Simple Strukturen in taktisch gutem Serie-A-Duell

0:1

Abermals ein Spiel aus der Serie A mit umkämpftem Zentrum, wenigen Torchancen und zwei taktisch guten Mannschaften. Hierbei scheiterte Lazio knapp an Napoli, welche mit wenig Aufwand und nicht ganz überzeugend auswärts den Sieg davon tragen.

Beide Teams mit Fokus auf Zentrumskontrolle

Wie im italienischen Fußball zu warten, agierten beide Mannschaften betont stabil und zentrumsorientiert. Ein sehr positiver strategischer Nebeneffekt ist hierbei, dass die Flügelstürmer häufig bei zentraler Ballposition einrücken und generell gut verschieben, wodurch sehr horizontalkompakte Staffelungen entstehen. Besonders bei Napolis 4-4-1-1 war dies der Fall. Hier tat sich Lazio trotz zahlreicher Versuche schwer in den Zwischenlinienraum zu kommen oder im zweiten Drittel den Ball über die Mitte zirkulieren zu lassen. Dadurch konnte Napoli den Hausherren weitestgehend den Zugang zum Strafraum und somit zu besseren Chancen verwehren.

Grundformationen

Grundformationen

Zusätzlich gab es immer wieder situativ höheres Pressing bei Napoli, wodurch sie Lazio – auch nach der Führung noch – unter Druck setzten. Interessant ist hierbei, wie gut Benitez‘ dies mit dem Stabilitäts- und Zentrumsfokus verband. Die Stürmer liefen an, einzelne Spieler schoben situativ und nicht nur mann-, sondern häufig auch schlicht raumorientiert nach, wodurch trotz teilweise großen Vertikalabständen die wichtigen Räume besetzt waren. Es war schwierig für Lazio, das Pressing zu umspielen und wenn sie es schafften, hatte Napoli nach wie vor keine exorbitant hohe Abwehrlinie oder mangelnde Präsenz im zweiten Band.

Lazio wiederum presste im 4-1-4-1/4-3-3, versperrte durch eine enge Formation ebenso wie Napoli vorrangig die Mitte und baute für den Zugriff noch zahlreiche situative Mannorientierungen mit ein. Aus dem 4-1-4-1/4-3-3 entstanden dadurch häufig auch andere Formationen, wie zum Beispiel ein 4-4-2/4-1-3-2 durch einen herausrückenden Achter oder leicht asymmetrische Staffelungen auf dem Flügel.

Insgesamt entstand durch diese beiden Defensivreihen, ihre relativ gute Umsetzung und die Horizontalkompaktheit ein chancenarmes Spiel, in welchem beide Mannschaften die Mitte nutzen sollten, es allerdings kaum effektiv schafften. Zur Halbzeit gab es zum Beispiel nur zehn Abschlüsse – insgesamt von beiden Seiten zusammen. Einige davon entstanden außerdem aus Standardsituationen. Allerdings konnte Napoli die Führung durch einen tollen Pass und einen etwas glücklichen Abschluss Gonzalo Higuains erzielen.

Das veränderte den Spielrhythmus.

Spiel kippt mit verringertem Pressing

Nach der Führung presste Napoli zuerst weiterhin hoch und rhythmisch, wodurch Lazio weiter nicht ins Spiel kam und gegen das 4-4-1-1 mit nach hinten unterstützendem De Guzman Probleme hatte. Die Römer konnten dadurch nicht viele Spieler in den Offensivzonen nutzen und ihr Stabilitätsfokus sorgte dafür, dass sie teilweise sehr lang den Ball hinten laufen ließen und dann mit unpassenden Staffelungen durchbrechen wollten.

In jener Phase schien es, als ob Lazio absolut keine Chance haben würde; ihre Offensivbemühungen waren zu isoliert, im letzten Drittel war man komplett auf Einzelaktionen (meist von Baldé Keita) fokussiert und defensiv wirkte man unter Druck häufig anfällig. Offensiv spielte die Mannschaft von Rafael Benitez mit einem relativ simplen System, nutzte wenig Spieler und war dank der Führung natürlich wenig anfällig für Konter, aber potenziell gefährlich. Besonders das Hereinziehen des Flügelstürmers und die Besetzung des zweiten Pfostens des zweiten Flügelstürmers und des Mittelstürmers hätten gefährlich werden können. Napolis Offensivformation wirkte bisweilen wie ein 4-1-2-3 und war sehr gut abgesichert.

Allerdings beging Napoli einen Fehler: Sie zogen sich zurück. Dadurch verloren sie ihre Präsenz in der gegnerischen Hälfte, Lazio rückte auf und begann, kollektiver und mit mehr Spielern anzugreifen. Ab dieser Phase war Lazio die bessere Mannschaft. Sie hatten mehr Abschlüsse und zeigten sogar einige interessante Angriffsspielzüge, wie zum Beispiel eine flexible Positionierung der Außenverteidiger, Candrevas intelligentes Bewegungsspiel und eine saubere Ballzirkulation.

