Rezension: Coaching the Tiki Taka Style of Play

Das Buch „Coaching the Tiki Taka Style of Play“ hat weltweit einigen Erfolg gefeiert, auch wenn es heutzutage eher unbekannt ist. Die Ursache für den Erfolg dieses leider in Deutsch nicht erhältlichen Buches dürfte neben der Struktur auch die mainstreamige Themenwahl sein: Wie lehre ich meinen Spielern das Tiki Taka? Doch vermittelt das Buch dies wirklich ansprechend?

Perfekte Struktur und schönes Design

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Auffällig beim Buch ist, wie angenehm es zu lesen ist. Viele Bücher oder Artikel (sprich meine) sind beispielsweise inhaltlich womöglich gar nicht so schlecht, enttäuschen aber sprachlich und vom Aufbau her. Selbst ein eventuell guter Inhalt wird dann nicht gelesen. Bei Jed Davies‘ Buch ist das nicht der Fall. Viele Grafiken und Zitate aus unterschiedlichen Quellen sorgen im Fließtext immer wieder für Ablenkung, sind aber nie unpassend oder verwirrend.

Das Buch beginnt mit einer kurzen Vorstellung des Autors und einem lesenswerten Artikel von Jonathan Wilson zum „pass and move“-Stil sowie dessen historischer Entwicklung. Auch der Autor baut immer wieder Ausflüge in die Entstehungsgeschichte des „Tiki Taka“ ein. Das gesamte dritte Kapitel beschäftigt sich mit unterschiedlichen Mannschaften und Trainern, welche das organisierte Kurzpassspiel propagiert haben. Ob Archie McLean, Gusztav Sebes oder Pep Guardiola; allesamt werden kurz und lesenswert behandelt.

Ein Beispiel aus dem Geschichtskapitel

Ein Beispiel aus dem Geschichtskapitel

Dennoch ist dies nur ein kleiner Ausflug. Für die meisten dürften Kapitel zwei und vier die wichtigsten im Buch darstellen.

Trainingsübungen aus aller Welt

In Kapitel zwei (auch wenn ich die Übungen eher ans Ende oder ins vorletzte Kapitel gestellt oder sie generell in den Fließtext eingebaut hätte) dürfte wohl für die meisten Trainer das Entscheidende zu lesen sein: Die Trainingsübung. Persönlich bin ich gegen ein solches Sammeln und Aufnehmen von Übungen; jede Übung muss an die eigene Trainingsphilosophie, die besonderen Eigenschaften des vorhandene Spielermaterials und die Möglichkeiten angepasst werden. Allerdings sind die Übungen selbst sehr gut und können auch einfach an die speziellen Bedürfnisse jedes Trainers angepasst werden.

Lesenswert sind die Übungen auch, weil sie aus den Jugendakademien von Barcelona, Liverpool , Wigan, Ajax, Villareal, Athletic Bilbao, Feyenoord (eine Sprintübung Raymond Verheijens) und Swansea stammen. Es wurden quasi aus Beobachtungen und Recherche all der Trainingsübungen in diesen Mannschaften die besten herausgefiltert. Jed Davies reist nämlich nach eigener Aussage durch die Welt und hospitiert sich durch die Fußballgeschichte, was ihm solche interessanten Einblicke ermöglicht.

Beispielhafte Trainingsübungen aus dem Buch

Beispielhafte Trainingsübungen aus dem Buch

Bei Beschreibung der Übungen ist desweiteren der Aufbau der Beschreibung außerordentlich nützlich. Es sind nicht nur einzelne Abbildungen und Übungen, sondern auch die Erklärung, wie diese Übung anzuwenden ist, worauf die Trainer achten müssen, was damit erreicht wird und welche Variationen dieser Übungen es gibt. Dies ist zwar nicht in allen Übungen vorhanden, doch bei eigentlich allen relevanten sind die beschriebenen „Coaching Points“ ausreichend und sämtliche Übungen sind spätestens auf den zweiten Blick verständlich.

