Real bezwingt Liverpools B-Anzug mühelos

1:0

In einem Spiel zweier eher passiver Pressinginterpretationen neutralisiert sich die Offensive Liverpools selbst. Real gewinnt souverän und hätte noch deutlich mehr Treffer erzielen können.

Liverpool im 4-5-1/4-3-2-1 und guter Anfangsphase

Die Aufstellung und die taktische Ausrichtung bei Liverpool schienen auf Schadensbegrenzung aus zu sein. Kapitän Steven Gerrard, Jungstar Raheem Sterling und andere nominelle Stammspieler wie Jordan Henderson, Mario Balotelli, Dejan Lovren oder Glen Johnson wurden nicht eingesetzt. Die grundsätzliche Spielweise gegen den Ball wie auch die eingesetzten Spieler waren aber keinesfalls schwach; Lazar Markovic und Adam Lallana auf den Flügeln, die herausrückenden Achter Emre Can und Joe Allen, Mittelstürmer Fabio Borini und Sechser Lucas Leiva präsentierten sich ziemlich gut – die ersten 15 Minuten.

Real Madrid vs Liverpool - Grundformationen

Grundformationen

Ursache dafür waren Probleme im Rhythmus bei Real, die mangelnde Vertikalkompaktheit und Intensität im Pressing und die Präsenz Liverpools in den ersten zwei Linien. In der Anfangsphase konnte Real nicht die Löcher in der Formation Liverpools bespielen, ließ sich von den herausrückenden Achtern und den kurzzeitigen kompakten 4-3-2-1-Staffelungen zur Seite lenken und das Mittelfeld im 4-4-2-Pressing agierte zu weit weg von den beiden Stürmern.

Dadurch hatte Liverpool überraschend viel Ballbesitz und Stabilität in der ersten Aufbauphase. Can rückte von halbrechts häufig in die Mitte und unterstützte Lucas, der sich wiederum nahe an den beiden Innenverteidigern positionierte. Javier Manquillo und Alberto Moreno auf den Außenverteidigerpositionen standen ebenfalls eher tief, Joe Allen positionierte sich im linken Halbraum, wodurch die beiden Innenverteidiger immer fünf Anspielstationen in der Nähe hatten (sieben, wenn man Torwart und den jeweils anderen Innenverteidiger mitzählt). Darum konnte Liverpool in den ersten Spielminuten den Ball gut laufen lassen (und hatten mit der reinen Ballzirkulation im ersten Drittel generell keine größeren Probleme), doch schon hier zeigten sich Probleme in ihrer Ausrichtung.

Liverpool leidet unter dem Mangel an Offensivpräsenz, Real findet seinen Rhythmus

Diese Präsenz in den ersten zwei Linien zu Beginn des Aufbauspiels war aber teuer erkauft. Auch wenn sie sich einige Male gar aus engen Situationen kurz vor der Mittellinie sehenswert befreien konnten, gab es spätestens dann keine Anspielstationen mehr in die Spitze. Borini bewegte sich eher horizontal und wollte Tiefe geben, der Zwischenlinienraum bei Real war komplett frei und niemand von Liverpool besetzte diesen. Meistens versuchte Borini auf die linke Seite auszuweichen, dort zu überladen und sich anzubieten. Grundsätzlich war diese Ausrichtung logisch: Moreno ist ein herausragender Linksverteidiger, Markovic sollte mit seiner Dynamik von der rechten Seite aus diagonal hinter die Abwehr kommen können, Lallana unterstützte Borinis Ausweichen und Morenos Aufrücken auf links, was von Allen abgesichert wurde. Nur: Einen Effekt hatte es nicht. Mit Alvaro Arbeloa, Raphael Varane, Luka Modric auf halbrechts und James Rodriguez (im Wechsel mit Isco) als rechtem Flügelstürmer sowie dem grundsätzlich passablen ballorientierten Verschieben war Real immer ausreichend präsent, um diese Angriffsversuche im Keim zu ersticken.

In diesen Situationen war Liverpool schlichtweg zu isoliert und hatte kaum mehr als 1-2 Anspielstationen für den Ballführenden. Generell waren die schlechten Staffelungen und die dadurch verlorenen Verbindungen das Grundproblem der Engländer. Die Flügelstürmer Liverpools rückten überraschenderweise kaum in den Zwischenlinienraum. Sie bleiben vergleichsweise breit, gingen erst  bei Aufrücken der Außenverteidiger – und selbst dort nicht immer oder mit gutem Timing – in den Halbraum und letztlich hatte Liverpool kaum zentrale Angriffe, kaum gute Verbindungen im Kombinationsspiel und nicht einmal die nötige Präsenz, um einzelne Konterversuche durchzubringen.

