Paderborns beste Offensivmomente gibt es immer gegen Freiburg

1:2

In einem intensiven, dynamischen und facettenreichen Abstiegs-Duell gibt es fußballerisch viel ansehnlichere Kost als vielleicht zu erwarten. Freiburgs konsequente Flügelflexibilität entscheidet die erste Halbzeit für sich, doch Breitenreiters Umstellung und Lukas Rupp drehen die Partie.

scf-scp-2015Im Abstiegsduell zwischen Freiburg und Paderborn trafen zwei 4-4-2-hafte Formationen aufeinander. Christian Streich entschied sich im zentralen Mittelfeld diesmal für das Duo aus Schuster und dem offensiv antreibenden Darida, so dass Höfler sogar von Beginn an als Innenverteidiger auflief. Mit Schmid und Mehmedi auf den Flügeln hinter Frantz bzw. schnell Philipp und Petersen gab es eine prominent besetzte Offensive. Die Gäste aus Paderborn setzten im Angriff auf das mittlerweile festgespielte Duo aus Lakic und Kachunga, das erneut vom diagonal dribbelnden Stoppelkamp und dem manchmal etwas tiefer und situativ zurückfallend ausgerichteten Koc unterstützt wurde. Selten entstanden dadurch mal 4-3-3- hafte Ansätze, wenn Kachunga nach rechts zurückfiel, wobei der U21-Nationaspieler vereinzelt auch mal 4-1-4-1-Tendenzen herstellte.

Paderborner Probleme…

Im Verlauf der ersten Halbzeit gab es, was den Aufbau anbetraf, noch eine weitere Umformung bei den Gästen zu sehen: Sie kehrten über einige Phasen zu der in der Hinrunde noch standardmäßigen, zuletzt aber nur inkonstant verwendeten Dreierkettenbildung zurück. Dafür ließ sich Ziegler nach hinten fallen, die Außenverteidiger rückten auf und hinten formierte sich eine sehr breit gestaffelte Dreierkette, die also konsequent auffächerte. Das Problem dabei war, dass diese Umformung aus einer sehr klaren 4-4-2-Formation heraus ablief und damit das zentrale Mittelfeld der Gäste im Aufbau geschwächt wurde. Bakalorz war in einigen Phasen der ersten Halbzeit dort in größeren Lücken alleine, die zwischen der Aufbaudreierkette und der meist hochstehenden Viereroffensive klafften.

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In ihren schwachen Phasen gab es bei Paderborn einige Szenen solcher Art mit fehlenden Verbindungen nach vorne und geringer Halbraumbesetzung (rot)

Weil die hinteren Akteure im situativen Aufrücken mit Ball auch bei entsprechenden Möglichkeiten eher zögerlich agierten und Freiburgs Stürmer einige gute Defensivbewegungen zeigten, hatte Paderborn manches Mal Probleme, aus dieser tiefen Zirkulation weiter nach vorne zu kommen. Meist waren frühzeitige lange Bälle das einzige Mittel, das aufgrund der hohen Offensivpräsenz auch – gerade wenn die Außenspieler mal konsequenter den Halbraum suchten – für Unruhe sorgen und einige Abschlüsse erzeugen konnte, ohne jedoch wirklich gefährlich zu werden. Daneben versuchten die Gäste die Verbindung über die breiten Außenverteidiger herzustellen, doch waren die Staffelungen und der begrenzte Platz an der Seitenlinie zu unangenehm – so konnten Freiburgs Mittelfeld-Liberi im ansonsten intensiv mannorientierten Defensiv-4-4-2 nicht nur das unterbesetzte Zentrum des Gegners kontrollieren, sondern oft auch problemlos am Flügel unterstützen und die leichten Verbindungsansätze abblocken.

…und Wechselhaftigkeit mit einigen Ansätzen

Das war aber nur das eine Gesicht, das die Mannschaft vor der Pause zeigte: In vielen Fällen bauten sie auch 4-4-2-hafter ohne Zieglers Zurückfallen auf, was gegen die aufrückenden Freiburger Pressingbewegungen wechselhafte Folgen erzielte. Manchmal mussten sie früh lange Bälle spielen, manchmal waren die Außen der Hausherren jedoch etwas zurückhaltender und Vucinovic und Brückner hatten dadurch ein wenig Zeit für Pässe am Flügel oder auch mal diagonales Andribbeln. Auch im Folgenden blieben sie gegen das mannorientierte Freiburger 4-4-2, bei dem sich insbesondere Darida oft eng an Bakalorz bewegte, immer mal wieder hängen, konnten die Schwächen von deren defensiver Weiträumigkeit aber doch andeuten.

