Chelsea verteidigt sich einen Punkt bei den Spurs

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Im Derby empfängt Tottenham Chelsea. Pochettinos Elf ist seit zwölf Ligapartien ohne Niederlage, während Chelsea weiterhin der letztjährigen Form hinterherhechelt und kaum noch Chancen hat, in Reichweite der CL-Plätze zu kommen. Würde Mourinho nun auf vollen Angriff schalten oder sich gegen Tottenham abermals aufs Kontern verlegen?

Tottenhams interessante Struktur

Grundformationen

Grundformationen

Nominell war eigentlich klar, dass Tottenham entweder im 4-4-1-1 (Eriksen seitlich, Dembele als tiefer Zehner) oder im 4-1-4-1 (Dembele als Achter) pressen würde. Auf dem Platz gestaltete sich das allerdings anders. Anstatt der klaren Viererreihe im Mittelfeld und Eriksen auf dem Flügel war es meistens Mason, eigentlich ein Sechser/Achter, der gegen den Ball die rechte Seite abdeckte. Dembele wiederum spielte als Sechser mit Dier. Letzterer konnte sich gelegentlich auch zwischen die Innenverteidiger zurückfallen lassen, obgleich er dies meistens in Ballbesitz und nach Ballverlusten kurzzeitig machte.

Eriksen wiederum agierte zentral als Zehner hinter Kane, doch schob teilweise ebenfalls etwas nach rechts. Interessant war die Verbindung mit Son und Mason. Son als linker Flügelstürmer spielte ziemlich invers und einrückend, ein paar Mal entstanden im Pressing dadurch asymmetrische 4-3-3-Staffelungen; Son auf links, Kane zentral, Eriksen auf halbrechts vor Dambele halblinks, Dier zentral und Mason rechts.

Prinzipiell funktionierte dies gut, auch weil man meistens (und in tieferen Zonen fast immer) eine klare Viererreihe im Mittelfeld herstellte und Eriksen als offensiver Spieler gut nach hinten unterstützte. Der Pressingübergang und die Kompaktheit waren ebenfalls auf gutem Niveau, was Chelsea im letzten Drittel vor Probleme stellte. Desweiteren äußerte sich das System auch interessant in eigenem Ballbesitz.

Walker in der Alves-Rolle?

Beim FC Barcelona gab es immer wieder Phasen, in denen Dani Alves die gesamte rechte Seite nahezu im Alleingang beackerte. Seine Mischung aus übermenschlicher Athletik, starker Technik und gutem Spielgespür erlaubte ihm das. Tottenhams Kyle Walker ist nicht ganz so kreativ und dribbelstark wie Alves, doch trotz häufiger Kritik an ihm ist er keine reine Physismaschine; er besitzt durchaus die Fähigkeit gute Läufe mit passendem Timing zu machen oder sich erfolgsstabil in schnellen, schwierigen Kombinationen zu bewegen.

Dennoch dürfte es vorrangig seine Physis gewesen sein, welche ihm die Rolle im System Tottenhams ermöglichte.  Mason, der nominelle Flügelstürmer, rückte bereits in tiefen Zonen ein und besetzte meistens den defensiven Halbraum oder sogar den Sechserraum. Dembele – der linke Sechser – spielte eine ähnliche Rolle im linken Halbraum, während der rechte Sechser Dier sich tiefer bewegte, eng vor den Innenverteidigern spielten und gelegentlich auch zwischen diese beiden abkippte.

Diese Systematik sollte vermutlich für einen von zwei Vorteilen sorgen: Entweder den gegnerischen Flügelstürmer in die Mitte rücken und Räume auf der Seite öffnen, was bei Pedro einige Male funktionierte, oder in der Mitte eine Überzahl zu generieren. Dies war vermutlich das primäre Ziel, insbesondere weil sich Pochettino wohl eher den oft aus der Verteidigungsarbeit ausgenommenen Hazard auf dieser Position bei Chelsea erwartete. Außerdem sollte Mason aus dieser Position wohl mehr Präsenz im defensiven Umschaltmoment geben.

