Der Frankfurter Lehrmeister besiegt den Bremer Schüler

Eintracht Frankfurt gegen Werder Bremen, das war auch das Duell von Lehrer Schaaf und Schüler Skripnik. Die taktische Verwandtschaft war nicht zu verkennen, doch Schaafs Raute war jener seines Schülers überlegen.

Mit Einflüssen ist das so eine Sache im Fußball. Auch wenn es nur wenige (fußball-)philosophischen Schulen gibt wie bspw. in der Wissenschaft, beeinflussen sich Trainer doch gegenseitig. Vor allem frühere Spieler, die einst unter einem Coach aufblühten, übernehmen als Trainer so manches von ihrem alten Lehrmeister. Auch bei Victor Skripnik ist dies der Fall. Im direkten Aufeinandertreffen mit seinem alten Lehrmeister Thomas Schaaf waren taktische Gemeinsamkeiten nicht zu verkennen.

Zweimal die Raute

bremen frankfurtBeide Trainer schickten ihre Teams in der berühmt-berüchtigten Raute auf das Feld. Während in der Theorie beide Formationen sehr ähnlich waren, wurden sie in der Praxis jedoch unterschiedlich interpretiert. Dies trifft vor allem auf die Rolle der Achter zu: Die Bremer Achter Fritz und Junuzovic agierten bei Ballbesitz recht zentral. Es herrschte dabei eine klare Aufgabenteilung: Fritz agierte etwas tiefer, während Junuzovic immer wieder nach vorne stieß.

Mit dieser Ausrichtung waren die Bremer etwas vertikaler als die Frankfurter, die ihre Achter bei Ballbesitz als Flügelspieler nutzten. Aigner und Inui schoben weit nach Außen und versuchten, simple Kombinationen mit den Außenverteidigern zu starten. Mit Doppelpässen und Dribblings versuchte Frankfurt, an die Grundlinie durchzubrechen und von dort die hochgewachsenen Seferovic und Meier zu bedienen. Ab und an rückte auch Seferovic nach links bzw. Stendera nach rechts, um die Flügelkombinationen zu unterstützen.

Frankfurts Ausrichtung etwas effektiver

In anderen Aspekten glichen sich die Teams. Auf beiden Seiten übernahmen die Achter defensiv die Flügelverteidigung und beide Teams hatten eine leichte Asymmetrie im Angriffsspiel (Frankfurt links, Bremen rechts). Doch während Bremen wesentlich direkter und konterlastiger agierte, bereiteten die Frankfurter ihre Angriffe besser vor. Sie nutzten Spielverlagerungen und Vorstöße der Außenverteidiger, um in gute Positionen für Flügelangriffe zu gelangen.

Bremen hingegen wirkte etwas hektisch. Bartels bewegte sich im Sturm oft nach rechts, wurde dabei aber selten optimal eingebunden. Vor allem fehlte offensiv die Präsenz im rechten Halbraum, um die eigene Rechtslastigkeit effektiv auszuspielen. Dabei bot die Frankfurter Raute genau hier Lücken. Auch Spielverlagerungen waren Mangelware. So hing Stürmer Selke meist in der Luft.

Bremens Wiesenhof im eigenen Sechzehner

Frankfurt wirkte daher lange Zeit gefährlicher, auch wenn ihr einziges taktisches Stilmittel Flanken und Flügelangriffe waren. Doch besonders auf links war Oczipka offensiv recht präsent, zumal seine Flanken gewohnt präzise in den Strafraum kamen. Aber auch Chandler machte einigen Druck über rechts.

Das vielleicht spielentscheidende Element war am Ende nicht die Frankfurter Stärke, sondern die Bremer Probleme im eigenen Strafraum. So war die Besetzung in vielen Situationen suboptimal; Lukimya und der eingewechselte Caldirola standen zu nah aneinander, sodass oft ein Frankfurter für Nachschüsse freistand. Allgemein wurde der dritte Mann im eigenen Sechzehner eher lose bewacht. Zusammen mit Stockfehlern und verlorenen Kopfballduellen war dies eine explosive Mischung, die in der zweiten Halbzeit explodieren sollte.

Bremen kassiert fünf

Vor der Pause konnte Bremen nach der Frankfurter Führung noch den Ausgleich nach einer Ecke erzielen. Zuvor gelang es ihnen das erste Mal, eine schöne Ablagen-Kombination durch den Halbraum aufzuziehen. Doch nach der Pause kamen die Probleme im eigenen Strafraum voll zum Vorschein. Sämtliche Gegentore fielen entweder direkt oder indirekt nach einer Hereingabe.

Frankfurt hatte zudem das große Glück, dass Werder nach dem Rückstand etwas aufmachte. Nach knapp einer Stunde ging Junuzovic als hängender Stürmer nach vorne, Bartels ging auf die Linksaußen-Position. Defensiv agierte Bremen weiter in einer Raute, offensiv war es hingegen durch die höhere Rolle Junuzovic‘ und Bartels eher breiten Rolle ein verschobenes 4-2-3-1.

Mit der neuen Formation gelangte Bremen besser in die Halbräume, zumal Frankfurt keine Anstalten machte, die Achter nach der eigenen Führung weiter zurückzuziehen. Hasebe hatte Probleme, die Halbräume gegen Junuzovic‘ flexiblere Rolle zu sichern. Auch Kroos stieß nun aktiver mit nach vorne, was bspw. zu seinem Pfostentreffer aus dem Rückraum führte.