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Daneben gab es – ob aus den Aufbaustellungen mit oder ohne Dreierreihe – auch durch vereinzelte Rückfallbewegungen gegen die Freiburger Mannorientierungen bessere Szenen, die deren Weiträumigkeit zu bespielen wussten

Die Tatsache, dass beide Mannschaften in unterschiedlichen Spielphasen viele aufrückende Bewegungen zeigten und im Aufbau jeweils auf lange Bälle zurückgriffen, sorgte für eine temporeiche Begegnung mit vielen Dynamikszenen, beispielsweise nach losen Bällen oder umkämpften Folgeaktionen nach Pressingversuchen. Viel konstanter als im ruhigen Aufbau zeigte Paderborn in solchen Szenen zentrale Präsenz, indem gerade Stoppelkamp immer wieder weit einrückte und den Kontakt zu den beweglichen Stürmern suchte. Daraus ergaben sich einige kombinative Ansätze in Schnellangriffen, die für ansehnliche Aktionen in den Übergangsbereichen  sorgten, einige Male nahe an die gefährlichen Zonen herankamen und den einen oder anderen Abschluss brachten. Ganz selten gelang es sogar bei den Aufbauphasen in der Dreierkette, die mannorientierte Weiträumigkeit der Gastgeber aufzureißen, indem man einzelne zurückfallende Bewegungen  in größere Lücken anspielte.

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Die Organisation der Freiburger Rückzugsbewegung bei Paderborner Angriffen über links: Mannorientierungen auf die Sechser (grau), Schuster sichert den ballnahen Halbraum gegen Stoppelkamp, Mehmedi übernimmt mit frühzeitigem – und nicht allein dynamischem – Zurückfallen den ballfernen Halbraum (rot)

Gerade in etwas langsamer am Flügel aufrückenden Szenen – ansonsten kam es eben zu einigen Paderborner Abschlüssen – fing die Freiburger Rückzugsbewegung die Ansätze aber oft wieder auf. Wenn beispielsweise Brückner ankurbelte, zog sich einer der Freiburger Stürmer in Richtung Ziegler zurück, Schuster achtete verstärkt auf das Einrücken von Stoppelkamp und Mehmedi arbeitete im ballfernen Halbraum enorm weit bis an die Abwehrreihe zurück, was einzelne Paderborner Horizontalansätze an der letzten Linie abwürgte. Wenngleich neben Phasen größerer Offensivprobleme vor allem durch Stoppelkamps Einrücken und die Stürmerbewegungen also einige lichte Momente des Aufsteigers da waren, reichte es vor der Pause aus den acht Abschlüssen und drei Torschüssen nicht für einen Erfolg.

Freiburg zeigt druckvolle Flügelkonsequenz

Die Mannschaft von Christian Streich legte in der ersten Halbzeit einen sehr ansehnlichen Auftritt an den Tag und erspielte sich viele Szenen in der Offensive. Gegen die meist im 4-4-2 mit etwas breiteren Stürmern agierenden Paderborner, die dadurch wohl die Flügel verstärkt verschließen wollten und situativ etwas unsaubere 4-1-4-1- oder 4-5-1-Übergänge einbrachten, setzten sie zunächst auf ruhige Ballkontrolle in der Tiefe. Dafür fächerten die Innenverteidiger weit auf und die Sechser ließen sich abwechselnd weiträumig zurückfallen. Zwar reagierten die Gäste darauf mit weiter mannorientierter Verfolgung von Bakalorz in 4-1-0-2-3-artige Staffelungen, doch einer der beiden Freiburger Mittelfeldakteure konnte in den Wechselspielechen fast immer befreit werden. Dazu band sich auch der spielstarke Bürki oft mit ein, bewegte sich mehrfach außerhalb des Strafraums und bildete mit seinen drei Kollegen bisweilen asymmetrisch verschobene Viererketten in den ersten Linien.