Um diese Faktoren noch zu erhöhen und gegen die tief verteidigenden Neapolitaner im Strafraum präsenter zu sein, stellte Pioli zur Halbzeitpause um.

Lazios Umstellung auf ein 4-4-2

Für die zweite Halbzeit wurde Miroslav Klose für Cristian Ledesma eingewechselt. Damit wurde die eigentliche Struktur – ein tieferer, aufbauender Sechser im 4-1-4-1 als zentrale Anspielstation und Unterstützung sowie die damit verbundene numerische Überlegenheit im Sechserraum –  ad acta gelegt und ein flügel- und flankenlastigeres 4-4-2 genutzt. Klose und Djordjevic dienten insbesondere für Hereingaben in den Strafraum und für Ablagen im letzten Drittel, Biglia und Parolo im Sechserraum übernahmen zusätzlich zu ihren bisherigen Aufgaben auch jene von Ledesma.

Besonders Biglia kümmerte sich immer wieder um das Aufbauspiel, hielt sich offensiv zurück und sorgte für viele Seitenwechsel und Spielverlagerungen. Dazu schob Candreva vom rechten Flügel vermehrt in die Halbräume und ließ sich auch zurückfallen, wobei die defensiven Halbräume und die Flügelräume neben den Innenverteidigern sehr oft geschickt von den Außenverteidigern gefüllt wurden. Das ermöglichte auch einzelne Vorstöße der Innenverteidiger und insgesamt eine sehr stabile Ballzirkulation, welche Napoli kaum noch geschickt pressen konnte und wollte.

Lazio probierte nach wie vor einzelne Male in die Mitte zu kommen, die Flügelbewegungen waren aber deutlich passender und wurden mit fortschreitender Spieldauer stärker fokussiert. Die vielen Flanken, Hereingaben und Flügelkombinationen führten letztlich jedoch fast nur zu Halbchancen. Napoli reagierte außerdem gut auf die Umstellungen; die Strafraumverteidigung war sehr gut, gegen den Ball ließ sich Higuain zurückfallen und es entstand ein 4-4-2-0, welches auf die maximale Kontrolle der Zwischenlinienräume und Mitte ausgelegt war. Dazu passend wechselte Benitez Mertens aus und brachte Hamsik ins Spiel.

Fortan gab es nur noch wenige Entlastungsangriffe Napolis und kaum Chancen. Dafür standen sie ungemein kompakt und tief, verhinderten sämtliche guten Chancen Lazios und trotz insgesamt zwanzig Abschlüssen der Römer kam die Elf von Rafael Benitez in der zweiten Halbzeit nie in wirkliche Bedrängnis. Lazios Einwechslungen von Pereirinha (für Cavanda) und Cataldi (für Parolo) veränderten formativ kaum etwas, sie sollten lediglich mit frischen Beinen und einer etwas offensiveren Orientierung die Stürmer stärker unterstützen, was ohne Effekt blieb.

Benitez brachte in der Schlussphase noch Jorginho für De Guzman und Zapata für Higuain, was wegen der enormen Öffnung Lazios in der Schlussphase beinahe noch das 2:0 besorgt hätte. Insgesamt brachte Napoli das Spiel souverän über die Zeit, obwohl sie vor der Halbzeitpause eine Schwäche hatten und letztlich kaum noch etwas für die Offensive taten. Lazio hätten etwas bessere strukturierte Offensivbewegungen gut getan.

Fazit

Ehrenspielverlagerer Nikos Overheul vom niederländischen Blog Catenaccio schrieb in einem Vorbericht für FOX Sports, dass „die Römer einen pragmatischen Fußballstil spielen, den man vor allem bei Abstiegskandidaten sieht, allerdings auf höherem Niveau“.  Hierbei führt er aus, dass sie u.a. viele lange Bälle nutzen, insgesamt aber eine saubere und stabile, wenn auch simple Mannschaft in allen Spielphasen sind. Dies war auch in diesem Spiel zu erkennen. Ihr 4-3-3 gegen den Ball war flexibel, insgesamt aber simpel strukturiert. Ähnliches war bei den Angriffen in eigenem Ballbesitz und in den Umschaltmomenten der Fall. Ihr Problem war der frühe Rückstand. Danach konnte Napoli das Spiel dominieren und nach einer Schwächephase mit ungeordnetem, tieferem Pressing stellten sie komplett auf ein sehr effektives Abwehrpressing um, welches für den Sieg ausreichte.

Cali 18. Januar 2015 um 23:27

Was hält man hier von Benitez? Ich für meinen Teil bin immer wieder über die tolle Organisation seiner Teams überrascht. Einer der besten Defensivtrainer weit und breit.

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