Aufbau Tottenhams

Aufbau Tottenhams

Walker blieb somit meistens alleine rechts, obgleich Mason besonders bei hohen Angriffen über links wieder etwas breiter agierte und natürlich Eriksen im halbrechten Halbraum ebenfalls unterstützen konnte. Oftmals gab es aber Versuche über die rechte Seite nach vorne zu stoßen und dann in die Mitte zu spielen, wo der eingerückte Son, der frei bewegliche Eriksen und Kane das Sturmzentrum überluden und vom vorstoßenden Dembele noch zusätzlich unterstützt werden konnten.

Tottenham hatte darum – und wegen der tieferen Pressingausrichtung Chelseas – deutlich mehr Ballbesitz. Hochqualitative Chancen blieben aber Mangelware. Chelsea hatte sich nämlich in den letzten Wochen zumindest defensiv wieder etwas gesteigert.

Chelseas Krise: Verringert, aber nicht überwunden

Die Mannschaft José Mourinhos wurde im vergangenen Jahr noch Meister in der englischen Premier League – in recht dominanter Art und Weise sogar –, diese Saison haben sie aber Probleme. Zurzeit befindet man sich auf dem 15ten Tabellenplatz, zwischenzeitlich befand man sich sogar auf einem Abstiegsplatz. Einige Experten verglichen diese Krise mit dem BVB letztes Jahr.

Im Vergleich zum BVB sind aber die „Expected Goals“-Werte Chelseas dramatisch abgesunken. Während der BVB letztes Jahr weiterhin zur Spitzengruppe der Bundesliga gehörte, aber mit kleinen System- wie Einzelfehlern und Pech zu kämpfen hatte, spielt Chelsea (fast) ihrem aktuellen Tabellenplatz entsprechend. Auch unsere Analyse zu Saisonbeginn gegen Manchester City zeichnete kein gutes Bild der Blues.

Woran das genau lag, ist unklar. Manche sprachen von einem Entlassungswunsch Mourinhos, andere von internen Problemen mit den Spielern (besonders nach der Eva-Carneiro-Affäre) und viele schoben es auf die sehr kurze, sehr schlecht verlaufene Saisonvorbereitung. Aktuell ist Chelsea zwar nach wie vor weit vom erwarteten Level einer Mourinho-Mannschaft entfernt, aber es gibt durchaus Verbesserungen zu beobachten.

Chelsea spielt weiterhin im 4-4-1-1, haben gelegentlich leichte 4-1-4-1-Ansätze, werden im Pressing aber meistens zu einem 4-4-2. Oscar schiebt dann nach vorne und unterstützt den Mittelstürmer – in dieser Partie Eden Hazard. Im Gegensatz zu den ersten Saisonspielen besitzt Chelsea zurzeit wieder eine einigermaßen kompakte Ausrichtung und ein etwas intensiveres, saubereres Verschieben zum Ball.

Desweiteren beteiligten sich nun alle Mittelfeldspieler an der Defensivarbeit. Hazard vorne musste sich nicht in tieferen Zonen bewegen, Pedro als sein Ersatz auf der linken Außenstürmerposition  war wie üblich überaus intelligent und agil gegen den Ball; oftmals schob er in Richtung des einrückenden Mason und sprintete bei Verlagerungen sofort in Richtung Walker. Einzig die vielen Mannorientierungen sorgen immer wieder für schlechte Staffelungen – zu tiefe Flügelstürmer (Willian) und offene Räume in der Mitte vornehmlich. Chelseas größere Probleme gab es aber bei eigenem Ballbesitz.