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Beispielhafte Freiburger Aufbaumechanismen mit Bürki und den Sechsern (ohne Paderborner Viererkette und Freiburger Stürmern in der Grafik)

Aus diesen Szenen ließen sie das Leder in der Tiefe zirkulieren und suchten irgendwann dann sehr explosiv den Weg nach vorne. Entweder öffneten sie innerhalb der gegnerischen Formation kleinere Lücken, beispielsweise in seitlichen Zwischenräumen oder unterstützt von mancher Mannorientierung der Paderborner, und rückten schnell auf oder sie bereiteten lange Bälle nach außen vor und zogen sich sehr konsequent auf die Abpraller zusammen – das können die Freiburger ohnehin. Wenn sie also letztlich in die Offensive hineinfanden, gelang es ihnen am Ende doch wieder, auf die Flügel zu kommen und dort ihre bevorzugten Mechanismen und Abläufe einzubringen. Sie zeigten viele geradlinige Flügelangriffe, die sie sehr zielstrebig, vielseitig und konsequent ausspielten. Beide Sechser rückten situativ weit mit auf und banden sich geschickt wie gruppentaktisch vielseitig ein.

Dazu gab es verschiedene überladende Bewegungen der beiden nominellen Außenstürmer, die sich, wie beispielsweise beim Führungstor Petersens nach 40 Minuten, auf einer Seite zusammenfanden und zur Grundlinie durchspielten. Insbesondere das im Angriffsverlauf diagonale Bewegungsspiel Mehmedis und der inverse Lauf Riethers waren bei jener Szene entscheidend – zwei durchaus exemplarische Mittel. Diese sehr aggressiv vorstoßenden Mechanismen lagen dem generellen Spielrhythmus der Freiburger, die in ihrem Stil häufig aus dem vorderen zweiten Drittel schnell in die Spitze ziehen – was sie diesmal mit den dortigen präsenten Mechanismen gut zusammenbringen konnten. Gleichzeitig kam das etwas unsaubere, in problematischen Szenen improvisiert klärende und am Flügel abwartend passive Defensivelement des Paderborner Teams gegen diese sehr kraft- wie schwungvolle Rhythmuswahl nicht so gut zur Geltung. Es wirkte phasenweise wie Freiburger Offensivspiel aus besten Streich-Tagen.

Breitenreiters Umstellung bringt Offensivtransformation

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Paderborner Offensivmuster in der Phase um das 1:1

Für die letzten 25 Minuten nahm André Breitenreiter – unterfüttert mit der Einwechslung von Rupp für Rafa López – dann einige weitreichende Umstellungen vor und sorgte für deutliche offensive Verbesserungen seines Teams. Das brachte in dieser Endphase einen der besten Saisonauftritte des SCP und nahm den lange Zeit sehr ambitionierten Faden aus der Hinspielbegegnung mit den Breisgauern wieder auf. Die situative Aufbaudreierkette wurde nun aufgelöst, Ziegler nach hinten neben Hünemeier zurückgeschoben und das zentrale Mittelfeld mit dem dribbelstarken Rupp spielstärker besetzt. Von hier aus wirkte der Eingewechselte zusammen mit dem etwas tieferen Bakalorz als vielseitige und raumgreifende Antreiber, die nun die ostwestfälischen Angriffe initiierten. Auch die offensive Anordnung und die Rollenverteilungen veränderten sich:

Stoppelkamp suchte verstärkt den Halbraum und hatte später einige einleitende Szenen, Lakic wurde auch mal mitspielend eingebunden und zeigte dabei überraschend starke Momente. Vucinovic, nun rechts offensiv, pendelte als anpassungsfähiger und vertikaler Verbindungsgeber auf rechts zwischen verschiedenen Höhen. Dafür wich Kachunga vor ihm immer wieder geschickt in mannorientiert geöffnete Flügellücken aus, der neue Rechtsverteidiger Wemmer band sich dort in diagonale Aktionen ein und Rupp war nicht nur der Mann, der das alles mit seiner um Bakalorz geleisteten Aufbauarbeit verband, sondern dann auch entscheidend in die Spitze durch trug. Auf einmal kombinierte Paderborn richtig stark: Mit Wemmer und Vucinovic spielte sich Rupp diagonal beinahe durch, hatte Glück, dass sein Team gegen die stark improvisierte Freiburger Rückzugsbewegung den Abpraller erhielt, und konnte so nach einer starken Hacken-Aktion von Lakic den zentralen Durchbruch zum 1:1 erzeugen.

