Van Gaal mit Raute, Glück und de Gea gegen Martinez‘ Everton

2:1

Knapper und nur bei Betrachtung der ersten Stunde verdienter Sieg für United. Martinez stellte simpel, aber effektiv um und Everton hätte sich beinahe noch das Unentschieden geholt.

Van Gaals Raute

United begann einmal mehr in einem 4-3-1-2/4-1-2-1-2. Dafür nutzte Louis van Gaal mit Angel Di Maria und Antonio Valencia zwei nominelle Flügelstürmer, die beide schon als zentrale Mittelfeldspieler agierten, als Halbspieler in der Raute. Zwischen ihnen spielte Daley Blind als zentraler Zirkulationsspieler und Absicherung vor der Abwehr. Interessant war die defensive Bewegung dieser Formation.

Grundformationen

Grundformationen

Juan Mata auf der Zehn ließ sich häufiger zurückfallen und unterstützte situativ im Mittelfeld, wenn Löcher offen waren, während Robin van Persie und Falcao sich ebenfalls einige Male dynamisch zurückfallen ließen und ins Rückwärtspressing gingen. Im höheren Pressing hingegen unterstützte Mata meistens die beiden Stürmer, stand also höher und die Halbspieler der Raute kümmerten sich, wenn der Ball dann aus der Mitte auf die Seite kam, meistens um die gegnerischen Außenverteidiger. Häufig entstanden auch klare 4-3-Staffelungen mit den sich beteiligenden drei Akteuren davor; teilweise auch im flachen 4-3-3. Durch einige Mannorientierungen und das Verschieben der Stürmer auf die Seite entstanden vereinzelt (z.B. Minute 54) 4-4-2artige Gebilde und Staffelungen.

In Ballbesitz war man noch flexibler. Die Außenverteidiger schoben bisweilen sehr weit nach vorne und standen hoch, einige Male waren es aber auch die Halbspieler, welche auf die Flügel gingen, Breite gaben und über die Seiten attackierten. Vielfach wichen auch die beiden Stürmer kurzzeitig auf die Seite aus, um dort zu überladen oder sich als Anspielstation anzubieten, welche Ablagen auf den nachrückenden Außenspieler spielen konnte. Hierbei gab es eine leichte Asymmetrie im Spiel; Valencia spielte etwas simpler und linearer in seiner Rolle, Rafael rückte häufiger auf, auf links spielte Di Maria deutlich spielgestaltender und präsenter im letzten Drittel.

Alles in allem funktionierte die Raute eigentlich sehr gut. 10:1 Schüsse in der ersten Halbzeit sprechen eine klare Sprache; Uniteds 4-3-Formation in den ersten zwei Linien leitete Everton auf die Seite, das Zentrum wurde durch diese Ausrichtung immer sehr gut besetzt und im defensiven Umschaltmoment war man meistens passend abgesichert. Die beiden Innenverteidiger hatten neben Sechser Blind, häufig dem ballfernen Außenverteidiger und auch einem der beiden Halbspieler viel Unterstützung, das Gegenpressing funktionierte passabel und bei mangelnder Umsetzung stand man dennoch in den wichtigen Zonen der gegnerischen Konterstruktur kompakt.

Allerdings hatte Everton einmal mehr Probleme im Übergang von zweiten ins letzte Spielfelddrittel.

Evertons Stärken und Schwächen in der Defensive

Nominell formierten sich die Toffees in einem 4-1-4-1 gegen den Ball, in welchem Naismith mit Besic als Doppelacht vor Barry agierte. Die vielfach gesehene Ausrichtung mit einem zockenden Lukaku, asymmetrischen Ketten und einem 4-4-1-1/4-1-3-2 wurde also zu Spielbeginn nicht genutzt. Stattdessen spielte Lukaku relativ klassisch als Mittelstürmer, der sich etwas in Richtung linke Außenbahn und McNair orientierte, wobei es weiterhin kein klassisches 4-1-4-1 war.

Einerseits gab es viele herausrückende Bewegungen; die Flügelstürmer schoben bogenartig von der Außenbahn in Richtung Innenverteidiger, unterstützten ballnah den Mittelstürmer und ballfern das Mittelfeld, hinzu kamen zahlreiche herausrückende Läufe von Besic und Naismith im Zentrum. Andererseits fiel auch Barry häufig zurück und es gab kurzlebige Fünferreihen im ersten Drittel sowie generell zahlreiche Mannorientierungen, um direkt Zugriff auf Uniteds Spieler zu haben. Problematisch wurde dies aber, wenn Uniteds Positionsspiel gut funktionierte und man dadurch Räume öffnete oder wenn Di Maria an den Ball kam, der dann einfach mit seiner Dynamik, seinen Dribblings und seiner Kreativität für Vorteile sorgte.

Grundsätzlich war die Idee natürlich einleuchtend und intelligent; mit dem 4-1-4-1 konnte man die gegnerischen Innenverteidiger vorne teilen, Lukaku sollte wohl auch zurückfallend auf Blind unterstützen und generell das Spiel eher auf die Seiten schieben. Kam der Ball auf die Seite, verschob die Mittelfeldviererreihe zum Ball, der ballnahe Flügelstürmer presste auf den Außenverteidiger, die drei restlichen Spieler agierten gegen die drei zentralen Akteure Uniteds, ballfern wurde der Gegner in den Raum überlassen und mit Barry vor der Viererkette hatte man eine 5-gegen-3-Staffelung.

