Bayern souverän Richtung Startrekord

0:3

Die Münchner befinden sich weiterhin ohne Glanz auf dem Weg zum BL-Startrekord mit dem siebten Sieg. Die Mainzer überraschten nicht, hielten aber eine Zeit lang dennoch gut dagegen.

Martin Schmidts 4-4-2

Thomas Tuchel hat als Mainz-Trainer immer wieder seine Mannschaft enorm gegen die Münchner Bayern angepasst. Da gab es viele kleinere Veränderungen (Pressinghöhe, bestimmte Spielzüge und Abläufe), aber auch größere formativere Umstellungen (z.B. als in dieser Partie gleich mehrmals angepasst wurde). Bei Martin Schmidt konnte man letzteres nicht beobachten. Einmal mehr blieb er seinem 4-4-2 treu.

Grundsätzlich ist an diesem 4-4-2 nichts Besonderes zu finden. Sie stehen prinzipiell in einem 4-4-1-1/4-4-2, in welchem Malli als Zehner nach vorne neben Muto schiebt. Die zwei Stürmer fokussieren sich darauf, den gegnerischen Sechserraum zu versperren und erst in weiterer Folge die Innenverteidiger situativ bei bestimmten Situationen (Möglichkeit auf sicheren Zugriff, schlechte Ballannahme, etc.) unter Druck zu setzen. Die Viererreihe dahinter spielt prinzipiell positionsorientiert, sucht sich aber aus den Positionen heraus in Ballnähe immer wieder Mannorientierungen in ihrer Zone.

 

Grundformationen

Grundformationen

Wenn die Bayern beispielsweise über die linke Seite mit Alaba als linkem Innenverteidiger aufbauen wollten und Alonso in der Nähe von Baumgartlinger stand, dann schob Mainz‘ rechter Sechser ein paar Meter nach vorne und manndeckte Alonso. Schob zum Beispiel ein Flügelstürmer auf einen tiefen Außenverteidiger der Bayern heraus, rückten die anderen Mittelfeldspieler entsprechend des Kettenspiels in das entstandene Loch hinein. Die Mannorientierungen in Ballnähe wurden dadurch gut abgesichert. Die ballfernen Spieler praktizierten diese Mannorientierungen nämlich nicht, sondern verschoben rein ballorientiert.

Insgesamt spielten die Mainzer diese eigentlich sehr simple Spielweise einmal mehr kompakt, strategisch gut und sauber. Beide Viererketten verschoben mit ähnlichen Abständen und Dynamik zum Ball, die Spieler fanden sich schnell auf ihren Positionen wieder und Situationen mit Neuorganisationen gab es nur selten.

Die einzige kleinere Anpassung gab es bei den ballfernen Flügelstürmern zu sehen. Diese rückten nämlich einige Male auf die gegnerischen Innenverteidiger heraus, wenn das Spiel verlagert wurde. So schob De Blasis mehrmals auf Martinez, auch wenn die Bayern dies über ihr Stellungsspiel und ihre schnelle Zirkulation regeln konnten. Dennoch dürften die ballfernen Flügel jene Position gewesen sein, die Guardiola als Schwachstellen des Gegners ausgemacht hatte.

Bayerns Probleme im zweiten und letzten Drittel

Abermals gab es das allwöchentliche Rätselraten, welches System Guardiola spielen lassen würde. Egal, welche Aufstellung kommt – unter Guardiola kann fast jeder Spieler auf mehreren Positionen im Spiel auftauchen. Darum wirkte dieses Mal die Formation rein von den Namen her eher wie ein 3-1-4-2 oder 4-3-3.

