Spaniens zäher Auftakt gegen defensiv angepasste Tschechen

1:0

Spanien tut sich schwer gegen das etablierte 4-5-1 und muss zu Flanken greifen.

Erst in der letzten Minute gelang den Spaniern gegen die Außenseiter aus der Tschechischen Republik der Siegtreffer nach einer Flanke von Iniesta. Bis dahin dominierte der Titelverteidiger aber das Spiel in mehr oder minder gewohnter Manier. Die Angriffsstrukturen der „Furia Roja“ waren jedoch etwas ungewohnt; ebenso das Defensivsspiel der Tschechen, die in der Quali mit einem ganz anderen Stil für Spektakel sorgten.

Rosický auf die Acht im 4-5-1

SPA - CZESo setzte Trainer Pavel Vrba nicht auf sein gewohntes 4-2-1-3, sondern zog die Flügelspieler und Kapitän Rosický in einer Fünferreihe zurück. Es ist ja mittlerweile ein bisschen der Klassiker gegen starke Ballbesitzmannschaften: das 4-5-1 mit drei Sechsern, die flexibel herausrücken können, um gegen die gegnerischen Bewegungen anpassungsfähig zu bleiben, mit breiten Flügelspielern Verlagerungen zu kontrollieren und sich ansonsten darauf konzentriert, den Sechserraum dichtzumachen.

Das erledigten die Tschechen auch gut. Sie suchten Zugriff erst im Abwehrdrittel und nicht schon vor der Mittellinie, wodurch sie auch kompakter standen und nicht die üblichen Mannorientierungslücken öffneten. Im Zwischenlinienraum gingen sie zwar vereinzelt Mannorientierungen ein, die konnten in der kompakten Grundstaffelung aber leichter balanciert werden. Freilaufbewegungen im Zwischenlinienraum wurden dadurch gut aufgefangen; zuweilen wechselten die Sechser flüssig die Positionen oder Abwehrspieler rückten heraus.

Spanien mit Asymmetrie, Überladungen und Flanken

Spanien konnte gegen Necid problemlos den Ball zirkulieren und versuchten dann wie gehabt aus dem defensiven Mittelfeld in die Kreativräume einzudringen. Das gelang gegen die Fünferreihe aber nicht so richtig. Dabei war die Spielanlage eigentlich recht interessant asymmetrisch: Alba spielte etwas tiefer als Juanfran und Silva hatte dementsprechend die logische zentrale Freirolle, während Nolito auf links Breite gab; vermutlich wurde er auch deshalb dem wesentlich aktiveren Pedro vorgezogen. Fabregas rückte von der rechten Acht eher in die Zehnerräume auf, während Iniesta das Spiel aus dem linken Halbraum ankurbelte. So lag der Fokus auf einer Überladung links und halblinks – dort sind auch die bevorzugten Räume für Morata.

Allerdings wurden diese Überladungen etwas ungeschickt ausgespielt. Umliegende Zonen verwaisten teilweise und es fehlten Spieler, die sich für Anschlussaktionen an Kombinationen positionierten. Moratas Bewegungen passten beispielsweise nicht so recht; er hätte sich wohl eher ballfern absetzen sollen, um Gegenspieler zu binden und dann im Strafraum angespielt zu werden, stattdessen zog es ihn nach links, wo er quasi das Spiel der eigenen Mannschaft festnagelte. Auch Silva und Fabregas hatten Schwierigkeiten, Tororientierung in ihre Aktionen zu bekommen. So wurde auch der Halbraum trotz massiver Besetzung gar nicht so häufig genutzt, sondern das Spiel lief zu häufig auf den Flügel raus, wo Nolito dann Aktionen gegen einen engstehenden Gegner initiieren musste, wofür ihm die Kreativität fehlte.

In der Folge bestanden die spanischen Strafraumszenen zum Großteil aus Flanken. Das wirkte nicht unbedingt wie ein bewusster Fokus, sondern eher eine Alternative, die dann allerdings doch ziemlich häufig genutzt werden musste, weil die Spanier spielerisch zu selten die Lösungen fanden. Letztlich fiel das Siegtor dementsprechend nach einer solchen Flanke; wenn auch im Anschluss an eine Standardsituation. Im Grunde war es also ein typischer „Offensivpräsenz-Sieg“ – sehr viel am gegnerischen Strafraum gewesen, dadurch defensiv kaum Beschäftigung gehabt, Null gehalten, irgendwann irgendwie einen reingedrückt.

