EPL-Topspiel: Dauernder, druckloser Ballbesitz gegen seltene, druckvolle Konter

1:1

In England fand ein Topspiel statt. Tabellenführer Leicester empfing den schärfsten Verfolger, Manchester United.

Van Gaal mit drei zentralen Verteidigern

Schon bei der Personalwahl deutete alles auf eine Formation mit drei zentralen Verteidigern. Theoretisch hätte es auch ein 4-3-3 mit Blind (oder gar Young) als linkem Außenverteidiger geben können, doch Van Gaal entschied sich für ein 3-4-1-2, welches oftmals zu einem 3-4-3 oder auch einem 3-1-4-2 wurde. Hinten gab es mit Smalling als zentralem Innenverteidiger einen Ausputzer, Blind und McNair sollten vermutlich lange Bälle in die vorderen Halbräume abdecken; sie rückten gelegentlich heraus und pressten zwischen den Linien oder hinter den aufgerückten Flügelläufern.

Grundformationen

Grundformationen

Die drei Verteidiger waren auch im Spielaufbau wichtig, um das Pressing Leicesters etwas auszumanövrieren. Ranieri hatte bei den Hausherren in dieser Saison das aggressive Attackieren fokussiert, was Teile von Leicesters bisherigem Saisonerfolg erklärt. Einige Mannschaften in der Premier League kamen mit diesem Pressing bisher nicht klar und besonders nach Balleroberungen im hohen Pressing ist Leicester gefährlich.

Durch drei Verteidiger konnte United im Spielaufbau eine Überzahl in der ersten Linie gegen Leicesters 4-4-2 erzeugen und war nach Ballverlusten auch stabiler abgesichert. Deswegen zog sich Leicester teils auch weit zurück. Die beiden Stürmer deckten Uniteds Sechserraum ab und ließen die drei Verteidiger in Ruhe, dahinter formierte sich eine kompakte 4-4-Formation. Allerdings war Uniteds Ziel nicht nur eine Überzahl und Absicherung im Spielaufbau zu erzeugen.

Interessantes Pressing bei den Red Devils

Im Pressing – und vielfach auch bei den Aufbau- und Angriffsstaffelungen – positionierten sich Martial und Rooney breit. Sie standen weit auseinander und orientierten sich an den Außenverteidigern des Gegners. Meistens probierten sie die Pässe auf sie zu verhindern und Leicester in die Mitte zu locken, teilweise verfolgten sie die gegnerischen Außenverteidiger aber sogar weit in die eigenen Hälfte. Gelegentlich positionierte sich einer der beiden nominellen Mittelstürmer enger, meistens übernahm diese Aufgabe aber Juan Mata. Der Zehner rückte nach vorne und erzeugte somit eine Dreierreihe bei Manchester United.

Dadurch standen sie im Pressing in einem 3-4-3, welches sich aber praktisch eher als 3-4-3-0 äußerte. Leicesters Innenverteidiger hatten meistens genug Zeit, um in Ruhe ihre Optionen zu sondieren und das Spiel aufzubauen. Durch die Mannorientierungen Carricks und Schweinsteigers, der ein paar Mal sogar nach vorne neben Mata schob, sowie die Rolle Matas hatten sie aber keine sicheren Optionen ins zentrale Mittelfeld.

Im tiefen Pressing wurde aus dem 3-4-3 meistens eine Fünfer- oder pendelnde Viererkette in der ersten Linie bei United. Ziel: Hohe Präsenz im Strafraum bei Flanken, Möglichkeit ballnah herauszurücken und zu pressen. Einige Zeit funktionierte es ganz gut; erst, als man die Organisation bei einem Standard aufgab, konnte Leicester durch einen tollen Konter mit Vardy zum 1:0 kommen. Doch schon zuvor zeigte United Probleme – in Ballbesitz.

Das Problem im Aufbauspiel

Obwohl Leicester weder das hohe Pressing konsequent und effektiv nutzte noch hervorragende Staffelungen hatte, konnte United sich eigentlich kaum effektive Angriffssituationen herausspielen. Einerseits lag dies natürlich an den unangenehmen Abständen Leicesters, die in ihrem 4-4-2-0haften Pressing United auf die Seite schoben und den Strafraum ziemlich stabil verteidigen. Andererseits waren die Abstände und Bewegungen bei United zu unsauber.

Uniteds Aufbauproblematik

Uniteds Aufbauproblematik

 

Bei Guardiola oder auch Paco Jemez beispielsweise fächern die Verteidiger bei einer Dreierkette sehr weit auf. Sie geben Breite im ersten Drittel, lassen den Ball laufen und öffnen dadurch indriekt Passwinkel und Räume, um einen sauberen Übergang nach vorne zu erzeugen und die gegnerischen Pressingbewegungen vor Probleme zu stellen. United hingegen spielte in der ersten Linie im Spielaufbau viel zu eng und ambitionslos.

McNair, Smalling und Blind hatten nur wenige Meter Abstand zueinander, was nicht nur die Passwinkel verschlechterte, sondern auch die Ballzirkulation träge machte. In weiterer Folge konnte Leicester nahezu problemlos zum Ball schieben. Außerdem waren die Offensivspieler Uniteds zu weit voneinander entfernt und wurden viel zu häufig an den Seiten isoliert.