In der Zwischenzeit fand Real seinen Rhythmus. Luka Modric und Toni Kroos fanden sich besser ein bei ihrem mannorientierten Herausrücken auf die gegnerischen Mittelfeldspieler, Karim Benzema und Cristiano Ronaldo bewegten sich in der Pressingarbeit besser, im hohen Pressing wurde dadurch teilweise sogar ein 4-3-1-2 zu sehen; an sich blieb es aber beim 4-4-2, welches durch die etwas angepasste Kompaktheit und die herausragende individuelle Stärke Liverpool letztlich in Grund und Boden spielte. Alle Schüsse, die Liverpool in dieser Partie hatte, und es waren nur vier, fielen zwischen der 55. und 65. Minute.

Ansonsten war Real enorm souverän in allen Belangen. Ihr hohes Mittelfeldpressing stoppte Liverpool spätestens im Sechserraum, schob sie nach hinten oder zur Seite. Auf dem Flügel wurden sie isoliert, einzelne Durchbruchversuche wurden letztlich von Sergio Ramos und Varane aufgehalten. Besonders beeindruckend bei dieser Real-Mannschaft ist aber die Durchschlagskraft und Pressingresistenz des Kollektivs.

Egal, welche Staffelung Liverpool herstellte – vereinzelt gab es 4-4-1-1 oder auch 4-1-4-1-Formationen aus dem 4-5-1/4-3-2-1 heraus – oder wie sie Druck ausübten, Real schien sich problemlos aus fast allen schwierigen Situationen befreien zu können. Modric und Kroos bewiesen nicht nur ihre technische Fertigkeiten, sondern auch ihr enormes strategisches Geschick.

Isco ist ohnehin einer der besten Fußballer der Welt in engen Räumen, Cristianos Freirolle im Zentrum als hängende Spitze öffnete immer wieder Räume und erlaubte es dem Portugiesen seine Athletik auszuspielen. Er tauchte dort auf, wo es gefährlich werden konnte, die anderen Spieler fungierten allesamt als Balancespieler für ihn, aber diese Aufteilung war überaus stimmig und passend. Einzig die Chancenverwertung Reals funktionierte nicht. Deswegen schien auch Liverpools Trainer Brendan Rodgers Lunte gerochen zu haben, auch wenn seine Spieler es nicht taten.

Rodgers‘ Einwechslungen

Für Markovic, Can und Leiva kamen Steven Gerrard, Philippe Coutinho und Raheem Sterling in der Schlussphase. Mit letzteren beiden wollte man mehr Dynamik in Ballbesitz, mehr Durchschlagskraft durch ihre Schnelligkeit und Dribbelstärke sowie ein höheres, intensiveres Pressing aufziehen. Besonders Sterling ging mit gutem Beispiel voran. Gerrard auf der Sechs übernahm die Rolle Leivas, war aber deutlich präsenter und veränderte die gesamte Ausrichtung. Durchgehend suchte er nach langen Bällen, um diese hinter die Abwehr einzubringen und direkt in den Strafraum Reals zu kommen.

Dies funktionierte zwar nicht, hatte aber einen interessanten Folgeeffekt: Eine höhere Ausrichtung Liverpools. Es war die einzige Phase des Spiels, wo sich Real wirklich zurückzog und dem Gegner mehr vom Feld überließ. Problematisch war das allerdings nicht für die Galacticos; sie ließen keinen Torschuss zu, obgleich sie selbst in den letzten 15 Minuten auch nur noch einen verbuchen konnten. Der Sieg war allerdings nie gefährdet.

Fazit

Real überzeugte, aber schien sich zurückzuhalten. Nichtsdestotrotz kam man auf 27:4 Schüsse und fertigte Liverpool mühelos ab, denen zahlreiche grundlegende Dinge im Defensiv- und Bewegungsspiel zu fehlen scheinen.

mk 5. November 2014 um 15:13

Gute Analyse. Ich fand die 4-3-2-1-Formationen von Liverpool auch relativ effektiv, daher wunderte es mich, dass es das insgesamt nicht konstanter zu sehen gab. Ich hab vermutlich zum ersten Mal überhaupt Borini gesehen und fand ihn eigentlich ziemlich stark, aber besonders dann wenn er aus der eigenen Hälfte kam (oft mit Ball am Fuß im Umschalten, oder?), sodass er tatsächlich wenig Anbindung hatte. Man müsste vielleicht mal Benzema gegen die eigene Defensive spielen lassen, um zu gucken wie das dann mit dem Zwischenlinienraum aussieht. Vermutlich nicht so gut. Aber abgesehen davon ist Kroos-Modric schon nett…

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