Nur geringe Verbesserungen mit Ball

Zu Saisonbeginn kritisierte ich die sehr unsauberen Staffelungen in Ballbesitz. Man hatte kaum Präsenz, eine schlechte Raumaufteilung und sehr viele isolierte Aktionen ohne wirkliche Bindung zu den anderen Mannschaftsteilen oder die Möglichkeit eine effiziente Abschlusssituation zu generieren. Die Veränderungen seither sind gering. Die Raumaufteilung ist etwas besser, aber nach wie vor nicht gut und die Aktionen weiterhin ziemlich individuell. Meistens müssen Hazard und Co. über Einzelaktionen und Unterzahlkombinationen für Torchancen sorgen, was gegen gute Abwehrreihen schlichtweg nicht konstant funktionieren kann.

Die Probleme deuten sich schon im Aufbauspiel an. Die Außenverteidiger agieren sehr breit, dabei jedoch auch ziemlich tief. Im Verbund mit der etwas trägen Ballzirkulation können sie kaum gefährliche Aktionen nach vorne machen und auch die Passoptionen sind meist schon zugestellt. Die Offensivspieler müssen meistens zu viert die gesamten Räume zwischen gegnerischer Abwehr und gegnerischem Mittelfeld besetzen.

Aufbau Chelsea, Pressing Tottenham

Aufbau Chelsea, Pressing Tottenham

Willian und Pedro rücken dabei nur leicht in die Halbräume, Oscar und Hazard besetzten in dieser Partie den Zwischenlinienraum. Womöglich wollte Mourinho – neben einem psychologischen/disziplinarischen Zeichen an Diego Costa – auch darum mit Hazard vorne agieren, weil der Belgier nicht nur aus schwierigen Situationen Abschlüsse schaffen kann, sondern weil Chelsea die Besetzung des Sturmzentrums zugunsten mehr Präsenz im Zehnerraum ohne höhere Sechser oder Außenverteidiger kreieren wollte.

Trotzdem waren die Angriffsstrukturen recht eng und viele Aktionen isoliert. Die einzelnen Positionswechsel, z.B. Willian und Oscar oder auch Hazard und Pedro, brachten wenig. Die 2-2-Staffelung von Innenverteidigern und Sechsern war ebenfalls etwas problematisch, erst bei späterer höherer Positionierung Fabregas in der zweiten Spielhälfte war man präsenter in Tottenhams Formation.

Zweite Halbzeit

Kurz nach der Halbzeit musste Pochettino den angeschlagenen Mason auswechseln und brachte Lamela, was für eine ähnliche, aber orthodoxere Struktur bei Tottenham sorgte. Lamela und Son spielten nun als Flügelstürmer, rückten in die Halbräume ein oder probierten Dribblings aus breiten Positionen, während Kane und Eriksen in der Mitte Verbindung zu ihnen suchten. Eriksen ließ sich aber auch – vermutlich wegen Masons Fehlen – nun stärker im Aufbauspiel zurückfallen und fand sich einige Male gar im Sechserraum wieder. Desweiteren ging Eriksen öfters nach links in Richtung Fabregas und entzog sich damit Matics Zugriff.

Chelsea wiederum spielte etwas aktiver gegen und mit dem Ball, Pedro und Hazard tauschten z.B. die Position und Willian bewegte sich häufiger in die Mitte, um den Spielaufbau zu unterstützen. Das ermöglichte wiederum Fabregas‘ eine etwas höhere Ausrichtung, hatte jedoch kaum einen Effekt. Chelsea hatte etwas mehr vom Ball und mit der Einwechslung N’Jies schien sich Tottenham selbst mehr aufs Konterspiel zu konzentrieren, dennoch blieb es bei der Nullnummer.

Fazit

Kein Fußballfest, aber durchaus ein interessantes Spiel. Zwar fehlte es beiden Teams am konstanten Herausspielen guter Chancen, defensiv waren sie aber nicht schlecht und legten eine passable Strategie an den Tag. Chelsea scheint langsam wieder etwas besser zu werden, obgleich es in der Offensive noch klaren Verbesserungsbedarf gibt. Die Spurs wiederum hatten eine interessante Ausgangsausrichtung, wo besonders die Rolle Masons auffällig war. Die Nullnummer geht – trotz etwas Überlegenheit der Spurs über neunzig Minuten – in Ordnung.

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