Persönlich hatte ich mir zum Beispiel erwartet, dass Coman und Costa die Flügelverteidigerpositionen geben, diese natürlich sehr offensiv interpretieren, und durch Alaba und Rafinha als Halbverteidiger abgesichert werden. Lahm als Achter und Alonso quasi als Vorstopper, der sich bei Bedarf auch gegen den Ball zwischen die Verteidiger zurückfallen lassen kann, hätten diese offensive Ausrichtung möglich gemacht. Das Ziel wäre es gewesen, über die Flügelstürmer die Mitte zu überladen, mit drei Leuten in der Abwehr und einem tiefen Sechser davor gut abgesichert zu sein sowie Alonsos Diagonalbälle gegen Mainz‘ in der Horizontale kompakte Formation zu nutzen. Müller und Lewandowski hätten passenderweise zu zweit die gegnerische Viererkette beschäftigt, Thiago und Lahm für Pressingresistenz und Anspielstationen im offensiven Zentrum gesorgt.

Guardiola entschied sich allerdings für ein anderes System. Überraschend startete Rafinha als linker Außenverteidiger, während David Alaba mit Javi Martinez die Innenverteidigung bildete. Philipp Lahm übernahm die Position als rechter Außenverteidiger und Alonso besetzte mit Thiago Alcantara das zentrale Mittelfeld. Müller und Lewandowski bewegten sich in der letzten Linie, der fokus des Systems lag aber eher auf den beiden Flügelstürmern; zumindest im zweiten Drittel.

Coman und Costa sollten jeweils sehr breit bleiben, um Mainz in die Breite zu ziehen. Das Ziel war aber entweder über die linke Seite mit Costa durchzubrechen oder den Ball möglichst schnell auf Coman zu verlagern. Angriffspunkt des Gegners: Die hohe horizontale Kompaktheit und das mannorientierte Herausrücken in der Mitte, welches den ballfernen Flügelstürmer noch weiter zum Einrücken zwingt.

Dafür gab es mehrere Mechanismen. Martinez und Alaba versuchten die Stürmer herauszulocken, indem sie sich nach Pässen noch öfter und schneller als sonst 2-3 Meter zurückzogen, sobald die Mainzer Stürmer Pressing auch nur andeuteten. Alonso bewegte sich verstärkt in den defensiven linken Halbraum, wo er Rafinha nach vorne schob und hohe Kompaktheit in dieser Zone erzeugte. Thiago besetzte meistens die Mitte, hielt sich aber oft fast auf einer Linie mit Alonso auf und rückte nur selten weit vor bei eigenem Ballbesitz.

Zuguterletzt rückte Lahm als ballferner Außenverteidiger öfters in die Mitte, um den gegnerischen Flügelstürmer zu besetzen und nach Verlagerungen am Verschieben zu hindern. In der Endphase der Angriffe sollten Coman oder Costa Hereingaben auf die Mittelstürmer spielen oder selbst durchbrechen. Wirklich aufgegangen ist diese Taktik in der ersten Halbzeit allerdings nicht.

Flügelverlagerungen und Blocken

Flügelverlagerungen und Blocken

Eigentlich gab es dadurch nur eine Großchance: Den Elfmeter Müllers, den Coman herausgeholt hatte. Coman stand weit auf der ballfernen Seite auf dem rechten Flügel, während Alonso einen Kurzpass auf halblinks zu Alaba spielte. Dieser schlug direkt einen langen Diagonalball, den Coman verarbeitete und daraufhin in den Strafraum zog. Müller vergab den Elfmeter aber und Bayern ging mit nur acht Abschlüssen und ohne Tor in die Halbzeitpause.

Mini-Anpassungen reichen zum Sieg

Die Münchner starteten die zweite Halbzeit grundsätzlich mit einem ähnlichen Plan, allerdings wirkten sie dabei dynamischer. Thiago bot sich aktiver an, die Mittelstürmer schoben ballnah stärker auf den Flügel oder in den Zwischenlinienraum, während der ballnahe Flügelstürmer dadurch vermehrt in die Mitte rücken konnte. Letztlich lohnte sich Guardiolas Ausrichtung aber: Eine Flanke von Coman auf Lewandowski führte zum 1:0.