Mit fünfzig Übungen und den Variationen dieser Übungen können die meisten wichtigen Trainingsaspekte trainiert werden. Besonders löblich: Die Übungen sind allesamt mit Ballfokus und lehren nicht nur technische, sondern trainieren auch bewusst taktische und physische Komponenten gleichzeitig. Persönlich finde ich nicht alle Übungen perfekt (bei der Übung zum Pressing sollten beispielsweise die Trigger nicht vom Trainer ausgerufen werden und eine Sekundenbegrenzung für das Pressing sollte nicht so dogmatisch angewendet werden), alles in allem ist der Übungskatalog eine sehr sinnvolle Ergänzung für jeden Trainer und eine hochwertige Informationsquelle für mögliche Übungen.

Um eigene Übungen anhand der im Buch vermittelten Grundprinzipien erstellen zu können, dient Kapitel vier, welches womöglich den Kern des Buches darstellt.

Tiki-Taka-Taktiktheorie

In Kapitel vier befindet sich nämlich etwas, welches vielen Coachingbüchern fehlt und diese dadurch in meinen Augen kaum noch nutzbar macht: Eine detaillierte Beschreibung von grundsätzlichen taktisch-strategischen Punkten. Ohne diese Erklärung ist es nicht möglich den Spielern Fähigkeiten und Richtlinien effektiv zu vermitteln, weil es an den Zielsetzungen und Rahmenbedingungen fehlt.

Das Training von Jugendspielern ohne Berücksichtigung wichtiger strategischer Punkte wie dem Herstellen von effektiven Verbindungen, Kompaktheit, Kettenspiel, Raumdeckung, usw. usf. ist schlichtweg nicht möglich. Glaubt man einigen Coachingbüchern – und leider sind die Ausnahmen selten –, so trainieren die Autoren anscheinend weitestgehend ausschließlich die Technik isoliert von der Umsetzung dieser Technik auf dem Platz und in Relation zu den Mitspielern.

„Coaching the Tiki Taka Style of Play!” hingegen vermittelt in fast achtzig Seiten die Grundprinzipien der Spielidee. Zwar stimme ich persönlich nicht mit allem überein, doch die meisten Dissonanzen sind Definitions- und Geschmackssache. Dieses theoretische Kapitel ist übrigens trotz der Länge und Detailtiefe nicht langatmig: Die Erklärungen sind angereichert mit Interviews, Fallstudien, Grafiken und Beispielen aus dem Spiel.

Taktiktheorie zur Positionsfindung und Guardiolas positionellem Schema bei Barcelona

Taktiktheorie zur Positionsfindung und Guardiolas positionellem Schema bei Barcelona

Interessant ist diesbezüglich auch, dass Jed Davies „Tiki Taka“ und nicht „Juego de Posicion“ im Buchtitel stehen hat. Und er hat Recht: Seine Übungen und die Taktiktheorie vermitteln zwar einzelne Prinzipien zum „Positionsspiel“, allerdings fehlt es dennoch am taktischen Rüstzeug, um mithilfe dieses Buchs das Positionsspiel in eine Mannschaft einbauen zu können. Das ist allerdings keineswegs eine destruktive Kritik, sondern eine Feststellung.

Einer Mannschaft das Positionsspiel zu vermitteln und es erfolgsstabil aufzubereiten, ist enorm schwierig und komplex. Davies hat die richtige Mischung aus grundsätzlichen Prinzipien, die in allen Spielphilosophien anwendbar sind und einem gesunden Fokus auf die Entwicklung der Spieler und des Kombinationsspiels generell.

Eine lesenswerte Erklärung zum Pressing

Eine lesenswerte Erklärung zum Pressing

Fazit

Einzelne Punkte wie das differenzielle Lernen oder andere Aspekte in der Taktiktheorie und Trainingslehre (Periodisierung bspw.) fehlen zwar, doch alles in allem dürfte Jed Davies‘ Buch wohl das weltweit beste seiner Zunft sein. Davies hat sogar im ersten Kapitel eine evidenzbasierte Begründung für die beschriebenen Punkte seiner Trainingsphilosophie, u.a. interessante Studien zur Wirkung von Kleingruppenspielformen oder kognitivem Training.

Die Mischung aus grundsätzlichen Punkten in der Trainingsmethodik, der Geschichte des organisierten Kurzpassspiels, vielen guten Übungen und noch einem Schuss Taktiktheorie zum Abschluss weiß zu überzeugen. Durch das sehr schöne Design, die elegante Aufarbeitung und die reichhaltige Abwechslung durch Interviews, Themenvielfalt, etc. ist das Buch auch sehr einfach zu lesen. Der Preis ist mit annährend 30 Euro etwas teuer, doch persönlich finde ich, dass es trotzdem zweifellos eine Kaufempfehlung wert ist.