Zehn Minuten danach besorgte ein weiterer Vorstoß des Eingewechselten die Führung – nun über die linke Seite. Hier war Stoppelkamp schon vor der Pause einige Male als einleitender Dribbler aufgefallen, dessen Aktionen nun mehr Wirkung entfalteten: Nach einem schnell ausgeführten Einwurf wich Lakic weit aus und auch der als zweite Spitze eingewechselte Saglik zog herüber. Mit seiner individualtaktischen Qualität bediente Stoppelkamp den Routinier, der das Leder gut hinter die Abwehr – durch die von den Stürmern geöffnete Lücke – auf den einstartenden Rupp weiterleitete – 1:2. Freiburg antwortete in den letzten Minuten mit wütenden Angriffen, konnte auch auf Knopfdruck mit einigen Abschlüssen und Überladeansätzen für Gefahr sorgen, doch der eingewechselte Christian Günter vergab nach einem schnellen Spielzug, den er durch eines seiner verrückten Diagonaldribblings selbst eingeleitet hatte, die beste Chance per Pfostenschuss.

Fazit

Paderborn scheint gegen die Freiburger seine besten Offensivkonzepte aus dem Hut zaubern zu können – diesmal in der Schlussphase mit einer sehr starken Umstellung Breitenreiters. Dadurch beseitigte seine Mannschaft die phasenweisen Verbindungsprobleme aus der ersten Halbzeit, betonte die besseren Momente und kam gegen sehr druckvolle sowie lange überlegene Freiburger noch zu drei späten Big-Points im Abstiegskampf. Wenngleich diese Niederlage für die Breisgauer sehr bitter war, haben aber doch auch sie – was den taktischen wie spielerischen Zustand des Teams angeht – letztlich ein positives Signal gesetzt.

Joker 3. Mai 2015 um 22:24

Zum einen wird das wohl daran liegen, dass viele trainer versuchen ihre Mannschaften immer flexibel auftreten zu lassen, um nicht ausrechenbar zu sein..
Ich denke aber auch, dass die verschiedenen Formationsnennungen einfach notwendig sind, um die entstehenden Situationen erklären zu können.
Spielt eine Mannschaft z.b im 4-3-3 dann muss im spielaufbau nur ein 6er abkippen und die AV’s rücken hoch und man sieht ein 3-4-3. Und genau so gibt es unendlich viele Möglichkeiten und deshalb entstehen die verschiedenen formationsnennungen wohl.

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Ron 3. Mai 2015 um 19:41

Vielen Dank für diesen Artikel! Ich lese immer gerne etwas über solche Partien mit einem überraschenden Ausgang, weil man als Zuschauer der Zusammenfassung nicht vernünftig beurteilen kann woran denn jetzt das Ergbenis lag.

Zum Artikel noch eine grundsätzliche Frage: Mir fällt bei den Artikeln in neuerer Zeit auf, dass mehr verschiedene Formationen der Mannschaften genannt werden (hier z.B. 4-4-2 mit 4-3-3/4-1-4-1-haften Zügen).
Ist das ein taktischer Trend, dass Trainer flexibler werden, oder ist das nur eine andere Form der Beschreibung für die gleichen Dinge wie zuvor?

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TR 4. Mai 2015 um 00:09

Beides ein bisschen. Man kann sicher schon sagen, dass Mischformationen zunehmen und gerade die Möglichkeiten für spezifische Rollenverteilungen in jüngster Zeit mehr entdeckt wurden, weshalb Zwischenpositionen entstehen, bei denen man aufgrund bestimmter Spieler und ihrer Einbindung ins Gefüge keine ganz klare Aussage mehr treffen kann. Dann nimmt man auch in der Beschreibung vielleicht lieber mal eine längere Formel, um sich abzusichern. Andererseits gab es natürlich auch früher schon Teams und Formationen, bei denen solche Bezeichnungen möglich oder angebracht gewesen wären, es hat eben nur keiner oder kaum jemand so gesagt.

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