Mit der Führung im Rücken dominierte Bayern das Spiel. Sie ließen den Ball geduldig laufen, versuchten abermals mit Thiago und Alonso im linken defensiven Halbraum die Mainzer Formation zu öffnen und spielten nun auch mehr Pässe diagonal durch die entstehenden Schnittstellen in die Mitte. Nach gut 55 Minuten wechselte Guardiola dann. Vidal für Müller sorgte für ein 4-3-3, welches gegen den Ball ein 4-1-4-1 war. Nun hatte Bayern mehr zentrale Anspielstationen und Alonso blieb häufiger in der Mitte als Anspielstation für Rückpässe.

Die Mainzer passten sich daran kaum an. Nach wie vor verteidigten sie in ihrem 4-4-2 und starteten weiterhin nur knapp vor der Mittellinie damit. Offensiv gab es wie üblich nur Konterversuche, weil die Bayern den Ballbesitz monopolisierten. Passenderweise war es beim 2:0 ein Durchbruch von der Seite in die Mitte hinein, was zum zweiten Tor Lewandowskis führte. Letztlich fixierte Coman mit dem 0:3 das Ergebnis.

Fazit

Eine souveräne Partie der Bayern, trotz Offensivproblemen in Halbzeit eins und kleineren Defensivanfälligkeiten. Sie gewannen auch in der Höhe verdient, allerdings ohne zu glänzen. Mainz stand lange Zeit überraschend gut, doch ihr simples, wenn auch sehr gut umgesetztes System, wurde letztlich von den Bayern geknackt.

Dr. Acula 27. September 2015 um 18:30

ist die defensive unter guardiola eigentlich (im vergleich zur offensive) langweilig oder wieso wird sie kaum erwähnt in analysen? könnte natürlich auch daran liegen, dass bayern immer so viel ballbesitz hat und somit die defensive wenig zum tragen kommt, aber mich würde zum beispiel interessieren, wie genau das immer ist: manchmal spielt bayern mit einem zentralen IV und daneben zB alaba und lahm oder am anfang war Boa der ZIV und Benatia rechts daneben und links dann nur alaba..
großes lob für die sich gut zu lesende analye!

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LuckyLuke 27. September 2015 um 18:46

Hat jetzt zwar nichts direkt mit der Bayerndefensive zu tun, aber ich frage mich prinzipiell schon länger, ob es so etwas wie „Tricks“ auch beim Verteidigen gibt? Also bspw. wenn ein Spieler auf einen Verteidiger zuläuft, dann macht der Verteidiger eine Körpertäuschung, um dem Angreifer ein Seite „anzubieten“, ist dann aber genau darauf vorbereitet und kann den Zweikampf gewinnen…
Ich weiß, dass das jetzt nicht wirklich etwas mit dem Spiel und den Mannschaften und irgendwas zu tun hat (außer damit, dass es auch um die Defensive geht, wie in der Frage drüber :D)…naja vielleicht kann mir ja jemand meine Fragen beantworten..

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DAF 27. September 2015 um 19:06

Ja, das gibt´s durchaus, wobei ich es nicht unbedingt als Trick bezeichnen würde. Was ich auch aus eigener Erfahrung kenne (und ich hab nie hochklassig gespielt, also wird es das auf höherem Niveau denke ich erst Recht geben) ist, den gegnerischen Angreifer auf seinen tendentiell schwächeren Fuß zu locken (geht natürlich nur, wenn man weiß, was der starke Fuß des Gegners ist).
Eine eigentlich immer geltende Regel ist es, den Gegner nach außen zu drängen. Wenn ich also in eine 1:1 – Situation im linken Halbraum muss sollte ich den Gegner also tendentiell wenn überhaupt eher links vorbeilassen als rechts, weil er dann normalerweise einen schlechteren Abschlusswinkel hat. Weiß jetzt nicht genau ob du sowas meinst, ich würde das halt nicht als Trick bezeichnen. Eine „Körpertäuschung“ mag es in Einzelfällen auch geben…besteht halt die Gefahr, dass du die Situtation noch verschlechtert hast, wenn du den so herbeigeführten Zweikampf dann trotzdem verlierst.