Die ausweichenden Läufe der Mittelstürmer, die Überladungsbewegungen in den Halbräumen und die Bewegung innerhalb der Formation Evertons sorgten dafür, dass diese Spielweise nicht konstant solide war. Allerdings ließ man in einigen Phasen auch nur Chancen nach Flanken und Halbchancen zu, wodurch der United ihre Schuss- und Feldüberlegenheit nicht konstant in Großchancen umsetzen konnte. Dennoch stellte Martinez zur Halbzeit um.

Roberto Martinez verändert die Pressingstruktur

Everton spielte nach dem Seitenwechsel aggressiver und weiter in der gegnerischen Hälfte. Sie pressten nun früher, höher und in einer anderen Staffelung. Waren sie zuvor im 4-1-4-1 gewesen und gingen öfter in asymmetrische Staffelungen aus dieser über, so spielten sie jetzt eher in einem klareren 4-3-3, in welchem die drei vorderen Spieler auf einer Höhe agierten. Einige Male standen die Flügelstürmer sogar höher, da sich Naismith als Mittelstürmer an Blind orientierte. Beinahe könnte man sagen, dass Naismith „mannabdeckend“ spielte, weil er sich direkt vor Blind stellte und diesen dadurch aus dem Spiel nehmen wollte.

Lukaku spielte in dieser Formation als Linksaußen, sollte hier vermutlich bei langen Bällen als Anspielstation agieren und Rafael hinten binden oder bei Kontern den Raum hinter dem Brasilianer bespielen. Einen besonderen Effekt hatte das nicht, außer dass United weniger vom Ball und vom Feld hatte, wodurch sich die offensive Präsenz der Red Devils legte. Ab der 52. Minute gab es nur noch einen einzigen Schuss Uniteds – und zwar das Tor. Everton hingegen profitierte von der taktikpsychologischen Intensität der Schlussphase und hatte in den letzten acht Minuten alleine schon fünf Schüsse.

Ihre sehr aggressive und vorwärtsorientierte Spielweise mit sehr aggressivem Pressing zahlte sich in dieser Phase aus, United konnte den Ball nicht mehr halten; das schaffte nur noch De Gea, welcher den Sieg festhielt. Etwas problematisch wirkte dabei die Umstellung van Gaals auf eine Art 4-2-3-1, in welcher Fellaini mit Blind die Doppelsechs bildete, wodurch aber die Aufbaustrukturen zerstört wurden. Uniteds Ballbesitzspiel fiel mit den Wechseln in sich zusammen, wobei Van Gaal wohl auf die Einwechslungen Osmans und Oviedos für Pienaar und McGeady reagieren wollte, welche eine klarere Besetzung der Flügelbahnen bedeuteten.

Fazit

Eine schwer zu bewertende Partie mit sehr guten Ansätzen Uniteds und einzelnen interessanten Aspekten im Spiel der Toffees, welche zuerst mit einem flexiblen 4-1-4-1 spielten, danach aber auf das 4-3-3 mit der Lukaku-Asymmetrie umstellten. Letztlich war es aber die Höhe und Intensität des Pressings, welche das Spiel veränderte und das Momentum Everton gab. Bei einem schwächeren Torwart als David de Gea an diesem Tag (und das sind ungefähr 99,9% aller Torhüter der Welt) kann Everton womöglich noch den Ausgleich erzielen. Uniteds Raute dominierte zwar lange das Spiel und konnte auch Chancen erzeugen, aber es mangelte an hochqualitativen Chancen und in der zweiten Spielhälfte kam man kaum noch ordentlich in Evertons Formation hinein.

Isco 5. Oktober 2014 um 20:38

Als Real-Fan zerdrücke ich täglich noch eine Träne, weil Di Maria nicht mehr da ist 🙁 Wie konnte man den nur abgeben?

Aber On-Topic: Was sagt ihr eigentlich zu Daley Blind? Mich hat er ehrlich gesagt recht überzeugt, ich kannte ihn vorher nicht wirklich gut, aber bisher zeigt er konstant gute Leistungen. MMn bietet er ein ziemlich gutes Gesamtpaket für diese Position.

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woody10 5. Oktober 2014 um 17:17

nette, kurze Analyse!

hab leider nur die Phase vor der Pause gesehen.
was ich dennoch anmerken will:
ich fand Mata nicht wirklich gut eingebunden, abgesehen davon, dass er sich mit der losen Mannorientierung Barrys herumschlagen musste. Vllt in der Theorie gar nicht mal so schlecht, aber in der Umsetzung mangelte es.
Auch die Bewegungen der Mittelstürmer find ich bei Uniteds Raute v.a. bzgl. der Spielercharaktere problematisch.
Fände es in Zukunft cooler, wenn Rooney wirklich hinter dem MS agieren würde, auf einer ähnlichen Höhe wie Mata–> Stichworte Entlastung, Balance, Synergien, Rochaden auch mit di Maria; der Argentinier dann hin und wieder auch wie ein Mittelstürmer.

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Partizan 5. Oktober 2014 um 21:27

Van Gaal sagte ja schon, das er Rooney nicht als Stürmer sieht, sondern auf der Position die heute Mata einnehmen durfte.
Aktuell lebt United von der individuellen Klasse di Marias, mit 88 Ballkontakten war er wieder der Spieler mit den meisten Ballkontakten, dazu spielte er die drittmeisten Pässe bei den Red Devils.
Gegen Teams wie Everton mag das noch reichen, wenn man Ende Oktober dann hintereinander auf Chelsea und City trifft, wird man sehen wo man in England national steht.

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Isco 5. Oktober 2014 um 21:57

Naja, Ander Herrera hat sich bisher auch sehr gut präsentiert, so wie bei Bilbao eigentlich die meiste Zeit. Wenn man den dann gegen Valencia austauscht ist es klar, dass Di Maria da sehr viel mehr Arbeit übernehmen muss.

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