufgefasst?

Und eine Frage an die Autoren: Von euch spielen ja auch noch Vereinsfußball. Könnt ihr euer analysierenden Fähigkeiten auch im Spiel anwenden und könnt die Schwachstellen des Gegners ausmachen und bewusst bespielen oder ist das im Spiel schwierig? Würde mich echt interessieren auch im Hinblick auf den professionellen Fußball inwieweit die spieler alleine reagieren können.

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Nutmeg messi 19. Juni 2016 um 11:21

Mit mehr Dribblings meine ich natürlich nicht nur Messi^^ Der Mann hat gestern wieder wie von einem anderen Stern gespielt. Aber das brauch man ja nicht mehr zu erwähnen

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