1:0 mit maximaler Souveränität im spanischen Ex-Spitzenspiel

1:0

Sevilla gegen Valencia ist das Duell zweier Mannschaften, die in den letzten Jahren immer wieder gute Leistungen zeigten, aber im Schatten der großen Mannschaften Spaniens standen. Sevilla konnte sogar international konstant für Furore sorgen. Aktuell hinken die beiden Teams aber in der Tabelle hinterher.

Leichte Systemunterschiede gegen den Ball

Grundformationen

Grundformationen

Beide Mannschaften verteidigten in einer Art 4-4-1-1. Allerdings gab es hierbei ein paar Unterschiede zwischen den beiden Mannschaften zu beobachten.

Bei Sevilla war es häufig ein 4-2-3-1 im höheren Pressing, was bei Valencia eigentlich nie vorkam. Die Flügelstürmer positionierten sich meistens höher als die Sechser und zwischen den Sechsern und den Außenverteidigern des Gegners. Banega spielte in einer Linie mit ihnen auf der Zehn und stellte den Sechserraum zu. Damit wollte man Pässe in die Mitte verhindern und situativ auf die Innenverteidiger des Gegners herausrücken können. Bei Abstößen konnte der ballnahe Flügelstürmer sogar einen der Innenverteidiger zustellen.

In tieferen Zonen wurde es dann ein 4-4-2(-0) oder ein 4-4-1-1. Im Mittelfeldpressing ließ sich Llorente zurückfallen, ebenso wie die Flügelstürmer. Dadurch sollten die Flügel besser gesichert und der Gegner nach hinten geleitet werden. Wenn Valencia dennoch bis ins letzte Drittel kam, blieb Llorente wiederum vorne und gab Tiefe für den offensiven Umschaltmoment. Banega wiederum arbeitete immer wieder mit nach hinten und unterstützte Flügelstürmer wie Sechser in ihren Defensivbemühungen.

Valencia wies eine andere Systematik gegen den Ball auf. Bei ihnen war das 4-4-1-1 nicht nur klarer als 4-4-1-1 ausgelegt, sondern auch deutlich mannorientierter. Die Flügelstürmer standen in eigentlich fast allen Phasen etwas breiter im Pressing und verfolgten den gegnerischen Außenverteidiger. Sogar die Sechser und Innenverteidiger rückten ein paar Mal mannorientiert heraus, ohne dass es akut die Möglichkeit für Ballgewinne / Anspiele zum Gegenspieler gab. Bei Sevilla wurde das eigentlich nur von einem Spieler unmittelbar in der Zone des Balles praktiziert.

Beidseitig gab es aber durchaus passable Abläufe und die Erfüllung strategischer Grundprinzipien – wie ballorientiertes Verschieben, Kompaktheit, Pressing, Gegenpressing – zu sehen. Sevilla wirkte allerdings zu Spielbeginn stärker; mit und ohne Ball.

Sevillas Sechser kippt ab, Valencia verhält sich weitestgehend mannorientiert.

Sevillas Sechser kippt ab, Valencia verhält sich weitestgehend mannorientiert.

Valencia fehlt es an der Zwischenlinienraumbesetzung

Die Gäste waren sehr gut aufgestellt, doch ein paar Probleme gab es trotz der individuellen Klasse im Ballbesitzspiel zu sehen. Größtes Manko: Ein überfüllter Sechserraum. Sowohl Parejo als auch Danilo und Fuego spielten häufig vor der Mittelfeldreihe Sevillas und ließen den Ball in ungefährlichen Zonen laufen.

Die Möglichkeit zum effektiven Raumgewinn war eingeschränkt, weil es in der letzten Linie meistens nur drei Spieler gab: Die zwei Flügelstürmer (Enzo Perez, Santi Mina) und den Mittelstürmer (Paco Alcacer). Parejo ließ sich entsprechend seines Naturells meist zurückfallen und spielte sich mit Danilo und Fuego kleinräumig den Ball zu. Nur vereinzelt blieb er höher oder einer der beiden anderen Sechser rückte nach vorne. Gelegentlich bewegten sich sogar die Flügelstürmer tiefer, wodurch man noch unpräsenter vorne war und die Besetzung im Mittelfeld sogar kontraproduktiv eng wurde.