Doch spielentscheidender waren in der Folge die Konterräume, die Bremen bereitwillig öffnete. Aigner zockte nun vermehrt auf rechts hinter den aufrückenden Garcia und Bartels und wurde dafür mit mehreren Chancen belohnt. Dadurch dass Bremens Innenverteidiger an und im Strafraum praktisch keine Zweikämpfe gewannen, konnte Frankfurt ohne große Mühe erhöhen. Zwar ließen sie kurzzeitig selber die Zügel schleifen und ermöglichten den Anschlusstreffer durch Caldirola. Doch am Ende war die Führung zu hoch und die Löcher in Bremens Defensive zu augenfällig.

Fazit

Der Meister besiegt den Schüler. Schaafs flügellastige Raute hatte am Ende klar die Oberhand gegen Werders instabiles Gebilde. Skripnik hat noch immer Mühe, seinem Team die richtige Balance einzutreiben. In dieser Partie waren die Bremer Vertikalangriffe eher mau, während die eigene Defensive beträchtlich wackelte. Skripnik mag zugutegehalten werden, dass er aufgrund zweier früher Verletzungen personell und taktisch kaum mehr eingreifen konnte. Dennoch: Bremen muss die eigene Stabilität, die zuweilen aufblitzt, konstanter auf den Platz bringen, um nicht ständig zwischen Genie und Wahnsinn zu schwanken.

Paul 10. Dezember 2014 um 12:00

Über den Stockfehler komme ich nicht hinweg… Begegnet einem immer häufiger.
Gemeint ist wohl eine fehlerhafte/unsaubere Ballannahme – also wenn überhaupt dann Stoppfehler…

Stöcke sind hier wirklich nicht im Spiel.

Antworten

blub 10. Dezember 2014 um 12:22

Das heißt Stockfehler, weil da das kombinationsspiel stockt….
#odersoähnlich

Antworten

Wasserkocher 10. Dezember 2014 um 12:44

Der Stockfehler kommt aus dem Hockey (wenn ich meinen Schläger = Stock bei der Ballannahme zu hoch halte). Seit langem wird das im Sportkommentatorendeutsch als Synonym für jeden Konzentrationsfehler im Umgang mit Ball / Ei / Puck verwendet.

Antworten

Wolfgang Würz 8. Dezember 2014 um 16:57

Gute Analyse; Schaaf hat ja zunächst in Frankfurt defensiver spielen lassen, vielleicht um zu beweisen, dass er das auch kann. Nur hatte er nicht die Spieler für diese taktische Variante, zumal die vertikalen Anspiele häufig daneben gingen und gegnerische Angriffe die Verteidigung von einer Verlegenheit in die andere stürzte. Hasebe und Inui in der Mitte waren ganz leicht auszurechnen. Mit der offensiven Ausrichtung seit dem Spiel gegen die Bayern finden alle Spieler zu besserer individueller Qualität und die horizontalen Angriffe über die beiden Flügelzangen, sowie die hochstehende Abwehrreihe passen gut zusammen. Vor allem Stendera hat dem Spiel der Eintracht gut getan, er kann ein Spiel steuern und mit Tempowechseln und langen Pässen auch Überraschung ins Spiel bringen. Diese Fähigkeiten gehen Medo und Igno ab. Inui ist auf der Aussenbahn sehr gut aufgehoben und Aigner findet sich mit Chandler langsam zusammen. In dieser Form kann die Eintracht im oberen Mittelfeld bestehen, zumal mit Carlos Zambrano noch eine Abwehrverstärkung zurückkehren wird.
Bremen hat gut mitgehalten; das Spiel hätte auch 7 zu 5 ausgehen können. Ein schönes Spektakel für die Fans!!

Antworten

Mananski 8. Dezember 2014 um 16:14

Wow, bei der Eintracht läufts wieder!
Ich war ja Schaaf gegenüber sehr kritisch am Anfang, spielerisch war das nix und man hatte mehr Punkte als man verdient hatte. Inzwischen scheint er aber ein System gefunden (Raute mit Meier vorne, Stendera 10 und zum Glück nicht mehr Russ oder Medojevic auf der 6) zu haben, in das alle wichtigen Spieler reinpassen und kann konstruktiv spielen lassen. Dazu sind Spieler wieder in Form gekommen (Oczipka, Inui) oder oder wieder da (Stendera, Kittel). Seferovic ist wahrscheinlich der beste Stürmer in Frankfurt seit Tony Yeboah, Wiedwald ein erstaunlich guter Trapp-Ersatz und Alex Meier einfach ein Phänomen, der sich in den letzten 4 Jahren zu einem richtig guten Scorer entwickelt hat.
Wenn die Eintracht mit der Formation und dann hoffentlich bald wieder Zambrano weiter spielen kann, ist vielleicht wieder die Euroleague drin.

Antworten

Goalimpact 8. Dezember 2014 um 07:49

Schade das Sternberg auf der Bank saß. Der hatte beim 4:0 zu gefallen gewusst.

Antworten

Grabbe 8. Dezember 2014 um 01:22

Als Frankfurt-Fan sind meine Analysefähigkeiten sicher nicht auf Höchstniveau in diesem Fall, aber ich finde die Rolle von Seferovic durchaus hervorhebenswert, wie auch hier kurz angeklungen. Während er sich in der 1. Halbzeit noch häufig nach links rausbewegt hat, aber da eher auf Durchbrüche gegangen ist, fielen 3:1 und 5:2 nach Kombinationen mit Seferovic auf der rechten Seite. Gerade im Vergleich zu den Bremer Stürmern zu bemerken.
(Und natürlich schöne Analyse!)

Antworten

WerderFan 9. Dezember 2014 um 11:01

Was haltet ihr eigentlich von Phillip Bargfrede?

Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Wasserkocher Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*