Tschechiens Offensive fehlt der Zehner und die Quantität

Diese Art von Spiel war ein bisschen schade, weil die Tschechen in der Qualiphase wohl das offensivste Team aller EM-Teilnehmer war und auch trotz Gruppensieg die meisten Gegentore kassierten. Ihre Qualitäten im druckvollen, weiträumigen Ballbesitzspiel konnten sie aber nur andeuten. Man bemerkte sie in der Endphase; davor konnte man sie erahnen, doch die spanischen Ballbesitzanteile sorgten dafür, dass das schlichtweg zu selten passierte. Tschechien hatte zu wenig Spielaufbau.

Wenn sie welchen hatten, sah das eigentlich ganz gut aus. Das spanische Pressing zwang sie teilweise zur Eröffnung mit dem langen Ball, ansonsten versuchten sie aber schon, selbstbewusst aufzufächern und eine Ballzirkulation aufzuziehen. Allerdings fehlten mehrere Säulen des Offensivspiels: Der spielstarke Kadlec wurde nicht eingesetzt, sondern Abräumer Hubnik eröffnete des Spiel auf der linken Innenverteidiger-Position stattdessen. Zudem ist Sechser Pavelka mit seinen geschickt getimeten Freilauf- und Abkippbewegungen für die Ballsicherung wichtig; Plasil und Darida sind zwar ebenfalls gute Techniker, aber können diese Qualität nicht auf gleiche Weise einbringen.

Mit der Dreifachsechs wurde außerdem schlichtweg die Aufbaustruktur etwas umgeworfen. Die drei Zentrumsspieler bewegten sich sehr frei – und dadurch teilweise wirr – durch das Mittelfeld und versuchten situativ entweder die Verbindung zu Necid herzustellen oder die Bälle von hinten zu fordern. Das führte zu seltsamen Staffelungen und funktionierte in beide Richtungen nicht konstant. Necids Spiel litt sichtlich unter der Konstellation, da er als Stürmer extrem über Ablagen kommt, nun aber schlichtweg keinen Mitspieler hatte, der die Räume um ihn herum besetzte. Ein paar Mal legte er den Ball sogar einfach ins Nichts ab.

Fazit

Tschechien fokussierte sich also auf die Kontrolle der gegnerischen Stärken, statt die eigenen Stärken einzubringen, was ordentlich funktionierte, aber doch zu einer völlig verdienten Niederlage führte; Spanien hätte das Tor auch eher erzielen können. Da Vrba allerdings einen offensiven Plan A in der Hinterhand hatte, wäre das vielleicht gar nicht so schlimm gewesen; der späte Zeitpunkt des Tores sorgte für ein Spiel, das viel uninteressanter war als es potentiell hätte werden können.

HerthaFan 18. Juni 2016 um 09:29

Kann jemand sagen, warum bei Tschechien die drei zentralen Mittelfeldspieler auch defensiv ständig ihre Positionen untereinander wechselten? Ist das nur auf die „wirren“ Offensivbewegungen des Trios zurückzuführen, so dass sich bei Rückzug eine zufällige Reihenfolge ergab? Oder steckt da mehr dahinter?

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GatlingJ 17. Juni 2016 um 22:39

zum jetzt gerade aktuellen 2nd game (3:0 vs Türken):
jetzt ist alles wieder nahezu Standesgemäß im Turnier: Spanien blotzt sie weg mit dem annähernd ersten Schützenfest.
Das wird Spanien, Italien, Frankreich über die der Titel zu holen ist, eigentlich auch DL, aber die müssen gegen Italien im VF erstmal gegen sich selbst und ihre Loosersträhne gewinnen.
Diese anderen Mini-Nationen sind schon eine Abwechslung aber am Ende bleibt es Standesgemäß.

Zum Spiel der Spanier gegen Türken: sie machen all das im letzten Drittel, was DL nicht macht:
Ball in den Strafraum, Pässe aus Bewegung geben und annehmen, zwingend mit Torschuss oder Kopfball abschließen. Die Spieler der N11 wirken wie lahme Enten die endlos um den Kreis spielen wie beim Handball.

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pb 17. Juni 2016 um 23:45

Die Kroaten sind schon richtig gut, abhängig von den sich ergebenden Paarungen in den KO-Runden ist denen durchaus das Halbfinale zuzutrauen ( Falls sich die „Fans“ nicht wieder daneben benehmen… ) Die ganzen anderen „Geheim“favoriten kann man allerdings tatsächlich mal wieder in der Pfeife rauchen.

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Dr. Acula 17. Juni 2016 um 17:28

diese drei 6er erinnern mich irgendwie immer an mourinhos inter gegen peps barca damals… auch wenn die meisten teams natürlich nicht ganz so extrem defensiv spielen.. interessant, wie sich das – wie hier beschrieben – mittlerweile so bisschen eingebürgert hat…

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