Valencias unpassende Besetzung ist hier zu sehen; der Flügelstürmer auf links lässt sich zurückfallen, wodurch sie quasi zu siebt vor dem Abwehrblock Sevillas stehen. Sevillas Außenverteidiger kann sich sogar das weite, mannorientierte Verfolgen seines Gegenspielers gefahrlos leisten.

Valencias unpassende Besetzung ist hier zu sehen; der Flügelstürmer auf links lässt sich zurückfallen, wodurch sie quasi zu siebt vor dem Abwehrblock Sevillas stehen. Sevillas Außenverteidiger kann sich sogar das weite, mannorientierte Verfolgen seines Gegenspielers gefahrlos leisten.

Theoretisch hätte man mit den Außenverteidigern dieses Problem lösen können. Mit Cancelo besitzt man sogar einen Rechtsverteidiger, der allein über seine individuelle Klasse hier Vorteile hätte schaffen können. Doch einige lange Bälle im Aufbauspiel, besonders bei aggressiver Pressingstaffelung Sevillas, und die zurückhaltende Ausrichtung der Außenverteidiger im Spiel nach vorne verhinderten dies.

Hier sehen wir einerseits, dass Valencia keine passende Struktur und Zwischenlinienraumbesetzung hat, andererseits Sevilla dadurch auch die Schnittstellen in den Halbräumen durch das Herausrückcen des Innenverteidigers öffnen kann.

Hier sehen wir einerseits, dass Valencia keine passende Struktur und Zwischenlinienraumbesetzung hat, andererseits Sevilla dadurch auch die Schnittstellen in den Halbräumen durch das Herausrückcen des Innenverteidigers öffnen kann.

Sevilla wurde zwar immer mal wieder im Pressing überspielt, weil Parejo und Co. sich mit Dribblings und kleinräumigen Kombinationen daraus befreiten, meistens war es jedoch am Übergang ins letzte Spielfelddrittel damit vorbei. Sevilla haderte im Ballbesitzspiel wiederum mit der eigenen Effizienz.

Weiträumiges Ballbesitzspiel

Sevilla startete das Aufbauspiel meist mit zwei breiten Innenverteidigern, relativ hohen Außenverteidigern und tiefen Sechsern. Krychowiak und N’Zonzi rückten ein paar Mal auf, holten sich aber viele Bälle direkt vor den Innenverteidigern ab. Beide konnten abkippen oder sich in die defensiven Halbräume bewegen. Besonders mit N’Zonzi wurde das häufiger gemacht und eine Zeit lang ging er verstärkt in den defensiven Halbraum, um den gegnerischen Flügelstürmer herauszulocken oder aus dieser Zone diagonal in den gegnerischen Block spielen zu können.

In höheren Zonen wurde Sevilla verstärkt weiträumiger, vertikaler und dynamischer. Banega bewegte sich quer über den Platz, versuchte mit Dribblings Räume zu generieren und immer wieder diagonal auf den ballfernen Flügel – wenn möglich, hinter die Abwehr – zu verlagern. Auch von den Außenverteidigern gab es viele Durchbruchsversuche und Hereingaben.

Diagonale von Banega auf den ballfern vorstoßenden Außenverteidiger. Gefahr im Verzug!

Diagonale von Banega auf den ballfern vorstoßenden Außenverteidiger. Gefahr im Verzug!

Diese Spielweise war im letzten Drittel fast schon brachial und druckvoll, aber nicht wirklich effizient. Obwohl Sevilla das Spiel dermaßen dominierte, dass man in der ersten Halbzeit keinen Schuss des Gegners zuließ, hatte man selbst auch nur vier bis zum Seitentausch. Die vielen riskanten Vertikalpässe und Verlagerungen sowie natürlich die ineffizienten Flanken in den Strafraum von sehr seitlichen, sehr horizontalen Positionen oder tief aus dem Halbfeld führten nicht erfolgsstabil zu guten Abschlusssituationen. Außerdem verteidigte Valencia am Strafraum lange Zeit überaus stabil. Die rote Karte für Cancelo sollte Sevilla aber einen Vorteil gewähren.

Sevilla rückte ebenfalls mannorientiert heraus, aber nur vereinzelt und mit einzelnen Spielern. Die anderen bleiben in ihrer Position und sichern die Formation.

Sevilla rückte ebenfalls mannorientiert heraus, aber nur vereinzelt und mit einzelnen Spielern. Die anderen bleiben in ihrer Position und sichern die Formation.