Durch die enge Staffelung der zentralen Verteidiger mussten Darmian und Young in relativ tiefen Zonen für Breite sorgen. Carrick und Schweinsteiger wiederum hielten sich auch häufig eng vor den zentralen Verteidigern auf, wodurch United im Endeffekt den Ball mit sieben Spielern intentionslos um den 4-4-2-Block Leicesters laufen ließ. Die einzelnen Vorstöße Schweinsteigers und Carricks passten vom Timing her nicht zu den Positionierungen und Bewegungen der anderen Offensivspieler.

Einzig Mata, Rooney und Martial befanden sich somit konstant innerhalb Leicesters Formation, mussten sich aber zu viel Raum zu dritt aufteilen und waren bei Anspielen natürlich isoliert, was kaum zu vielversprechenden Offensivaktionen führen konnte.

Mit der 1:0-Führung gegen den nominellen Favoriten im Rücken (trotz Tabellenplatz 1) konnte sich Leicester einige Zeit lang auf das Verteidigen und Kontern konzentrieren. United begann aktiver aufzurücken, hatte mehr Präsenz und Raumgewinn. Durch einen Standard fiel kurz vor der Halbzeitpause wegen Leicesters Manndeckung das 1:1.

Halbzeit zwei

In der zweiten Spielhälfte formierte sich United positionell etwas geschickter. Die Flügelverteidiger standen nun höher und wurden nicht mehr von den Innenverteidigern gesucht, sondern es gab zuerst einen Pass auf die beiden Sechser, welche nun etwas weiter auseinander standen. Dadurch waren sie im Stande die Flügelverteidiger in höheren Zonen anzuspielen, Leicesters Flügelspieler auseinanderzuziehen und somit auch in der Mitte mehr Räume zu schaffen.

Uniteds Aufbauverbesserung

Uniteds Aufbauverbesserung

Das half ihnen beim Angriffsvortrag und Raumgewinn, dazu gab es nun weniger Balleroberungen Leicesters. Das Chancenplus befand sich auf Seiten Uniteds, welches über Flanken und einzelne Durchbrüche Leicesters Abwehr überspielen konnten. Letztlich gab es aber zu wenige Umschaltmöglichkeiten für Leicester und zu ineffiziente Angriffe bei United, um am Resultat noch etwas zu verändern.

Lustiger Anblick des Tages: Staffelung bei weiten Einwürfen

Leicesters nutzt, vorrangig über Chrstian Fuchs, lange Einwürfe. Dabei nutzen sie die bei Einwürfen ausgesetzte Abseitsregel. Vardy und Co. positionieren sich extrem tief, nahe an der Auslinie, um Raum für die Einwürfe zu schaffen. Sie können dann auf Vardy werfen, was er natürlich für eine Drehung mit Abschluss oder eine Ablage in den Strafraum spielen kann, wo keiner der Mitspieler im Abseits steht. Alternativ nutzen sie auch einfach den gestreckten Raum im gegnerischen Drittel für eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit auf zweite Bälle am Strafraum.

Van Gaal reagierte gezielt mit einer Anpassung; es gab eine klare, sehr diagonale und tiefe Staffelung der drei Innenverteidiger, die beiden Flügelverteidiger fielen nahe an sie zurück. Dadurch stand man extrem verschoben zum Ball / Einwurf und hatte sehr unorthodoxe Formationen, die aber effektiv standen.

Uniteds Einwurfverteidigung

Uniteds Einwurfverteidigung

Fazit

Eine schwierig und ambivalent zu bewertende Partie von beiden Teams. Leicester konnte das in den Medien öfter gelobte Pressing nicht wirklich zeigen, stand aber relativ stabil, obgleich sie ähnliche (wenn auch geringere) Probleme in puncto Kompaktheit und Verschieben wie die anderen EPL-Mannschaften aufzeigten. Auffällig war das punktuell aber starke Konterspiel (primär über Vardy und Mahrez), welches United im Spielverlauf immer seltener zuließ. Die Red Devils hatten wiederum Probleme beim Kreieren von hochklassigen Abschlussaktionen, was letztlich in den nur 7:10 Schüssen auf beiden Seiten endete. Die kleine positionelle Anpassung half United zwar, doch brachte nicht den Sieg.

Bernhard 30. November 2015 um 17:50

Gibt es Parallelen zwischen den Bayern unter van Gaal und United?

Antworten

Tubbs 28. November 2015 um 22:37

Also Spiele von United werden einfach immer langweiliger. Ich hatte mich echt drauf gefreut, aber dieses „Spielsystem“ ist meiner Meinung nach fast schon Antifußball. Man sollte irgendwo immer noch für die Fans spielen und sie gut unterhalten. Aber so wird das nichts, Herr van Gaal. Und regelmäßig aberwitzige Summen in Spieler zu investieren, nur um das halbe Team auszutauschen und die Qualität zu „erhöhen“ (Danke Magath für diese herrliche Ausdrucksweise), hilft da auch nicht gerade.

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