Otmar Glauninger 5. Mai 2018 um 10:56

Lieber Autor dieses Artikels,
“ die besonderen Eigenschaften des vorhandene Spielermaterials und“
Fussballspieler sind Sportler, und in erster Linie Menschen, und kein „Material“ deshalb ist dieser Wortwahl Grundsätzlich zu streichen.

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Koom 8. Mai 2018 um 14:10

Das ist ein Forum, dass sich mit sachlicher Analyse beschäftigt. Da sind solche abstrakt zu verstehenden Begriffe ziemlich in Ordnung.

Ernsthaft: Man muss nicht jede Seite im Internet durchforsten und mit Genderisierung und korrekter politischer Korrektheit um sich werfen. Das ist einfach nur ermüdend und bescheuert.

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tobit 9. Mai 2018 um 13:32

Don’t feed the Troll

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gamB 1. Januar 2015 um 23:27

So richtig einig scheinen sich die Autoren bei der Analyse von Guardiolas „Positional Play“ nicht zu sein.
Während hier im Artikel das Spielfeld, bzw. die Raumaufteilung ein 9×7 Feld ist, sieht es bei der Analyse (von euch vor kurzen vorgestellt) aber anders aus.
https://spielverlagerung.de/wp-content/uploads/2014/12/TikiTakaTaktiktheoriePositionsfindung.png
und
https://spielverlagerung.com/wp-content/uploads/sites/2/2014/12/pep-field.png

Worin begründet sich der Unterschied?

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RM 2. Januar 2015 um 00:06

„Positional Play“ ist ein mehrdeutiger Begriff. Hierzulande wird „Positionsspiel“ ebenso wie „Positiespel“ in den Niederlanden nicht für das Offensivkonzept, sondern für das offensive Bewegungs- und Stellungsspiel genutzt. Verbeek nutzt es mWn z.B. für beides. Es gibt sogar noch ein drittes, verwirrendes Synonym: Positionsspiele in der Trainingslehre. Die Homepage des AZ Alkmaar hat Positiespel einmal sogar schlichtweg als das Passspiel unter Gegnerdruck bezeichnet. Googelt man „Positional Play“ findet man auch viel zum Bewegungsspiel von Stürmern. So scheint Moyes wörtlich von Welbeck verlangt zu haben, sein „Positional Play“ zu verbessern.

Oder hier Di Maria in einem Interview:
„For example, I’m trying to improve my positional play: when to pressure and when to back off, when to open up the pitch, when to close it. As an attacker, you can’t just be happy to beat players. You want to make an all-round contribution to the team.“

Ich unterscheide darum bei diesen Synonymen von Positionsspiel wie folgt: 1) Positionsspiele im Training, 2) Positionsspiel als positionsspezifisches Bewegungsspiel und 3) konzeptionelles Positionsspiel = „El Juego de Posicion“.

„Positional Play“ gibt es übrigens auch im Schach.

Jed Davies‘ Aufteilung hat eigentlich eben nichts mit dem „Juego de Posicion“ zu tun, sondern einfach generell mit den Bewegungen und Rollen der Spieler in ihren Positionen (= positionsspezifisches Bewegungsspiel). Zur Vereinfachung hat er dazu eben ein solches Raster entworfen. Außerdem stammt Davies‘ Aufteilung nicht von Pep selbst, sondern aus seiner eigenen Analyse; das Bild von uns ist aus dem Buch von Marti Perarnau entnommen, ich habe desweiteren Perarnau persönlich getroffen und mit ihm auch darüber geredet. P.S.: Nimmt man bei Davies die sechs zentralen Zonen zusammen zu drei zentralen Zonen, hat man auch Mitte und Halbräume, nur minimal verschoben (breitere Halbräume, engere Mitte).

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gamB 2. Januar 2015 um 01:45

Danke für die umfangreiche Antwort. Ich hoffe ich habe dir damit nicht den Abend verdorben 😉

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Pongo 31. Dezember 2014 um 12:51

erinnert mich stark an coach di bernardo http://coachdibernardo.com
entweder haben beide die selben gedankengänge, kennen sich gut oder einer schreibt vom anderen ab?!
schau dir mal die seite und seine bücher an.

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