Platzverweis entscheidet das Spiel

Nach etwas über 35 Minuten erhielt Cancelo die gelb-rote Karte. Ohne den Rechtsverteidiger musste Valencia auf ein 4-4-1 umstellen, was mehrere Effekte hatte.

  • Durch einen Spieler weniger vorne im Pressing konnte Sevilla nicht nur ruhiger und mit besseren Seitenwechseln durch mehr Raum in Richtung Mitte aufbauen, sondern auch N’Zonzi / Krychowiak höher schieben. Ersterer besetzte häufig den Strafraum und sorgte für Präsenz.
  • Sevillas numerische Überlegenheit und das Vorschieben der Sechser drückte wiederum Valencia nach hinten. Sie hatten nun tiefere Ballgewinne und damit einhergehend kaum Möglichkeiten für Konter. Sogar Paco Alcacer als Mittelstürmer stand sehr tief.
  • Durch das 4-4-1 und die Mannorientierungen wurden die Flügelstürmer noch stärker nach hinten gedrückt. Es entstanden sehr flache Staffelungen am eigenen Strafraum und im Verbund mit den tiefen Flügelstürmern gab es nach Balleroberungen kaum eine Möglichkeit den Ball zu sichern.

Sevilla konnte letztlich nach einer solchen sehr hohen Aktion und den offenen Raum im Rückraum über einen langen Diagonalball vom unbedrängten Banega über zwanzig Meter Escudero – den aufgerückten Linksverteidiger – am zweiten Pfosten zum 1:0 freispielen. Das 2:0 wollte nicht fallen, doch mit 17:0 Ecken und 15:0 Schüssen spielte Sevilla die Partie souverän herunter.

Gegen das 4-4-(0-)1 Valencias kann Sevilla den Ball unter Druck problemlos zurückspielen und schnell verlagern, ohne gepresst zu werden oder zurückweichen zu müssen.

Gegen das 4-4-(0-)1 Valencias kann Sevilla den Ball unter Druck problemlos zurückspielen und schnell verlagern, ohne gepresst zu werden oder zurückweichen zu müssen.

Fazit

Selten sieht man Partien, wo der Gegner nicht einen Abschlussversuch hat. Die wenigen Spielen dieser Art beinhalten Mannschaften wie Bayern oder Barcelona gegen klar unterlegene Teams. Hier war dies nicht der Fall. Sevilla war zwar besser, aber nicht übermächtig. Sie standen lediglich defensiv sehr gut gegen einen Gegner, der die vorderen Zonen schlecht bis gar nicht besetzte. Der Platzverweis spielte ihnen zusätzlich in die Karten und führte zu einem der sichersten, souveränsten 1:0, die ich persönlich gesehen habe. Valencia hatte immer wieder strukturelle Probleme und war nach dem Rückstand quasi bereits geschlagen.

Danke an Laola1.tv für die Bilder und den tollen Stream!

cali 30. November 2015 um 22:00

Was hältst von Danilo, Rene?

Antworten

DonAndres 30. November 2015 um 16:25

Ich hatte nach dem Spiel genau den gleichen Gedanken: Das war das sicherste 1:0, das ich je gesehen habe. Keine Ecken, keine Schüsse, keine Strafraumszenen bis auf den Freistoß ganz am Ende (und ich fand es ziemlich bezeichnend, dass das Spiel genau so enden musste).

Sevilla fand ich gestern viel aktiver und generell besser ausbalanciert im Pressing als noch gegen Gladbach oder z.B. gegen Real. Dafür fand ich sie in der Offensive etwas zurückhaltender, vor allem was die Einbindung Escuderos angeht, der zwar das entscheidende Tor gemacht hat, aber ich glaube im ganzen Spiel keinen einzigen Flankenlauf a la Tremoulinas versucht hat. Ich hatte den Eindruck, dass dadurch auch Konoplyanka nicht so gut zum Zug gekommen ist.

Nach den Spielen in den letzten Wochen hatte ich gar nicht erwartet, dass Emery seine Mannschaft mehr auf Stabilität ausrichten würde – am Ende war das aber genau das richtige Mittel gegen Valencia und die roten Karten haben natürlich auch geholfen.

Antworten

king_cesc 29. November 2015 um 23:01

Krasses Wochenende Rene O.o 7 Artikel sind ein neuer Rekord? An dieser Stelle noch ein Lob für das Buch, habs jetzt angelesen und bin begeistert!

zum Spiel: La Liga ist wohl die Liga, in der schlechte Struktur am stärksten bestraft wird oder?

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