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Dr. Acula 27. September 2015 um 20:26

Habe in der C jugend mal in einer dfb-Auswahl gekickt, daher kenn ich ein paar Tricks. Einer davon beinhaltet das geschickte Anlaufen und Stellen eines gegnerischen Ballbesitzers. Dabei gilt es, den von der Seite vor das Tor ziehenden Angreifer in einem leichten Bogen anzulaufen und ihn auf der ‚inneren Linie‘ zu stellen, um ihn wieder zur Seitenlinie abzudrängen (hab ich der Einfachheit halber von der DFB-Seite kopiert). Ein anderes Beispiel ist eine klare Reihenfolge des Verhaltens, wenn ein Gegner auf dich zugerannt kommt. Mitlaufen, abdrängen, Gegner stellen, Mitspieler Abwehrposition einnehmen lassen.

Wovon ich aber eigentlich geredet hatte, war viel mehr das Gruppentaktische. Ich halte zu viel von Guardiola um anzunehmen, das sich sein Defensiv-Training auf solch simple Sache konzentriert, wenn ich schon in der C-Jugend solche Dinge zu sehen bekam

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Gh 28. September 2015 um 14:27

Habe in der C-Jugend bei einem Dorfverein gekickt. Die Anweisung des Trainers lautete, immer beim gegnerischen Zehner zu bleiben, und wenn dieser müsse, dann müsse man halt mit. Der größte gruppentaktische Clou meines Trainers war es, in einem Spiel unserem talentlosestem Spieler die 10 überzustreifen und Diuretika einzuflösen. Der Gegner war völlig desorientiert.

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Thomas 28. September 2015 um 11:35

Der erste „Trick“ beim Verteidigen ist ja schon die richtige Platzierung der Offensivspieler im Angriff, um bei Ballverlust sofort (quasi defensiven) Zugriff zu haben. So gesehen beginnt die Defensive mit der richtigen räumlichen Balance in der Offensive.

Dahinter gibt es dann zig Möglichkeiten, wie man die Defensive so organisiert, dass man möglichst überall Zugriff bekommt. Man versucht zum Beispiel, den Gegner in tote Räume zu drängen oder in Pressingfallen zu locken.

Individualtaktische Sachen wurden ja schon angesprochen.

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cj 27. September 2015 um 00:12

Die Kaderplanung von Bayern war dieses Jahr aussergewöhnlich gut. Alle Positionen sind sehr gut besetzt, aber auch nicht überbesetzt. Und der grosse Umbruch für die Zeit nach Schweinsteiger, Lahm, Robben, Ribery und Alonso ist bereits zur Hälfte geglückt. Ich befürchte nur, dass die Saison in Bezug auf die Meisterschaft wieder recht langweilig wird. Bayern wirkt zu stabil, allzu viele Punkte werden sie wohl nicht liegenlassen.

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SGIAI22 26. September 2015 um 19:35

Und ich dachte immer, dass der Startrekord bei 8 Siegen in Folge liegt, aufgestellt in der Triple Saison unter Heynckes.
http://www.spiegel.de/sport/fussball/fc-bayern-muenchen-mit-startrekord-in-der-bundesliga-a-862491.html

MfG

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RM 27. September 2015 um 11:23

Falsch abgeschrieben. 🙁

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Achim Kaunert 27. September 2015 um 15:15

Der Startrekord bezieht sich auf die Tordifferenz nach dem 7. Spieltag1

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Philipp 27. September 2015 um 14:49

Startrekord im dem Sinne, wenn nur die ersten sieben Spieltage betrachtet werden. Dann stehen diese Saison eben auch sieben Siege zu Buche, allerdings mit einem besseren Torverhältnis als unter Heynckes. Alles ein wenig verwirrend 🙂

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